Wolfgang Huber Was treibt uns an? Zukunftsaufgaben von Diakonie und Sozialwirtschaft Bad Blankenburg, 10. Juni 2015 Was treibt uns an? Entweder die Furcht oder die Hoffnung erweisen sich als treibende Kraft unseres Lebens. Der antike Mythos berichtet von Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte. Das bleibt nicht ohne Folgen. Damit ist die Zeit zu Ende, in der die Menschen weder etwas zu befürchten noch etwas zu hoffen hatten. Nun wird Pandora geschaffen, die in ihrer Büchse alle Plagen auf die Erde bringt, zu denen als letztes die Hoffnung hinzugefügt wird. Prometheus, der „vorher Bedenkende“ warnt davor, diese Büchse zu öffnen. Sein Bruder Epimetheus dagegen, der „nachher Bedenkende“, hebt den Deckel von der Büchse der Pandora; die Goldene Zeit, die keine Leiden kennt, ist zu Ende. Der Mythos meint, der Deckel sei wieder verschlossen worden, bevor die Hoffnung aus der Büchse entweichen konnte. Doch die Menschen, die von den Plagen des Lebens betroffen sind, wissen nun auch von der Hoffnung. Was die Zukunft bringen wird, ist ungewiss; aber sie haben die Möglichkeit, sich angesichts dieser Ungewissheit zu entscheiden. Entweder sie lassen sich von den Plagen überwältigen und verfallen in Furcht; oder sie orientieren sich an der Hoffnung und nehmen die Gestaltung ihres Lebens in die Hand. Der antike Mythos macht deutlich: Das Unbekannte an der Zukunft ist ein starker Antrieb unseres Handelns. Es kommt allerdings darauf an, ob wir uns dabei von der Furcht überwältigen 2 lassen oder ob die Hoffnung uns bestimmt, ob wir dem Tod die Herrschaft über unsere Gedanken einräumen oder auf die Zukunft des Lebens vertrauen, über den eigenen Tod hinaus, in Verantwortung für das Leben kommender Generationen. Gemessen am Mythos des Prometheus hat der christliche Glaube eine eindeutige Perspektive in unsere Kultur eingebracht. Er nimmt die Verletzlichkeit der Menschen wahr; er achtet nicht nur auf die Starken, sondern ebenso auf die Hilfsbedürftigen. Er weiß: wir alle sind angewiesen auf die Hilfe anderer; aber wir können jedes Leben im Licht der Hoffnung sehen, deren Unterpfand die Auferweckung Jesu von den Toten ist. Die Hoffnung und die aus ihr gespeiste Solidarität mit den leidenden und verletzlichen Menschen ist der entscheidende Antrieb. Diese Hoffnung ist stärker als die Angst. Sie ist der Antrieb diakonischen Handelns und sozialer Zuwendung zu den Mitmenschen. Angst vor den Gefährdungen des Lebens oder Hoffnung für das Leben – so heißt die Alternative. In Deutschland kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, hier regiere die Furcht vor dem Erfolg. Alle Nachbarn beneiden unser Land um seine wirtschaftlichen Erfolge und seine vergleichsweise günstigen Zukunftsaussichten. Trotzdem legt sich ein Mehltau der Ängstlichkeit über das Land. Alle großen Themen werden unter dem Blickwinkel möglichen Misslingens betrachtet: Die Energiewende wird zu teuer, die höhere Lebenserwartung erzeugt einen Pflegenotstand, unzureichende Bildung produziert einen Facharbeitermangel, den Segnungen des Exportüberschusses ist auch nicht auf Dauer zu trauen. Wahrscheinlich muss man ziemlich 3 weit in der Weltgeschichte herumsuchen, um ein Land zu finden, dem es so gut ging und das so wenig Hoffnung ausstrahlte. Was treibt uns an – Angst oder Hoffnung? Hoffnung lässt sich nicht politisch verordnen. Sie kann nur in der Mitte der Gesellschaft Wurzel schlagen, dort, wo Empathie die Menschen zusammenführt, dort, wo das Eintreten für künftige Generationen sich in nachhaltigem Handeln niederschlägt, dort, wo Pluralität nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung wahrgenommen wird. Das Eintreten für die gleiche Würde jedes Menschen, die Aufmerksamkeit für die Verletzlichkeit der Mitmenschen, der Einsatz für Kinder wie für Alte: in solchem Handeln kann sich zeigen, ob Furcht oder Hoffnung uns antreibt. In dieser Alternative kann man nicht unentschieden bleiben. Man muss Partei ergreifen. Tritt man auf die Seite der Hoffnung, so bedeutet das nicht, die Befürchtungen gering zu schätzen, die uns umtreiben: Klimawandel, Umweltbelastungen, weltweite Gewalt, demographischer Wandel. Doch es kommt darauf an, in welches Licht man diese Herausforderungen rückt – ins Licht der Resignation oder der Zuversicht. An meiner Parteinahme in diesem Streit will ich keinen Zweifel lassen. Die Hoffnung treibt uns an. So heißt mein Leitgedanke. Unter diesem Leitgedanken frage ich nach Zukunftsaufgaben für Diakonie und Sozialwirtschaft in Thüringen und über Thüringen hinaus – denn in Thüringen kennen Sie alle sich besser aus als ich. Fünf Schlüsselthemen in der Debatte über Diakonie und Sozialwirtschaft will ich aufgreifen. Sie werden – so ist das heute – alle mit Fremdworten bezeichnet: Solidarität, Subsidiarität, Inklusion, Digitalisierung, Ökonomisierung. Ich will mich bemühen, jeweils den 4 harten Kern hinter diesen Schlagworten zu ermitteln, um herauszufinden, wie mit diesen Herausforderungen umzugehen ist. 1. Solidarität Eine der kürzesten Definitionen bezeichnet Solidarität als „Gesinnung einer Gemeinschaft mit starker innerer Verbundenheit“, als ein „Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden will“ (Alfred Vierkandt). Solidarität beruht auf Freiwilligkeit; in ihr nehmen Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe aus freien Stücken Gestalt an. Schon in solchen Versuchen, näher zu bezeichnen, worum es in der Solidarität geht, zeigt Zusammengehörigkeitsgefühl sich sich, dass in unterschiedlichen zwei dieses Gestalten ausprägen kann: als Zusammengehörigkeit einer Gruppe, die sich von anderen Gruppen abgrenzt, oder als Zusammengehörigkeit ohne Ausgrenzung. Die Solidarität von Interessengruppen grenzt sich ab. Auch dann, wenn die betreffende Gruppe fest davon überzeugt ist, verallgemeinerungsfähige Interessen zu vertreten, tritt sie doch zugleich als Kontrahent derjenigen auf, denen gegenüber die Interessen der Gruppe durchgesetzt werden sollen. Die Solidarität der Arbeitnehmer und ihr möglichst geschlossenes Auftreten in Tarifkonflikten sind ein Beispiel für diesen Aspekt der Solidarität. Uns allen steht vor Augen, was geschieht, wenn die gewerkschaftliche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen zerfasert. Diakonische Solidarität und andere Formen sozialer Solidarität stehen für den anderen Aspekt des Solidaritätsprinzips. Diese Solidarität stützt sich auf ein Menschenbild, das die unantastbare Würde des Menschen mit der Einsicht verbindet, dass der Mensch 5 ein soziales, ja ein sozial bedürftiges Wesen ist. Nicht nur von Menschen in bestimmten Lebenslagen – in Krankheit, Behinderung oder Alter – , sondern von allen Menschen gilt, dass sie verletzlich sind und gerade in ihrer Vulnerabilität als Ebenbilder Gottes Achtung und Wertschätzung verdienen. Das Bild vom Menschen, das ich mit wenigen Strichen gezeichnet habe, ist in den letzten Jahrzehnten von einem individualistischen Menschenbild überlagert worden. Selbstbestimmung wurde mit Selbstbezüglichkeit gleichgesetzt, die Person des Einzelnen wurde nicht in ihren sozialen Bezügen wahrgenommen, sondern Individualisierung galt als Kennzeichen von Autonomie. Freiheit sollte sich darin zeigen, dass sie gegen die Freiheit des andern abgesichert wurde. Der Staat sollte die nötige Sicherheit dafür schaffen, dass jeder „seines eigenen Glückes Schmied“ sein konnte. Auch helfendes Handeln wurde nicht als Ausdruck von Solidarität, sondern als soziale Dienstleistung angesehen. Das Klima wurde nicht nur an der Kasse des Supermarkts, sondern auch auf der Pflegestation kühl; an manchen unerfüllbaren Erwartungen von Angehörigen gegenüber den Pflegekräften zeigt sich dieser Übergang von einer gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung zu der erwarteten und eingeplanten Dienstleistung. Dass Menschen in Pflegeberufen nicht als Vorreiter von Solidarität, sondern aus Dienstleister angesehen werden, zeigt sich in der beschämend geringen gesellschaftlichen Reputation, die Pflegekräften nach wie vor zuerkannt wird. Natürlich kommt dieser Mangel an angemessener Wertschätzung auch in dem Entlohnungsgefüge in der Pflege zum Ausdruck. Als ich schon vor 6 Jahren in eine Diskussion darüber hineingezogen wurde, ob man einen Mindestlohn für die Pflege einführen müsse, hat mich das tief beschämt. Ich hatte das Gefühl, unserer ganzen Gesellschaft, damit aber auch mir selber, werde damit ein Spiegel vorgehalten, in dem wir mit einem ziemlich hässlichen, nämlich selbstbezogenen und unsolidarischen Gesicht zu erkennen waren. Die Zukunftsaufgaben im dramatischen Alterswandel der Gesellschaft lassen sich aber nur dann lösen, wenn Pflegekräfte nicht als Dienstleister, sondern als Partnerinnen und Partner in der gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung für pflegebedürftige Menschen wahrgenommen werden. Denn weder die Angehörigen noch die Pflegekräfte werden diese Aufgabe in Zukunft allein lösen können. Angehörige – zum Beispiel Töchter oder Schwiegertöchter – werden oft in einem Alter von sechzig bis siebzig Jahren für die Pflege der Elterngeneration in Anspruch genommen. In einer Lebensphase, in der sie einen Rentenanspruch erworben haben, werden sie mit dieser körperlich wie emotional anstrengenden Aufgabe konfrontiert. Sie sind ihr ohne Hilfe in aller Regel nicht gewachsen. Aber auch die professionelle Tätigkeit von Pflegekräften ist auf Ergänzung angelegt. Die Zeit, die sie einem einzelnen Patienten widmen können, ist begrenzt. Der Tag dieses Patienten aber ist lang. Warten ist die Haupttätigkeit pflegebedürftiger Menschen. Je weniger soziale Kontakte sie haben, desto länger warten sie. Der Beistand für Menschen, die der Hilfe bedürfen, ist ein elementarer Maßstab für die Humanität einer Gesellschaft. Die Reichweite der Solidarität war in früheren Phasen der Geschichte auf überschaubare Gemeinschaften konzentriert: die Familie, den Clan, das Dorf, den Stamm. Später weitete sich die Solidarität – also 7 das Gefühl der Zusammengehörigkeit mitsamt seinen praktischen Folgen – auf die Nation aus, teilweise mit nationalistischen Folgen. Reziproke Solidarität – also ein Patriotismus, der das eigene Land so liebt wie andere das ihre – hatte es, gerade in Europa, über lange Zeit schwer. Folgen dieser Schwierigkeit können wir in vielen politischen Zusammenhängen beobachten – in einer EuropaMüdigkeit ebenso wie in der Weigerung, aus der Globalisierung der Weltwirtschaft auch weltbürgerliche Folgen zu ziehen. Die Vorbehalte gegenüber globaler Solidarität klingen einleuchtend. Es wäre eine Überforderung jedes einzelnen, jeder Gruppe und auch jeder Nation, sich die Fürsorge für alle Menschen auf dem Globus auf die Fahne zu schreiben, heute also für 7 und bald schon für 9 Milliarden Menschen. Die Zahl der Menschen, für die wir als einzelne, aber auch als Einrichtungen der Diakonie oder der Sozialwirtschaft sorgen können, ist begrenzt. Wer für alle sorgen will, sorgt für niemanden richtig. Aber so wenig wir für alle sorgen können, so sehr können wir uns doch um alle sorgen. Diese Sorge um alle gründet in der Einsicht, dass jede und jeder gleich wichtig ist. Jeweils an unserem Ort ist die Sorge für bestimmte Menschen vordringlich; aber wichtig sind alle. Auch wenn wir nicht für alle sorgen können, sorgen wir uns doch um sie. Die Lebensbedingungen, unter denen sie existieren, sind uns nicht gleichgültig. Wenn sie sich zur Flucht aus ihrer Heimat genötigt sehen, geht uns das an. Wenn sie Schlepperbanden in die Hände fallen, müssen wir ebenso auf politische Hilfsmaßnahmen drängen, wie wenn sie als Flüchtlinge bei uns Beistand suchen. Der soziale Beistand, den Bürgerinnen und Bürger Deutschlands finden, und die Fürsorge für Menschen, die vor unhaltbaren Lebensumständen die 8 Flucht ergreifen, kann man insofern nicht gegeneinander ausspielen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat daraus eine weittragende Folgerung gezogen, indem sie Diakonie und Entwicklung als zwei zusammengehörige Aspekte in der sozialen Verantwortung der Kirche miteinander verbunden hat. Das „Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung“ bringt das zum Ausdruck. Im Schicksal von Flüchtlingen kommt uns diese Zusammengehörigkeit nahe. Wenn die Turnhalle gegenüber der Kirche zur Flüchtlingsunterkunft wird, kann die Gemeinde, die sich zum Gottesdienst versammelt, nicht anders, als die Flüchtlinge auf der anderen Straßenseite willkommen zu heißen. Andernfalls würde das Gebet, in dem das Schicksal von Flüchtlingen zur Sprache gebracht wird, hohl. Denn man kann nicht Gott die Lage der Flüchtlinge ans Herz legen, aber es sich selbst nicht zu Herzen nehmen. Die Sorge für den nahen Nächsten und die Sorge um den fernen Nächsten gehören unlöslich zusammen. Wenn dies in Diakonie und Sozialwirtschaft exemplarisch deutlich wird – auch durch die Aufnahme und Beheimatung von Flüchtlingen in sozialen und diakonischen Einrichtungen – , wird damit ein wirksamer Beitrag zur Veränderung des gesellschaftlichen Klimas geleistet. Der Umgang mit Flüchtlingen ist der Lackmus-Test für das Selbstverständnis einer offenen Gesellschaft. 2. Subsidiarität Subsidiarität ist seit bald einem halben Jahrhundert ein Schlüsselbegriff für die Organisation helfenden Handelns in Deutschland. Das System der Subsidiarität, das durch ein Urteil des 9 Bundesverfassungsgerichts von 1967, also vor bald fünfzig Jahren, feierlich bestätigt wurde, nimmt einen wichtigen Grundgedanken der katholischen Soziallehre auf. Er besagt, dass die größere Einheit in der staatlichen Gemeinschaft nur dann für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig ist, wenn die Einzelnen oder die kleineren Einheiten dazu aus eigener Kraft nicht in der Lage sind. Damit wird den gesellschaftlichen Gruppierungen ein Vorrang vor den staatlichen Akteuren und den kleineren politischen Einheiten der Vorrang vor den größeren Einheiten zuerkannt. Inzwischen ist dieser Umgang mit dem Subsidiaritätsprinzip durch die Übernahme des Begriffs in die Ordnung der Europäischen Gemeinschaft überlagert worden. Jeder weiß, dass die Behauptung von einem Vorrang der kleineren Gemeinschaften dabei schon längst nicht mehr der Realität entspricht. Man ist vielmehr froh, wenn man das Gefühl hat, dass bestimmte Aufgaben jeweils auf der sachlich angemessenen Ebene wahrgenommen werden (sei sie nun höher oder niedriger), wenn also die Zuständigkeiten vernünftig geregelt sind. Ähnliches gilt auch für soziale Tätigkeiten. In diesem Bereich ist das Subsidiaritätsprinzip vor allem dadurch einem grundsätzlichen Wandel ausgesetzt worden, dass neben die freigemeinnützigen Träger und die staatlichen Akteure als dritte Größe privatwirtschaftliche Anbieter getreten sind. Damit wird dieser Bereich insofern marktförmig organisiert, als unterschiedlich organisierte Anbieter miteinander konkurrieren. Das war politisch gewollt, weil man von dieser Konkurrenz höhere Kosteneffizienz erhoffte. Freilich verbindet sich das mit einer Tendenz dazu, dass die erfolgreichen Anbieter größer werden und der Gedanke der Subsidiarität auch in dieser Hinsicht Risse erhält. 10 Das Prinzip der Subsidiarität wurde im Rahmen der katholischen Soziallehre zuerst im Jahr 1931 formuliert. In dieser Zeit ging man noch von einem ständisch gestuften Gesellschaftsbild aus, in das der Gedanke der immer größer und umfassender werdenden Einheiten eingezeichnet wurde. Heute betrachten wir die Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt ihrer funktionalen Differenzierung; wir verstehen die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure stärker im Sinn eines komplexen Netzwerks, nicht einer gestuften Hierarchie. Diese Akzentverschiebung muss auch in die Vorstellung von Subsidiarität aufgenommen werden. Das kann am ehesten dann geschehen, wenn man den Gedanken vom Vorrang nichtstaatlicher Akteure vor der staatlichen Aufgabenerfüllung festhält, dabei aber nicht so sehr die kleineren, sondern die von ihrer Kompetenz her am ehesten geeigneten Akteure mit einem Vorrang versieht. Die Wirtschaftlichkeit des Handelns wird dabei ohne Zweifel als ein Beurteilungselement eine Rolle spielen. Das klingt im Begriff der Sozialwirtschaft an, der sich in einem erstaunlichen Tempo durchgesetzt hat. Aber auch unter solchen veränderten Bedingungen bleibt die Anerkennung der Subsidiarität unerlässlich. Sie verbindet sich mit handfesten praktischen Konsequenzen. Zu ihnen gehört, dass die Bindung an arbeitsrechtliche Vereinbarungen, sei es in Form von Tarifverträgen oder in Gestalt des Dritten Wegs, anerkannt wird und nicht zum Wettbewerbsnachteil gereichen darf. Hier ist eine Angleichung der Tarifvereinbarungen im privatwirtschaftlichen und im gemeinnützigen Bereich anzustreben; zu erwarten ist ebenso, dass die Kommunen die Tarifbindung anerkennen und nicht einen Trägerwechsel anstreben, um kommunale Zuschüsse – etwa im 11 Kita-Bereich – senken zu können. Nach meiner Überzeugung geht es heute also nicht um eine Ablösung, sondern um eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Subsidiarität. 3. Inklusion Der Begriff der Inklusion wird heute im Anschluss an die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 2006 vor allem mit der Forderung verbunden, Menschen mit körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen gesellschaftliche Teilhabe in möglichst umfassender Weise zu ermöglichen. Die Integration von Behinderten in die allgemeinbildenden Schulen, die Barrierefreiheit des Gesundheitswesens sowie der behindertengerechte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen sind herausragende Beispiele für diese Aufgabe der Inklusion. Deren Umfang kann man sich exemplarisch an der Berechnung deutlich machen, die von der „Aktion Mensch“ zu den letzten Bundestagswahlen im Jahr 2013 angestellt wurden. Geschätzt wurden sieben Millionen schwerbehinderte Wahlberechtigte, zu denen 21 Millionen Menschen mit schlechter Lesefähigkeit hinzukamen. Diakonie und Bildungswesen sind Bereiche, in denen sich die Aufgabe der Inklusion besonders deutlich zeigt. Deshalb kann man in diesen Bereichen auch besonders klar erkennen, dass jeder Versuch zum Scheitern verurteilt ist, der die Inklusion zum Nulltarif haben will oder von ihr gar Einsparpotenziale erwartet. Zugleich muss die Inklusion radikaler gedacht werden, als es oft geschieht. Denn sie bezieht sich nicht nur auf den klassischen Bereich der Behindertenhilfe. Sondern sie muss die Jugendhilfe wie die 12 Altenhilfe einschließen. Im einen wie im anderen Fall muss die Vorstellung von Betreuung durch Segregation überdacht werden. Wie gewaltig die Aufgabe ist, kann man sich am Tempo des demographischen Wandels deutlich machen. Dessen dramatischster Aspekt ist nicht, wie in der Regel behauptet, die „Überalterung“ der deutschen Wohnbevölkerung, sondern deren „Unterjüngung“. Der Anteil der unter Achtzehnjährigen beispielsweise sinkt nach jetzigen Berechnungen von 22 Prozent im Jahr 1998 auf 15 Prozent im Jahr 2050. Die sinkende Geburtenrate beschleunigt diese Tendenz. In den vergangenen fünf Jahren wurden nach einer neuen Studie in Deutschland im Durchschnitt 8,3 Kinder je 1000 Einwohner geboren. Zum Vergleich will ich nicht afrikanische Länder wie Niger oder Uganda mit Geburtenraten von 50 Kindern je 1000 Einwohner, sondern vergleichbare europäische Länder heranziehen. In Großbritannien und Frankreich wurden im gleichen Zeitraum pro Jahr 12,7 Kinder je 1000 Einwohner geboren, also das Eineinhalbfache. Die Entwicklung in Deutschland kann also nicht einfach mit dem Prozess gesellschaftlicher Modernisierung oder mit der wirtschaftlichen Lage erklärt werden. Sie hat vielmehr zuallererst mit dem gesellschaftlichen Ethos und sodann auch mit der gesellschaftlichen Wertschätzung der Familie zu tun. Die Debatte über die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe – in der eine hohe Wertschätzung der Ehe zum Ausdruck kommt – würde meines Erachtens viel überzeugender ausfallen, wenn ihr ein klares Eintreten für den hohen Wert von Ehe und Familie zu Grunde läge. Dann stünde Deutschland vielleicht nicht mehr im Wettbewerb mit Japan um das Schlusslicht in der Kinderquote. In den letzten fünf 13 Jahren hat Deutschland den letzten Platz von Japan übernommen – 8,3 zu 8,4 Kinder pro Jahr auf tausend Einwohner. Inklusion heißt also in meinem Verständnis: Kinder in der Mitte der Gesellschaft ankommen lassen, sie aufnehmen und fördern. Nach wie vor gilt dabei übrigens, dass bei der Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen Integration und Differenzierung im pädagogisch erforderlichen Maß miteinander verbunden werden müssen. Der Betreuungsaufwand, der damit einhergeht, steht gerade in diakonisch getragenen Schulen deutlich vor Augen. Gemessen daran erscheint mir die deutsche Debatte über die Inklusion in den Schulen, pauschal gesprochen, als vereinfachend. Vor allem ist die Verknüpfung mit Rationalisierungsmaßnahmen, die aus sinkenden Schülerzahlen abgeleitet werden, das Gegenteil dessen, was um der langfristigen Inklusion willen notwendig ist: nämlich die situationsadäquate und ausreichende Betreuung und die notwendige Differenzierung der pädagogischen Angebote. Wenn die Rationalisierungsmaßnahmen sich zusätzlich zu Lasten der freien Träger auswirken, wie ich selbst das beispielhaft in Brandenburg erlebe, wie es Ihnen aber auch aus Thüringen vertraut ist, dann haben wir ein Knäuel von Problemen vor uns, das dringend entwirrt werden muss. Aufrechterhalten der Trägervielfalt auch im Schulbereich und ausreichende Binnendifferenzierung im Rahmen der Inklusion scheinen mir dabei Eckpunkte zu sein, die vorrangige Beachtung verdienen. Inklusion reicht bis ans andere Ende der menschlichen Lebensgeschichte. Schon längst haben wir durchschaut, dass die Fähigkeit alter Menschen, sich am Leben zu beteiligen, mit dem Maß zusammenhängt, in dem sie am Leben teilhaben. Ihre 14 Fähigkeit, das Leben zu meistern, setzt voraus, dass andere sie dabei unterstützen und sie dazu ermuntern. Einsamkeit lähmt nicht nur die soziale Kompetenz, sondern beeinträchtigt die Selbständigkeit über das unumgängliche Maß hinaus. Einen eigenen Lebensraum zu haben, in ein Netzwerk eingebunden zu sein und die nötige Unterstützung zu finden, sind drei Dimensionen, die im Alter zusammengehören. Die Verknüpfung unterstützender Netzwerke mit professioneller Pflege wird immer wichtiger. Die Verbindung zwischen Nachbarschaft ehrenamtlichem Engagement in der und professioneller Betreuung wird zu einer Schlüsselaufgabe diakonischer und sozialwirtschaftlicher Einrichtungen, die im Bereich der Altenpflege tätig sind. Daran, wie hier neue Initiativen gelingen und ansteckend wirken, hängt die Fähigkeit unserer Gesellschaft, dem Alterswandel gerecht zu werden. Die Integration Alter und Hochbetagter ist genauso ein Prüfstein für den inklusiven Charakter unserer Gesellschaft wie die Inklusion Behinderter. 4. Digitalisierung „Alles, was passiert, muss bekannt sein.“ So heißt der Leitsatz von Eamon Bailey, einem der drei Leiter des „Circle“, der legendären Internet-Firma in Dave Eggers gleichnamigem Roman. Zur Illustration dieses Prinzips scheut Bailey vor einem persönlichen Beispiel nicht zurück. Er schildert, wie er sein Gewissen im Blick auf die Tatsache beruhigt hat, dass seine 81-jährige Mutter allein lebt, auch nachdem sie sich bei einem Sturz die Hüfte gebrochen hat. Während ihres Mittagsschlafs schlich Bailey sich in das Haus der 15 Mutter und installierte in allen Zimmern Kameras. Das musste heimlich geschehen, denn die Mutter hätte sich möglicherweise gegen dieses Vorhaben gewehrt. Glücklicherweise sind diese Kameras so klein, dass sie keinen Verdacht schöpfen wird. Der großen Runde der Mitarbeiter führt Bailey zur Veranschaulichung aktuelle Bilder aus dem Haus seiner Mutter vor; denn er kann die Kameras, die er installiert hat – zum Beispiel auch an allen Urlaubsorten, zwischen denen er wählen will – jederzeit abrufen. So sehen alle an der Präsentation Beteiligten, was sich gerade im Haus von Baileys Mutter abspielt. In dem Augenblick, in dem er sie vor aller Augen aufspürt, tappt die alte Dame, notdürftig in ein Badetuch gehüllt, durch einen leeren Flur. Allgemeines Gelächter macht sich breit. Das Bild wird ausgeblendet. Bailey kommentiert nur: „Ich weiß, dass sie wohlauf ist, und das lässt mich ruhig schlafen. Transparenz bringt Seelenfrieden.“ Mit Günther Oetinger, dem deutschen EU-Kommissar, hatte ich unlängst einen Disput über digitale Zukunftsvisionen. Er verwies auf die Möglichkeit, dass eines Tages alle relevanten Daten meines Autos an den Autohersteller geliefert werden; so kann er mein Auto rechtzeitig zurückrufen, sobald er durch die digitale Information einen Haarriss im Zylinder entdeckt. Ich erwiderte, trotz dieser Möglichkeiten würde ich es nicht begrüßen, wenn er dank eines so perfekten Informationssystems einen Haarriss in meiner Ehe entdeckte – selbst dann, wenn er sich zutrauen würde, die Ehe dank einer so frühzeitigen Information noch rechtzeitig zu kitten. Die digitale Revolution 4.0 wird viele Bereiche unseres Lebens erfassen: Industrie und Arbeit, Politik und Medien, Freizeit und Sport. Auch die Diakonie wird von ihr ergriffen werden. Wer diese 16 Veränderungen nicht nur hinnehmen, sondern aktiv gestalten will, muss früh beginnen. Armbänder mit Vitaldaten oder intelligente, selbststeuernde Rollatoren eröffnen verheißungsvolle Aussichten; aber der Missbrauch lauert vor der Tür. Es wird darauf ankommen, anzuwenden, was der Würde des Menschen, seiner Lebensqualität und seinem persönlichen Schutz dient, und abzuwehren, was die Integrität der Person verletzt, die Privatsphäre antastet und in ein System totaler Überwachung mündet. Diakonie 4.0 ist nach meiner Überzeugung ein vordringliches Thema für eine verantwortliche Gestaltung der Diakonie und aller Formen pflegenden und helfenden Handelns. 5. Ökonomisierung Die größte Herausforderung aber liegt in der marktförmigen Umgestaltung des Sozialstaats – auch im Rahmen der europäischen Wettbewerbsordnung – und der damit verbundenen durchgängigen Ökonomisierung des Sozialen. Dieser Umstellungsprozess bringt nicht nur organisatorische Auswirkungen für diakonische Träger und andere Akteure am Sozialmarkt mit sich. Ebenso einschneidend sind die persönlichen Konsequenzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Umso mehr begrüße ich die Ansätze dazu, die diakonischen Aufgaben von der Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter her zu betrachten und beispielsweise unter dem Leitbegriff einer „geistesgegenwärtigen Pflege“ die Pflegenden in ihrer personalen Identität neu in den Blick zu rücken: Kommunikation Selbstsorge, werden aus Spiritualität dieser und Perspektive Existenzielle zu Säulen diakonischer Pflege erklärt. Doch eine solche Konzentration auf 17 diejenigen, die pflegen oder in anderen diakonischen Berufen den Menschen beistehen, und ihre menschliche Identität kann natürlich nicht von den Rahmenbedingungen absehen, unter denen dieses Menschsein sich entfalten kann oder vom Verkümmern bedroht ist. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört, dass in Erziehung, Pflege und Hauswirtschaft noch immer keine angemessenen Löhne gezahlt werden. Und auch die Lobby für diese Berufe ist noch immer zu schwach. Das hat zur Folge, dass die verabredeten Pflegesätze und anderen Entgelte der Kostenträger zu niedrig und dadurch die Entlohnungen zu gering, die Zeittakte dagegen oft unerträglich hoch sind. Das ist zu meinem großen Bedauern nur allzu wahr. Für eine „erweiterte große Körperpflege“, für Aufstehen, Toilettengang, Zähneputzen, Duschen und Ankleiden und vielleicht auch für ein kurzes Gespräch nebenher steht heute dieselbe Summe zur Verfügung, die man braucht, um seine Autoreifen wechseln zu lassen. Dass der Pflegeberuf es nicht unter die ersten 25 Plätze der Berufswünsche schafft, dass die Verweildauer in diesem Beruf sehr kurz ist, dass die Pflege ein Kandidat für den Mindestlohn ist, muss für Kirche und Diakonie, aber auch für alle anderen Anbieter ein Alarmsignal sein. Dieses Alarmsignal sollte nach meiner Überzeugung gerade nicht dazu führen, dass wir die Motive der Liebe zum Mitmenschen und des Dienstes am Nächsten auf die Müllhalde der Geschichte werfen. Der Dienst am Mitmenschen ist nach wie vor eine herausragende Frucht christlicher Nächstenliebe. Er ist um der Menschlichkeit unserer Gesellschaft willen unentbehrlich. verdient angemessene Würdigung und ist seines Lohnes wert. Er 18 Im Zentrum allen diakonischen und sozialen Handelns steht die Bereitschaft, sich dem hilfebedürftigen Nächsten unabhängig von seiner eigenen Leistungsfähigkeit zuzuwenden und ihn als von Gott geliebte Person wahrzunehmen. Sie besteht deshalb im Widerspruch gegen alle Tendenzen, die Schwächeren in der Gesellschaft zu Menschen zweiter Klasse zu machen. Sie orientiert sich an der gleichen Würde jeder menschlichen Person, an ihrem Wohlergehen, ihrer Gesundheit, ihrer Identität. Güter stehen im Zentrum dieses Handelns, keine Handelswaren. Dieses Handeln richtet sich auf Güter, die man für Geld nicht kaufen kann. Dass auch solche Güter in handelbare Waren umgedeutet werden, ist der dramatischste Aspekt in der Vermarktlichung des Denkens, die sich in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat. In faszinierender Weise hat der amerikanische Philosoph Michael J. Sandel beschriebenm, welche Folgen sich ergeben, wenn man das, was sich für Geld nicht kaufen kann, dennoch zu einer handelbaren Ware macht. Freundschaft, Liebe, Respekt sind Beispiele für eine solche Umwertung der Werte. Ein öffentliches Gut, das sich mit einem allgemeinen Lebensrisiko verbindet, kann nicht zur marktgängigen Handelsware werden. Der Umgang mit diesem Gut muss sich an der gleichen Würde jedes Menschen orientieren. Der Zugang zu den nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für den Patienten notwendigen Hilfen darf sich nicht an dessen Zahlungsfähigkeit orientieren; sie muss sich vielmehr an seiner Bedürftigkeit ausrichten. Die Ausgangspunkt. Vulnerabilität Die des Verletzlichkeit Menschen des bildet Menschen ruft den im Mitmenschen das Gefühl des Erbarmens, des Mitgefühls, der 19 Empathie wach. Dass darin der entscheidende Grund für alles Handeln in Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsberufen liegt, darf nicht verdeckt und verdrängt werden. Strukturen und Kommunikationsprozesse im Gesundheitswesen müssen für dieses grundlegende Motiv transparent sein. Die Professionalität in den Gesundheitsberufen und die wirtschaftliche Effizienz der Gesundheitseinrichtungen stehen im Dienst an Einzelnen und Gruppen, die in ihrer Verletzlichkeit auf Hilfe angewiesen sind. Soziale Berufe beziehen ihren Rang daraus, dass sie sich auf nicht handelbare Güter beziehen: auf Würde, Integrität, Respekt, Gesundheit, Leidensfähigkeit, Empathie, Vertrauen. Gerade wegen dieses Bezugs auf nicht handelbare Güter müssen sie in der Gesellschaft Anerkennung und Wertschätzung finden. Die einzelnen Einrichtungen müssen für diese Berufe Bedingungen schaffen, die stark an den Bedürfnissen und dem jeweils erreichbaren Maß an Eigenständigkeit der zu Pflegenden orientiert sind. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeitenden auch in ihrer persönlichen Lebens- und Arbeitssituation die Wertschätzung erfahren, ohne die sie ihre Aufgabe nicht wahrnehmen können. In der modernen Modularisierung der Pflege ist die lange hoch gehaltene Beziehungspflege in den Hintergrund getreten. Nach einer einschlägigen Studie sind es die Reinigungskräfte, die die meiste Zeit am Krankenbett eines schwerst mehrfachbehinderten Menschen verbringen. Und das, obwohl es in der Pflegewissenschaft vor allem um das Individuum, um Interaktion und Beziehung geht. Doch die Kräfte der Zuwendung waren in den letzten Jahren gering geschätzt – zu gering. 20 Nur durch Veränderungen in diesen Bereichen werden Menschen neu dazu motiviert, helfende Berufe zu ergreifen und in ihnen zu bleiben. Angesichts Pflegebedürftigen gilt Pflegekräfte gewinnen, zu es der jedoch wachsenden nicht sondern nur, auch Zahl von professionelle familiäre und nachbarschaftliche Netze zu stärken. Das Pflegesetting der Zukunft lebt aus einer guten Kooperation zwischen Pflegefachkräften, Angehörigen und Freiwilligen – ob in stationären Einrichtungen oder im Wohnquartier. Auch in der Arbeit mit jungen Behinderten müssen angesichts der Bemühungen um Inklusion professionelle und lebensweltliche Hilfen verschränkt werden. Pflegende und Sozialarbeiter sind damit neben oder gerade in ihrer Professionalität Kommunikatoren und Gemeinwesenarbeiter – Menschen, die Beziehungsnetze knüpfen, in denen andere gut aufgehoben sind. Die Hospiz- und Palliative-Care-Bewegung macht beispielhaft deutlich, dass Professionelle allein ein Beziehungsnetz nicht aufrechterhalten können. Es braucht Engagierte im Team, in der Nachbarschaft, in Familie und Freundeskreis. Wo das gelingt, ist es auch wieder möglich, dass Menschen da sterben, wo sie gelebt haben – in ihren eigenen vier Wänden, wie es sich die Mehrheit der Menschen wünscht. Oder, wenn das Pflegeheim der richtige Ort ist, dort auch mit Unterstützung aus der Familie, dem Freundeskreis oder der Nachbarschaft. Die stillschweigende Aussonderung der Gebrechlichen und Sterbenden aus der Gesellschaft der Fitten und Leistungsstarken muss einer neuen Integration weichen. Das herrschende Menschenbild, das im Wesentlichen auf Autonomie und Tätigsein ausgerichtet ist, muss um die Aspekte der Angewiesenheit und Verletzlichkeit ergänzt werden. Und die Pflege, 21 die in den letzten Jahren auf ihre körperlichen Aspekte reduziert worden ist, muss wieder in ihren sozialen, psychischen und spirituellen Dimensionen gesehen werden. Nur dann werden Menschen in sozialen Berufen in der Berufsausübung die Motive wieder erkennen können, deretwegen sie diese Berufe gewählt haben. Darauf aber kommt es an, wenn wir den Zukunftsaufgaben in Diakonie und Sozialwirtschaft gerecht werden wollen.
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