Die Inkassowirtschaft - Ausgabe 14 Juli 2015

Die Inkassowirtschaft
Ausgabe 14 Juli 2015
DaS MagazIN DeS BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V.
Besseres Inkasso –
weniger Schlaglöcher
Spitzenpolitiker aus NRW diskutieren,
wie Inkassounternehmen Kommunen aus der
Finanzmisere helfen können
Compliance
Bitte recht freundlich!
Warum gutes Benehmen ein
Schlüssel für Inkassoerfolge ist
Pfändungsschutz
Freigrenzen steigen
Was sich für Gläubiger und
Schuldner jetzt ändert
www.inkassowirtschaft.de
Inkasso || StaNDpUNKt
Liebe Leserin, lieber Leser,
Inkassounternehmen sind sich ihrer
hohen Verantwortung für Wirtschaft und
Verbraucher bewusst. Deshalb haben sich
BDIU-Mitglieder verpflichtet, einen strengen Verhaltenskodex einzuhalten. Das bedeutet im Klartext eine redliche, gewissenhafte und ordnungsgemäße Ausübung der
Inkassotätigkeit. Die ihnen anvertrauten
Mandate vertreten BDIU-Mitglieder stets
in sachlich angemessener Weise und unter
Wahrung der Rechte der Schuldner.
Das Einhalten solcher Regeln nennt man »Compliance«, und wie
wichtig solche Compliance-Regeln für Inkassounternehmen
sind, zeigen wir in diesem Heft.
INhalt
Inkasso || aKtUell
3
WeNIgeR gelD FüR gläUBIgeR
Zum 1. Juli steigen
die Pfändungsfreigrenzen
Inkasso ||
theMa
4
gUteS BeNehMeN
Warum Compliance ein
Erfolgsgarant für Inkasso ist
Inkasso || polItIK
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KlaMMe KoMMUNeN
Eine Regel zum Beispiel für jeden Bürger sollte es sein, Forderungen von Städten und Gemeinden pünktlich und vollständig
zu begleichen. Etwa jeder Zehnte hält sich aber nicht daran. Dieses
Geld fehlt den Kommunen für Spielplätze oder das Stopfen von
Schlaglöchern. Hier hilft Inkasso. Und dabei gilt: Kämmerer
dürfen selbst entscheiden, ob sie in bestimmten Fällen Inkassounternehmen als Verwaltungshelfer beim Forderungsmanagement hinzuziehen.
Wie man in NRW über den Einsatz
von Inkassounternehmen diskutiert
Inkasso || NeU BeIM BDIU
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DIe eURopäeRIN
Halina Heyn kümmert sich
um die Organisation der FENCA
Auf unserer Jahreshauptversammlung in Düsseldorf haben wir
dazu eine spannende Diskussion mit Spitzenpolitikern aller
NRW-Landtagsfraktionen geführt. Mehr dazu lesen Sie in diesem Heft.
Impressum
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.
Herausgeber Bundesverband Deutscher
Inkasso-Unternehmen e. V. || Friedrichstraße 50 – 55
10117 Berlin || Telefon 030/206 07 36-0
Herzlichst
[email protected] || www.inkasso.de
Registergericht Amtsgericht Charlottenburg VR 28841 B
Ihr
V. i. S. d. P. Kay Uwe Berg
Redaktion Marco Weber, Maxi Bauer, Kay Uwe Berg
Konzept + Gestaltung Nolte | Kommunikation
Bildnachweis Titel: fotolia.com/Peter Atkins; S. 3: fotolia.com/
Carina Hansen; S. 4, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 14: BDIU/Peter Himsel;
S. 5: Deutsches Institut für Compliance (DICO), KOHL GmbH;
Wolfgang Spitz
S. 9 –13: shutterstock.com/Sarunyu_foto;
Präsident Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen
S. 16: fotolia.com/contrastwerkstatt
UNSeRe paRtNeR
BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || aKtUell
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(Noch)
Weniger
zu holen
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gläUBIgeR UND SchUlDNeR.
Bei Pfändungs- und Vollstreckungsmaßnahmen muss immer auch die wirtschaftliche
Existenz des betroffenen Schuldners beachtet werden. Um diese zu sichern, hat der Gesetzgeber Pfändungsfreigrenzen eingeführt.
Sie bedeuten, dass bei einer Pfändung von
Arbeitseinkommen erst oberhalb dieses Betrags Zahlungen an den Gläubiger beziehungsweise den Gerichtsvollzieher erfolgen
können. Damit soll auch gewährleistet werden, dass Schuldner, die einen Job haben und
somit eigenes Geld verdienen, nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind – dass also die
Allgemeinheit nicht für Schulden aufkommen muss, die die betreffende Person eingegangen ist. Hat der Schuldner Kinder oder
muss er Unterhaltspflichten bedienen, liegt
Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
diese Schwelle zum Pfändungsschutz sogar
noch höher.
Zum 1. Juli 2015 erhöht sich die Freigrenze um
28,84 Euro und liegt dann bei 1.073,88 Euro.
Für unterhaltsberechtigte Personen steigt sie
ebenfalls. Bei einem Arbeitnehmer mit zwei
Kindern ist damit ein monatliches Einkommen
bis zum Betrag von 1.703,21 Euro vor dem
Zugriff des Gerichtsvollziehers geschützt –
zuvor lag diese Grenze bei 1.657,46 Euro.
Weniger Zahlungen
Für Gläubiger ist das zunächst einmal keine
gute Nachricht, wie Andrea Schweer, Vorsitzende des BDIU-Rechtsausschusses, erklärt:
»Mit jeder turnusmäßigen Erhöhung der
Pfändungsfreigrenzen steigt der Betrag, der
dem Schuldner pfandfrei belassen werden
muss. Damit sinken die Chancen für den
Gläubiger beziehungsweise seinen Vertreter,
erfolgreiche Pfändungen in Zahlungsansprüche des Schuldners zu erwirken.«
Folgen für die Zahlungsmoral hat das nach
Einschätzung der Praktikerin allerdings
kaum – und wenn, dann keine positiven:
»Die Tatsache, dass den Schuldnern im Falle
von Pfändungen faktisch mehr Geld zur Verfügung steht, führt dabei aber nicht zu einer
Veränderung ihres Zahlungsverhaltens. Im
Gegenteil, die Gläubigervertreter hören den
Satz ›Was wollen Sie eigentlich, bei mir ist
eh nichts zu holen‹ noch häufiger.«
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Inkasso || theMa
geRegelteS VeRhalteN
Das gehört sich so –
Compliance im Inkasso
gUteS BeNehMeN UND INKaSSo. FüR VIele KlINgt DaS eIN WeNIg
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MöglIch UND coMplIaNce Regelt geNaU DaS.
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BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || theMa
Durch Compliance erfolgreich: Ralf Engelmann, Geschäftsführer der
KOHL GmbH, setzt auf geschultes Personal
Compliance-Expertin: Kerstin Euhus ist Vorstandsmitglied
des Deutschen Instituts für Compliance in Berlin
»Der Druck von außen wird immer stärker«, konstatiert
Kerstin Euhus, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts
für Compliance (DICO) in Berlin. »Wir können uns einem
Compliance-Beauftragten nicht verschließen«, bestätigt
Ralf Engelmann, Geschäftsführer der KOHL GmbH, eines
mittleren Inkassounternehmens mit etwa 60 Mitarbeitern.
Beide beschreiben dieselbe Entwicklung: Was bisher in
der Wahrnehmung vornehmlich ein Thema für die großen Konzerne war, betrifft zunehmend auch kleine und
mittlere Unternehmen. Sie sehen sich einer steigenden
Anzahl von Regelungen gegenüber, deren Missachtung
Bußgelder oder andere empfindliche Strafen zur Folge
hat. Ein Risiko, das unbedingt vermieden werden will.
Doch das Einhalten bestimmter Regeln ist nur ein Aspekt.
Compliance greift weiter. Vor allem in der Zusammenarbeit mit großen Auftraggebern stellen auch Inkassounternehmen immer wieder fest, dass sie ComplianceAnforderungen erfüllen müssen, die über das bloße
Beachten rechtlicher Vorgaben hinausgehen. Heute fragen
Auftraggeber nach den Wertvorstellungen von Inkassounternehmen oder wollen wissen, auf Grundlage welcher Verhaltenskodizes sie agieren. Und ohne einen entsprechenden Nachweis, solche Anforderungen zu erfüllen, bleiben
Ausschreibungseinladungen unbeantwortet, verstreichen
Gelegenheiten für ein gutes Geschäft. Compliance wird
selbstverständlich vorausgesetzt und die Frage nach dem
guten Benehmen von Unternehmen ist aktueller denn je.
Kirsten Pedd, als Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) unter anderem für Compliance zuständig, bringt es auf den
Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
Punkt: »Compliance ist – verkürzt gesagt – die Einhaltung
von Gesetzen und Richtlinien.« Expertin Kerstin Euhus
ergänzt: »Darüber hinaus bedeutet es auch das Anerkennen ethischer Grundsätze wie Wertschätzung und
Integrität«. Ein Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, welchen Normen und Werten es sich verpflichtet fühlt und wie es sicherstellt, sich an ebenjene
zu halten. Vielfach zeugen beispielsweise unternehmenseigene Verhaltenskodizes (Code of Conduct) von
dem Bekenntnis eines Unternehmens zu den gesellschaftlichen Grundregeln.
Herausforderung Inkasso
Ein eigener Verhaltenskodex ist für immer mehr Inkassounternehmen daher mittlerweile Standard. »Es
gibt einige schwarze Schafe«, kritisiert Inkassounternehmer Engelmann. »Wir müssen nachweislich Regelkonformität demonstrieren, um uns von unseriösen
Mitbewerbern abzuheben und um am Markt zu bestehen.« Dass sich dieser Herausforderung alle stellen müssen, egal ob Großunternehmen oder kleiner Betrieb,
liegt in einer globalisierten Wirtschaft auf der Hand.
Dabei sei im sensiblen Inkassogeschäft die Achtung gesellschaftlicher Normen besonders wichtig, so die
BDIU-Expertin Kirsten Pedd. »Bei jedem neuen Mitgliedsantrag prüfen wir daher sehr genau, welchen Wertekodex ein potenzielles Mitglied seiner Arbeit zugrunde legt und ob es sich zu unserem Grundsatz des
Inkassos mit Augenmaß bekennt.«
Der BDIU geht mit Inkassounternehmen, die diesem
Grundsatz nicht folgen, hart ins Gericht – bis hin zum
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Inkasso || theMa
Ausschluss aus dem Verband. Denn das Fehlverhalten
eines einzelnen Mitgliedsunternehmens gefährdet nicht
nur die einzelne Firma in ihrem Bestand, sondern kann
sogar die ganze Branche in Verruf bringen. Damit dies
nicht geschieht, stellt der Bundesverband Deutscher
Inkasso-Unternehmen hohe Anforderungen an seine
Mitglieder und all jene, die es werden möchten. »An
der Gesetzestreue besteht bei unseren Mitgliedern
selbstverständlich keinerlei Zweifel«, sagt Pedd. Vor
allem für die Gläubiger ist es zudem wichtig, dass sich
ihr Inkassodienstleister fair gegenüber Verbrauchern
verhält. »Schließlich«, so die Juristin, »ist es in unserer
ausdifferenzierten Wirtschaft normal, dass Unternehmen ihr Forderungsmanagement an Dienstleister aus-
Korruption, Kartellfälle, Betrug oder Insolvenzverschleppung. Eine zumeist über Jahrzehnte aufgebaute
Reputation kann dadurch nachhaltig geschädigt werden. Gerade mittelständische Betriebe können durch
das Publikwerden Compliance-relevanter Vorfälle einen
erheblichen Vertrauensverlust erleiden und in ihrem
Fortbestand gefährdet werden.
Compliance-Risiken managen
Doch wie diese Gefahr bändigen? Die konkrete Ausgestaltung des eigenen Compliance-Managements
scheint schwierig und die Antwort auf die Frage, was
man eben einfach nicht tut, ist nicht immer leicht. »Die
Grenzen zwischen geschäftsüblichem Verhalten und
BDIU-Mitgliedschaft:
Strenge Selbstkontrolle der Branche
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Seriöse Inkassounternehmen prüfen, ob eine Forderung berechtigt ist.
Wenn sie Zweifel an der Schlüssigkeit der Forderungen haben, geben sie
den Auftrag an den Auftraggeber zurück.
Um berechtigte Forderungen gegenüber Schuldnern durchzusetzen, erinnern
Inkassounternehmen den säumigen Zahler in aller Regel zunächst schriftlich
an seine Zahlungsverpflichtung.
Seriöse Unternehmen reagieren schnell und unkompliziert auf berechtigte
Einwände gegen eine Forderung.
Die Höhe der Inkassokosten begrenzen gesetzliche Regelungen.
BDIU-Mitgliedsunternehmen verpflichten sich zur Einhaltung strenger
Regeln für die ordnungsgemäße, redliche und gewissenhafte Berufsausübung.
Durch diese freiwillige Kontrolle über die Berufsausübung gilt die Mitgliedschaft
im BDIU als ein Gütesiegel für eine seriöse Inkassotätigkeit.
Eine Liste aller beim BDIU registrierten Unternehmen finden Sie unter:
www.inkasso.de/mitglieder/liste
lagern. Mandanten haben schlichtweg ein Recht darauf, dass ein Dienstleister nicht nur in ihrem Sinne
handelt, sondern sich und sein Verhalten an unseren
gesellschaftlichen Normen ausrichtet.«
Trendthema »Gutes Benehmen«
Es geht also um das gute Benehmen und die Frage, was
man nicht tut. Welche Bedeutung diese Frage hat,
sehen wir aktuell in den Nachrichten: Die Skandale um
den Weltfußballverband FIFA sind nur ein Beispiel von
vielen. 2014 identifizierte das Deutsche Institut für
Compliance in einer Auswertung von Medienberichten
verschiedene Fallgruppen, denen Compliance-Verstöße
zugeordnet werden können. Typisch sind demnach
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Compliance sind mitunter schwammig«, weiß Kirsten
Pedd. So gibt es eine Vielzahl von Risiken, die von
Unternehmen zu Unternehmen individuell verschieden
sind. Nicht alle ergeben sich zwangsläufig aus einem
besonderen Geschäftsmodell. Inkassounternehmen sind
also nicht per se gefährdeter als andere. Aber klar ist:
Jedes Unternehmen sollte sich Compliance-Fragen
stellen.
Allgemein gilt, dass nicht alles, was legal ist, auch legitim und angebracht ist. So kann die Einladung zu einem
Abendessen vor dem Hintergrund einer anstehenden
Vertragsverlängerung einen Beigeschmack haben, auch
wenn sie rechtlich nicht zu beanstanden ist.
BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || theMa
Ein funktionierendes Compliance-Management in einem
Unternehmen muss genau für solche Fragen sensibilisieren. Dabei gilt es, über den gesamten Tätigkeitsbereich
eines Unternehmens hinweg mögliche Risiken zu identifizieren, entsprechende individuelle Verhaltensregeln – wie
für den Fall des Abendessens – abzuleiten und diese vor
allem den Mitarbeitern zu vermitteln. Wer kann, schreibt
seine Verhaltensvorstellungen in einen Code of Conduct.
Diese Verschriftlichung trägt das eigene Wertesystem
gut sichtbar nach außen und kann deshalb zusätzlich in
der eigenen Organisation verpflichtend wirken. Aber sie
ist nicht zwingend. Ein funktionierendes ComplianceManagement-System sei in erster Linie auf die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens ausgerichtet, auf seine
entsprechen und die freiwilligen Bestimmungen und
Richtlinien des BDIU einhalten«, erklärt Engelmann.
Wie auch immer es im Unternehmen strukturell verankert ist, ein gutes Compliance-Management folgt stets
demselben Dreiklang aus Vorbeugen, Erkennen und
Reagieren. Laut Kerstin Euhus sind eindeutige Richtlinien und Vorschriften ein erster Schritt. Sie machen
Prozesse im Unternehmen nach innen und außen
transparent und beugen durch Empfehlungen und klare
Anweisungen einem Fehlverhalten vor. In einem weiteren Schritt geht es um das Erkennen von Verstößen
beziehungsweise nicht konformen Verhaltens. Um Fehler zu identifizieren, bedarf es wiederum entsprechender
Code of Conduct
(Verhaltenskodex)
In einem Code of Conduct stellen Unternehmen Richtlinien und Regelungen zusammen, denen sie sich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterwerfen. Verhaltenskodizes formulieren Anweisungen, die allen
Mitarbeitern als grundlegende Handlungsorientierung dienen. Diese Regeln
fördern erwünschtes Mitarbeiterverhalten und sollen unerwünschtes unterbinden. Codes of Conduct können dabei unterschiedlich detailliert formuliert sein. Sie reichen vom einseitigen DIN-A4-Blatt bis zum mehrseitigen,
gebundenen Werk. Klassischerweise machen Verhaltenskodizes Aussagen zur
Vermeidung von Korruption, dem Umgang mit Kunden und Mitarbeitern
und dem Verhalten des Unternehmens als Teil der Gesellschaft.
Größe, seinen Tätigkeitsbereich und die Strukturen, erläutert Expertin Euhus. »Kleinere Unternehmen sind
diesbezüglich oftmals pragmatischer und operativer unterwegs«, ergänzt Kirsten Pedd. Die Verantwortung für
das Thema liegt dort oft allein beim Geschäftsführer.
Hingegen ist ein Chief Compliance Officer (CCO), der
ein strategisch angelegtes Compliance-Management
verantwortet, in großen Betrieben keine Seltenheit.
Bei der Analyse der Prozesse wurde Inkassounternehmer
Engelmann schnell klar, dass für ihn Fragen des Datenschutzes oder die Bemessungsgrundlagen für Inkassovergütungen zentrale Punkte im eigenen ComplianceManagement sind. Bei der Gestaltung eigener Strukturen,
um diesen Risiken zu begegnen, setzt er auf gut geschulte
Mitarbeiter und einen Datenschutzbeauftragten, der
gleichzeitig das Thema Compliance verantwortet. »So
stellen wir sicher, dass wir bei all unseren Prozessen
rechtlich und datenschutzrechtlich dem State of the Art
Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
Inkasso mit Augenmaß: Präsidiumsmitglied Kirsten Pedd
kennt das Regelwerk des BDIU
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Inkasso || theMa
Kontroll- oder Berichtssysteme. In jeder
Firma müsse zudem klar geregelt sein, wie
Verstöße geahndet werden. Ein falsches Verhalten müsse Konsequenzen nach sich ziehen, damit ein Compliance-System auch
Wirkung entfaltet und kein Lippenbekenntnis bleibt. »Ein seriöses Inkassounternehmen
hat deshalb immer einen Mitarbeiter, der
sich im Betrieb mit dem Thema Compliance
befasst«, betont auch Ralf Engelmann.
Aber wie installieren Unternehmen ein umfassendes Compliance-Management? Das
Deutsche Institut für Compliance empfiehlt
die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten
Beratungsunternehmen. Ein solcher Berater
sei unabhängig und habe einen objektiven
Blick auf das Unternehmen. Erfahrungsgemäß würden aber gerade kleinere Unternehmen diesen finanziellen Aufwand scheuen.
Ihnen rät Kerstin Euhus, in der Branche nach
guten Fallbeispielen und den Austausch mit
anderen Unternehmern zu suchen. »Oftmals
hilft es, einfach einmal zu schauen, wie es andere machen.« Für solch einen branchenübergreifenden Austausch haben Compliance-Praktiker 2012 das Deutsche Institut für
Compliance aus der Taufe gehoben, das seither als Forum für die praxisbezogene Weiterentwicklung von Compliance in Deutschland
dient. »Das Prinzip ›Unternehmen helfen
Unternehmen‹ ist für uns zentral«, sagt die
Expertin.
Aber auch der Bundesverband Deutscher
Inkasso-Unternehmen, der sich seit Langem
sehr ernsthaft dem Thema Compliance mit
einem eigenständigen Ressort im Präsidium
widmet, bietet Unterstützung. »Unternehmerische Entscheidungen oder beratende Funktionen können wir zwar nicht übernehmen«,
so Pedd, »aber bei Fragen zu inkassorelevanten Compliance-Problemen unterstützen
wir gern.«
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BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || polItIK
KlaMMe KoMMUNeN
Geht NRW bald den
»Wiesbadener Weg«?
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Über 20 Milliarden Euro: Das ist die Summe, die Städte
und Gemeinden an offenen Forderungen derzeit in ihren
Büchern stehen haben. Ein konsequenteres Forderungsmanagement würde diesen Fehlbetrag deutlich reduzieren.
Gerade in Nordrhein-Westfalen könnten die Kommunen
zusätzliche Einnahmen gut vertragen. Von den 30 Städten
mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung liegen 15 an
Rhein und Ruhr. Höchste Zeit also gegenzusteuern.
Auf seiner Jahreshauptversammlung 2015 diskutierte der
BDIU mit Spitzenvertretern der fünf im Landtag vertretenen Parteien zum Thema. Thomas Idstein, Leiter des
kommunalen Forderungsmanagements von Wiesbaden,
erklärte zunächst, wie die hessische Landeshauptstadt
ihre Probleme gelöst hat. Zwar würden 90 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger Forderungen, etwa aus Kindergartengebühren oder Bußgeldern, zeitnah begleichen.
Probleme entstünden den Kommunen aber durch die
zehn Prozent, die das nicht tun. »Dann müssen wir Mahnläufe durchführen. Für hartnäckige Nichtzahler müssen
Vollstreckungsabteilungen vorgehalten werden. Die zehn
Prozent verursachen also in jeder Kommune hohe Sachund Personalkosten«, erläuterte Idstein.
Wiesbaden hat mit dem zuständigen Datenschützer
eine Lösung gefunden. Den »Wiesbadener Weg« nennt
Idstein das, dem auch die Landesregierung zugestimmt
K
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Der BDIU klärt schon seit vielen Jahren auf. Im September 2005 organisierte der Inkassoverband ein Symposium
gemeinsam mit der Stadt Düsseldorf unter dem Titel:
»Forderungsmanagement durch Private: Mehr Liquidität für die Kommune«. Über 100 Kämmerer aus ganz
Deutschland nahmen teil, diskutierten kontrovers und
konstruktiv und informierten sich über die rechtlichen
Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen,
damit Inkassounternehmen Kommunen beim Einzug
ihrer Forderungen helfen können.
Das problematische Zehntel
Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
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Inkasso || polItIK
hat. Größte Hürde vor einer Beauftragung von Inkassounternehmen ist nämlich der sogenannte Forderungsgrund. »Wir müssen natürlich das Steuergeheimnis
wahren«, so Idstein. »Nehmen wir Forderungen aus der
Gewerbesteuer. Das Steuergeheimnis würde verletzt,
wenn man dem Dritten den Forderungsgrund angibt.«
Die Lösung in Wiesbaden: »Wir geben dem außenste-
allem niedergeschlagene Forderungen bearbeiten, die die
Kommune bereits »zu Ende« bearbeitet hat; es sind mehrere Mahnungen erfolgt, auch die Vollstreckungsbehörde
war aktiv, teilweise sogar mit Außendienstmitarbeitern direkt vor Ort. Bei diesen niedergeschlagenen Forderungen
ist die Stadt also für sich selbst zu dem Schluss gelangt:
»Hier ist nichts mehr zu holen«, so Idstein.
Im weiteren Verfahren schreibt der
Inkassodienstleister den Schuldner
mit dem Hinweis an: »Im Namen der
Landeshauptstadt Wiesbaden erinnern wir an offene Forderungen.« Der
Dienstleister überwacht die Geldeingänge, vereinbart gegebenenfalls Ratenzahlungen oder vermittelt Vergleiche mit der Stadt. Es fließt also Geld
aus sehr schwierig zu realisierenden
Forderungen, die die Stadt selbst
nicht mehr erfolgreich weiterbearbeiten konnte.
Kontroverse Meinungen zum kommunalen
Inkasso in NRW: Angela Freimuth (FDP),
Reiner Priggen (Grüne), Rainer Schmeltzer (SPD)
Aber nicht nur bei niedergeschlagenen
Forderungen hat der Austausch mit
einem externen Inkassodienstleister
Wiesbaden Vorteile verschafft. »Wir
können auch Bonitätsüberprüfungen
durchführen, also Daten des externen
Dritten nutzen, die die Stadt selbst nicht
vorrätig hat«, erklärt Idstein. »Gerade
im Vergabebereich hat das uns schon
einiges an Schaden erspart.«
henden Dienstleister nur Daten zur Person heraus, eine
Sortiernummer – in Wiesbaden heißt das Geschäftspartnernummer – sowie die Betragshöhe, gesplittet in
Haupt- und Nebenforderungen. Der hessische Datenschutzbeauftragte sieht damit das Steuergeheimnis gewahrt, weil der Drittdienstleister nicht erfährt, um welche
Forderungen es konkret geht.« Dokumentiert ist das im
38. Tätigkeitsbericht des hessischen Datenschutzbeauftragten – nachzulesen im Internet.
Kommune ist Herrin des Verfahrens
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Das brachte die Überleitung zur Diskussion mit den Landespolitikern. Reiner Priggen, bis März 2015 Vorsitzender
der kleineren NRW-Regierungsfraktion der Grünen, sagte,
dass aus seiner Sicht das Inkasso der Kommunen gut funktioniere. »Inkassoverwaltung ist bei uns nie diskutiert worden, weil das Land das aus unserer Sicht vernünftig regelte,
und es ist ohnehin eine kommunale Aufgabe.«
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Aus Sicht Idsteins könnten Städte in Nordrhein-Westfalen
ebenso verfahren. Er verweist auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage im Landtag aus dem
Jahr 2013. Demnach hält es die Landesregierung für möglich, dass NRW-Kommunen diese Verwaltungshilfe nutzen. Gleichwohl beurteilt die Regierung die Erfolgschancen einer solchen Zusammenarbeit sehr skeptisch.
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Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Die Beauftragung
erfolgt im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung, was
ungewöhnlich im Inkassogewerbe ist. Dadurch verliert die
Kommune niemals die Herrschaft über ihre Forderungen.
In der Regel wird der beauftragte Inkassodienstleister vor
Modellland Hessen?
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BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || polItIK
Lutz Lienenkämper sah das nicht
ganz so. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, also der größten Oppositionsfraktion. Bis 2010 war
er Verkehrsminister des Landes und
zeichnete verantwortlich für Infrastrukturfragen. Er sieht die Situation
der Kommunen im Lande durchaus
kritisch. »Mehr als die Hälfte der Kassenkredite wird in NRW gemacht«, so
Lienenkämper. »Wir haben 396 Städte
und Gemeinden, davon sind etwa die
Hälfte, nämlich 174, in Haushaltsnotlage beziehungsweise entsprechenden
Programmen.« In anderen Bundesländern, zum Beispiel Baden-Württemberg und Bayern, habe man kein Verständnis für die schwierige Lage der
NRW-Kommunen.
»Macht ein Gesetz!«
BDIU-Hauptgeschäftsführer
Kay Uwe Berg appellierte an die
NRW-Politiker
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Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
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BDIU-Präsident Wolfgang Spitz legte in diesem Zusammenhang das Augenmerk auf die Frage der niedergeschlagenen Forderungen, die es ganz unabhängig von
den Strukturproblemen Nordrhein-Westfalens zu betrachten gelte. Die niedergeschlagenen Forderungen,
die zum Teil schon viele Jahre in Archiven gelagert würden, seien es »allemal wert, dass sie jemand noch mal
aktiviert«, so Spitz. »Alle Erfahrungen zeigen, dass man
nach einer gewissen Zeit einen Erholungseffekt bei
Schuldnern feststellen kann. Wenn wir also über private
Schuldner sprechen, dann wurde die Forderung zum
Beispiel niedergeschlagen, weil der Betroffene arbeitslos
geworden war und kein Einkommen mehr hatte. Nach
fünf Jahren sieht die Situation vielleicht ganz anders
aus, und schon gibt es Möglichkeiten, die Forderung zu realisieren.« Spitz appellierte an die Landespolitiker, den öffentlichen Verwaltungen vor
CDU-Politiker Lienenkämper stimmte dem zu. Er verwies auf die Stadt Xanten, bei der eine Zusammenarbeit
mit Inkassounternehmen laut Medienberichten gute Ergebnisse erzielt habe. Daher habe seine Fraktion wissen
wollen, »ob es Möglichkeiten gibt, wie man mehr Forderungen, die ja zu Recht bestehen, aktivieren kann«.
Gleichwohl möchte Lienenkämper das nicht als Freifahrtschein verstanden wissen. »Eine materielle Beauftragung an Private würde zu weit gehen«, schränkte er
ein. »Das Forderungsmanagement muss eine staatliche
Aufgabe bleiben, in der Finanzhoheit der Kommune.
Jede Kommune muss selbst entscheiden können, wie
genau sie sich der Aufgabe stellt, maßgeschneidert für
ihre Situation.« Eine Lösung sieht Lienenkämper in der
Schaffung kommunaler Kompetenzzentren. »Diese Zentren können Kompetenzen bündeln, damit mehr dieser
Forderungen auch verfolgt werden. Wir haben in Nordrhein-Westfalen viele kleine Städte und Gemeinden, die
nicht über das Know-how verfügen, das andere Städte
und Gemeinden haben. Wenn man das in Kompetenz-
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Mehr Inkasso – weniger Schlaglöcher
Ort ein entsprechendes Signal zu geben. »Es geht um die
Ertüchtigung der Kommunen im finanziellen Bereich«,
so der Branchenchef, »denn jeder Euro, der zusätzlich in
die Kassen kommt, repariert Straßen, füllt Schlaglöcher.«
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Priggen wandte ein, dass in NordrheinWestfalen bedingt durch den Strukturwandel eine besondere Situation
bestehe. In den letzten Jahrzehnten
seien zwei Millionen Arbeitsplätze im Bereich Kohle
und Stahl verloren gegangen, »so viel wie die Bevölkerung in manchen Bundesländern«. Dafür bekomme
NRW aber zu wenige Ausgleichszahlungen durch den
Bund und andere Bundesländer, was die Situation vor
Ort zusätzlich verschärfe.
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11
Inkasso || polItIK
setzliche Grundlage, damit eine solche Aufgabenverlagerung auch möglich ist.« Es gehe dabei um die Frage
von Grundrechten, was insbesondere für die FDP ein
wichtiger Punkt sei. Es sei nur ein »sehr eng begrenzter
Aufgabenbereich« aus ihrer Sicht vorstellbar. Ihre Fraktion habe sich intensiv mit der hessischen Regelung beschäftigt. Würde man das auf NRW
FAZ-Journalist Dr. Reiner Burger (rechts)
übertragen, dann müsse man »an prihakte bei Lutz Lienenkämper (Mitte, CDU)
vate Inkassounternehmen die gleiund Dietmar Schulz (Piraten) nach
chen Anforderungen stellen wie zum
Beispiel an die öffentliche Hand.
Wenn die öffentliche Hand nach dem
Abschluss eines Verfahrens die Daten
vernichten und löschen muss, dann
müssen für ein Inkassounternehmen
als Verwaltungshelfer die gleichen
Spielregeln gelten. Das ist ein Punkt,
den ich bei der hessischen Lösung
nicht ganz so klar geregelt finde.«
Wenn das geklärt würde, stünde die
FDP Inkassounternehmen als Verwaltungshelfern grundsätzlich positiv gegenüber. »Aber die grundrechtsrelevanten Gründe sind eben auch nicht
von Pappe«, so Freimuth.
zentren abrufen könnte, wäre schon etwas geholfen.«
Was das Heranziehen privater Inkassodienstleistungsunternehmen als Verwaltungshelfer angeht, signalisierte
Lienenkämper grundsätzliche Offenheit seitens seiner
Fraktion. »Da kann das eine oder andere sicherlich noch
besser gemacht werden als bisher.« Er wolle auch noch
die Frage geklärt wissen, inwiefern Forderungen der
Kommunen an Dritte übertragen werden könnten, zum
Beispiel im Wege des Factorings: »Also ob jemand solche Forderungen für einen Teil des Wertes kaufen will,
um sie dann selbst einzuziehen. Das wollen wir noch tiefer untersuchen, weil das sehr umstritten ist in der juristischen Welt.«
Das Beispiel Wiesbaden sieht Lienenkämper als einen
»hessischen Sonderweg mit eigenem Gesetz und Vereinbarung mit dem Datenschutzbeauftragten«. Für sein Bundesland will er das zwar nicht ausschließen. »Aber da
muss man den NRW-Datenschutzbeauftragten fragen.
Den habe ich in solchen Zusammenhängen bislang nicht
gerade als Treiber der Innovation und Fortschrittlichkeit
kennengelernt, was aber nicht ausschließt, dass er hier
dem Beispiel seiner hessischen Kollegen folgen kann.«
Datenschutzfragen lassen sich lösen
Auch Angela Freimuth, stellvertretende Vorsitzende der
FDP-Fraktion, zeigte sich für das Thema grundsätzlich
aufgeschlossen. »Inkassounternehmen leisten einen
wichtigen Beitrag dafür, dass wir nicht nur ein Recht
haben, sondern dass dieses Recht für die jeweiligen
Gläubiger auch werthaltig und durchsetzbar ist«, sagte
sie in der Diskussion. Sie meldete jedoch datenschutzrechtliche Bedenken an, falls Inkassounternehmen als
Verwaltungshelfer tätig würden. »Wir bräuchten eine ge-
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Moderator Dr. Reiner Burger, NRWKorrespondent der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, ging auf das Thema Datenschutz weiter ein. Er gab zu bedenken, das
Wiesbadener Modell bringe doch sogar »mehr Datenschutz, weil Städte nicht auf Verdacht Daten vorrätig
halten müssen über Leute, die überhaupt nicht säumig
sind«. Aus Datenschutzsicht spreche daher sehr viel für
dieses Modell.
Dietmar Schulz, Fraktionsvize der Piratenpartei, mochte
sich dieser Sichtweise nur bedingt anschließen. Er vermutete, dass sich das nur auf den Einzug von Gerichtskosten beziehe. »Bei allem anderen ist Hessen nicht
anders zu bewerten als NRW.« Das hessische Gerichtskostengesetz beschreibe »sehr restriktiv, was die Behörde an Daten an private Unternehmer herausgeben
darf«. Es sei nicht viel mehr als der Name und eine
Adresse. »Und so muss es auch bleiben«, so Schulz. Letztlich müsse man es den Kommunen selbst überlassen,
solche Wege zu gehen. Das Beispiel der Stadt Xanten,
bei der es um den Einzug von Bußgeldforderungen aus
dem Ausland durch ein Inkassounternehmen ging, wertete der Politiker in diesem Zusammenhang positiv.
»Macht ein Gesetz!«
An diesem Punkt schaltete sich Kay Uwe Berg, Hauptgeschäftsführer des BDIU, in die Debatte ein. Bei den
Datenschützern im Publikum habe er »heftiges Kopfschütteln« gesehen. Dabei sei der Schutz personenbezogener Informationen gar kein Problem. »Auch bei
ganz normalen Inkassoforderungen werden die Daten
selbstverständlich nicht ad infinitum vorgehalten«, so
BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || polItIK
Berg. Immer wieder gelange man in der Diskussion
letztlich an den Punkt, dass die Politik zwar im Prinzip
eine Zusammenarbeit mit Inkassounternehmen sinnvoll
finde, aber ein Gesetz für erforderlich halte, das das regelt. »Ja, dann machen Sie eines oder bringen Sie eines
ein«, appellierte Berg unter dem Applaus des Publikums.
Die Beauftragung von Inkassounternehmen in einem
kleinen Bereich des kommunalen Forderungsmanagements koste die Städte und Gemeinden kein zusätzliches
Geld – im Gegenteil, dadurch könnten die Kommunen
Mehreinnahmen generieren. »Wir waren in Hessen bei
der Anhörung des Gesetzes. Da wurde auch viel diskutiert, und es gab auch Gegenwind. Irgendwann hat dann
der Kollege der Grünen in dem Ausschuss gesagt: ›Mein
Gott, lasst es sie probieren. Im schlimmsten Fall fließt
halt kein Geld.‹«
Im Namen der Inkassowirtschaft bedankte sich Wolfgang
Spitz für dieses Gesprächsangebot.
Fazit: Ein Gesetz zum kommunalen Forderungsmanagement wäre zwar wünschenswert, die Politik in
NRW und insbesondere die SPD als größte Regierungsfraktion sehen das aber nicht als notwendig an. Die
Kommunen in Nordrhein-Westfalen können nämlich
bereits heute selbst entscheiden, ob sie mit Inkassounternehmen als Verwaltungshelfern zusammenarbeiten
wollen. Der »Wiesbadener Weg« ist damit auch für
Kommunen an Rhein und Ruhr gangbar.
»Kommunen entscheiden selbst«
Die Diskussion hatte sich also jetzt an dem Punkt festgemacht, ob die Politik ein Gesetz zum Inkasso für
Kommunen einbringen sollte. Dazu gab es gegen Ende
der Podiumsrunde heftige Kontroversen. Rainer
Schmeltzer, Fraktionsvize der Sozialdemokraten im
Düsseldorfer Landtag, hielt ein solches Gesetz für unnötig. »Die Gemeindeordnung in NRW lässt vieles von
dem, was von Herrn Idstein dargestellt wurde, für den
Verwaltungshelfer jetzt schon zu«, sagte er. Hoheitliche
Aufgaben müssten zudem bei den Kommunen bleiben.
Schmeltzer verwies auf Artikel 33 des Grundgesetzes
und auf das Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetz des
Landes Nordrhein-Westfalen, das das klar definiere.
Der SPD-Politiker sah den Ball hier auch gar nicht beim
Land, sondern direkt bei den betroffenen Städten und
Gemeinden. Letztlich müsse jede Kommune selbst die
Frage beantworten, ob das Forderungsmanagement im
Einzelfall mit einem Verwaltungshelfer möglich sei. Die
kommunalen Kompetenzzentren, die die CDU vorgeschlagen hatte, fand Schmeltzer dazu unnötig. Kommunen könnten bereits jetzt ihr Know-how bündeln. »Wir
haben erst kürzlich ein Gesetz zur interkommunalen Zusammenarbeit verabschiedet«, so Schmeltzer. Auch was
den Verkauf von Forderungen an Dritte angeht, ist
Schmeltzer sehr skeptisch. »Wenn es dazu kommen
sollte, wird es eine spannende Diskussion im NRWLandtag geben. Die Zurückhaltung, ja die Ablehnung der
Landesregierung aus dem Jahr 2013 gilt nach wie vor.«
»Diskutiert mit uns!«
Der Grünen-Politiker Priggen zeigte sich dagegen offen
für eine weitere Diskussion. Bislang hätten die Kommunen signalisiert, dass sie eine Unterstützung durch Inkassodienstleister nicht bräuchten. Allerdings klinge der
Vorschlag von Thomas Idstein interessant. »Das würde
ich gern mit anderen Grünen-Politikern, mit kommunalen Spitzenverbänden und Datenschützern diskutieren.«
Am Beispiel Hessens könne man herausfinden, ob in
NRW nachjustiert werden müsse. »Wenn die Kämmerer
das fordern, dann kann man das diskutieren«, so Priggen.
Die Inkassowirtschaft || JUlI 2015
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Inkasso || NeU BeIM BDIU
INteRVIeW
Die Europäerin
beim Inkassoverband
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gehend dieselben. Ich sehe meine Arbeit als einen
Beitrag, diese Berührungsängste mit dem nicht nur
richtigen, sondern auch wichtigen Geschäftsmodell
Inkasso abzubauen.
Sie haben Politikwissenschaften und Osteuropastudien studiert. Wie kommt jemand mit einem
solchen Themenschwerpunkt zum Bundesverband
Deutscher Inkasso-Unternehmen – wie passt das
zusammen?
halINa heyN I Nach dem Bachelor in Politikwissenschaften und einem Master in Zentral- und Osteuropastudien habe ich Jura (Staatsexamen) studiert. In allen
Gebieten habe ich den Schwerpunkt auf Europathemen
gelegt. Daher hat mich eine Tätigkeit als Europareferentin beziehungsweise die Aufgabe beim europäischen
Dachverband der Inkassowirtschaft besonders gereizt.
Hatten Sie Berührungsängste beim Thema Inkasso?
halINa heyN I Ich kenne natürlich die Vorbehalte, die
viele gegenüber dem Forderungsmanagement haben.
Oft wird das Geschäftsmodell als solches kritisiert oder
das Vorgehen einzelner Unternehmen. Letzteres beruht auf einem Mix aus alten Vorurteilen und persönlicher Erfahrung. Beides sollte man ernst nehmen. Aber
gerade hier setzt ja die Arbeit der FENCA-Mitgliedsverbände an, denn bei aller Verschiedenheit der Aktionen,
beim Thema Inkasso sind die Vorurteile doch weitest-
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Sie haben in Deutschland, Frankreich und Polen
studiert. Warum ist es wichtig, dass junge Menschen heute Ausbildungs- und Lernstationen in
verschiedenen Ländern machen?
halINa heyN I Ich finde es extrem wichtig, dass junge
Menschen im Studium auch mal über den Tellerrand
schauen und sich auf verschiedene Kulturen und Lernsituationen einlassen. So erfährt man nicht nur viel über
das Fremde, sondern lernt auch das Bekannte neu kennen und hinterfragt es bestenfalls. Die Erfahrung, selbst
einmal fremd in einem Land und auf die Hilfe anderer
angewiesen zu sein, sensibilisiert einen für die Leute in
einer ähnlichen Situation.
Es wird uns heute mit Programmen wie »Erasmus« sehr
einfach gemacht, im europäischen Ausland zu studieren,
dies sollte man unbedingt nutzen. Für mich war es die
schönste Studienzeit. Auch Freundschaften lassen sich
via Facebook und Co. über Landesgrenzen hinweg problemlos aufrechterhalten.
Wie unterscheiden sich diese drei Länder? Wo sind
Gemeinsamkeiten?
halINa heyN I Gemeinsam ist ihnen die Mitgliedschaft
in der Europäischen Union. Natürlich liegen sie auch geografisch eng beieinander. Sowohl Frankreich als auch Polen
haben die Nähe zu Deutschland leider oft als Bedrohung
BDIU || Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.
Inkasso || NeU BeIM BDIU
erfahren. Ich war überrascht, wie offen selbst die älteren
Leute in Polen und Frankreich mir als Deutscher gegenübertraten. Und dies, obwohl die Ereignisse des Zweiten
Weltkrieges noch gar nicht so lange her sind.
Das als politischer Trilog entstandene »Weimarer Dreieck« zwischen Paris, Warschau und Berlin ist vielleicht
nicht mehr besonders aktiv, aber aus meiner Sicht eine
tolle Kombination. Denn zwischen diesen Ländern gibt
es große Unterschiede. Und eine Zusammenarbeit bereichert alle Beteiligten. Als Beispiel fällt mir hier ein,
dass Polen viel stärker als Deutschland und Frankreich
den engen Kontakt zu den USA sucht. Das führte zwischen den drei Ländern schon einige Male zu Meinungsverschiedenheiten, an denen in meinen Augen
aber alle wachsen.
Aus Sicht der Studierenden hat mich in Frankreich zum
Beispiel das enorme Faktenwissen der Studenten beeindruckt. Das liegt wohl auch daran, dass dort und in Polen
die Studenten recht klar vorgegeben bekommen, was sie
genau lernen müssen. Die Klausuren fragen dann genau
das gelernte Wissen ab, also ähnlich wie in der Schule.
Aus meiner Sicht werden Studierende an deutschen
Unis zu etwas mehr Eigeninitiative und Selbstständigkeit
erzogen. Das hat aber wiederum den Nachteil, dass man
an deutschen Unis oft ziemlich alleingelassen wird, bei
den Klausuren wird mehr Wert auf die Transferleistung
gelegt, weniger auf das erlernte Wissen.
Abgesehen von der zunehmenden Bedeutung, ist europäische Politik auch wegen der Vielfalt ihrer Akteure spannend. Den gemeinsamen Nenner herauszufinden und
dann noch mit den unterschiedlichen Herangehensweisen
umzugehen, ist nicht einfach.
Welche Aufgaben haben Sie beim europäischen
Inkassodachverband FENCA?
halINa heyN I Meine Hauptaufgabe ist die kaufmännische Verwaltung der Organisation. Daneben kümmere ich mich um den Newsletter, die Organisation und
Begleitung von Mitglieder- und Vorstandstreffen, die
Beantwortung von Anfragen, das Durchführen von
Umfragen, die Repräsentation der FENCA bei Veranstaltungen sowie die Vorbereitung des jährlichen
FENCA-Kongresses. Der wird in diesem Jahr übrigens
vom 15. bis 17. Oktober in Stockholm stattfinden.
Besonders viel Spaß macht mir an der Arbeit, dass die Mitglieder aus so vielen verschiedenen Ländern kommen. Die
Mitglieder sind dabei ganz unterschiedlichen Regulierungen und Strukturen unterworfen. Hier die gemeinsamen
Interessen auszuloten, ist eine große Herausforderung.
Mehr Informationen zur Arbeit der FENCA unter:
www.fenca.org
Dies mag aber auch alles daran liegen, dass die Studenten in Frankreich und Polen oft unmittelbar nach ihrem
Schulabschluss an die Uni gehen und daher viel jünger
sind. In Deutschland orientieren sich viele erst einmal,
zum Beispiel über ein freiwilliges soziales Jahr. Ich selbst
bin ein Jahr zum Französischlernen nach Montpellier
gegangen.
Was macht europäische (Verbands-)Politik spannend?
halINa heyN I Europapolitik wird immer wichtiger und
damit auch immer spannender: Ein nicht unerheblicher
Teil der Politikbereiche wird mittlerweile in Europa entschieden. Manche dieser Entscheidungen sind in Form der
Verordnung sogar unmittelbar in den nationalen Staaten
anwendbar. Schon allein deshalb lohnt es sich für Verbände, sich europäisch zu organisieren und die Interessen
nicht nur national zu formulieren.
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