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15.08.2000 Von Guido Heisner
Königsbrück. Sie haben ihre Spuren hinterlassen. Das Satellitenfoto von 1992, das Roland Schiller stets im Geländewagen liegen
hat, zeigt Hunderte Streifen und Linien auf dem 7 500 Hektar großen Gelände. Kaiserliches Heer, Wehrmacht und Rote Armee
haben den Truppenübungsplatz Königsbrück nördlich von Dresden in fast 100 Jahren in ein gewaltiges Strickmuster verwandelt.
"Millionen Kubikmeter Erde und Sand sind hier im Laufe der Jahrzehnte umgegraben worden", sagt Schiller, während er den
Geländewagen über die zerfurchten, scheinbar endlosen Wege steuert. Schiller arbeitet bei der Stiftung "Wald in Sachsen", der
seit 1997 fast das gesamte Gelände gehört. Sieben Jahre ist es her, dass die letzten GUS-Soldaten abgezogen sind. Als Schiller
Anfang der 90er Jahre erstmals offiziell den Truppenübungsplatz besichtigen konnte, glichen große Teile des Geländes einer
Mondlandschaft, ohne jede Vegetation. Heute ist davon kaum noch etwas zu erkennen. Die Natur hat sich ihr Terrain
zurückerobert.In vielen der durch die Panzer entstandenen Senken haben sich Tümpel und kleine Sümpfe gebildet. Seltene
Tierarten wie Kreuzotter und Elbebiber, Seeadler und Kraniche haben hier ein neues Zuhause gefunden. Einige Pilzsammler sind
in der Ferne zu erkennen. Ihr Hobby ist nicht ungefährlich, liegen doch, verstreut im Dickicht, noch immer Unmengen an Munition
offen umher. Verbots-Schilder werden einfach ignoriert. Auf einer Waldlichtung, eingegraben in einem Erdhügel, rostet einer von
ehemals acht oberirdischen Bunkern vor sich hin; bis 1987 lagerten SS-20-Atomraketen in ihnen. Der Tarnanstrich ist
abgeblättert, doch die Hydraulik der einen halben Meter dicken Stahltüren funktioniert noch immer. Nicht weit entfernt wuchert
zwischen zerbrochenen Betonplatten das Gestrüpp. "Früher standen auf den Platten die Raketen-Abschussrampen", erklärt
Schiller. Über die Symbole des Kalten Krieges ist Gras gewachsen. Königsbrück war bis zum Zusammenbruch des Ostblocks eines
der Kommandozentren des Warschauer Pakts. In der angrenzenden Röhrsdorf-Kaserne zeugen turkmenische Graffiti davon, dass
hier einst Soldaten aus dem gesamten Sowjetreich stationiert waren. Im Schnitt sollen es 15 000 gewesen sein. "Die Russen
haben alles mitgenommen, bis zum letzten Lichtschalter", sagt Schiller. In einem der ausgeräumten Sicherungskästen brüten
jetzt Vögel. Was die Soldaten daließen, war allerdings wenig erfreulich: So verseuchten vor einigen Jahren Chemikalien aus zwei
defekten Tanks das Grundwasser im gesamten Raum Königsbrück. Der größte Teil der Altlasten, darunter vier Millionen Stück
Munition, wurde jedoch bereits mit EU-Mitteln beseitigt. Für die Kaserne wie für die restlichen 740 der einst 800 Gebäude auf
dem Truppenübungsplatz gibt es keine Verwendung. Eine touristische Nutzung der militärischen Anlagen ist wegen der immer
noch existierenden Gefahren wenig wahrscheinlich. "Das will hier auch niemand", sagt Schiller, die meisten Menschen wollten weg
vom "Russen-Image". Und die vielen Berichte über Altlasten schreckten Investoren oder Neubürger ab. (ddp)
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