Schauriges Treiben in der Altstadt

Schauriges Treiben in der Altstadt
RAUNACHT Die „Wuiden
Dragn“ – von der Druckad’n
Drud bis zum Vitterl –
machten bei der Perathnacht
der Stadtmaus wilde Jagd auf
mehrere hundert Besucher.
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VON GABI HUEBER-LUTZ, MZ
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Wenn die Wilde Jagd
kommt, dann wird es eng, dann könnte das letzte Stündlein geschlagen haben. Und wenn man wirklich mit dem
Leben davonkommt, dann weiß man
nicht mehr, wo und wer man ist. Vor
der Wilden Jagd muss man sich hüten.
Sabina Cipra legt das den hundert Besuchern bei der Perathnacht der Stadtmaus eindringlich ans Herz. In den
Raunächten zwischen Weihnachten
und Dreikönig treiben allerlei Gestalten ihr Wesen und auch Unwesen.
Die „Wuiden Dragn“ kennen sie alle. Der Verein pflegt das Brauchtum
und erweckt Sagengestalten in seinem
Spiel zum Leben. Nicht alle sind eindeutig gut oder eindeutig böse. Manche gibt es in zwei Gestalten, wie die
Luzia, oder sie verkörpern durchtriebenes Handeln und moralische Ermahnung in einer Person, wie der
Klaubauf. Ganz klar aber liegt der Fall
bei der Wilden Jagd: Das sind Krieger,
die so viel Böses in ihrem Leben getan
haben, dass sie im Tode selbst der Teufel nicht will und sie auf ewig in der
Welt herumgeistern müssen. Also:
„Wenn’s in den Raunächten von oben
wiehert, dann müssen Sie sich sofort
auf den Boden werfen!“, mahnt Cipra.
REGENSBURG.
Gruselige Perchtengestalten erschrecken die Zuschauer.
Fotos: Hueber-Lutz
Essig und Essen gegen das Böse
Zunächst geht’s aber halbwegs harmlos an. Ein Weiberl schleicht daher.
Das sieht noch nicht so gefährlich aus.
Allerdings ihre Reden – da dreht sich
einem der Magen um. Kinder sucht
sie, um ihnen die Bäuche aufzuschlitzen, wenn sie nicht brav sind. Aha, die
böse Ausformung der Lichterkönigin
Luzia ist angekommen: die Blaudige
Luz. Ihr folgt die Druckade Drud, jene
Gestalt, die sich den Menschen im
Schlaf auf die Brust setzt und ihnen
den Atem nimmt. Aber gegen beide
gibt es ein Mittel: Der Luz muss man
ein wenig Essen vor die Tür stellen
und die Drud gleich richtig einladen.
Essen – das ist das Stichwort für den
Dammerl. Den alten und den jungen.
Der alte hat einen riesigen Kranz von
Knackwürsten umhängen. Mettenwürst, die verteilt er an die Leute. Der
junge Dammerl fährt immer wieder
mit seinem großen Holzhammer dazwischen, droht den Leuten mit dem
Erschlagen, wenn sie geizig sind. Und
Neidhammeln hängt er gleich mit einem langen Nagel am Hirn auf.
Nun kommt der Klaubauf. Er weiß
alles. Dieses Wissen oder auch das Vergessen desselben lässt er sich gut bezahlen. Also lieber moralisch einwandfrei leben, dann findet der Klaubauf kein Futter. Weiter geht’s mit lokalen Gestalten: dem Mehlweiberl und
dem Vitterl. Das Mehlweiberl hat mit
dem Müller geschmust und deshalb ist
die alte Mühle in Kumpfmühl abgebrannt. Und weil der Vitterl, der
Schutzgeist des Vitusbachs, geschlafen
Das Mehlweiberl aus Kumpfmühl staubt jeden ein.
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➤ Verein: Die Mitglieder haben sich der
Brauchtumspflege verschrieben, verkörpern Gestalten wie den Dammerl mit
dem Hammer, die Bluadige Luz und die
Druckade Drud, aber auch Perchtengestalten. Damit treten sie unter anderem
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hat, wurde auch nicht gelöscht. Und so
streiten beide noch heute, wer schuld
ist, dass die Mühle abbrannte.
Zottige Gesellen mit wildem Gehörn
Und dann bricht die Wilde Jagd herein, fahren die Perchtengestalten
durch die Zuschauer. Hexen fegen mit
ihren Reisigbesen daher, zottige Gesellen mit scheppernden Kuhglocken
und wildem Gehörn am Kopf drängen
sich in die Zuschauergruppen. Andere
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Der Dammerl hat Knackwürste dabei.
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WUIDE DRAGN
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bei Weihnachtsmärkten auf. Am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, streifen sie durch die Regensburger
Altstadt und segnen Eltern und Kinder.
➤ Kumpfmühl: Das Mehlweiberl und der
Vitterl sind lokale Sagengestalten, die
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die Wuiden Dragn in ihr Repertoire aufgenommen haben. (lhl)
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➜ Eine Bildergalerie vom Treiben der
Wuiden Dragn ist im Internet: http://
www.mittelbayerische.de/regensburg
●
stehen auf dem kleinen Mäuerchen
des Biergartens, die Domtürme als Kulisse, erleuchten die Szenerie mit bengalischem Feuer, stampfen und grölen.
Kurzum – es ist ein Heidenspektakel,
das die Wilde Jagd da veranstaltet.
„Herrlich, die Kostüme“, schwärmt
eine Regensburgerin. Bei anderen fliegen „fromme“ Wünsche hin und her:
„Der soll dich packen und mitnehmen!“ Mancher sieht aber nicht so viel
Unterschied zum alltäglichen Leben:
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„Des hab i jeden Tag dahoam!“ Schaurig schön ist das Ganze, und an manchen Stellen echt gruselig. Weil aber
keiner am Ende einen einsamen Waldspaziergang antritt, sondern sich im
hell erleuchteten Wirtshaus das
Schweinsbrüstl schmecken lässt, verfliegt das Gruseln schnell. Übrig bleibt
ein warmes, geborgenes Gefühl und jede Menge Information über die Gestalten, die seit langer Zeit in den Köpfen
der Menschen herumgeistern.