Gewohnte Wege verlassen Innovation in der Energiewirtschaft Stadtwerkestudie Juni 2015 Die Energiewirtschaft benötigt dringender als andere Branchen Innovatio nen. Die Geschäftsmodelle und -prozesse der Vergangenheit funktionieren vielfach nicht mehr und müssen durch neue Ideen angepasst, häufig sogar ersetzt werden. Mit ihrer dezentralen Ausrichtung haben Stadtwerke eine bekannt gute Ausgangssituation, aus der viele häufig unbekannte Wege in die Zukunft weiterführen. Um diese einzuschlagen, sind Mut und eine pro fessionelle Vorbereitung vonnöten. 1. Vorbemerkungen................................................................................... 3 2. Aktuelle Lage und Herausforderungen ................................................. 7 2.1 Umfangreiche energiepolitische Agenda ........................................... 8 2.2 Aktuelle Fragestellungen der Unternehmen .................................... 10 3. Innovationen ....................................................................................... 15 3.1 Innovative Geschäftsmodelle ......................................................... 15 3.1.1 Erneuerbare Energien ........................................................... 19 3.1.2 Umbau der Verteilnetze......................................................... 21 3.1.3 Flexibilitätsoptionen.............................................................. 22 3.1.4 Kundenbindung und Kunden.................................................. 26 3.2 Prozessinnovation.......................................................................... 28 3.3 Neue Produkte und Services........................................................... 31 3.4 Innovationsmanagement ................................................................ 34 3.4.1 Organisation des Innovationsmanagements ........................... 34 3.4.2 Innovationsfähigkeit von Stadtwerken und EVU ..................... 36 4. Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz................................... 41 4.1 Österreich...................................................................................... 41 4.2 Schweiz ......................................................................................... 42 5. Fazit ................................................................................................... 45 1. Vorbemerkungen Seit Jahren verändern die Energiewende, ein gestärktes Kundenbewusstsein und das Vordringen digitaler Technologien die Rahmenbedingungen in der Energiewirtschaft. Diese Themen bestimmen die Agenda der Vorstände und Geschäftsführer von Stadtwerken und regionalen Energieversorgungsunternehmen (EVU). Die Optimierung der Geschäftsprozesse, Absatz, Marketing und Kundenbetreuung sowie die Umsetzung IT-gestützter Prozesse stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Ebenso wird das Tagesgeschäft mehr und mehr von Themen bestimmt, die sich unmittelbar aus der Umsetzung der Energiewende ergeben; hierzu zählen Ausbau und Integration der erneuerbaren Energien sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Strategische Themen wie das Ein gehen von Allianzen und Kooperationen sowie Innovationsthemen wie der Aufbau neuer Geschäftsfelder oder die Ausgestaltung innovativer Geschäftsprozesse haben zwar einen hohen Stellenwert, rücken aber häufig in die zweite Reihe. Dies birgt Gefahren. Denn stärker als zuvor sorgen etablierte und neue Player mit innovativen Geschäftsmodellen für einen schärferen Wind im Wettbewerb. Die Ausbreitung digitaler Technologien verändert die Geschäftsprozesse und die Erwartungen der Kunden, an denen sich alle Unternehmen messen lassen müssen – ob sie wollen oder nicht. Im Mittelpunkt der diesjährigen Stadtwerkestudie steht daher die Frage, wo Stadtwerke heute mit Innovationen und ihrem Innovationsmanagement stehen: • Müssen Stadtwerke und EVU selbst verstärkt nach neuen Ideen suchen? • Reicht es weiterhin aus, das bestehende Geschäftsmodell zu korrigieren und sukzessive an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, oder müssen die gewohnten Wege verlassen und radikale Änderungen eingeleitet werden? • In welchen Bereichen werden neue Geschäftsmodelle entwickelt? • Wo erfolgt die Umsetzung innovativer Geschäftsprozesse? • Welche neuen Produkte und Services werden von Stadtwerken entwickelt und auf den Markt gebracht? Mehr als 70 Prozent der für diese Untersuchung Befragten benennen die unklaren rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen als größtes Hemmnis für die eigenen Möglichkeiten, Innovationen zu realisieren. Trotz dieser berechtigten Klagen müssen sich Stadtwerke und EVU ständig auf die veränderten Rahmen bedingungen einstellen. Sie sollten sich zudem auf das konzentrieren, was sie selbst unternehmerisch in der Hand haben: die Beschaffung qualifizierten Personals, die Veränderung der eigenen Werte und Unternehmenskultur, ein fokussiertes Innovationsmanagement, die Erschließung von Synergien und einer höheren Marktmacht durch Allianzen und Kooperationen etc. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 3 1. Vorbemerkungen Untersuchungsanlage Im Frühjahr 2015 haben der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) und EY ihre seit 2003 stattfindende gemeinsame jährliche Expertenbefragung bei Stadtwerken und regionalen Energieversorgungsunternehmen (EVU) durchgeführt. Insgesamt wurden 160 Geschäftsführer und Vorstände von Stadtwerken und EVU in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Monat Februar 2015 anhand eines standardisierten Fragebogens telefonisch befragt. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen versorgen Gemeinden mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern. Der Großteil der befragten Unternehmen (77 Prozent) befindet sich mehrheitlich im Besitz der kommunalen Hand. Bei mehr als der Hälfte der Unternehmen liegt der kommunale Anteil zwischen 75 und 100 Prozent. Der Schwerpunkt der diesjährigen Befragung lag auf dem Thema Innovationen für Stadtwerke und EVU. Ziel war insbesondere herauszufinden, wo Stadtwerke und EVU Potenziale für Innovationen sehen, in welchen Bereichen sie aktiv sind und welche strategischen und operativen Maßnahmen sie ergreifen, um Innovationen in ihrem jeweiligen Unternehmen voranzutreiben. Abbildung 1: Wettbewerb auf den Energiemärkten Zielgruppe Stadtwerke/Regionale EVU in Deutschland, Österreich und der Schweiz Ansprechpartner Geschäftsführer/Vorstände Stichprobe und Erhebung Befragt wurden 100 Unternehmen in Deutschland, 17 in Österreich und 43 in der Schweiz. Interviewdauer: ca. 40 Minuten Durchführung im März/April 2015 Befragungsmethodik Computergestütztes Telefoninterview (CATI) anhand eines standardisierten Fragebogens 4 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Anzahl der befragten Unternehmen differenziert nach Einwohnern im Kundengebiet (in absoluten Zahlen) Mehr als 100.000 Einwohner 22 50.000 bis 100.000 Einwohner 31 Überregionaler Versorger 17 20.000 bis 50.000 Einwohner 90 Welchen Weg sie einschlagen, müssen die einzelnen Stadtwerke und EVU jeweils für sich entscheiden. Nur eine Strategie erscheint wenig erfolgversprechend: abwarten und an den alten Strukturen festhalten. Denn die Erträge der Stadtwerke geraten zunehmend unter Druck. Gewinneinbußen will kein Unternehmen und kein Anteils eigner hinnehmen. Das gilt auch oder vielleicht sogar gerade für die hier befragten Stadtwerke, die zu 77 Prozent mehrheitlich in öffentlicher Hand liegen. Kommunen sind zwar überwiegend verlässliche, weil konstante Anteilseigner; aber sie erwarten von ihren Beteiligungen auch kontinuier liche Geldströme in Gestalt von Ausschüttungen, die sie fest für den kommunalen Haushalt oder die Finanzierung kommunaler Infrastruktur wie den öffentlichen Personennahverkehr einplanen. Um auch zukünftig diese Geldströme aus der früheren „Cashcow“ Versorgungsunternehmen zu erhalten, müssen kommunale Anteilseigner heute vielleicht auch auf Dividendenzahlungen verzichten, um die Mittel für die Entwicklung von Innovationen zu verwenden. Denn nur wer in seine Zukunft investiert, wird diese erfolgreich bewältigen können. Unsere Studie belegt: Stadtwerke haben grundsätzlich erkannt, dass Innovationen notwendig sind und dass Lösungsansätze zur Steigerung der Innovationsfähigkeit gefunden werden müssen. Wegen der vielfältigen Herausforderungen im Tagesgeschäft und der Renditeanforderungen der Anteilseigner fehlt es jedoch an Zeit, Geld, personellen Ressourcen und teilweise auch an der Risikobereitschaft, um innovative, also neue Wege zu gehen. Um zu erfassen, wie die deutschen Stadtwerke ihre Situation wahrnehmen und wie sie Innovationen vorantreiben wollen, haben wir Geschäftsführer und Vorstände von insgesamt 160 Unternehmen unterschiedlicher Größe und Struktur in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt (s. Abb. 1).1 1 D ie folgende Darstellung der Ergebnisse legt den Schwerpunkt auf Deutschland und zeigt auch nur die Ergebnisse für die 100 in Deutschland befragten Unternehmen. Eine Kurzdarstellung der Ergebnisse jeweils für Österreich und die Schweiz findet sich in Kapitel 4. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 5 2. Aktuelle Lage und Herausforderungen Die Stadtwerkemanager nehmen ihre Situation positiver wahr als noch vor drei Jahren. Nach einer Phase der Skepsis hat ihre Zuversicht deutlich zugenommen. Erwarteten 2012 nur 45 Prozent der befragten Unternehmensführer ein gutes bis sehr gutes Jahr 2013, so sind es nach 58 Prozent im vorangegangenen Jahr jetzt 62 Prozent, die ihre Geschäftserwartungen für das jeweils laufende Jahr derart optimistisch bewerten (s. Abbildung 2). Der Anteil derjenigen, die ein schlechtes oder gar sehr schlechtes Geschäftsjahr erwarten, ist gleichzeitig im Vergleich zum Vorjahr von 8 auf 2 Prozent gesunken. Der zunehmende Optimismus spiegelt sich auch in einem Langzeitvergleich der aktuellen Erwartungen an den Geschäftserfolg wider. Mit 62 Prozent ist der Anteil derjenigen, die „gute“ oder „sehr gute“ Geschäftserwartungen für das aktuelle Geschäftsjahr hegen, auf dem zweithöchsten Niveau im gesamten abgelaufenen letzten Jahrzehnt. Diese Einschätzung überrascht ein wenig, da von der Bundesregierung eine umfangreiche energiepolitische Agenda in Angriff genommen wurde, die weitere erhebliche Anpassungen von Stadtwerken und EVU verlangt. Abbildung 2: Geschäftserwartungen für das aktuelle Geschäftsjahr Anteil „gute“ oder „sehr gute“ Geschäftserwartungen in % 70 62 65 60 53 58 53 58 50 45 40 39 37 30 30 20 22 10 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 7 2. Aktuelle Lage und Herausforderungen 2.1 Umfangreiche energiepolitische Agenda Für Stadtwerke sind zahlreiche der in der „10-Punkte-Energie-Agenda“ genannten Gesetzesvorhaben von erheblicher Relevanz im Hinblick auf ihre unternehmerische Ausrichtung. Da sich viele auch weiterhin im Bereich der dezentralen Erzeugung engagieren wollen, werden die Anforderungen durch das EEG 3.0 und die Einführung von Ausschreibungsverfahren Am 26. Juni 2014 veröffentlichte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die „10-Punkte-Energie-Agenda“.2 Diese enthält die zentralen Vorhaben der Energiewende in der 18. Legislaturperiode und zeigt die inhaltliche und zeitliche Verzahnung der einzelnen Handlungsfelder auf. Abbildung 3 lässt den Fortschritt bei der Umsetzung erkennen (Stand: Frühjahr 2015). für sie von Bedeutung sein. Von der Ausgestaltung der zukünftigen Förderung im zu novellierenden KWK-G wird es zum großen Teil abhängig sein, ob KWK-Bestandsanlagen wieder wirtschaftlich betrieben werden können und ob Investitionsentscheidungen für die Modernisierung und den Neubau von KWK-Anlagen getroffen werden. Abbildung 3: Die energiepolitische Agenda 2014 5 EEG 6 7 8 9 10 11 12 1 Strommarktdesign Regionale Kooperation (in EU)/Binnenmarkt Übertragungsnetze Verteilernetze EU-2030-Ziele 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Pilotauktionen + Bau Erfahrungsbericht Entwicklung Governance 2030 Gutachten Grünbuch 2 3 4 5 8 9 10 11 12 EEG 3.0 (Ausschreibungen) Verhandlung neuer EU-Rechtsrahmen ETS-Reform „post-2020“ Weißbuch Marktdesign-Gesetz (EnWG-Novelle) Fortsetzung der Diskussionen zu Marktkopplung und Versorgungssicherheit im Pentaforum Szenariorahmen 2015 Evaluierung ARegV VO-Paket zur Modernisierung der Verteilernetze (ARegV/Netzentgeltsystematik/intelligente Netze) Umsetzung Aktionsplan Energieeffizienz inkl. EED-Umsetzung Beginn Novellierungsverfahren EU-Label-RL und Öko-Design-RL Erarbeitung Energieeffizienzstrategie Gebäude Entwicklung einer Gasversorgungsstrategie Fortschrittsbericht Novelle BBPIG Netzentwicklungsplan 2015 (Zieljahr 2025) Entwurf VO-Paket Intelligente Netze Erarbeitung Sanierungsfahrplan ENEV-Prozess & EEWärmeG Umsetzung der Strategie in Abstimmung mit den internationalen Partnern Monitoringbericht 2015 Monitoringbericht 2016 Quelle: BMWi, 2015 2 BMWi, 2015, Zentrale Vorhaben Energiewende für die 18. Legislaturperiode (Fortschreibung der 10-Punkte-Energie-Agenda des BMWi). | Stadtwerkestudie Juni 2015 7 Öffnungspilot EEG für PV-Ausschreibung Gebäudestrategie 8 6 Stärkung regionaler Kooperationen im Strombereich Aktionsplan Energieeffizienz Monitoring/ Plattformen 3 2016 ETS-Reform (Marktstabilitätsreserve) Effizienzstrategie Gasversorgungsstrategie 2 VO-Ausschreibungspilot EEG 2.0 EU 2030/ETS 2015 Für das zukünftige Strommarktdesign gilt es, eine Regelung zu finden, die sicherstellt, dass ausreichend konventionelle Back-upKapazität zur Verfügung steht, um die Versorgungssicherheit in Deutschland auch nach 2022 zu garantieren. Für die Stadtwerke, die auch an größeren konventionellen Kraftwerken beteiligt ist, hat die Frage des neuen Strommarktdesigns immense Bedeutung, da unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen (niedrige Stromgroßhandelspreise und geringe Auslastung der Kraftwerke) ein wirtschaftlicher Betrieb gerade von Gaskraftwerken nicht möglich ist. Im Bereich der Verteilnetze steht daher ein umfassendes Verordnungspaket zur Modernisierung der Verteilnetze an. Es beinhaltet a) die Reform der Anreizregu- lierungsverordnung (ARegV), b) eine Reform der Netzentgeltsystematik und c) das „Verordnungspaket Intelligente Netze“. Insbesondere das Eckpunktepapier „Intelligente Netze“, in dem die Einführung intelligenter Messsysteme als Standardkommunikationslösung für das intelligente Netz vorangetrieben wird, wäre ein deutlicher Schritt in Richtung einer höheren Flexibilität der Verteilnetze.3 3 B MWi, 9. Februar 2015, Baustein für die Energiewende: 7 Eckpunkte für das „Verordnungspaket Intelligente Netze“. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 9 2. Aktuelle Lage und Herausforderungen 2.2 Aktuelle Fragestellungen der Unternehmen Die Liste der aktuellen Fragestellungen, mit denen sich die Vorstände und Geschäftsführer von Stadtwerken und EVU beschäftigen, spiegelt die derzeitige energiepolitische Agenda nur teilweise wider (s. Abbildung 4). Nach wie vor dominieren operative und eher kurzfristig anzugehende Themen die Agenda der Vorstände und Geschäftsführer. Ganz oben stehen die Optimierung der Geschäftsprozesse, Absatz, Marketing und Kundenbetreuung sowie die Umsetzung IT-gestützter Prozesse. Etwas weiter unten stehen Themen, die sich unmittelbar aus der Umsetzung der Energiewende ergeben; hierzu zählen der Ausbau der erneuer baren Energien sowie die Steigerung der 4 Vgl. dazu die Abschnitte 3.1.4 und 3.2. 10 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Energieeffizienz. Allerdings beschäftigen sich nur 37 Prozent der Befragten stark oder sehr stark mit Themen des intelligenten Netzes („Smart Metering/Smart Grid/Netzintegration“). Der traditionell hohe Stellenwert von Marketing-, Vertriebs- und Kundenbetreuungsthemen hat in diesem Jahr erneut an Gewicht hinzugewonnen (82 Prozent werden sich damit intensiv oder sehr intensiv auseinandersetzen, im Vorjahr waren es 73 Prozent). Dieser Bedeutungszuwachs wird zudem durch die Antworten nach möglichen Innovationsbereichen von Geschäftsmodellen und -prozessen unterstrichen. In beiden Fällen steht das Thema „Kundenbindung“ an erster Stelle.4 Abbildung 4: Aktuelle Fragestellungen Ich nenne Ihnen nun einige Themenbereiche, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren für Stadtwerke besondere Bedeutung besitzen könnten. In welchem Maße werden sich Ihrer Meinung nach Stadtwerke, die mit Ihrem Unternehmen vergleichbar sind, mit diesen Themen auseinandersetzen? Bottom-2-Boxes (Note 5 = „gar nicht auseinandersetzen“ | Note 4)* Optimierung interner Prozesse und betriebliche Reorganisation 4 Absatz/Marketing/Kundenbetreuung/CRM 4 Umsetzung/Anpassung IT-gestützter Prozesse (z. B. GPKE, WiM, MaBIS) 5 Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs und Personalentwicklung 7 Strombeschaffung und Portfoliomanagement 6 Top-2-Boxes (Note 2 | Note 1 = „sehr stark auseinandersetzen“)** 85 82 76 71 68 13 Kooperationen, strategische Allianzen, Fusionen 66 Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz 8 65 Erneuerbare Energien 7 64 8 64 Innovationen im Bereich der Geschäftsprozesse 14 Restrukturierungsprojekte/Kostenoptimierung (Personalabbau) 20 Produkt- und Serviceinnovationen 54 9 Eigenerzeugung/Eigenverbrauch der Kunden 52 10 Innovationen im Bereich Geschäftsmodelle Aufbau neuer Geschäftsfelder/Rückzug aus Geschäftsfeldern/Auslandsengagement 23 Smart Metering/Smart Grids/Netzintegration 22 42 Konzessionserwerb 56 47 47 37 26 19 Finanzierung Konventionelle Stromerzeugung 55 24 21 * Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 4 oder 5 vergeben haben ** Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 1 oder 2 vergeben haben Angaben in Prozent; n = 100 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 11 2. Aktuelle Lage und Herausforderungen Auch bei den strategischen Optionen hat in diesem Jahr eine deutliche Verschiebung hin zum Vertrieb stattgefunden. 58 Prozent der Befragten halten ein konzentriertes Wachstum im Vertrieb für erfolgversprechend. Im Vorjahr war dies lediglich bei einem Drittel der Unternehmen der Fall (s. Abbildung 5). 5 Siehe dazu einige Beispiele in Tabelle 1 auf S. 16. 12 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Auch der Ausbau neuer Geschäftsfelder findet nach wie vor die Zustimmung von zwei Dritteln der Topmanager. Die Unternehmen haben erkannt, dass der Rückgang der Einnahmen in den klassischen Geschäftsfeldern durch den Auf- und Ausbau neuer Geschäftsfelder kompensiert werden muss. Zudem tauchen immer wieder neue Player mit innovativen Geschäftsmodellen am Markt auf.5 Daher wird im Folgenden näher untersucht, in welchen Bereichen Stadtwerke besonders aktiv sind, wenn es darum geht, neue, d. h. innovative Geschäftsmodelle aufzubauen, ihre Geschäftsprozesse neu zu strukturieren sowie neue Produkte und Services zu entwickeln. Abbildung 5: Strategische Optionen im Vorjahresvergleich Für wie erfolgversprechend halten Sie die folgenden strategischen Optionen für Stadtwerke, um zukünftig im Wettbewerb bestehen zu können? Bottom-2-Boxes (Note 5 = „gar nicht erfolgversprechend“ | Note 4)* Kooperationsstrategie 6 7 Infrastrukturdienstleister in der Kommune/Region 6 7 68 59 68 65 6 Ausbau neuer Geschäftsfelder 64 65 14 11 Konzentriertes Wachstum im Vertrieb 58 26 33 23 Akquisitionsstrategie 42 32 28 28 27 Vergrößerung des Netzgebietes durch Neuerwerb von Konzessionen 33 49 52 Stadtwerke als reiner Netzbetreiber 20 38 Diversifizierte Erzeugung und Upstream-Aktivitäten Verkauf des Netzes Top-2-Boxes (Note 2 | Note 1 = „sehr erfolgversprechend“)** 31 32 31 86 90 * Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 4 oder 5 vergeben haben ** Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 1 oder 2 vergeben haben 19 24 2 2 Studie 2015 Studie 2014 Angaben in Prozent; n = 100 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 13 3. Innovationen Mit der fundamentalen Transformation des Energiesektors hin zu einer erneuerbaren Erzeugung, Dezentralisierung und Digitalisierung, mit erhöhten Anforderungen an eine Flexibilisierung und einem Wandel des Verbrauchers („Consumer“) hin zum „Prosumer“ verändern sich Geschäftsmodelle, Geschäftsprozesse sowie Produkte und Services. Kurzum: Eine ganze Branche verändert sich. Dazu benötigt sie Innovationen in den drei genannten Bereichen. 3.1 Innovative Geschäftsmodelle steigen wird (s. Abbildung 6). Nur jedes vierte Unternehmen erwartet keine Veränderungen des Geschäftsmodells aufgrund digitaler Technologien. Damit ist die Energiebranche eine der am stärksten von der Digitalisierung betroffenen Indus- Eine weltweite, branchenübergreifende Studie von EY zeigt, dass rund 40 Prozent aller Energieversorgungsunternehmen erwarten, dass die Bedeutung digitaler Technologien für ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren deutlich triezweige. Deutschland auf seinem Weg hin zu einem dezentralen und erneuerbaren Energieversorgungssystem ist dabei in besonderem Maße auf digitale Technologien und daraus resultierende neue Geschäftsmodelle angewiesen. Abbildung 6: Die zunehmende Bedeutung digitaler Technologien Erwarten Sie, dass die Bedeutung digitaler Technologien für das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens in den kommenden fünf Jahren steigen wird? IT und Elektronik 51 Telekommunikation und Medien 32 50 Banken und Versicherungen 38 Energie 38 Automobil 45 5 48 14 35 37 Dienstleistung 17 27 36 32 27 40 28 Transport und Logistik 29 Handel 28 38 34 Gesundheit 28 37 35 Konsumgüter Maschinenbau/Anlagenbau 43 25 17 Ja, deutlich 28 55 20 59 Ja, leicht 24 Nein Quelle: EY, Digitalisierung: Wer investiert und profitiert – wer verliert? Ergebnisse einer Umfrage unter 1.025 Unternehmen in zwölf Ländern, März 2015 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 15 3. Innovationen Neue (digitale) Geschäftsmodelle können alle Wertschöpfungsstufen betreffen (s. Tabelle 1). Dabei spielen heute die erneuerbaren Energien und deren fluk tuierende Einspeisung eine besondere Rolle. Durch den steigenden Anteil der erneuerbaren Energien, der 2014 bei rund 27 Prozent der Stromerzeugung lag und bis 2025 auf bis zu 45 Prozent an steigen soll, nehmen die Erzeugungsschwankungen weiter zu. Gleichzeitig treten stärkere Schwankungen im Verbrauchsverhalten auf, deren Vorhersage zunehmend schwierig wird. Die Ursachen hierfür liegen zum einen in einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft. Flexible Arbeitszeitmodelle, Heimarbeit und veränderte soziodemografische Strukturen führen dazu, dass der Anteil des klassischen Haushaltstyps mit einem Standardlastgang zurückgeht. Zum anderen beruhen die Veränderungen auf einer zunehmenden Anzahl neuer Stromanwendungen wie dem perspektivischen Ausbau der Elektromobilität und der zunehmenden Verbreitung von Eigenstromerzeugung und -nutzung, künftig auch verstärkt in Tabelle 1: Beispiele für innovative Geschäftsmodelle in der Energieversorgung 16 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Unternehmen Beschreibung Geschäftsmodell Next Kraftwerke • Bündelung dezentraler Erzeugungsanlagen (Wind/PV/Biogasanlagen/KWK-Anlagen/Notstromaggregate): • Next Pool: 1.539 MW • Vermarktung der Energie an der EEX • Angebot von Regelenergie: präqualifiziert für tertiäre und sekundäre Regelenergie • Lastmanagement und Integration von Industrieprozessen und -anlagen Statkraft • Direktvermarkter von erneuerbaren Energien mit einem Portfolio von 8.900 MW • Entwicklung und Management von erneuerbaren Energien (Windkraft, Wasserkraft, Fernwärme) • Erster Anbieter tertiärer Regelenergie durch Windkraft Beegy • Lernende Photovoltaikanlage, um den dezentral erzeugten Solarstrom bestmöglich selbst zu verbrauchen • Komplettangebot von der Planung über die Installation bis hin zur Wartung der Anlage • Die intelligente Software stellt sicher, dass die Nutzungstipps während des Betriebs der Anlage immer genauer werden Stadtwerke Aalen/Techem • Mieterstrommodell • Die Stadtwerke bieten in Kooperation mit Techem Direktstrom aus Kraft-Wärme-Kopplung an • Der Strom wird dort verbraucht, wo die Erzeugung stattfindet und im Idealfall keine Netznutzungsentgelte anfallen Für den Ausgleich der Erzeugungs- und Verbrauchsschwankungen bedarf es in Zukunft größerer Flexibilität, woraus eine Reihe von neuen Geschäftsmodellen resultiert. Insgesamt sehen wir durch die Transformation des Energiesektors und die damit einhergehende Digitalisierung die folgenden grundsätzlichen Bereiche, in denen neue Geschäftsmodelle entstehen werden: • erneuerbare Energien • Umbau der Verteilnetze • Flexibilitätsoptionen • Kundenbindung und Kunden Diese vier Bereiche werden im Folgenden als Grobgliederung für die weitere Diskussion innovativer Geschäftsmodelle dienen, auch wenn diese Unterteilung nicht trennscharf ist.6 Abbildung 7 gibt zunächst einen Gesamt überblick dazu, wie die Geschäftsführer und Vorstände das Innovationspotenzial und die Erfolgsaussichten ausgewählter Geschäftsfelder einstufen. Zum einen wird eine starke Korrelation zwischen der Einstufung des Innovationspotenzials und den Erfolgsaussichten für das eigene Unternehmen deutlich. Zum anderen lässt sich auch an dieser Stelle festhalten, dass der Kunde und die Verbesserung der Kundenbindung eine zentrale Position bei den Aktivitäten der Branche einnehmen. Abbildung 7: Innovationspotenzial und Erfolgsaussichten ausgewählter Geschäftsfelder und -bereiche 100 Kundenbetreuung Erfolgsaussichten Verbindung mit Batteriespeichersystemen. All dies zusammen führt zu sehr unterschiedlichen und immer weniger sicher prognostizierbaren Verbrauchsgewohnheiten. Produkte und Services 50 Erneuerbare Energien Wärmemarkt Virtuelle Kraftwerke Smart Metering Mikro-BHKW Wärmemarkt Power-to-Gas/ Power-to-Heat 0 40 Speichertechnologien Smart Grids Elektromobilität Smart Home 50 60 70 Innovationspotenzial 80 90 100 Kundenbindung und Kunden Umbau der Verteilnetze Flexibilitätsoptionen Erneuerbare Energien und dezentrale Erzeugung Die befragten Unternehmen sind durchschnittlich in fünf bis sechs Bereichen aktiv, um Innovationen voranzutreiben. Dabei sind kleine Unternehmen kaum weniger aktiv als mittlere und größere Stadtwerke und EVU. Angesichts der Komplexität der Themen und der Ressourcensituation sollten sich vor allem kleinere Stadtwerke stärker auf einige wenige für ihr Unternehmen erfolgversprechende Fragestellungen fokussieren, die sie mit eigenen personellen und finanziellen Ressourcen bearbeiten können, statt in allen bzw. vielen Bereichen unterwegs zu sein. Da sich der drohende Absatzrückgang in der Regel nicht durch ein einzelnes anderes Geschäftsfeld, sondern nur durch eine Vielzahl gewinnbringender Angebote kompensieren lässt, werden Stadtwerke dennoch auch künftig vielfältige Produkte und Dienstleistungen anbieten. In diesem Fall ist die Erkenntnis wichtig, dass diese Baustellen nicht alle von einzelnen Stadtwerken selbst bearbeitet werden können, sondern dass hier Kooperationspartner und/oder Dienstleister benötigt werden. 6 S o ließe sich z. B. das Thema der Elektromobilität sowohl den „Flexibilitätsoptionen“ als auch dem „Umbau der Netze“ oder dem Thema „Kundenbindung und Kunden“ zuordnen. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 17 3. Innovationen Abbildung 8: Grundlegende Geschäftsmodelle in der Photovoltaik Unterstützung Eigenerzeuger Unterstützung von Eigenerzeugern, z. B. durch Solarenergieanalyse bis hin zu einem Dienstleistungskomplettpaket inkl. Inbetriebnahme der Anlage Anlagenpachtmodelle Planung, Finanzierung, Errichtung, Inbetriebnahmen von PV-Anlagen Direktliefermodelle Stadtwerke mieten Dachflächen oder Freiflächen an und erzeugen dort Strom, den sie an ihre Kunden verkaufen Regionaltarif Bürger einer Region können in der Region regenerativ erzeugten Strom im Wege der Direktvermarktung über einen Regionaltarif erwerben Investitionsmodell Stadtwerke investieren in Solar-Großkraftwerke im Rahmen ihrer Erzeugungsstrategie, auch als Bürgerbeteiligungsmodelle Mieterstrom Strom und Wärme stammen zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien, zum Teil direkt vor Ort produziert, ergänzt durch Ökostrom aus dem Netz Quelle: EY 18 | Stadtwerkestudie Juni 2015 3.1.1 Erneuerbare Energien Im Bereich der erneuerbaren Energien hat sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle herauskristallisiert. Für den Bereich der Photovoltaik sind diese beispielhaft in Abbildung 8 dargestellt. EEG-Reform hat die Rahmen bedingungen verändert Mit der EEG-Reform 2014 ist ein wichtiger Schritt zu einer zunehmenden Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien erfolgt. Hier ist insbesondere die Verpflichtung zur Direktvermarktung für alle EEG-Anlagenbetreiber ab einer bestimmten Anlagengröße zu nennen.7 Zudem wird zunächst in einem Pilotprojekt für PV-Frei flächenkraftwerke und spätestens ab 2017 für alle Energieträger die Förderhöhe wettbewerblich über ein Ausschreibungsmodell ermittelt. Für einen Großteil der Investoren in erneuerbare Energien wird sich damit das Geschäftsmodell erheblich verändern müssen. Projektierer und Betreiber werden bei ihrer Investitionsentscheidung im Hinblick auf die Anlagenauslegung und den Standort stärker darauf achten, Windkraftanlagen auszuwählen, die in der Lage sind, Strom aus Windenergie auch in windschwachen Zeiten zu produzieren, in denen der Strompreis tendenziell eher nach oben abweicht. Des Weiteren ist die erfolgreiche Teilnahme an Ausschreibungen Voraussetzung, um zukünftig in größerem Ausmaß in erneuerbare Energien investieren zu können. Für das Gelingen der Energiewende ist die mit der letzten EEG-Novelle verfolgte zunehmende Markt- und Systemintegration von grundlegender Bedeutung. Nach einer Aufbauphase, in der die Förderung in erster Linie auf eine Mengensteigerung abzielte, befinden wir uns heute am Beginn einer neuen Phase, die einen fundamentalen Umbau des EEG erfordert. Statt weiterhin allein auf Quantität zu setzen, muss nun ein „Rollentausch“ eingeleitet werden, der die Erneuerbaren zunehmend in die Verantwortung nimmt, auf Signale des Marktes zu reagieren und Beiträge zur Systemstabilität zu leisten. Es hängt letztlich von der Flexibilität und der Kreativität der einzelnen Unternehmen ab, ob sie diese Professionalisierung der Energiewende als Chance oder Risiko werten. 7 Ab 1. August 2014 ab 500 kW, ab 1. Januar 2016 ab 250 kW und ab 1. Januar 2017 ab 100 kW Anschlussleistung. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 19 3. Innovationen Mit der EEG-Reform sind Eckpunkte für den zukünftigen Ausbau der erneuerbaren Energien fixiert worden, die techno logiespezifische Ausbaukorridore festlegen und eine kosteneffiziente Ermittlung der Förderhöhen vorsehen. Neben den Einzelregelungen zu den jeweiligen Technologien ist dabei der Vertrauensschutz von besonderer Bedeutung: 20 | Stadtwerkestudie Juni 2015 In den vergangenen Jahren haben die Marktakteure aufgrund der bestehenden Regelungen erheblich in Anlagen und darauf aufbauende Geschäftsmodelle investiert. Wenn Investoren nicht mehr sicher sein können, dass die gesetzlichen Regelungen, die zum Zeitpunkt ihrer Investitionsentscheidung galten, auch weiterhin gelten, führt dies mittelfristig dazu, dass solche regulatorischen Risiken eingepreist werden. 3.1.2 Umbau der Verteilnetze Eine Grundvoraussetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und dezentraler Erzeugungsanlagen sind Netze, die die Erneuerbaren integrieren. Sie müssen a) den erzeugten Strom transportieren können, b) s ich flexibel an unterschiedliche Einspeise- und Nachfragesituationen anpassen können, c) b idirektionale, echtzeitgesteuerte Energie- und Informationsflüsse ermöglichen und d) die Strommengen an den Einspeisungswie an den Lieferstellen genau erfassen, um zum einen die Lasten steuern zu können und zum anderen eine Grundlage für die Abrechnung mit Strom lieferanten und -abnehmern zu liefern. Die Verantwortung der Stadtwerke und regionalen EVU liegt primär bei den Mittelund Niederspannungsverteilnetzen, dort, wo die Zahl der dezentralen Erzeuger und Einspeiser am höchsten ist und am stärksten wächst. Entsprechend dem Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur sollen sich die Netzbetreiber bis 2020 auf installierte Leistungen von 44,1 Gigawatt (GW) in Windenergieanlagen, 48 GW in der Photovoltaik, 7,8 GW in Biomasseanlagen und 20,7 GW in konventionell betriebenen KWK-Anlagen einstellen. Allerdings entsprechen die heutigen Stromnetze auf Dauer nicht den Anforderungen einer dezentralisierten Strom produktion. Die neuen Verteilnetze müssen intelligent sein, untereinander vernetzt und mit den dezentralen Stromerzeugern, -verbrauchern und -lieferanten über Angebot und Nachfrage kommunizieren. Solche „Smart Grids“ sind die Voraussetzung dafür, die immer stärkere Dezentralisierung auf Dauer technisch zu bewältigen. Interesse an Smart Grids und Smart Metering nimmt weiter zu Heute betätigen sich bereits 31 Prozent der Stadtwerke im Geschäftsfeld „Smart Grid“. Allerdings ist das Thema noch weit von der Marktreife entfernt: 55 Prozent derjenigen, die in diesem Bereich aktiv sind, befinden sich im Stadium der Forschung und Entwicklung, jeweils rund ein Viertel in der Markteinführungs- bzw. der Marktdurchdringungsphase. Anwendungen (intelligente Gebäudetechnik) notwendig. Intelligente Zähler und intelligente Messsysteme bilden die Schnittstelle zwischen diesen beiden Feldern. Die Skepsis – insbesondere ob dies ein erfolgversprechendes Geschäftsfeld für das eigene Unternehmen ist – ist groß. Zwar sehen die Unternehmen mit 54 bzw. 48 Prozent bei Smart Grids bzw. Smart Metering ein h ohes oder sogar sehr hohes Innovationspotenzial, aber als erfolgversprechendes Geschäftsfeld der Zukunft für ihr Unternehmen stufen nur 25 Prozent den intelligenten Netzausbau an. Auch dem Thema Smart Metering werden nur von 24 Prozent der Befragten Erfolgsaussichten attestiert. Dies könnte sich vermutlich erst mit greifbarem Nutzen oder neuen Produkten ändern. Der Begriff „Smart Grid“ ist in aller Munde und wird oft unterschiedlich verwendet. Der BDEW hat daher 2013 in seiner Roadmap Smart Grids eine Definition vorgestellt. Danach sind Smart Grids Energienetzwerke, die das Verbrauchs- und Einspeiseverhalten aller Marktteilnehmer, die mit ihnen verbunden sind, integrieren. Hierfür ist das Zusammenwirken von Markt und Netz entscheidend. Gleichzeitig kommen zunehmend intelligente Technologien wie z. B. regelbare Ortsnetztransformatoren zum Einsatz. Bei dem Themenfeld ist eine klare Abgrenzung von Smart Grids (intelligente Verteilnetze) zu Smart-Home- Stadtwerkestudie Juni 2015 | 21 3. Innovationen 3.1.3 Flexibilitätsoptionen Die grundsätzliche Herausforderung für das zukünftige Energieversorgungssystem besteht bei einem weiter steigenden Anteil der erneuerbaren Energien darin, die schwankende Einspeisung und Nachfrage jederzeit – ggf. auch regional bzw. lokal – auszugleichen und die notwendige Residuallast8 bereitzustellen. Wie Abbildung 9 illustriert, wird es nach Abschaltung sämtlicher Kernkraftwerkskapazitäten verstärkt notwendig werden, innerhalb von wenigen Stunden bis zu 30 oder gar 40 GW Erzeugungslast zu ersetzen. Aber auch der umgekehrte Fall wird eintreten: Stromeinspeisungen aus Sonne und Wind werden ausreichen, um die Nachfrage zu bedienen, teilweise sogar überzuerfüllen.9 Aber nicht nur die Höhe der Residuallast selbst, sondern deren starke Schwankungen und die Un sicherheit über ihre Höhe gefährden das Zieldreieck der Energieversorgung, ins besondere die Sicherstellung der lang- und der kurzfristigen Versorgungssicherheit sowie die Wirtschaftlichkeit. Abbildung 9: Herausforderung Residuallast im Jahr 2030 MW Donnerstag, 21. März 2030 Freitag, 22. März 2030 Samstag, 23. März 2030 Sonntag, 24. März 2030 80.000 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 Stromverbrauch (Last) Solar Wind Quellen: Übertragungsnetzbetreiber, EEX, DWD, BDEW (eigene Berechnungen) 8 Residuallast = Differenz zwischen Stromnachfrage (Last) und Einspeisung durch die fluktuierenden erneuerbaren Energien (Wind und Sonne). 9 Dies ist bereits heute der Fall, wird aber in der Häufigkeit stark zunehmen. 22 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Montag, 25. März 2030 Für das Energieversorgungssystem der Zukunft bedeutet dies, dass mehr Flexi bilität benötigt wird, um • weiterhin die (langfristige) Versorgungssicherheit zu gewährleisten, • jederzeit die Systemstabilität sicherzustellen, • den rechnerisch richtigen Ausgleich der Bilanzkreise zu ermöglichen und • Preisschwankungen – insbesondere extremer Natur – vermeiden zu helfen. Flexiblere konventionelle und erneuerbare Kraftwerke können (begrenzt) ihre Erzeugung an die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien und die Nachfrage anpassen. Dabei unterliegen sie aber immer auch einem gewissen zeitlichen Vorlauf. Wind- und Solaranlagen können bei Netzengpässen oder geringer Residuallast abgeregelt werden und so helfen, das Gesamtsystem stabil zu halten. Zudem bedarf es neben einer ausreichenden Kraftwerkskapazität weiterer Flexi bilisierungsinstrumente, die kurzfristig akti vierbar sind. Hier kommen ein gezieltes Lastmanagement bei flexibler Nachfrage, Speicher und ein leistungsfähiges Netz infrage. Im Rahmen der diesjährigen Stadtwerkestudie sind verschiedene Flexibilitätsoptionen im Hinblick auf ihr Innovationspotenzial und den derzeitigen Nutzungsstand untersucht worden. Die Rolle der Elektromobilität im Energie system der Zukunft ergibt sich aus den energiewirtschaftlichen Möglichkeiten der Batterie. Als dezentrale Stromspeicher und durch die Möglichkeit, gesteuert zu laden, können Elektroautos ein Baustein für eine erfolgreiche Energiewende sein. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 23 3. Innovationen 24 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Durch gesteuerte Ladevorgänge können Elektromobile bevorzugt in Zeiten hoher Einspeisung der erneuerbaren Energien aufgeladen werden. Bei geringer Strom erzeugung durch Wind- und Solarenergie ist bei Bedarf eine Rückspeisung aus der Fahrzeugbatterie ins Netz möglich. Rund die Hälfte der Stadtwerke ist im Bereich Elektromobilität aktiv. Jedoch gehen nur 16 Prozent der Befragten davon aus, dass dieses Geschäftsfeld erfolgversprechend für ihr Unternehmen ist. Die Verbreitung der Elektromobilität ist heute ein vorrangig politisches Thema. Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die deutschen Straßen zu bringen. Die Politik hat in den vergangenen Monaten ihren Fokus verstärkt auf das Thema öffentliche Ladeinfrastruktur gelenkt. Zur nationalen Umsetzung der EU-Richt linie zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Januar 2015 den Entwurf einer „Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektromobile“ veröffentlicht. Mittelfristig wird die Ladeinfrastruktur auch die Kommunen stärker beschäftigen. Diese politische Zielsetzung strahlt offensichtlich sehr stark auf die kommunalen Stadtwerke aus. Dagegen ist die Anzahl von rd. 26.000 ElektroPkw zum 31. Dezember 2014 noch überschaubar.10 Es sind also noch einige Anstrengungen erforderlich, um das erklärte politische Ziel bis 2020 zu erreichen. Power-to-Heat und Power-to-Gas sind innovative Technologien, um zukünftig überschüssigen Strom direkt in Form von Wärme oder chemisch gebunden als Wasserstoff bzw. Methan in das Energie system zu integrieren. Bereits 16 Prozent der befragten Unternehmen sind hier aktiv. Aus Sicht der Energiewirtschaft haben beide Technologien langfristig großes Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien im Rahmen der Energiewende zu leisten. Um jedoch Power-to-Heat und Power-to-Gas zu einer Systemlösung zu entwickeln, ist ein Abbau bestehender regulatorischer Hemmnisse für Energiespeicher insgesamt erforderlich.11 Deutlich aktiver sind die befragten Unternehmen bereits im Bereich Stromspeichertechnologien. Hier ist mehr als ein Drittel der Unternehmen aktiv, 73 Prozent sehen hier ein großes oder sehr großes Innovationspotenzial. Daneben können intelligente Messsysteme (iMSys) zukünftig eine entscheidende Rolle für die Erhöhung der Flexibilität spielen: • iMSys sind Grundvoraussetzung für eine bessere Beherrschung der zunehmenden Unsicherheit im Energieversorgungssystem. Denn ohne detaillierte Informationen über das Einspeise- und Verbrauchsverhalten (größerer) dezentraler Erzeuger und Verbraucher über iMSys nähme die Intransparenz im gesamten System weiter zu, die Prognosequalität und die Genauigkeit im Bilanzkreismanagement nähmen weiter ab. • Mit einer Steuerbox ausgestattete iMSys sind Voraussetzung für ein sinnvolles Einspeise- und Lastmanagement zum Ausgleich der variierenden Einspeisung der Erneuerbaren: Zum einen ermöglichen iMSys die Steuerung dezentraler Erzeugungs- und steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie Elektromobile, Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen (§ 14a EnWG), zum anderen verbessern sie die Informationslage über die aktuelle Netzsituation. Darauf aufbauend lassen sich erst sinnvolle Anreize für markt- und netzgetriebene Einspeise- und Lastmanagementmaßnahmen ableiten. • iMSys können auch einen Beitrag zur Verringerung der abzudeckenden Residuallast leisten: Lastvariable Tarif modelle sind erst durch iMSys möglich. Diese können dem Endkunden Anreize geben, in Höchstlastzeiten weniger Strom zu verbrauchen und so zu einer Spitzenlastkappung beizutragen. Ohne iMSys könnten dem Endkunden keine verlässlichen, also abrechnungsrelevanten Preisinformationen zur Verfügung gestellt werden. Inwieweit sich Stadtwerke mit diesem zukunftsträchtigen Themenbereich aus einandersetzen – oder auch nicht –, wurde bereits in Kapitel 3.1.2 erläutert. 10 Quelle: BDEW, Elektro-PKW inkl. 7.058 Plug-in-Hybride (PHEVs). 11 BDEW, www.bdew.de/internet.nsf/id/504-bdew-zur-definition-des-begriffes-energiespeicher-de?open&ccm=300130040 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 25 3. Innovationen 3.1.4 Kundenbindung und Kunden Stadtwerke sehen die Kundenbetreuung sowie neue Produkte und Services als die wichtigsten Bereiche für innovative Geschäftsmodelle an. So richtig es ist, den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken, so falsch wäre es, dabei die eigene Unternehmensperspektive zu vernachlässigen. Am Ende müssen neben den Kundenwünschen immer auch die eigenen Wirtschaftlich- keitsanforderungen des Unternehmens erfüllt werden. Notwendig ist ein komplettes Bild, wie zukünftig das Gesicht zum Kunden („Front Office“) aussehen soll und wie das heutige Bild verbessert werden kann. Dazu gehören sowohl die Wertschöpfung über Wachstum als auch die Verbesserung der Margen über Rationalisierungen, Prozessverbesserungen sowie Kostensenkungen und -management (s. Abbildung 10). Durch das schnelle Voranschreiten digi taler Technologien innerhalb des Energiesektors müssen sämtliche Interaktionen mit den Kunden neu überdacht und strukturiert werden. Dazu ist eine grundsätz liche Transformation des Front Office notwendig. Nur so werden sich die Stadtwerke langfristig erfolgreich am Markt positionieren können. Dies gilt sowohl für den Privatkundenbereich („B2C“) als auch für den Gewerbe- und Industriekundenbereich Abbildung 10: Ansatzpunkte zur Verbesserung des Front Office Produktinnovation und Partnering Kundensegmentierung Commodity/ Innovation Kundenzufriedenheit Wertorientierte/ Offene Dialoge Jenseits des Zählers Marktpotenzial ausnutzen Steigerung des Lifetime Value Channel-Innovation OmnichannelEffizienz Online Offline Kundendaten und -analysen Kaufmännische Leitung PerformanceManagement Mobil Alles ist überall verfügbar Regionalisierung Anreize und Pro visionen Interne Leistungssteigerung Vereinfachung Operationale Exzellenz Transaktionsvolumen Standards Organisationsdesign Prozessdesign Qualitätsbewusstsein B2C 26 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Wachstum („top line“) Bedürfnisse/ Präferenzen der Kunden treiben Produkte und Services Wertschöpfung Front-Office-Transformation B2B Automation Make or Buy Kosten- und Prozessverbesserungen („bottom line“) Wettbewerbsfähigkeit („B2B“). In beiden Bereichen sind dies die wesentlichen Hebel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für das Front Office der Zukunft: • Ausrichtung der Produkte/Services an Kundenbedürfnissen und -präferenzen • Omnichannel-Effizienz • operationale Exzellenz Ausrichtung der Produkte/Services an Kundenbedürfnissen und -präferenzen Eine auf Kundenbedürfnisse und -präferenzen abgestimmte Kundensegmentierung trägt erheblich zur Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit bei. Die darauf aufbauenden kundengruppenspezifischen Produkte und Services werden zunehmend auch jenseits des Zählers angeboten (z. B. „Smart Home“), die Commodity-Ware „Energie“ ist neu zu definieren. Beides kann häufig besser in Partnerschaften erfolgen, in denen das traditionelle Rollenverständnis aufgegeben wird. Diese bringen strategische Vorteile, da jeder Partner seine jeweiligen Stärken einbringt. Die Stadtwerke sind nur noch dort tätig, wo sie Vorteile gegenüber dem potenziellen Partner bieten. Die Steigerung der Wertschöpfung wird durch eine stärkere Fokussierung auf das Wichtigste, nämlich die Kundenzufriedenheit, erreicht. Dazu sind offene Dialoge mit dem Kunden notwendig, in denen der Kunde das Gefühl hat, ernst genommen zu werden. Auf der Basis vielfältiger Daten kann jeder Kontakt des Kunden mit dem Energieversorger zum „Erlebnis“ werden und so zu seiner Zufriedenheit beitragen. Dies wiederum führt zu einem höheren „Lifetime Value“ des Kunden für die Stadtwerke, da die Wahrscheinlichkeit, dass er zusätzliche Produkte und Services kaufen wird, steigt. Omnichannel-Effizienz Die Erreichbarkeit durch verschiedene Distributionskanäle (vor Ort/online/mobil) schafft eine hohe Effizienz in Marketing und Vertrieb. Der Kunde kann alle Leistungen und Services zu jeder Zeit erreichen. Aus Sicht der Stadtwerke steht das Ziel der internen Leistungssteigerung im Fokus. Über ein gezieltes Performance-Management, die Regionalisierung der Produkte und Services und über Anreize und Pro visionen für die Mitarbeiter trägt das Front Office der Zukunft dazu bei, sowohl zusätzliche Wertschöpfung zu generieren als auch die Margen zu verbessern. Operationale Exzellenz Der Schlüssel zu einer „operational excellence“, also der schnellen und gezielten Verbesserung von Schwachstellen, liegt in der Vereinfachung vorhandener Prozesse und einem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein im Unternehmen. Insgesamt sehen wir sechs Hebel zur Verein fachung des Geschäfts, die wir im folgenden Abschnitt näher erläutern werden. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 27 3. Innovationen 3.2 Prozessinnovation Dass Innovation auch nach innen gerichtet sein kann und muss, haben wir schon mehrfach angedeutet. Dabei wird es in erster Linie darum gehen, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. Jedes Stadtwerkeunternehmen muss sich fragen, ob es sinnvoll ist, administrative Standardprozeduren – vor allem in der Verbrauchs erfassung, der Lieferanten- und Kundenabrechnung, der Marktkommunikation und der Mitarbeiterentgeltabrechnung – weiterhin selbst zu erledigen. Dabei müssen Kosten und Output der Geschäftsprozesse den Anforderungen einer modernen Informationsgesellschaft standhalten können, also die Vernetzung und jederzeitige – auch mobile – Verfügbarkeit der Informationen adäquat berücksichtigen. Auch im Bereich der Prozessinnovation dominieren Marketing- und Vertriebs themen (s. Abbildung 11). 91 Prozent der befragten Unternehmen geben an, ihre Prozesse im Bereich der Kundenbetreuung zu verbessern, 88 Prozent die Vertriebsund 85 Prozent die Marketingprozesse. Nach dem Marketing- und Vertriebsbereich folgen Querschnittsbereiche (Abrechnung, Rechnungswesen, HR) sowie der Netz- und Messstellenbereich. In der Kundenbetreuung und im Vertrieb wird zudem das größte Verbesserungs potenzial gesehen. 81 Prozent sehen in der Kundenbetreuung ein großes oder sehr großes Innovations- bzw. Verbesserungspotenzial, im Vertriebsbereich sind es immerhin auch noch 67 Prozent. Ins gesamt sehen die Befragten durchweg in Abbildung 11: Aktivitäten für Prozessinnovationen Kundenbetreuung 91 Vertrieb 88 Marketing 85 Abrechnung 78 Querschnittsfunktionen (Rechnungswesen, HR) 73 Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Netze 71 Marktprozesse (Bilanzkreismanagement etc.) 68 Messung 66 Management der Netze 64 Handel 60 Messstellenbetrieb 57 Betrieb der Kraftwerke Kein Bereich 30 1 Angaben in Prozent; n = 100 28 | Stadtwerkestudie Juni 2015 allen abgefragten Bereichen noch erheb liche Verbesserungspotenziale. Vereinfachung des Geschäfts Ein zentraler Ansatzpunkt zur Verbesserung der Vertriebs- und Marketingprozesse ist die Vereinfachung des Geschäfts. Wir sehen dazu sechs wesentliche Hebel (s. Abbildung 12). Abbildung 12: Sechs Hebel zur Kostenreduzierung in kundennahen Prozessen Transaktionsvolumen Reduktion eingehender Transaktionen und Prozessinstanzen Standardisierung Standards bewusst einsetzen und in „First-time-right“-Ansätze (fehlerfreie Erbringung von Produkten und Services) investieren, um dadurch Qualitätsstandards weiter zu erhöhen Prozessdesign Fokus auf Prozessen, die Kundennutzen bringen; bei der Implementierung von Kunden segmenten Prozesse abgrenzen (nicht Organisationseinheiten) Organisationsdesign Wahl eines adaptiven Organisationsdesigns, um Reaktionszeiten bei externen und internen Veränderungen zu beschleunigen; eine adaptive Organisation zeichnet sich durch den Einsatz von Standards, einen modularen Aufbau und Skalierbarkeit aus Automation Investition in automatisierte Prozesse und webbasierte Self-Service-Portale; Reduktion von manuellen Eingriffen Make or Buy Bewertung von Shared- und Managed-Services-Lösungen entlang der ganzheitlichen Wertschöpfungskette; den Blick weiter als nur auf das Callcenter richten Quelle: EY-Analyse Stadtwerkestudie Juni 2015 | 29 3. Innovationen Die sechs Hebel zur Verbesserung der Kostensituation in kundennahen Prozessen im Einzelnen: Transaktionsvolumen • Reduktion der einzugehenden Transaktionen und der beteiligten Prozessinstanzen • Ganzheitliche Betrachtung der Prozesse im Sinne von End-to-End-Prozessen Standardisierung • Bewusstes Einsetzen von Standardprozessen: Der Großteil der Kosten in einem Prozess entsteht durch sog. Ausnahmefälle (10 Prozent der Fälle machen bis zu 90 Prozent der Kosten aus). • Investition in den „First-time-right”-Ansatz: Dabei handelt es sich um einen Konzeptbestandteil des Total-Quality-Managements, das auf einen möglichst hohen Anteil fehlerfrei erbrachter Produkte und Services setzt. Jede Nachbearbeitung einer Kundenanfrage führt zu einem Mehrfachaufwand. Prozessdesign • Der Fokus sollte auf Prozessen liegen, die einen wirklichen Kundennutzen bringen. Die Optimierung interner Prozesse (z. B. Querschnittsfunktionen) ist häufig einfacher um zusetzen, weist aber einen geringeren Hebel für zusätzliche Wertschöpfung und Kostenreduktionen auf. • Bei der Implementierung von Kundensegmenten sollte verstärkt eine Prozesssicht eingenommen werden. Historisch erfolgt die Abgrenzung über ganze Organisationseinheiten. Die Konsequenz: ineffiziente doppelte Prozesse und IT-Systeme. 30 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Organisationsdesign • Wahl eines adaptiven Organisationsdesigns, um die Reaktionsund Anpassungszeiten bei externen und internen Ereignissen zu minimieren • Eine adaptive Organisationsstruktur zeichnet sich durch den Einsatz von Standards, einen modularen Aufbau und eine große Skalierbarkeit aus. Letzteres ist gerade zur Begrenzung der Fixkostenproblematik interessant. Automation • Einführung automatisierter Prozesse und Aufbau web basierter Self-Service-Portale, um interne Aufgaben an den Kunden auszulagern und die Anzahl manueller Eingriffe zu reduzieren Make-or-Buy-Entscheidungen • Bewertung eines möglichen Einsatzes von Shared-Servicesoder Shared-Management-Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette • Dabei sollte der Blick nicht nur auf bekannten SourcingModellen wie dem Callcenter liegen. • Bei anderen Aufgabenbereichen (Billing, Back Office, Betrieb des Webportals etc.) könnte eine Auslagerung ebenso wirtschaftlich sinnvoll sein. Die hier beispielhaft an kundennahen Prozessen erläuterten Hebel zur Kostenreduktion lassen sich bei entsprechender Anpassung auch auf andere Unternehmensbereiche übertragen. 3.3 Neue Produkte und Services Manche Stadtwerke und EVU gehen davon aus, dass sich (Produkt- und Service-) Innovationen in der Energiewirtschaft wenig lohnen. Die Gründe hierfür werden oft im mangelnden Interesse der Kunden am Produkt „Strom“ gesehen. Strom muss jederzeit verfügbar sein. Versorgungssicherheit ist ein Gut, das gerade in Deutschland schon immer gegeben war; hinzu kommt eine hohe Preissensibilität der Kunden. Um diese Ausgangssituation zu bewältigen, ist die Suche nach einem „killer product“ oder einer „Killer-App“ wie dem I-Phone bei Energieversorgern weit verbreitet. Gesucht wird ein Produkt oder ein Service, der zu einem durchschlagenden Erfolg beim Endkunden führt und quasi zum Selbstläufer wird. Erfolgversprechende Produkte und Services aus Sicht der Stadtwerke Als besonders erfolgversprechend werden Speicherprodukte (66 Prozent), gefolgt von Services rund um das Thema Energiemanagement/Energiecontrolling (65 Prozent) sowie Energiedienstleistungen12 (61 Prozent) angesehen. Selbst aktiv sind derzeit Stadtwerke vor allem bei Energiedienstleistungen (z. B. Energiesparbera tung) mit einem Anteil von 69 Prozent und im Energiemanagement bzw. -controlling (56 Prozent). Es folgen mit jeweils 55 Pro- zent Nennungen neue Stromprodukte (neue Tarife, Internetprodukte, Discountprodukte) und Anlagencontracting für Heizungsanlagen. Insgesamt sind auch hier die Streuung und die Bandbreite der Aktivitäten bei den einzelnen Unternehmen recht hoch. Im Durchschnitt werden fünf Bereiche bzw. Themen genannt, in denen die Unternehmen derzeit an Produkt- bzw. Service innovationen arbeiten. Die Suche nach einem „killer product“ oder einer „Killer-App“ ist jedoch nicht rea listisch, da die Ausgangssituation in der Energieversorgung differenzierter zu betrachten ist. Während viele markante Produkt- und Serviceinnovationen in globalen Märkten mit einem hohen medialen Aufmerksamkeitsgrad entstanden sind, bewegt sich die Energieversorgung nach wie vor auf lokalen, regionalen, höchstens nationalen Märkten mit begrenzter Aufmerksamkeit – es sei denn, es handelt sich um politisch getriebene Themenstellungen. Daher hinkt auch jeder Vergleich mit anderen Branchen – zumindest teilweise. Die Entwicklung erfolgversprechender Produkte und Services in der Energiewirtschaft ist vor diesem Hintergrund zu betrachten. 12 Energiedienstleistungen als Oberbegriff für Dienstleistungen, mit denen die Energieeffizienz auf der Nachfrageseite verbessert werden soll, z. B. Energiesparberatung und Dienstleistungen rund um energieeffizientes Bauen. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 31 3. Innovationen Marktbewertung EY Attraktive Märkte finden sich aus heutiger Sicht insbesondere im Geschäftskunden-/ Industriebereich (s. Abbildung 13). Stadtwerke/EVU konzentrieren sich dagegen stärker auf den Haushaltskunden. Hier entwickeln 84 Prozent der Unternehmen neue Produkte und Services. Es folgen Gewerbe- und kleine Industriekunden mit 70 Prozent und öffentliche Einrichtungen mit 68 Prozent. Dagegen ist nur ein Viertel der Stadtwerke bei größeren Industriekunden mit Produkt- und Service innovationen aktiv. Für 57 Prozent der Unternehmen spielen Industriekunden bei der Produktinnovation keine oder nur eine geringe Rolle. Ohne öffentliche Subventionierung, etwa über Steuererleichterungen oder Förderungen, sind im Bereich der Privatkunden nur wenige Geschäftsmodelle erfolgversprechend. Die Einspeise- und Verbrauchsmengen eines Privatkunden sind i. d. R. zu gering, um größere Investitionen zu rechtfertigen. Ohne Produktbündelung und/oder Partnerschaften sind Energieeffizienzmärkte im Haushaltssektor wirtschaftlich betrachtet eher uninteressant. Eine Möglichkeit der Produktbündelung bietet der Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meters). Mit der Installation der Smart-Meter-Gateways bei Gewerbekunden sowie größeren und damit energiewirtschaftlich interessanten Haushaltskunden (mit mehr als 6.000 kWh/Jahr Verbrauch, einer PV-Anlage oder einer steuerbaren Verbrauchseinrichtung wie Speicherheizung, Wärmepumpe, Elektroauto) wird eine sichere Kommunikationsinfrastruktur im Gebäude geschaffen, auf der Stadtwerke/EVU eine Vielzahl von Dienstleistungen im Bereich der Energieeffizienz oder auch darüber hinausgehend anbieten können. Als stärkste Wettbewerber im Bereich der Produktinnovation sehen die Stadtwerke vor allem die eigene Branche, d. h. „große EVU“ und andere Stadtwerke. Jeder vierte Befragte nimmt jedoch auch einen starken Wettbewerb durch neue Player im Bereich der dezentralen Erzeugung und erneuerbarer Energien wahr, 21 Prozent durch unbekannte, neue Firmen (Start-ups). Neben dem, was Gegenstand von Produktund Serviceinnovation ist, spielt die Frage danach, wie die Produkt- und Serviceinnovation erfolgt, eine mindestens genauso wichtige Rolle. Damit widmen wir uns den Fragen eines Innovationsmanagements. 32 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Abbildung 13: Wertschöpfungspotenzial des Geschäftsmodells eines dezentralisierten Energie-Business Anwendungen jenseits des Zählers und den Zähler umgehend Verbrauch Energieeffizienz/Verbrauchsreduzierung • Verbrauchsvisualisierung * • Variable Tarife* • Smart Home/Gebäude Demand Response (Lastmanagement) Erzeugung Angebot und Nachfrage Business Case ist … Dezentrale Erzeugung/ Virtuelle Kraftwerke (VPP) Vor-Ort-Erzeugung und Verbrauchsoptimierung: KWK/EE/Speicherung Nano-/Microgrids negativ von Fall zu Fall positiv Haushalt Geschäftskunden: SoHo/KMU Geschäftskunden: Industrie Haushalt Missverhältnis von Lastmanagementpotenzial und -kosten Fokus auf Kühlgeräten der Nahrungsmittelproduktion, Lagerhaltung, Einzelhandel Missverhältnis von VPP-Potenzial und Kosten für die VPP-Infrastruktur Mehrfamilienhäuser mit signifikantem Wärmebedarf Schwerindustrie Abhängig vom Verbrauchsprofil und Einspeisetarif positiv … vor Marktregulierungen/Subventionierung Quelle: EY * Setzt i. d. R. intelligentes Messsystem voraus SoHo = Small Office/Home Office Stadtwerkestudie Juni 2015 | 33 3. Innovationen 3.4 Innovationsmanagement Einen wesentlichen Weg zu Innovationen stellt die Digitalisierung13 dar. Diese wird in der Energiewirtschaft durch die folgenden Trends getrieben: • den Einsatz neuer Technologien (Internettechnologien, Big Data, Cloud- und Mobile-Computing) • die Umsetzung innovativer energiewirtschaftlicher Prozesse/Treiber wie der Aufbau virtueller Kraftwerke • die Reaktion auf Kundenbedürfnisse und Angebote von digitalen Dienstleistungen und Produkten • die Etablierung neuer Geschäftsprozesse und den Aufbau neuer Geschäftsfelder Digitalisierungsprojekte können in unterschiedlichen Umfängen und Komplexitätsstufen angegangen und umgesetzt werden. Nachfolgend sind zur Illustration drei mögliche kundenzentrierte Ausprägungen dargestellt: 1. Digitale Abbildung In der ersten Entwicklungsstufe werden bestehende Geschäftsmodelle und -prozesse mithilfe digitaler Technologien an Kundenwünsche angepasst und effizienter gestaltet (z. B. elektronische Abrechnung, Internetportal zur Eingabe des Zählerstandes). 13 D igitalisierung = (intensive) Nutzung digitaler Technologien (IT, Internet, Smartphone, Social Media etc.) und von Daten. 34 | Stadtwerkestudie Juni 2015 2. Digitale Ergänzung Im zweiten Schritt werden die bestehenden Angebote und Geschäftsprozesse hinsichtlich Inhalt und Umfang weiterentwickelt und ergänzt (z. B. grafisch aufbereitete Verbrauchsinformationen mit Vergleichswerten zu einer Vergleichsgruppe, Möglichkeit, über das Internet den Zählerstand einzugeben und darauf basierend eine Anpassung der Abschlagszahlung vornehmen zu lassen). 3. Disruptive Digitalisierung In der dritten Entwicklungsstufe führt die Digitalisierung zu disruptiven, d. h. gänzlich neuen Geschäftsmodellen, die die Regeln der Energiebranche radikal verändern. Die erste Stufe dürften nahezu alle Stadtwerke – zumindest teilweise – erklommen haben. Die zweite Stufe steht derzeit im Fokus der Branche. Bezüglich der dritten Stufe stellt sich die Frage, wie bzw. welche neuen und kreativen Geschäftsmodelle entwickelt werden können, die ggf. die bisherigen Regeln auf den Kopf stellen. Zur Erreichung der dritten Stufe – aber auch zur Verbesserung der ersten beiden Stufen – dürften folgende zwei Ansatzpunkte Erfolg versprechen: • eine Institutionalisierung des Innova tionsmanagements (Organisation des Innovationsmanagements) • die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens an sich Mit beiden Punkten werden wir uns im Folgenden auseinandersetzen. 3.4.1 Organisation des Innovationsmanagements Kontinuierliche und erfolgversprechende Innovationsfähigkeit wird nachhaltig durch einen strukturierten Innovationsprozess unterstützt. Innerhalb dieses Prozesses sind drei Phasen zu unterscheiden: • „Upstream innovation“: Hier werden makroökonomische, Industrie- und Markttrends identifiziert und die Wettbewerbslandschaft permanent verfolgt. • Ideengenerierung: Mithilfe dieser externen und zusätzlicher interner Informationen können Ideen stimuliert, identifiziert und nach einer Bewertung ausgewählt werden. • „Downstream innovation“: Für die Weiterverfolgung der Ideen werden Business pläne angefertigt, eine Entwicklung angestoßen, Testverfahren aufgesetzt und nach erfolgreicher Pilotierung im Markt implementiert. Abbildung 14: Zuständiger Unternehmensbereich für Innovationen Gibt es einen für Innovationen verantwortlichen Bereich in Ihrem Unternehmen? Wenn ja, um welchen Bereich handelt es sich? Kein Bereich Unternehmensleitung Aus der Befragung ergab sich auch, dass drei Viertel der Unternehmen keinen strukturierten Innovationsprozess im Rahmen der Ideengenerierung und über die Hälfte der Unternehmen keinen strukturierten Innovationsprozess im Rahmen der Ideenumsetzung aufgesetzt haben. Darüber hinaus verfügen 61 Prozent der Stadtwerke/EVU über keine spezifischen Methoden im Innovationsmanagement. Insofern kann man davon ausgehen, dass Trendmanagement und Ideengenerierung kaum stringent verfolgt werden, sondern eher zufällig erfolgen. Einen Lösungsweg für kleinere Stadtwerke bieten auch in diesem Zusammenhang Kooperationen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistern. Einig sind sich die Befragten, dass ihnen Innovationen insbesondere bei der 27 Fachbereich Innovationsbereich Über die Hälfte der befragten Unternehmen hat keinen eigenen für Innovationen verantwortlichen Bereich (s. Abbildung 14). Damit stellt sich die Frage, inwieweit Innovationen bewusst gefördert, betrieben und auch erfolgreich durchgeführt werden können. Bei einem weiteren guten Viertel liegt die Verantwortlichkeit bei der Unternehmensleitung, eingebunden in das vielfältige Tagesgeschäft auf dieser Ebene. Es ist zu hinterfragen, wie viel Zeit und Einsatz investiert werden können, um Innovationen aktiv voranzutreiben. 54 13 4 Forschungs- und Entwicklungsbereich 2 Task Forces 2 Sonstiges 6 Angaben in Prozent; n = 100 Anpassung an Kundenbedürfnisse zum Vorteil gereichen (94 Prozent Zustimmung), aber auch bei der Reduktion von Kosten und als Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb genutzt werden können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbesserung des Images, das 71 Prozent der Befragten als Ziel von Innovationen angeben. Letzteres funktioniert im Übrigen in allen Branchen: Durch Innovationen – alleine schon, wenn darüber gesprochen wird – verbessert sich das Image. Als Partner im Bereich Innovationen werden an erster Stelle Kunden, an zweiter Stelle andere Marktteilnehmer aus der Energiewirtschaft gesehen. Dabei könnte es bezüglich der Innovationsfähigkeit durchaus von Vorteil sein, über den Tellerrand zu blicken, um Innovationen auch stärker aus Kooperationen mit Unternehmen anderer Branchen, Forschungseinrichtungen oder durch Kauf von Unternehmen mit bereits entwickelten Produkt- oder Serviceangeboten zu beziehen. Gerade im Hinblick auf Differenzierungspotenzial gegenüber dem Wettbewerb sollten diese Optionen stärker berücksichtigt werden. Alles in allem ist festzustellen, dass Stadtwerke und EVU noch über kein speziell ausgeprägtes Innovationsmanagement verfügen, dem Thema jedoch hohe Beachtung auf höchster Unternehmensebene beimessen. Gerade in Zeiten der Veränderung, der diese Unternehmen derzeit verstärkt unterliegen, ist die ergänzende Etablierung eines Innovationsmanagements – wenn von der Größe umsetzbar – ratsam, um Innovationen kontinuierlich und bewusst anzustoßen und zu realisieren. Bei kleineren Stadtwerken ist wiederum auf die Notwendigkeit und Möglichkeit zur Kooperation in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Begleitend zur Implementierung eines Innovationsmanagements ist zudem die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 35 3. Innovationen 3.4.2 Innovationsfähigkeit von Stadtwerken und EVU Kreativität ist also gefragt, nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in der Neugestaltung der Organisation, des Vertriebs und des Umgangs mit Kunden und Geschäftspartnern. Wie also ist es um die Innovationsfähigkeit der Stadtwerke bestellt? Offenbar nicht wirklich gut, meinen viele Vorstände und Geschäftsführer im Hinblick auf die eigene Branche. Jeder dritte von ihnen hält die fehlende Innovationsfähigkeit für ein generelles Hemmnis bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder. 63 Prozent der Stadtwerkemanager sind überzeugt, dass Innovationen vor allem durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Institutionen entstehen. Doch nur 33 Prozent der Befragten bescheinigen Unternehmen, die den ihren vergleichbar sind, dass sie einen brancheninternen und branchenfremden Austausch zu Innovationen und Innovationsmöglichkeiten pflegen. Die Existenz einer Innova tionskultur können ebenfalls nur 33 Prozent, eine ausgeprägte Innovationsstrategie nur 30 Prozent erkennen – und dies, obwohl 60 Prozent eine besondere Unterstützung des Topmanagements für Innovationen konstatieren. Offensichtlich ist das Thema „Innovation“ im Topmanagement angekommen. Im Vorjahr sahen lediglich 48 Prozent der Befragten eine solche Unterstützung. Innovation ja, aber bitte ohne großes Risiko, so könnte man die vorsichtige Haltung der Befragten umreißen. Nur 22 Prozent von ihnen sehen in ihrer Branche die Bereitschaft, im Zusammenhang mit Innovationen größere Risiken in Kauf zu nehmen. Ohne echte Innovationen – ob bei Geschäftsmodellen, Geschäftsprozessen oder Produkten und Services – wird es aber schwierig, die neue Energiewelt zu meistern. 36 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Abbildung 15: Innovationsfähigkeit von Stadtwerken Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Innovationsfähigkeit von Energieversorgern und Stadtwerken. Bitte bewerten Sie die folgenden Aussagen zur Innovationsfähigkeit von Unternehmen, die mit Ihrem Unternehmen vergleichbar sind. Bottom-2-Boxes (Note 5 = „trifft überhapt nicht zu“ | Note 4)* Innovationen entstehen vor allem durch Kooperationen mit anderen Unternehmen und Institutionen 11 63 17 Innovationen haben eine besondere Top-Management-Unterstützung 60 31 Fördermittel werden gezielt im Rahmen von Innovationen eingesetzt Es wird ein umfassender brancheninterner und branchenfremder Austausch zu Innovationen und Innovationsmöglichkeiten gepflegt 43 29 Kundenerwartungen werden umfassend und systematisch erhoben und ausgewertet, um sie in den Innovationsprozess einfließen zu lassen 33 33 Rendite- und Wachstumsvorgaben geben Spielraum für Innovationen Regualtorische/Politische Vorgaben werden als Treiber für Innovationen genutzt Top-2-Boxes (Note 2 | Note 1 = „trifft voll zu“)** 33 35 43 Es existiert eine Innovationskultur im gesamten Unternehmen 27 34 Es ist eine ausgeprägte Innovationsstrategie vorhanden 39 Es besteht die Bereitschaft, im Zusammenhang mit Innovationen auch größere Risiken in Kauf zu nehmen 39 29 * Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 4 oder 5 vergeben haben ** Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 1 oder 2 vergeben haben 24 24 22 Angaben in Prozent; n = 100 Stadtwerkestudie Juni 2015 | 37 3. Innovationen Innovationshemmnisse Als größte Hemmnisse für Innovationen werden die Regulierung und politische Rahmenbedingungen genannt (s. Abbildung 16). Diese externen Rahmenbedingungen lassen sich jedoch nur begrenzt beeinflussen. Stadtwerke sollten sich daher verstärkt 1. a uf die Nutzung politischer und regulatorischer Trends und 2. auf interne Faktoren zur Verbesserung der eigenen Innovationsfähigkeit konzentrieren. Nutzung politischer und regulatorischer Trends: Neben dem Versuch, die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen im Sinne der Stadtwerke zu beeinflussen, können sich abzeichnende politische und regulatorische Trends aufgegriffen und für die Entwicklung eigener Geschäftsmodelle und Produkte ausgenutzt werden. Dies lässt sich gut am Beispiel der erneuerbaren Energien illustrieren. Durch die gesetzlichen Grundlagen des EEG ist eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und Produkte entstanden. Stadtwerke sollten sich daher verstärkt fragen, was gut an einer sich abzeichnenden Entwicklung ist und wie dieser Trend positiv für das Unternehmen und zur Entwicklung von Innovationen, neuen Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen genutzt werden kann. Nur in jedem vierten befragten Unternehmen werden nach eigenen Angaben regulatorische und politische Vorgaben derart als Treiber für I nnovationen genutzt. Abbildung 16: Hemmnisse bei der Realisierung von Innovationen Welche der folgenden Nennungen sind wesentliche Hemmnisse für Ihr Unternehmen bei der Realisierung von Innovationen? Bottom-2-Boxes (Note 5 = „unwichtig“ | Note 4)* Regulierung 10 Politische Rahmenbedingungen 74 7 Fehlende Größe/Skalierbarkeit 71 14 Geringe Innovationsbudgets 58 22 Fachkräftemangel 31 Fehlendes Know-how 31 Bestehende Marktstrukturen Kapital- bzw. Venture-Markt Top-2-Boxes (Note 2 | Note 1 = „sehr wichtig“)** 37 35 30 28 50 27 20 * Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 4 oder 5 vergeben haben ** Anteil der Befragten in Prozent, die auf einer 5er-Skala die Noten 1 oder 2 vergeben haben 38 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Angaben in Prozent; n = 100 Interne Faktoren zur Verbesserung der eigenen Innovationsfähigkeit: Als wichtigstes selbst zu beeinflussendes Hemmnis wird von 58 Prozent der Stadtwerke und EVU die fehlende Größe und Skalierbarkeit genannt. Es folgen geringe Investitionsbudgets mit 37 Prozent Zustimmung14 und fehlendes Know-how (30 Prozent). Fehlende Größe lässt sich durch Kooperationen und Partnerschaften kompensieren. Aber auch in diesem Jahr muss festgehalten werden, dass hier Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Die Kooperationsstrategie steht mit 68 Prozent Zustimmung weiterhin ganz oben auf der Liste der strategischen Optionen. Ein Realitätscheck zeigt jedoch, dass es nach wie vor schwierig ist, tiefer gehende Kooperationen erfolgreich in die Tat umzusetzen. Die Gründe für das Eingehen von Kooperationen werden zunehmend differenzierter gesehen. Ging es in der Vergangenheit pauschal um die Hebung von Synergien und die Beschaffung von Know-how, so ist die Liste der wichtigen Kooperationsgründe vielfältiger geworden (s. Abbildung 17). Die Komplexität der Anforderungen (23 Prozent), die gestiegenen Marktanforderungen (21 Prozent) und der Wettbewerbsdruck (19 Prozent) deuten an, dass der Druck zu kooperieren für Stadtwerke angestiegen ist. Die kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit sich dieser Handlungsdruck in konkreten Kooperationen und Partnerschaften niederschlägt. Abbildung 17: Gründe für das Eingehen einer Kooperation – Vorjahresvergleich Bitte nennen Sie uns die wichtigsten Gründe, die ausschlaggebend für das Eingehen einer Kooperation sind. 58 Erschließung von Synergien 51 Beschaffung fehlenden Know-hows/ Personalqualifikation 38 60 23 Komplexität der Anforderungen Gestiegene Marktanforderungen 6 21 3 19 Zunehmender Wettbewerbsdruck 8 19 Wir sind alle zu klein 27 11 Beschaffung fehlender finanzieller Mittel 23 11 Verteilung des Risikos 16 9 9 Andere Weiß nicht/Keine Angabe Studie 2015 Studie 2014 3 2 Angaben in Prozent; n = 100 14 Diese lassen sich zumindest von den Anteilseignern und in eingeschränktem Maße auch von der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand in ihrer Höhe, zumindest aber in ihrer Zusammensetzung beeinflussen. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 39 4. Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz Im Folgenden werden kurz die wesentlichen Ergebnisse für Österreich und die Schweiz dargestellt und im Kontext der jeweiligen Länderspezifika analysiert. 4.1 Österreich Das Geschäftsjahr 2014 ist im Vergleich zum Vorjahr weniger gut gelaufen. Nur noch rund 60 Prozent der Energieunternehmen schätzen ihren geschäftlichen Erfolg 2014 als gut oder sehr gut ein, 40 Prozent als mittelmäßig oder eher schlecht. Im Vorjahr war das Verhältnis noch 70 zu 30. Die Gründe hierfür sind vielfältig. An erster Stelle für ein schlechteres Unternehmensergebnis wird die Regulierung der Netzentgelte angeführt. Zudem zeigt der gestiegene Wettbewerbsund Konkurrenzdruck Wirkungen. Denn erneut stieg die Anzahl der Wechselkunden im Vergleich zum Vorjahr an und erreichte 2014 mit insgesamt 268.000 Strom- und Gaskunden, die ihren Lieferanten gewechselt haben, eine neue Höchstmarke. Mit rund 206.000 Wechselkunden im Bereich Strom (das entspricht einer Wechselquote von 3,5 Prozent) und rund 62.000 im Bereich Gas (4,6 Prozent Wechselquote) haben sich mehr Kunden zu einem Wechsel entschlossen als je zuvor. Wesentlich dazu beigetragen haben die in der ersten Jahreshälfte 2014 erstmals durchgeführte Aktion „Energiekosten-Stop“ des Vereins für Konsumenten information (VIK) sowie Vereinfachungen in den Wechselprozessen und ein zunehmendes Vertrauen in den Wettbewerb, die sich positiv auf die Wechselraten ausgewirkt haben.15 Im Rahmen eines Gemeinschaftseinkaufs über den VIK haben 70.000 österreichische Haushalte 2014 ihren Strom- bzw. Gasanbieter gewechselt. Die durchschnittliche Ersparnis lag bei 269 Euro im Jahr. Für 2015 wird die Aktion wiederholt. Seit 2014 haben alle Kleinkunden (Endverbraucher ohne Lastprofilzähler) die Möglichkeit eines sogenannten OnlineWechsels. In Österreich tätige Lieferanten sind danach rechtlich verpflichtet, eine Online-Wechselmöglichkeit anzubieten, die den Wechsel für den Endkunden so leicht wie möglich macht. Das heißt, sämtliche Willenserklärungen, die für die Einleitung und Durchführung des Lieferantenwechsels notwendig sind, müssen formfrei und elektronisch über die Website des Lieferanten abgegeben werden können. Damit schreitet die Digitalisierung der Energieversorgung in Österreich – auch gesetzlich getrieben – weiter voran. Ähnlich wie in Deutschland setzen daher auch die österreichischen Energieunternehmen in erster Linie auf den Kunden und die Kundenbindung. So steht ein konzentriertes Wachstum im Vertrieb mit 59 Prozent Zustimmung ganz oben in der Liste der strategischen Optionen. 77 Prozent der Unternehmen fokussieren sich bei Geschäftsmodellinnovationen auf die Kundenbetreuung und 94 Prozent halten die Einbindung von Kunden als Partner bei der Entwicklung von Innovationen für wichtig. Innovation spielt in der österreichischen Energiewirtschaft jedoch insgesamt eine untergeordnete Rolle. Lediglich 24 Prozent der Unternehmen werden sich in den kommenden zwei bis drei Jahren mit Innovationen im Bereich ihrer Geschäftsprozesse auseinandersetzen. Auch bei Innovationen der Geschäftsmodelle (41 Prozent) und bei Produkten und Services (35 Prozent) ist nur eine Minderheit der Unternehmen aktiv. Besonderes Augenmerk wird auf die Entwicklung von Smart Grids gelegt, um den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien im Stromversorgungssystem integrieren zu können. Zur Umsetzung haben sich wichtige Stakeholder aus dem Bereich der elektrischen Energieversorgung in der Technologieplattform Smart Grids Austria zusammengeschlossen. Entsprechend hoch wird das Thema bei den Energieunternehmen gewichtet: 77 Prozent sehen in diesem Bereich ein hohes oder sehr hohes Innovationspotenzial, und rund die Hälfte der Befragten sehen Smart Grids als erfolgversprechendes Geschäftsfeld für das eigene Unternehmen an. 15 Vgl. E-Control, Jahresbericht 2014. Frischer Wind am Energiemarkt, S. 30 f. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 41 4. Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz 4.2 Schweiz In der Schweiz wurden 43 Elektrizitätswerke und regionale EVU befragt. Aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds beurteilen die Unternehmen die Aussichten weniger optimistisch als noch im vergangenen Jahr: So erwarten nun 65 Prozent ein gutes oder sehr gutes laufendes Geschäftsjahr, im Vorjahr waren noch 78 Prozent so optimistisch. Mit diesen vier Themen haben sich die Unternehmen am meisten bzw. am intensivsten auseinandergesetzt: 42 | Stadtwerkestudie Juni 2015 • Absatz, Marketing und Kundenbetreuung • Strombeschaffung und Portfoliomanagement • Optimierung interner Prozesse und betriebliche Reorganisation • Vorbereitung auf den zweiten Schritt der Marktöffnung (Privatkunden) Dabei sollen über betriebliche Optimierungen Mittel freigesetzt werden, die einerseits in neue Geschäftsfelder und andererseits in neue Erzeugungsquellen investiert werden können. Kundenbedürfnisse im Zentrum der Aktivitäten Mit der Öffnung des Strommarktes haben der Kunde und seine Bedürfnisse an Bedeutung gewonnen. Entsprechend stehen Absatz, Marketing und Kundenbetreuung ganz oben auf der Agenda der Unternehmen. 81 Prozent werden sich damit stark oder sehr stark auseinandersetzen (Vorjahr: 71 Prozent). Insbesondere die Vorbereitung auf den zweiten Schritt der Liberalisierung mit der Marktöffnung für Privatkunden beschäftigt die Elektrizitätswerke und regionalen EVU. So besitzen die Entwicklung neuer Produkte und Services (84 Prozent der Nennungen) und die Kundenbetreuung (79 Prozent) die höchste Priorität bei den Innovationsaktivitäten. Klar an Bedeutung verloren haben im Vergleich zum Vorjahr die erneuerbaren Energien sowie Kooperationen, Allianzen oder Fusionen. Vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien haben sich Schweizer EVU stark engagiert – besonders im europäischen Umfeld –, sodass zwar noch mit einem weiteren Wachstum gerechnet wird, die Bedeutung aber in Relation zu anderen Marktthemen abgenommen hat. Smart Grids, Smart Metering und Netzintegration Im Vergleich zum Vorjahr haben die Themen Smart Metering, Smart Grids und Netzintegration deutlich an Bedeutung gewonnen. Haben sich 2014 noch 36 Prozent der Unternehmen mit diesen Fragestellungen in den kommenden zwei bis drei Jahren intensiv bzw. sehr intensiv auseinandersetzen wollen, so sind es in diesem Jahr bereits 58 Prozent. Dazu hat sicherlich in starkem Ausmaß die im März 2015 vom Bund veröffentlichte Smart Grid Roadmap beigetragen.16 Der hohe Stellenwert der Themen aus der Smart Grid Roadmap wird auch in der Prioritätssetzung der möglichen Innova tionsbereiche deutlich. So arbeiten jeweils 79 Prozent der Unternehmen aktiv an Prozessinnovationen beim Management der Netze und der Messung. Im Bereich der Smart Grids sehen 72 Prozent ein hohes oder sehr hohes Innovationspotenzial, beim Smart Metering 63 Prozent. Die Hälfte der befragten Unternehmen besitzt keine Stelle, die für Innovationen zuständig ist. Dennoch ist die Innova tionskultur in der Schweiz stärker ausgeprägt als in Österreich und Deutschland. So bestätigen 33 Prozent der Befragten eine ausgeprägte Innovationskultur und 42 Prozent sind bereit, größere Risiken im Zusammenhang mit Innovationen einzugehen. In Deutschland trifft dies lediglich auf 24 bzw. 22 Prozent der Stadtwerke und EVU zu. Auch wenn ein Vergleich zwischen den Ländern aufgrund der sehr unterschied lichen Märkte und Rahmenbedingungen nur bedingt funktioniert, scheint beim Thema Innovation die Schweiz ihrem Image als entwicklungsorientierte und forschungsnahe Wirtschaft auch im Bereich Energie gerecht zu werden. Innovationen Auch in der Schweiz spielt das Thema Innovation eine eher untergeordnete Rolle, besitzt jedoch höhere Bedeutung als in Österreich und Deutschland: Zwei Drittel der Elektrizitätswerke und regionalen EVU wollen sich in den kommenden Jahren intensiv mit Innovationen im Bereich der Geschäftsprozesse sowie bei Produkten und Services auseinandersetzen. Und immerhin 56 Prozent suchen nach innovativen Geschäftsmodellen. 16 Bundesamt für Energie BFE, März 2015, Smart Grid Roadmap Schweiz. Wege in die Zukunft der Schweizer Elektrizitätsnetze. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 43 5. Fazit Die Energiewirtschaft, die sich momentan grundlegend verändert, benötigt dringender als viele andere Branchen Innovationen. Dabei geht es um mehr als nur eine kleine Kurskorrektur; gewohnte Wege sind zu verlassen. Die Geschäftsmodelle und -prozesse der Vergangenheit funktionieren vielfach nicht mehr und müssen durch neue Ideen angepasst, häufig sogar ersetzt werden. Zudem stagniert der Markt und neue Player mit frischen Ideen verschärfen den Wettbewerb. Daher benötigen Stadtwerke auch bei Produkten und Services kreative Einfälle. Dies haben viele Stadtwerke erkannt und setzen verstärkt auf Innovationen, wie die diesjährige Stadtwerkestudie von EY mit dem BDEW zeigt. So ist insbesondere die Unterstützung des Topmanagements für dieses Thema deutlich angestiegen. Stadtwerke haben grundsätzlich erkannt, dass Innovationen notwendig sind und dass Lösungsansätze zur Steigerung der Innovationsfähigkeit gefunden werden müssen. Wegen der vielfältigen Herausforderungen im Tagesgeschäft und der Rendite anforderungen der Anteilseigner fehlt es jedoch an Zeit, Geld, personellen Ressourcen und häufig auch an der Risikobereitschaft, innovative, also neue Wege zu gehen. Die Einsicht, dass Innovationen eine entsprechende Unternehmenskultur benötigen und auch gemanagt werden müssen, ist dagegen noch nicht sehr weit verbreitet. So hat lediglich jedes vierte Stadtwerke-Unternehmen einen Prozess zur Ideenfindung institutionalisiert. Entsprechend unkoordiniert erscheinen manchmal die Aktivitäten. Fokussierung ist das Gebot der Stunde. Es muss nicht jeder alles machen, das würde die Branche überfordern. Angesichts der Komplexität der Themen und der Ressourcensituation sollten sich vor allem kleinere Stadtwerke stärker auf einige wenige für ihr Unternehmen erfolgversprechende Fragestellungen fokussieren, die sie mit eigenen personellen und finanziellen Ressourcen bearbeiten, statt in allen bzw. vielen Bereichen unterwegs zu sein. Der Energiemarkt – insbesondere der Markt für Energieeffizienz – ist zersplittert, Teilmärkte erreichen häufig kaum die kritische Größe für mehrere Player. Der Erste in einem Nischenmarkt zu sein ist daher oft erfolgversprechender, als der Hundertste in einem etwas größeren Markt zu sein. In jedem Fall werden diese Märkte für Stadtwerke nicht im Alleingang zu erobern sein. Kooperationen und strategische Partnerschaften sind unumgänglich, um die notwendigen Fähigkeiten aufzubauen. Einen Fokus haben sich Stadtwerke und EVU allerdings schon gesetzt: Der Kunde ist wieder deutlich in den Mittelpunkt gerückt, sei es bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder der Optimierung von Geschäftsprozessen. Entsprechend hat auch bei den strategischen Optionen in diesem Jahr eine deutliche Verschiebung hin zum Vertrieb stattgefunden. 58 Prozent der Befragten halten ein konzentriertes Wachstum im Vertrieb für erfolgversprechend. Die höchste Priorität haben somit der Kunde und die Kundenbindung. Doch in einem schrumpfenden Markt reicht Kundenbindung alleine auf Dauer nicht aus. Benötigt werden Wachstumsperspektiven und auch Kostensenkungen. An Kostensenkungen geht kein Weg vorbei. Dies gilt auch im Marketing und im Vertrieb. Denn der moderne Endkunde stellt an seinen Energieversorger heute die gleichen Ansprüche hinsichtlich Erreichbarkeit und Servicefreundlichkeit wie an andere Dienstleister, mit denen er in Beziehung steht. Dies verursacht zusätzliche Kosten, die dem Endkunden allerdings nur schwer zu vermitteln sind, sodass zusätzliche Kostensenkungen notwendig werden. Viele Stadtwerke und EVU sind bereits heute über eine Vielzahl von Kommu nikationskanälen erreichbar und bieten darüber ihre Produkte und Services an. Es müssen jedoch noch viele Bausteine auf einandergesetzt werden, um zum „Front Office“ der Zukunft zu gelangen. Das Inno vationspotenzial, um Kosten zu senken und Wertschöpfungspotenziale zu heben, ist in den kundennahen Geschäftsprozessen noch groß – das zeigt der Vergleich mit anderen Branchen. Wachstumsperspektiven eröffnen sich in der Regel nur über neue Geschäftsmodelle. Dabei gilt es, die Zeichen der Zeit zu erkennen und Trends aufzugreifen: Dezen tralisierung, der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Wandel des Verbrauchers („Consumer“) zum Prosumer und die Ausbreitung digitaler Technologien bieten genügend Möglichkeiten und Ansatzpunkte für innovative Geschäftsmodelle. Virtuelle Kraftwerke, KWK mit Wärmespeicher, Mieterstrom oder Smart Metering sind nur einige Beispiele. Mit ihrer dezentralen Ausrichtung haben Stadtwerke eine bekannt gute Ausgangssituation, aus der viele, häufig unbekannte Wege in die Zukunft weiterführen. Um diese einzuschlagen, sind Mut und eine professionelle Vorbereitung vonnöten. Stadtwerkestudie Juni 2015 | 45 Ansprechpartner Metin Fidan Friedrichstraße 140 10117 Berlin Telefon +49 30 25471 21379 [email protected] Dr. Thomas Edelmann Arnulfstraße 59 80636 München Telefon +49 89 14331 21992 [email protected] Dr. Helmut Edelmann Graf-Adolf-Platz 15 40213 Düsseldorf Telefon +49 211 9352 11476 [email protected] Dr. Frank Fleischle Graf-Adolf-Platz 15 40213 Düsseldorf Telefon +49 211 9352 11494 [email protected] Martin Selter Friedrichstraße 140 10117 Berlin Telefon +49 30 25471 21284 [email protected] Stefan Waldens Graf-Adolf-Platz 15 40213 Düsseldorf Telefon +49 211 9352 12085 [email protected] 46 | Stadtwerkestudie Juni 2015 Elfriede Baumann Wagramer Straße 19 1220 Wien, Österreich Telefon +43 1 211 701141 [email protected] Roger Müller Maagplatz 1 8002 Zürich, Schweiz Telefon +41 58 286 3396 [email protected] Heike Schoon BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32 10117 Berlin Telefon +49 30 300199 1700 [email protected] Michael Nickel BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32 10117 Berlin Telefon +49 30 300199 1600 [email protected] Impressum Herausgeber Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Der Autor Dr. Helmut Edelmann Director Power & Utilities Graf-Adolf-Platz 15 40213 Düsseldorf Telefon +49 211 9352 11476 Telefax +49 181 3943 11476 Bestellung Jasmina Lahmann [email protected] EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschafts prüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2015 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. SRE 1506-432 ED None Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen U mständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. 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