Gute Arbeit in der Fabrik 4.0 Konferenz | 14. April 2015 | Messegelände Hannover | Pavillon 36 und 34 inhalt Inhalt 3 Vorwort Dr. Horst Neumann 4 Vorwort Jörg Hofmann 5 Vorwort Stephan Wolf 6 Moderatoren des Tages 7 Impressionen 8 Gute Arbeit in der Fabrik 4.0 – Der Weg von Volkswagen Dr. Horst Neumann 12 Wandel von Arbeit bei Industrie 4.0 – Technologieschub mit eindeutigen Konsequenzen? Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen (TU Dortmund) 1 6 Arbeitsorganisation in der Fabrik 4.0 Prof. Dr.-ing. Wilhelm Bauer (Fraunhofer IAO Stuttgart) 2 2Stimmen aus der Podiumsdiskussion 2 4 Impressionen 26 Ausbildung und Qualifizierung für die Fabrik 4.0 Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (Präsident Bundesinstitut für Berufsbildung) 28 Qualifikationen und Ausbildungsgestaltung in Industrie 4.0 Prof. Dr. Lars Windelband (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) 30 Stimmen aus der Podiumsdiskussion 3 2 Arbeitssicherheit bei Mensch-Roboter-Kooperationen Dr. Techn. Norbert Elkmann (Fraunhofer IFF Magdeburg) 36Stimmen aus der Podiumsdiskussion 38 Datensicherheit in der vernetzten Fabrik Prof. Dr.-Ing. Jana Dittmann (Advanced Multimedia und Security, Universität Magdeburg) 4 2Stimmen aus der Podiumsdiskussion 4 3 Beschäftigungseffekte der Digitalisierung Dr. Carl Benedikt Frey (University of Oxford) 44 Impressionen 46 Präsentation der Gewinner des 5. Robotics-Awards Olaf Lies (Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr Land Niedersachsen) 48 Leitbilder und Leitplanken für Industrie 4.0 und Digitalisierung Jörg Hofmann (Zweiter Vorsitzender der IG Metall) 5 0 Impressionen 2 vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Industrie 4.0, Digitalisierung und das Vordringen von Informations- und Kommunikationstechnologien in traditionelle Produktionsprozesse werden die Arbeitswelt in den nächsten Jahren tiefgreifend verändern. Hieraus ergeben sich große Gestaltungschancen für die Verwirklichung Guter Arbeit in der Fabrik 4.0. Der Volkswagen Konzern, der Volkswagen Betriebsrat und die IG Metall haben dieDr. Horst Neumann se Chancen, aber auch die Risiken zunehmender Automatisierung und Vernetzung auf einer gemeinsam veranstalteten Expertenkonferenz am 14. April 2015 umfassend diskutiert. Die Konferenz fand in der Hannoveraner Robotation Academy im Rahmen der Hannover Messe statt. Volkswagen seitig war die von rund 200 Experten aus Unternehmen, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Verbänden besuchte Konferenz Teil der systematischen Bemühungen unseres Unternehmens, einen personalpolitischen Handlungsrahmen für die Herausforderungen des „Zweiten Maschinenzeitalters“ zu entwickeln. Die Konferenz „Gute Arbeit in der Fabrik 4.0“ bildete dabei einen Höhepunkt der Beschäftigung mit den zukünftigen Ausprägungen der Fabrikarbeit: Hochkarätige Experten aus dem In- und Ausland, darunter der Industriesoziologe Prof. Hartmut Hirsch-Kreinsen von der TU Dortmund, der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung Prof. Friedrich Esser sowie der Leiter des Fraunhofer IAO Prof. Wilhelm Bauer und der Oxforder Digitalisierungsforscher Dr. Carl Benedikt Frey beleuchteten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven die Konturen der künftigen Arbeitswelt. In der Diskussion mit den anwesenden Vertretern von Politik, Gewerkschaften, Verbänden und Unternehmen wurde deutlich: Industrie 4.0 ist nicht durch die technische Entwicklung determiniert, sondern arbeitspolitisch gestaltbar. Innovative Zukunftskonzepte werden vor allem im Bereich der Ergonomie, bei der entscheidungs- und qualifikationsfördernden Arbeitsorganisation sowie im Bereich der Qualifizierung gebraucht. Für alle Bereiche gibt es bereits heute Ansätze, die in Richtung einer menschengerechten Arbeit in der Fabrik 4.0 zeigen. Einige von ihnen haben wir auf unserer Tagung intensiv beleuchtet. Wir freuen uns, mit diesem Konferenzband die zentralen Ergebnisse unserer Konferenz der Öffentlichkeit zu übergeben. Ihr Dr. Horst Neumann Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Geschäftsbereich Personal und Organisation Wolfsburg, im Oktober 2015 3 vorwort Liebe Kolleginnen und Kollegen, die IG Metall ist entschlossen, die Zukunft der Arbeit auch in Zeiten der Digitalisierung mitzugestalten. Und sie hat längst damit angefangen: Wir schalten uns mit Nachdruck in die gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Debatte ein, um den Blick der Akteure zu weiten: Technologie ist immer eingebunden in Arbeitsorganisation und die Qualifikation der Beschäftigten. Und sie ist gestaltbar. Jörg Hofmann Aus dem ursprünglich rein technikzentrierten Diskurs um Industrie 4.0 ist so inzwischen eine breite Debatte auch über Arbeit 4.0 entstanden. Die IG Metall ist in die Arbeit der Dialogplattformen zu Industrie 4.0 (BMWi/BMBF) und Arbeit 4.0 (BMAS) eingebunden und setzt sich hier u.a. für eine solide Technikfolgenabschätzung und Bildungsinitiativen ein. Immer geht es darum, Gestaltungsmöglichkeiten im Interesse der Beschäftigten auszuloten. Wir sind in der politischen Arena aktiv, um Mitbestimmungs- und Schutzrechte in der digitalisierten Arbeitswelt zu stärken. Auf der tarifpolitischen Ebene ist es uns mit dem Einstieg in die Bildungsteilzeit gelungen, die Chancen der Beschäftigten zu erhöhen, durch Qualifizierung von der Digitalisierung profitieren zu können. Das alles ist wichtig – aber unser großes Zukunftsprojekt „Gute Arbeit in der Industrie 4.0“ steht und fällt mit den betrieblichen Initiativen. Wir brauchen viele selbstbewusste Beschäftigte, die ihr Fachwissen in der Fabrik und im Büro einbringen, um Technik und Arbeit besser zu machen. Und wir brauchen engagierte Betriebsräte, die dafür ihre Mitbestimmungsrechte nutzen, aber auch Beteiligungsprozesse organisieren und moderieren. Selbstverständlich brauchen wir auch Unternehmen, die die Umsetzung neuer Ideen zur menschengerechten Gestaltung von Technik und Arbeit als wertvolle Innovation betrachten. Und wir brauchen dafür viele gute Beispiele, von denen wir alle lernen können. Deshalb brauchen wir auch mehr Konferenzen wie „Future Tracks – Gute Arbeit in der Fabrik 4.0“, die von Vorstand und Gesamtbetriebsrat der Volkswagen AG zusammen mit der IG Metall im Rahmen der Hannover Messe 2015 veranstaltet wurde. Und deshalb war es auch ein richtiger Schritt, hier eine offene Dialogplattform zu Industrie 4.0 zu gründen, auf der debattiert und gute Beispiele ausgetauscht werden können. Ihr Jörg Hofmann Zweiter Vorsitzender der IG Metall 4 vorwort Liebe Leserinnen und Leser, Berufe und Qualifikationen werden durch „Industrie 4.0“ sehr unterschiedlich betroffen sein. Deshalb ist es notwendig, Tätigkeiten und Arbeitsprozesse differenziert zu betrachten und zu analysieren. Bisher werden dabei die Auswirkungen auf indirekte Arbeitsprozesse vom Entwickler, über den Planer, bis hin zum Sachbearbeiter in Logistik, Vertrieb und Werksteuerung zu wenig diskutiert. Stephan Wolf Mit „Industrie 4.0“ kommen neue Themen auf die arbeitspolitische Tagesordnung. Dazu gehört nicht nur die Gestaltung und Anwendung der Technik selbst, sondern auch die Berufsausbildung und Qualifizierung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, sowie Ergonomie und Arbeitszeitgestaltung. Anforderungen und Belastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden sich verändern. Alte, vor allem ergonomische Probleme und monotone Arbeit könnten geringer werden. Neue Belastungen werden hinzukommen. Müssen wir unsere Kolleginnen und Kollegen zukünftig mehr vor digitaler Überforderung schützen? Viele offene Fragen sind in diesem Prozess zu beantworten. Wir sehen Potenziale und Chancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einsatz neuer Technologien und Systeme. Deshalb wollen wir Arbeit in der „Fabrik 4.0“ offensiv gestalten. Ihr Stephan Wolf Stellvertretender Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG 5 moderatoren Moderatoren des Tages Dr. Alexandra Baum-Ceisig (Leiterin des Instituts für Arbeit und Personalmanagement des Volkswagen Konzerns) Alexandra Baum-Ceisig (Jg. 1968) forschte und lehrte mehrere Jahre am Fachbereich Sozial- wissenschaften der Universität Osnabrück zum Schwerpunkt Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Universität Osnabrück. 2006 begann sie ihre Tätigkeit bei Volkswagen als Fachreferentin und später Generalsekretärin des Gesamt-/Konzernbetriebsrats, zuständig für Grundsatzfragen und Aufsichtsratsangelegenheiten. Seit 2015 leitet sie das Institut für Arbeit und Personalmanagement des Volkswagen Konzerns und verantwortet hier u.a. die akademische Weiterentwicklung zentraler Personalthemen bei Volkswagen wie die Arbeitswelt in der Industrie 4.0. Dr. Katrin Goldhorn (Personalleitung Volkswagen Group Academy) Katrin Goldhorn (Jahrgang 1969) ist promovierte Arbeits-, Organisations- und Betriebspsychologin und seit 1997 für den Volkswagen Konzern tätig. Nach Ihrer Tätigkeit als Ge- schäftsführerin der Auto 5000 GmbH leitete sie 2008-2012 das Institut für Arbeit und Personalmanagement des Volkwagen Konzerns. Von 2012 bis 2014 verantwortete sie die Leitung des Vorstandsbüros Personal und Organisation. Als Arbeitsorganisationsexpertin ist sie seit 2014 Industrie-4.0-Beauftragte des Vorstandsbereichs Personal und Organisation und leitet die Arbeitsgruppe „Mensch in der Mensch-Roboter-Kooperation“. Dr. Constanze Kurz (Leiterin des Ressorts Zukunft der Arbeit beim Vorstand der IG Metall) Dr. Constanze Kurz, 53, Diplom-Sozialwissenschaftlerin, ist seit 2009 politische Sekretärin beim IG Metall Vorstand und leitet dort das Ressort Zukunft der Arbeit. Sie ist zuständig für die Themen Digitalisierung der Industriearbeit, Industrie 4.0, die Arbeitspolitik sowie Innovations- und Forschungspolitik. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e. V. sowie an der Hochschule Darmstadt als Vertretung für die Professur Techniksoziologie tätig. Ihre Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf Prozesse des Wandels von Arbeit sowie technologische und organisatorische Innovationen. Dr. Karl Teille (Leiter des Instituts für Informatik des Volkswagen Konzerns) Herr Dr. Karl Teille studierte und promovierte an der TU Braunschweig. Drei Jahre arbeitete er an der heutigen Helmholtz Gemeinschaft in München in der Forschung bevor er in die IT der Sparkassenorganisation als Projektleiter wechselte. Seine fachlichen Schwerpunkte sind u.a. objektorientierte SW-Entwicklung, Innovationsmanagement und IT-Projektmanagement. Über letzteres hält er auch Vorlesungen an der TU Braunschweig. Herr Dr. Teille arbeitete als Projektmanager in der FS AG und verantwortete anschließend in Mexiko als CIO die dortige IT der FS AG. Seit drei Jahren leitet Herr Dr. Teille das Institut für Informatik an der AutoUni in Wolfsburg. 6 impressionen Fotoimpressionen vom 14.04.2015 Die Konferenz fand zeitgleich zur Hannover Messe 2015 in den Räumlichkeiten der Robotation Academy und des Pavillons 34 auf dem Messegelände Hannover statt. Bei der begleitenden Fahrzeugpräsentation des Volkswagen Konzerns sowie der Technikausstellung konnten sich die Konferenzteilnehmer über neueste technische Entwicklung im Fahrzeug und die Zukunft der Produktion in der Industrie 4.0 informieren. 7 dr. horst neumann Gute Arbeit in der Fabrik 4.0 – Der Weg von Volkswagen Die Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Treiber ist hier einmal mehr die Technik, doch die Auswirkungen sind keineswegs auf diese beschränkt. Erik Brynjolfsson und Andrew McAffee vom MIT unterscheiden das „First Machine Age“ und das „Second Machine Age“. Erstes Maschinenzeitalter, das heißt Einzelmaschinen, Fließbänder und elektrische Antriebe. „Second Machine Age“ heißt Digitalisierung und Vernetzung. Die Mikroelektronik als Basistechnik hat den Siegeszug der Computer, der Telekommunikation, des Internets möglich gemacht. Die Grundlage für diese rasche Entwicklung der Computer und der Telekommunikation ist das sogenannte ‚Mooresche Gesetz‘. Es ist in Wirklichkeit kein Gesetz, sondern Empirie, eine Beobachtung, dass sich seit den 1970er-Jahren die Computerleistung alle 18 Monate verdoppelt. Die rasante Ausweitung von Speicherkapazität, Rechenleistung und Übertragungsgeschwindigkeit verändert seit einigen Jahren massiv die industrielle Produktion. Im Zentrum der Fabrik der Zukunft steht eine drastisch gestiegene Vernetzung der Maschinen und Anlagen untereinander – machine to machine oder Industrie 4.0 genannt. Die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt verschwimmen seitdem auch auf dem Shopf loor. Cyber-physikalische Systeme (CPS) kreieren mehr und mehr augmented realities: neben den unmittelbar stofflichen Vorgängen der Produktion finden vielfältige Formen des virtuellen Datenaustauschs statt. Auch die Überwachung von Maschinen ist nicht mehr auf die physische Kontrolle der Anlage beschränkt: Tablets und Datenbrillen liefern parallel digitale Informationen, so dass auf dem Shopfloor eine Dualität real beobachtbarer und virtueller Informationen besteht. Diese Veränderungen können nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeit bleiben. Die Entwicklung verläuft hier bereits seit einigen Jahrzehnten von der energetischen zur informatorischen Arbeit, also von Muskelarbeit über reaktive Arbeit bis hin zu kreativer Tätigkeit, oder – vereinfacht gesagt – von der Handarbeit zur Kopfarbeit. Die große Frage ist, welche Folgen diese Veränderungen für das Verhältnis von Mensch und Technik und damit für die Ausprägung der Arbeit in der Fabrik der Zukunft haben werden? Unser im Rahmen der Volkwagen Initiative „Future Tracks“ entwickeltes Konzept „Gute Arbeit in der Fabrik 4.0“ verfolgt das Ziel, die wirtschaftlichen Potenziale des aktuellen Technologieschubs bestmöglich auszunutzen und gleichzeitig einen spürbaren Beitrag zur Verbesserung der Arbeit, zu „Guter Arbeit 4.0“ zu leisten. Gute Arbeit in der Fabrik 4.0 Die Zeit für einen solchen Ansatz ist so günstig wie nie, denn wir stehen in der industriellen Produktion unmittelbar vor einem weiteren Automatisierungsschub. In den Fabriken der Zukunft wird schon bald eine neue Robotergeneration tätig sein. Die Leichtbauweise und die verbesserte Fähigkeit zur intelligenten Orientierung im Raum verändern die Einsatzmöglichkeiten von Robotern fundamental: Sie verlassen ihre Käfige und mischen sich auf dem Hallenboden unter die Menschen. Einstmals eingezäunt und mit mehrfachen Schutzvorrichtungen versehen, bewegen sie sich nun souverän durch die Fabrik. Neue Formen der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter sind die Folge: Wo es einst eine klare Trennung von Mensch und Maschine gab, kommt es nun immer öfter zur Kooperation: Der Roboter reicht die Schraube, der Mensch zieht sie fest – oder umgekehrt. Und es gibt auch Arbeitsplätze, wo der Robi komplett vom Menschen übernimmt. Für viele nach wie vor schwere und belastende Tätigkeiten in der Fabrik ergibt sich daraus eine große Chance: Es besteht künftig die Möglichkeit, schwere, taktgebundene, repetetive Tätigkeiten durch Roboter zu ersetzen. Dies ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Konzepts für „Gute Arbeit in der Fabrik 4.0“. Die Abbildung auf Seite 9 zeigt das Gesamtmodell des Konzeptes, welches wir bei Volkswagen für die Zukunft der Fabrik entwickelt haben. Hintergrund dieses Modells ist die Erkenntnis, dass durch den verstärkten Einzug der Robotertechnik in die Fabriken die große Chance besteht, vier Ziele gemeinsam voranzubringen: I.Werden schwere, taktgebundene, repetetive Tätigkeiten durch Roboter substituiert und entfallen damit „rote“ und „gelbe“ Arbeitsplätze in der Fertigung, wäre dies zum einen ein großer Schritt zur Verbesserung der Ergonomie in der Fertigung. II.Zum anderen könnten die Mitarbeiter die gewonnene Arbeitszeit für qualifiziertere Arbeit nutzen. III.Durch den vermehrten Einsatz von Roboterlösungen besteht die Chance für eine neue, wettbewerbsfähige „Mischkalkulation“ der Arbeitskosten zwischen Mitarbeitern und Robotern. IV.Der gezielte Einsatz von Robotern zur Entlastung der Mitarbeiter und als Substitut für ergonomisch kritische Tätigkeiten kann dabei helfen, dass alle Mitarbeiter gesund bis zur Erreichung des Rentenalters in der Fertigung arbeiten können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der 8 dr. horst neumann Abb 1: volkswagen konzern: gute arbeit in der fabrik 4.0 verstärkte Einsatz von Robotern in der Fertigung eine Antwort auf den möglicherweise anstehenden Fachkräftemangel sein kann (Demografie). Die Zusammenhänge des Gesamtmodelles werden im Nachfolgenden weiter ausgeführt. a) Ergonomie – Verbesserung der Arbeitsbedingungen Auch wenn sich in den vergangenen zwanzig Jahren beim Thema Ergonomie viel getan hat, gibt es – auch in den Fabriken von Volkswagen – immer noch zu viele belastende Arbeitsplätze. So haben wir bis heute in der Golf-Montage in Wolfsburg oder bei den Nutzfahrzeugen in Hannover einen Anteil sogenannter „roter“ Arbeitsplätze von 5 bis 10 Prozent und „gelber“ Arbeitsplätze von 20 bis 30 Prozent. Rote und gelbe Arbeitsplätze bedeutet, dass diese Arbeitsplätze eigentlich für eine achtstündige tägliche Arbeit nicht in Ordnung sind. Die roten müssten eigentlich alle abgeschafft und die gelben umgestaltet werden. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Arbeiten im Innenraum mit Kriechen in die Karosse, Verdrehungen des Bewegungsapparats und Ausführung von Montagearbeiten an unzugänglichen Stellen. Es ist harte Arbeit und den Schweiß der Ingenieure wert, diese Arbeit zu automatisieren, obwohl sie zugegebenermaßen sicher der schwierigste Teil des Robotereinsatzes ist. Gerade deshalb legen wir bei Volkswagen großen Wert darauf, dass diese Arbeitsplätze von den Industrial Engineers und Fabrikplanern beim Robotereinsatz zuerst berücksichtigt werden. b) Qualifizierte Arbeit – Zukunft der Facharbeit Der zweite große Bereich, mit dem wir uns im Rahmen unseres Konzepts beschäftigen: Wie sieht Arbeit in der Fabrik der Zukunft aus? Welche Qualifikationen bleiben und welche neuen brauchen wir, wenn über die nächsten Jahrzehnte der G roßteil der taktgebundenen Arbeit verschwinden kann? Schon heute haben wir die Tendenz, dass einfache Arbeiten in unseren Fabriken abnehmen. Von 262.000 Mitarbeitern des Konzerns im direkten Bereich arbeitet nur noch die Hälfte taktgebunden. Dieselbe Relation gilt für die 107.000 deutschen Beschäftigten im direkten Bereich. Der größere und wachsende Teil der Arbeit sind qualifizierte Tätigkeiten: Maschinenüberwachung und Störungsbeseitigung, Reparatur und Instandhaltung, Auf-, Um- und Abbau von Anlagen, Programmierung und Anlaufsteuerung, Planung, Kommunikation und Führung. Diese Entwicklung bedeutet Fluch und Segen zugleich: • Auf der einen Seite „frisst“ die Automatisierung Arbeitsplätze. • Auf der anderen sind es – bei richtiger Gestaltung – vor allem die monotonen und belastenden Arbeitsplätze, die von der Automatisierung betroffen sind. Wir haben also die Chance, durch Robotereinsatz unqualifizierte Arbeit zu reduzieren und die Mitarbeiter in der gewonnenen Zeit auf qualifizierten Arbeitsplätzen einzusetzen. Wie sieht diese qualifizierte Arbeit in den zukünftigen Fabriken jedoch aus? Hierzu bedarf es nur eines Blickes in den Karosseriebau. Die Karosseriebauten im Volkswagen Konzern gehören zu den Gewerken des Fahrzeugbaues mit dem höchsten Automatisierungsgrad. Mit den Automatisierungsschüben seit den frühen 1970er Jahren zogen immer mehr und immer unterschiedlichere Typen von Robotern in den Karosseriebau Golf in Wolfsburg ein. Mit der Zunahme der Roboter erhöhte sich über die Golf-Generationen der Automatisierungsgrad. Er liegt heute im Karosseriebau Golf in Wolfsburg bei ca. 91 Prozent. Das hatte zunächst einmal Auswirkungen auf die Quantität des Arbeitsplatzangebotes: Die Anzahl der Mitarbeiter sank von 4.800 im Jahr 1974 auf 2.400 im Jahr 2015. Parallel dazu stieg die Anzahl der Roboter von 68 im Jahr 1974 auf 2.265 zum heutigen Zeitpunkt. 9 dr. horst neumann Abb 2: gestaltungsoptionen Die Roboter übernahmen also in den vergangenen 40 Jahren die schweren Tätigkeiten der Menschen (z.B. manuelles Punktschweißen, schwere Einlegetätigkeiten). Die Mitarbeiter übernahmen zunehmend qualifizierte Arbeit. Qualifizierte Arbeit heißt: das Planen, Programmieren, in Betrieb nehmen, Überwachen, Warten und Instandhalten von Anlagen. Zudem beinhaltet es einen hohen Anteil kommunikativer und produkt- bzw. prozessverbessernder Arbeiten. Was pars pro toto für den Karosseriebau gilt, trifft in der Tendenz auf die ganze Fabrik zu: Schon heute ist ein Großteil der Fabrikarbeit qualifizierte Arbeit: Maschinenüberwachung, schnelle Störungseingriffe. Der Facharbeiter muss wissen, welches Geräusch welche Aktion erfordert. Es geht um Qualitätskontrollen, Instandhaltung, Reparatur, Aufbau, Anläufe, Programmierung, Planung, KVP. Zusammengefasst lässt sich sagen: • Qualifikationsfördernde Arbeitsorganisation zielt ähnlich wie die Ergonomie auf die Abschaffung stupider, von Routine geprägter oder kognitiv wenig fordernder Arbeitsplätze. • Entscheidungsfördernde Technik ist so ausgelegt, dass sie den einzelnen Beschäftigten nicht mit unverständlichen Signalen und Mitteilungen zum hilflosen Opfer professioneller (=instandhaltender) Hilfe macht, sondern ihn dazu befähigt, Alternativen anhand der vorhandenen Informationen zu prüfen und dann auch selbstständig Entscheidungen zu treffen. • Einfachere Technik scheint zudem ein ganz wesentlicher Punkt: zunehmende technische Komplexität muss sich nicht in schwieriger Bedienbarkeit niederschlagen – und manchmal ist die einfachere Anlage ohnehin die bessere. c) Arbeitskosten Das dritte Handlungsfeld unseres Konzepts sind die Arbeitskosten. Bekanntlich ist gerade Deutschland ein Hochlohnland und dort wiederum steht die Automobilindustrie an der Spitze. Wenn man sich dann fragt: „Was kostet denn der Roboter, der den Menschen ersetzt?“, kommt man zu sehr erstaunlichen Zahlen. Unterstellt man eine Laufzeit der Roboter von sieben Jahren (tendenziell ist sie eher länger), eine Betriebszeit von 35.000 Stunden über die Laufzeit, einen Stromverbrauch zwischen 1 und 13 kW/h sowie Instandhaltungskosten von 5 Prozent und rechnet man für die Anschaffungskosten eines Roboters 112.000 bis 217.000 Euro, ist man bei Roboterstundenkosten von 3 bis 6 Euro. Diese rund 5 Euro muss man in Relation setzen zu den 30 bis 50 Euro, die der Mann oder die Frau in Deutschland kosten. Selbst die 10 Euro Stundenlohn in China sind noch doppelt so viel, wie der Roboter kostet. Da wir damit rechnen müssen (und auch politisch nichts anderes wollen!), dass diese Lohnkosten in etwa bestehen bleiben, ist Automatisierung mit Augenmaß ein geeigneter Weg, um die hohen Lohnkosten gerade in Deutschland zu dämpfen und zu einer neuen „Mischkalkulation“ bei den Arbeitskosten zu kommen. d) Beschäftigung Die Frage ist nun natürlich: Was geschieht, wenn wir in den kommenden Jahren vermehrt Arbeitsplätze durch Roboter ersetzen? Wird dann die Anzahl der Arbeitslosen wieder steigen – bedingt durch noch mehr Automatisierung? Die Antwort lautet: Nein. Bundesweit arbeiten derzeit mehr als fünf Millionen Menschen in der Industrie, bei Volkswagen in Deutschland sind 120.000 in der Produktion beschäftigt. Was uns in den nächsten 20 Jahren helfen wird, ist eine demografische Besonderheit, vorwiegend in Deutschland, schwächer ausgeprägt in anderen westeuropäischen Ländern: Wirtschaftswunder und Babyboom (1955 bis 1975) haben 20 Jahrgänge außergewöhnlich stark besetzt. Diese „Wirtschaftswunderkinder“ gehen in den nächsten Jahren auf die 60 zu – und dann in Rente. Im Zusammenfallen des neuen Automatisierungsschubs durch Industrie 4.0 und des Renteneintritts der köpfemäßig größten Jahrgänge der deutschen Geschichte ergeben sich enorme Chancen für eine beschäftigungspolitisch verträgliche Gestaltung der Automatisierung. Zwischen 2015 und 2030 werden außergewöhnlich viele Beschäftigte die Unternehmen altersbedingt verlassen – im Volkswagen-Konzern etwa 23.000 mehr als im langjährigen Durchschnitt. Deshalb haben wir die Möglichkeit, Menschen durch Roboter zu ersetzen und trotzdem in bisherigem Umfang Nachwuchskräfte einzustellen. Umgekehrt könnten wir diesen Rentnerabgang auch gar nicht durch junge Mitarbeiter ersetzen. Beschäftigungspolitisch wäre ein Automatisierungsschub also verträglich – aber warum sollten wir ihn begrüßen oder gar vorantreiben? Hier kommen wieder die Faktoren von Ergonomie und qualifizierter Arbeit ins Spiel: Wir haben ein starkes Interesse an guter, qualifizierter Arbeit für alle. Obwohl es in den vergangenen Jahren gelungen ist, einen großen Teil der Industriearbeitsplätze zu optimieren, gibt es Routinearbeiten, die noch immer nicht ergonomisch sind. Sieben Stunden lang im Minutentakt eine Nockenwelle mit exakt sechsmal acht Tropfen Öl zu versorgen, dies erfordert Präzision, Aufmerksamkeit und ist gleichzeitig monoton und anstrengend – kurz: harte Arbeit. Man muss diesen Tätigkeiten nicht nachweinen, wenn es bessere Alternativen gibt. Im Gesamtbild heißt das: Ergonomie und qualifizierte Arbeit bilden die zwei Hauptfaktoren einer „Guten Arbeit 4.0“. Wir können und müssen dabei auch das Thema altersgerechte Arbeit angehen. Wir haben die Chance, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, und zwar mit höherer Qualifikation und gleichzeitig in der Summe niedrigeren Arbeitskosten, und können das im Einklang mit der Beschäftigungssicherheit tun. Unsere Gestaltungsspielräume sind dabei erheblich. Denn klar ist: Das zweite Maschinenzeitalter kommt nicht über uns, sondern wird von Menschen gestaltet. Die Ausprägung der Technik kann durch steuernde Eingriffe, durch arbeitspolitische 10 dr. horst neumann altersstruktur stammbelegschaft volkswagen konzern deutschland 2014 Entscheidungen und normative Abb 3: Vorgaben gestaltet werden – zum Guten wie zum Schlechten. Denn im künftigen Verhältnis der menschlichen Arbeit zu den Maschinen sind verschiedene Ausprägungen denkbar. Hier seien nur drei genannt: • Arbeits-zentriert – das ist die alte Welt der Manufakturen, des Handwerks. Die weltweit erfolgreiche Makers-Bewegung knüpft hieran gerade an. • Technik-zentriert – das ist z.B. der Fordismus, aber auch die tayloristische Arbeitsorganisation, welche die Menschen nur zwischen den Maschinen einpasst. • Ausgewogen im Verhältnis von Mensch und Technik – das ist die Welt von morgen, die trotz oder gerade wegen der Hochautomatisierung menschlichen Bedürfnissen bei der Arbeit Rechnung trägt. Voraussetzung hierfür: Wir sorgen dafür, dass der Mensch nach wie vor Maßstab der Arbeitsorganisation ist. Andernfalls droht die Dominanz der Maschinen, ein Entwicklung zu Taylorismus Total (T2) oder – wenn die Menschen nicht mehr mitmachen – die Regression in die vermeintlich gute alte Zeit: eine Neuauflage des Manufakturwesen. Abb 4: fabrik Wir in Deutschland sind mit einem ausgewogenen Verhältnis von menschlichem Können und maschineller Kraft und Präzision immer gut gefahren. Die Stärke unserer Volkswirtschaft beruht ganz maßgeblich auf einer Industrie, die stets auf einen Ausgleich zwischen Mensch und Technik bedacht war. Mit „Guter Arbeit 4.0“ bei Volkswagen wollen wir dafür sorgen, dass dies auch im zweiten Maschinenzeitalter so bleibt. der zukunft: 3 entwicklungspfade 11 p r o f. d r . h a r t m u t h i r s c h - k r e i n s e n ( t u d o r t m u n d ) Wandel von Arbeit bei Industrie 4.0 – Technologieschub mit eindeutigen Konsequenzen? Hartmut Hirsch-Kreinsen, Dr. rer.pol., Dipl.Wirtsch.Ing., ist seit 1997 Profes- sor für Wirtschafts- und Industriesoziologie an der TU Dortmund, Lehrstuhl Wirtschafts- und Industriesoziologie; Promotion und Habilitation an der TU Darmstadt. Arbeitsschwerpunkte sind: wirtschaftlicher Strukturwandel, in- dustrielle Innovationsprozesse sowie Entwicklungstendenzen von Produktionsarbeit insbesondere unter den Bedingungen der Digitalisierung. Seit 2013 ist er sozialwissenschaftliches Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Plattform Industrie 4.0 bei acatech. Im Mainstream der aktuellen Diskussion über die Entwicklungsund Anwendungsmöglichkeiten der Informationstechnologie wird davon ausgegangen, dass gegenwärtig ein ausgesprochener technologischer Entwicklungsschub stattfinde. Er öffne bislang völlig neue und unbekannte technologische Nutzungspotentiale mit geradezu disruptiven sozialen und ökonomischen Folgen (Avant 2014). In Hinblick auf die industrielle Produktion wird danach ein neues Zeitalter erkennbar, das im deutschen Sprachraum als „4. Industrielle Revolution“ bzw. „Industrie 4.0“ (Forschungsunion/acatech 2013) bezeichnet wird. Abb. 1: industrie Insbesondere im Kontext der weit über die Grenzen der Fachöffentlichkeit hinausreichenden Industrie 4.0-Debatte wird unisono davon ausgegangen, dass im Fall einer breiten Diffusion dieser neuen Technologien sich die bisherige Landschaft der Arbeit in der industriellen Produktion nachhaltig verändern wird. Obgleich zu dieser Frage derzeit kaum valide Forschungsergebnisse vorliegen, legt eine Vielzahl von Studien die Auffassung nahe, dass sich mit den neuen Technologien absehbar ein generelles „Upgrading“ von Tätigkeiten und Qualifikationen verbinden wird (z.B. Spath et al. 2013; Bauernhansel 2014; Kagermann 4.0 als sozio-technisches systemQuelle: eigene Darstellung 12 p r o f. d r . h a r t m u t h i r s c h - k r e i n s e n ( t u d o r t m u n d ) 2014; Plattform Industrie 4.0 2014). Als die zentrale Ursache hierfür gilt, dass digitale Technologien einfache Tätigkeiten weitgehend automatisieren und daher substituieren. Als eine weitere Ursache hierfür wird der Umstand angesehen, dass der Einsatz digitaler Technologien ganz generell zu einer steigenden Verfügbarkeit einer großen Vielfalt von Informationen über laufende Prozesse führt. Deren Komplexität und Nutzung ziehe neue und erhöhte Anforderungen an Tätigkeiten und Qualifikationen nach sich. So betont beispielsweise Henning Kagermann, einer der Protagonisten der Vision von Industrie 4.0, dass Mitarbeiter in Zukunft weniger als „Maschinenbediener“ Prof. Hirsch-Kreinsen beantwortet Diskussionsfragen zum Wandel der Arbeit in der Industrie 4.0. eingesetzt werden, „sondern mehr in der Rolle des Erfahrungsträgers, Entscheiders und Koordinators… Vieldimensionaler Wandel von Produktionsarbeit die Vielzahl der Arbeitsinhalte für den einzelnen Mitarbeiter Ausgangspunkt der Analyse ist die Dimension der unmittelbaren nimmt zu“ (Kagermann 2014 : 608). Mensch-Maschine Interaktion. Aus arbeitssoziologischer Sicht Demgegenüber verfügt sozialwissenschaftliche Arbeitsforschung erweist sich hier als zentrales Problem, inwieweit die Beschäfüber einen breiten Fundus konzeptioneller und empirischer For- tigten unmittelbar am System überhaupt in der Lage sind, dieses schungsergebnisse, die instruktiv zeigen, dass die Entwicklung, zu kontrollieren und damit die Verantwortung über den Systemdie Implementation neuer Technologien, also auch die von Inbetrieb zu übernehmen. Denn es kann davon ausgegangen werdustrie 4.0-Systemen, alles andere als bruchlos und widerden, dass die überwachenden Personen bei technologisch komspruchsfrei verlaufen und vor allem die sozialen Effekte kaum plexen und automatisierten Systemen nicht in jedem Fall in der eindeutig ableitbar sind. Spätestens seit der kritischen Debatte Lage sind, diesen Funktionen nachzugehen, da die funktionale um den „Technikdeterminismus“ in den 1970er und 1980er und informationelle Distanz zum Systemablauf zu groß ist. Die Jahren wird davon ausgegangen, dass zwischen technischen Sys- Folge ist, dass das Bedienungspersonal die Anlagenzustände teme und ihren Konsequenzen für Arbeit eine von vielen nicht mehr zutreffend einschätzen kann und unter Umständen nicht-technischen und sozialen Faktoren beeinflusste Beziehung falsche Entscheidungen in Hinblick auf Eingriffe in den automabesteht. Keineswegs darf eine durch Technikauslegung eindeutitischen Prozess trifft. Die Automationsforschung spricht in diege und festliegende Beziehung zwischen beiden Dimensionen sem Zusammenhang von den „ironies of automation“ (Bainbridangenommen werden (Lutz 1987; zusammenfassend Pfeiffer ge 1983), wonach automatisierte Prozesse auf Grund ihres ho2013). hen Routinecharakters bei Störungen nur schwer zu bewältigenDie Analyse des Zusammenspiels der neuen Technologie und der de Arbeitssituationen erzeugen. Eine an solchen dadurch induzierten personellen und organisatorischen VeränHerausforderungen orientierte Gestaltung der Mensch-Maschiderungen erfordert vielmehr den Blick auf das Gesamtsystem ne-Schnittstelle muss nun sicherstellen, dass hinreichend qualider Produktion und die hier wirksamen Zusammenhänge. Die fizierte Arbeitskräfte in der Lage sind, ihren Überwachungsaufneuen Produktionssysteme sind daher, einer lange zurückreigaben effektiv nachzukommen. chenden arbeitssoziologischen Debatte folgend, als sozio-techEine weitere zentrale Dimension und Herausforderung ist die nische Systeme zu verstehen (Trist/Bamforth 1951). Allein in Gestaltung der Aufgaben und Tätigkeitsstrukturen auf der operadieser analytischen Perspektive sind hinreichend begründete tiven Ebene des Shopfloors im Kontext der smarten ProduktionsAussagen über die Entwicklungsperspektiven und Gestaltungssysteme. Folgt man den verfügbaren Evidenzen, so lassen sich möglichkeiten für Arbeit möglich (vgl. Abb. 1). die absehbaren Entwicklungstendenzen wie folgt skizzieren: Daher muss auch von einem weiten Verständnis von Produkti• Zum Einen ist davon auszugehen, dass Arbeitsplätze mit niedonsarbeit ausgegangen werden. Denn betroffen von den absehrigen Qualifikationsanforderungen und einfachen, repetitiven baren Wandlungstendenzen sind alle direkt und indirekt wertTätigkeiten durch intelligente Systeme in hohem Maße substischöpfenden Tätigkeiten in Industriebetrieben; das heißt, betuiert werden. Als Beispiele hierfür sind einfache Tätigkeiten troffen sind die operative Ebene des Fertigungspersonals, wie in der Logistik, bei der Maschinenbedienung und bei der bisaber auch die Bereiche des unteren und mittleren Manageher manuellen Datenerfassung und -eingabe zu nennen. In ments von Produktionsprozessen sowie die Gruppe der techniwelchem Umfang Substitutionsprozesse aber eintreten werschen Experten. Folgt man diesen kategorialen Bestimmungen, den ist derzeit kaum abschätzbar. so erweisen sich Wandlungstendenzen und Gestaltungserfor• Zum Zweiten kann für die früher qualifizierte Facharbeiteredernisse von Produktionsarbeit in den folgenden Dimensionen bene eine Tendenz zur Dequalifizierung von Tätigkeiten beals relevant. 1 fürchtet werden. Zu nennen sind hier Aufgaben wie 1 Vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich: Hirsch-Kreinsen (2014) sowie Hirsch-Kreinsen et al. (2015). 13 p r o f. d r . h a r t m u t h i r s c h - k r e i n s e n ( t u d o r t m u n d ) Neben den angesprochenen Aufgaben- und Qualifikationsanforderungen muss bei der Arbeitsgestaltung auf der operativen Arbeitsebene auch das mögliche hohe Kontrollpotential der neuen Systemtechniken in Rechnung gestellt werden. Die Frage, welche Möglichkeiten sich hiermit verbinden und wie sie faktisch in Unternehmen genutzt werden, lässt sich derzeit kaum beantworten. In jedem Fall aber wird die Furcht vor dem durch die neuen technologischen Systeme möglichen „gläsernen Mitarbeiter“ ein wichtiger Einflussfaktor auf die Akzeptanz der neuen Technologien bei Beschäftigten und Arbeitnehmerinteressenvertretungen sein. Fragt man, wie sich Produktionsarbeit in der hierarchischen Dimension verändert, so finden sich bislang nur wenig eindeutige Forschungsergebnisse. Höhere hierarchische Ebenen der Planungs- und Managementbereiche sind entweder indirekt von einer Systemeinführung auf der Shopfloor Ebene betroffen oder neue Planungs- und Steuerungssysteme finden unmittelbar in diesen Bereichen Einsatz. Zusammenfassend können widersprüchliche Konsequenzen für die indirekten Bereiche angenommen werden: • Zum Einen deuten Evidenzen darauf hin, dass auf Grund der dezentralen Selbstorganisation der Systeme und einer entsprechend flexiblen Arbeitsorganisation auf der operativen Ebene ein Teil von bisher auf der Leitungsebene von technischen Experten und vom Produktionsmanagement ausgeführten Planungs- und Steuerungsfunktionen „nach unten“ abgegeben werden. Das heißt, mit Industrie 4.0-Systemen ver bindet sich ein Dezentralisierungsschub und Hierarchieabbau innerhalb oft ohnehin schon relativ „flach“ strukturierter Fabrikorganisationen. • Zum Zweiten ist davon auszugehen, dass eine ganze Reihe von Aufgaben in indirekten Bereichen automatisiert und damit vereinfacht oder gar substituiert werden können. Je nach Systemauslegung kann es sich dabei um Planungs- und Steuerungsaufgaben, Tätigkeiten der Instandhaltung und des Service wie aber auch qualitätssichernde Aufgaben handeln. • Zum Dritten dürften komplexitätsbedingt erweiterte und neue Planungsaufgaben auf diese Bereiche zukommen. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass angesichts der Systemkomplexität Aufgaben des „troubleshooting“ deutlich an Bedeutung gewinnen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass auf der Planungs- und Managementebene früher getrennte Aufgaben und Kompetenzen, beispielsweise IT- und Produktionskompetenzen, verschmelzen. • Obgleich sie bislang wenig eindeutig sind, lassen diese Hinweise den Schluss zu, dass die Planungs- und Managementbereiche in Folge der Einführung von Industrie 4.0-Systemen längerfristig ebenso nachhaltig betroffen sein werden wie die operative Ebene. Mehr noch, es ist davon auszugehen, dass der Wandel und eine entsprechende Gestaltung auch der Leitungsebenen unverzichtbare Voraussetzung für die Beherrschung der neuen Technologien ist. Abb. 2: polarisierte Abb. 3: schwarm-organisation aschinenbedienung sowie verschiedene Kontroll- und ÜberM wachungsfunktionen, die automatisiert werden. Auch Dispositionsentscheidungen in der Produktionslogistik könnten mithilfe der neuen Systeme teilweise automatisiert werden. Sie greifen folglich nur noch in seltenen Ausnahmefällen in die Produktionsabläufe ein. In der Forschung wird daher von einer verbleibenden „Residualkategorie“ von qualifizierter Produktionsarbeit gesprochen. • Zum Dritten kann aber auch eine Qualifikationsaufwertung und Tätigkeitsanreicherung erwartet werden. Als Grund hierfür können die erhöhte Komplexität der Fertigung und die informationstechnologische Dezentralisierung von Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationsfunktionen angesehen werden. Daher werden die betroffenen Beschäftigten auf der operativen Ebene gefordert sein, zunehmend eigenständig zu planen und Abläufe abzustimmen. Erforderlich wird beispielsweise ein breiteres Verständnis über das Zusammenwirken des gesamten Produktionsprozesses, der Logistikanforderungen sowie der Lieferbedingungen. organisation Quelle: eigene Darstellung Quelle: eigene Darstellung 14 p r o f. d r . h a r t m u t h i r s c h - k r e i n s e n ( t u d o r t m u n d ) Gestaltungsalternativen existieren Resümiert man die vorliegenden Befunde über den Wandel von Tätigkeits- und Qualifikationsstrukturen, so wird zunächst deutlich, dass die Perspektive einer vollständigen Automatisierung und der menschenleeren Fabrik aus technologischen und ökonomischen Gründen keine realistische Perspektive darstellen kann. Zugleich ist aber auch kein „one-best-way“ der Entwicklung von Arbeit an smarten Produktionssystemen erkennbar. Auszugehen ist vielmehr von einem breiten Spektrum divergierender Muster der Arbeitsorganisation: Das eine Muster entspricht einem Gestaltungsansatz, der auf den skizzierten Tendenzen der innerbetrieblichen Heterogenisierung von Aufgaben, Qualifikationen und Personaleinsatz beruht. Es finden sich in den Produktionssystemen einerseits eine vermutlich nur noch geringe Zahl einfacher Tätigkeiten mit geringem oder keinem Handlungsspielraum, die laufende standardisierte Überwachungs- und Kontrollaufgaben ausführen. Andererseits ist eine ausgeweitete oder auch neu entstandene Gruppe hoch qualifizierter Experten und technischer Spezialisten anzutreffen, deren Qualifikationsniveau deutlich über dem bisherigen Facharbeiterniveau liegt. Diesen Beschäftigten obliegen nicht nur dispositive Aufgaben etwa der Störungsbewältigung, sondern sie übernehmen verschiedentlich auch Aufgaben des Produktionsmanagements. Verkürzt kann dieses arbeitsorganisatorische Muster als Polarisierte Organisation bezeichnet werden (vgl. Abb. 2). Das andere Muster des Spektrums wird von einem arbeitsorganisatorischen Gestaltungsansatz gebildet, der metaphorisch als Schwarm-Organisation bezeichnet werden kann. Diese Form der Arbeitsorganisation ist durch eine lockere Vernetzung sehr qualifizierter und gleichberechtigt agierender Beschäftigter gekennzeichnet. Einfache und niedrig qualifizierte Tätigkeiten sind hier nicht anzutreffen, denn sie sind weitgehend durch die Automatisierung substituiert worden. Zentrales Merkmal dieses Organisationsmusters ist, dass es keine definierten Aufgaben für einzelne Beschäftigte gibt, vielmehr handelt das Arbeitskollektiv selbst organisiert, hoch flexibel und situationsbestimmt je nach zu lösenden Problemen im und am technologischen System. Anders formuliert, dieses Muster der Arbeitsorganisation zielt auf die explizite Nutzung informeller sozialer Prozesse der Kommunikation und Kooperation und der damit verbundenen extrafunktionalen Kompetenzen und des akkumulierten spezifischen Prozesswissens der Beschäftigten (vgl. Abb. 3). Insgesamt bezeichnen diese beiden arbeitsorganisatorischen Muster grundlegend unterschiedliche Perspektiven von Produktionsarbeit. Vermutlich werden sich auf Dauer Mischformen und Zwischenlösungen einspielen. Diese beiden Muster verweisen jedoch darauf, dass Unternehmen bei der Einführung von Industrie 4.0-Systemen nicht nur organisatorische und personalpolitische Wahlmöglichkeiten haben, sondern sich damit auch je nach der konkreten betrieblichen Situation auch sehr verschiedene soziale und ökonomische Effekte verbinden können. Welcher Art diese sind und welche Einflussgrößen die konkrete Arbeitsgestaltung bei der Einführung von Industrie 4.0-Systemen bestimmen, muss Gegenstand intensiver Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sein. LITERATUR Avant, R. (2014): The third great Wave. The Economist, October 4th, Special Report Bainbridge, L. (1983): Ironies of automation. Automatica 19(6), 775-779 Bauernhansel, Thomas (2014): Die Vierte Industrielle Revolution – Der Weg in ein wertschaffendes Produktionsparadigma, in: Bauernhansel, Thomas; ten Hompel, Michael; Vogel-Heuser, Birgit (Hg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Springer Vieweg, Wiesbaden, 5-36 Forschungsunion/acatech (2013): Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern. Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Berlin Hirsch-Kreinsen, H. (2014): Wandel von Produktionsarbeit – „Industrie 4.0“. WSIMitteilungen, 67(6), 421-429 Hirsch-Kreinsen, H./Ittermann, P./Niehaus, J. (Hg. 2015 - i.E.): Digitalisierung von Industriearbeit. Editione sigma, Berlin Kagermann, H. (2014): Chancen von Industrie 4.0 nutzen. In: Bauernhansl, T./ten Hompel, M./Vogel-Heuser,B. (Hg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Anwendung, Technologien, Migration. Springer Vieweg, Wiesbaden, 603-614 Lutz, B. (1987): Das Ende des Technikdeterminismus und die Folgen, in: Lutz, B. (Hg.): Technik und Sozialer Wandel. Verhandlungen des 23. Deutschen Soziologentages. Campus, Frankfurt am Main, 34-57 Pfeiffer, S. (2013): Arbeit und Technik. In: Hirsch-Kreinsen, Hartmut/Minssen, Heiner (Hg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie. Edition sigma, Berlin, 48-53 Plattform Industrie 4.0 (2014): Neue Chancen für unsere Produktion. 17 Thesen des Wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0. Berlin Spath, D./Ganschar, O./Gerlach, S./Hämmerle, M./Krause, T./Schlund, S. (Hg. 2013): Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0. Stuttgart Trist, E./Bamforth, K. (1951): Some social and psychological consequences of the long wall method of coal-getting. Human Relations 4(1), 3-38 15 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) Arbeitsorganisation in der Fabrik 4.0 Professor Dr.-Ing. Wilhelm Bauer ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sowie des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologie management IAT der Universität Stuttgart. Er verantwortet mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Forschungs- und Umsetzungsprojekte in den Bereichen Innovationsforschung, Technologiemanagement, Leben und Arbeiten in der Zukunft, Smarter Cities. 2012 vom Land Baden-Württemberg als „Übermorgenmacher“ geehrt, leitet er die Fraunhofer-Initiative „Morgenstadt“ und ist Mitglied in der „Nationalen Plattform Zukunftsstadt“ der Bundesregierung. Wir befinden uns nach der Erfindung der Dampfmaschine, der Industrialisierung und dem Start des Computerzeitalters, mit dem »Internet der Dinge und Dienste« am Beginn der nächsten industriellen Revolution. Die Digitalisierung eröffnet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, die das Leben der Menschen einfacher machen und neue Chancen für gesellschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklungen bieten. Bedürfnisse und Verhalten von Menschen im Wandel Veränderungen im Bereich »Mensch und Gesellschaft« liegen in erster Linie im demografischen Wandel und einer zunehmenden Diversity der Gesellschaft begründet. Im Einklang mit der Gesamtentwicklung der Demografie in Deutschland wird das Durchschnittsalter der Belegschaften in vielen Bereichen über die nächsten Jahre anwachsen. Für die Arbeit bedingt diese Abb. 1: treiber Entwicklung die zunehmende Ausrichtung auf Aspekte der gesundheits- und alternsgerechten Arbeitsgestaltung. Zudem werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren in vielen Bereichen überproportional viele Mitarbeiter aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden, da die starken »Baby-Boomer«-Jahrgänge dann in Rente gehen. Parallel zu dieser Entwicklung wachsen die Unterschiede zwischen den Lebenswelten der Generationen, die in der betrieblichen Realität in einer höheren Individualisierung der Einzelinteressen zum Ausdruck kommen. Der Unterschiedlichkeit der favorisierten Arbeitsweise sowie den individuellen Ansprüchen auf höhere zeitliche Flexibilität und räumliche Mobilität der Mitarbeiter durch kollektive Regelungen gerecht zu werden, gestaltet sich zunehmend schwierig. Insbesondere mit Blick auf die vielzitierten »Generation Y« und »Generation Z« werden die der transformation 16 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) Abb. 2: individuelle und unternehmerische interessen Unterschiede der Altersgruppen und der Wandel der zugrundeliegenden Erwartungen sichtbar. Die diese Generationen charakterisierenden Erwartungshaltungen und Vorstellungen einer flexiblen und selbstbestimmten Lebens- und Arbeitsweise sind schon heute in großen Teilen durch einen nativen Umgang mit Mobilgeräten und Vernetzung geprägt. Abb. 3: smarter Die Unterschiedlichkeit der Interessen nimmt auch durch einen steigenden Anteil von Frauen an der Arbeitsbevölkerung sowie die durch die Globalisierung und die grenzüberschreitende Mobilität ausgelöste Internationalität der Belegschaften und das damit verbundene Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Lebensanschauungen zu. Familien, in denen working als folge größerer diversität 17 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) beide Elternteile berufstätig sind, haben hohe Ansprüche an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beschäftigte mit Angehörigen, die Zuwendung oder Pflege benötigen, generieren Anforderungen an zeitliche und räumliche Flexibilität in der Arbeit. Das Bedürfnisprofil variiert in Abhängigkeit der jeweiligen Lebensphase und -situation zunehmend. Das Thema der Work-Life-Integration rückt mehr und mehr in den Fokus der Diskussionen zur Gestaltung von Arbeit – Geben und Nehmen wird zur Maxime der Arbeitsorganisation. Als eine Folge ist erkennbar, dass die Arbeit sich in den Dimensionen Struktur, Ort und Zeit weiter differenziert. Nicht mehr die Menschen kommen zur Arbeit, sondern die Arbeit kommt zu den Menschen! Technologische Entwicklungen und technische Innovation im Kontext neuer Geschäftsmodelle und Wertschöpfungssysteme Im Bereich »Technologie und Technik« sind drei wesentliche Entwicklungsebenen sichtbar, die die Umbrüche hin zu einer digital vernetzten und zunehmend autonomen datenbasierenden Welt verdeutlichen. Dabei sind den Ambitionen von Technikern scheinbar keine Grenzen gesetzt: Verschmelzen von realer und virtueller Welt: Arbeitsprozesse werden sich zukünftig in unterschiedlichen Umgebungen (z. B. individuell am Arbeitsplatz, unterwegs mittels Smartphonenutzung, kollaborativ innerhalb virtueller Netzwerke) und neuen Kontexten abspielen (»Computing everywhere«). Die virtuelle und reale Welt werden integriert, die Realität durch Abb. 4: strategische Informationsoverlays erweitert. Im Internet der Dinge kommunizieren intelligente vernetzte Objekte miteinander und mit den Menschen und ermöglichen z. B. die autonome Steuerung von Materialflüssen und Logistik. Mittels generativer Verfahren (3D-Druck) können Alltagsgegenstände, aber auch industrielle Bauteile in »Stückzahl 1« zu vergleichbaren Kosten einer Massenproduktion hergestellt werden – eine personalisierte Produktentstehung wird möglich. Intelligence everywhere: Die Menschen erhalten technische Unterstützung und Verstärkung, die ihnen beinahe übernatürliche Kräfte geben und allumfassendes Wissen bereitstellen wird. Beschäftigte können hiervon entsprechend des jeweiligen Kompetenzprofils profitieren, z. B. durch Analysealgorithmen, die die effiziente Filterung von Datenströmen und die Bereitstellung der erforderlichen Informationen an den jeweiligen Nutzer zur richtigen Zeit gewährleisten. Kontextbasierte Systeme reagieren zudem auf ihre Umwelt und stellen proaktiv passgenaue Handlungsempfehlungen zur Verfügung, um Geschäftsprozesse digital gestützt zu optimieren. Autonome Systeme unterstützen den Menschen und nehmen ihm zunehmend auch Entscheidungen ab. Die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und Robotik führen zu intelligenteren Maschinen und leisten einen wesentlichen Beitrag für die zukünftige Arbeitsteilung und neue Wertschöpfungskooperationen durch multimodale Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Auch Dienstleistungsbereiche werden durch die Präsenz von Robotern und autonomen Systemen weitergehend automatisiert und entwickeln sich zu digitalen Entitäten. technologietrends 2015 18 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) Aufkommen einer neuen IT-Realität: Cloud Computing ermöglicht die durchgängige Synchronisation von Dokumenten und den orts- wie auch zeitunabhängigen Zugriff auf diese durch mobile Endgeräte. Flexible und dynamische Anwendungen und skalierbare Infrastrukturmodelle sind der Garant für neue digitale Geschäftsmodelle und Wertschöpfungssysteme (»Smart Business«) und den weiteren Ausbau des Internets als Business-Plattform. Diese ist geprägt durch Kundeninteraktion und Anwendervielfalt und bedeutet die Abkehr von klassischen Produkten und Services hin zu individualisierten Leistungsbündeln (Produkt-Service-Innovationen). Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen dienen der Absicherung vor der sogenannten Cyberkriminalität. Die Fabrik 4.0 im Internet of Things In der aktuellen Diskussion prägt momentan vor allem der Begriff »Industrie 4.0« die öffentliche Diskussion. Internet und Mobiltechnologien haben über die letzten zehn Jahre unser Leben und Arbeiten grundlegend verändert. Die Vernetzung von physischer und virtueller Welt durchdringt immer weitere Bereiche – gerade die Arbeit im Büro hat sich fundamental verändert. Zusammen mit einer neuen Stufe der Automatisierung und der Diffusion des Konzepts des Internet der Dinge und Dienste vollzieht sich momentan die Übertragung in die industrielle Produktion. Industrie 4.0 bezeichnet vor diesem Hintergrund die echtzeitfähige, intelligente Vernetzung von Menschen, Maschinen und Objekten zum Management von Systemen. Über IP-Adressen vernetzte Objekte, die mit eingebetteter Hard- und Software (»Cyber-Physical Systems«) ausgestattet sind, interagieren mit ihrer Umwelt. Die sich selbst organisierende Smart Factory bildet dabei Vision und Gegenstandsbereich – ähnlich wie Smart Mobility, Smart Logistics, Smart Grid, Smart Building oder Smart Health. Nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung wird der intelligenten Vernetzung der Industrie das Potenzial einer vierten industriellen Revolution zugetraut. Aufgesetzt als industrie-politisches Programm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft umfasst Industrie 4.0 ein ganzes Bündel an Technologien, Lösungen und Anwendungen, deren Kern auf die Übertragung des Konzepts des »Internet der Dinge« auf die industrielle Wertschöpfung und die Produktion abzielt. Bezogen auf die voraussichtlichen Anwendungsbereiche werden signifikante Produktivitätsgewinne erwartet. Neben der Entwicklung im Bereich Industrie 4.0 wird vielfach eine nächste Welle der Automatisierung durch Robotersysteme erwartet. Diese begründet sich im rapiden Preisverfall, vor allem im Bereich der industriell einsetzbaren Leichtbaurobotik. Ähnlich wie bei Industrie 4.0 existiert allerdings auch beim Thema Robotik momentan noch eine große Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und betrieblicher Realität. So sind zwar heute noch sehr wenige Leichtbauroboter im industriellen Einsatz, für die nächsten Jahre wird hingegen mit einem massiven Aufbau neuer Anwendungen gerechnet. Die skizzierten Entwicklungen der Automatisierung und Digitalisierung hängen zumindest indirekt zusammen. Die zunehmende Automatisierung direkter – vor allem taktgebundener Tätigkeiten in Fertigung, Montage und Logistik – intensiviert Koordinations- und Kooperationsprozesse LITERATUR acatech. Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft und Wissenschaft (Hrsg.) 2013: Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Berlin. Bauer, W.; Herkommer, O.; Schlund, S. (2015): Die Digitalisierung der Wertschöpfung kommt in deutschen Unternehmen an - Industrie 4.0 wird unsere Arbeit verändern. In: ZWF – Zeitschrift für den wirtschaftlichen Fabrikbetrieb. Jahrg. 110, 1-2, S. 2-7. BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (Hrsg.) (ohne Jahr): Zukunftsbild »Industrie 4.0«, Bonn. http://www.bmbf.de/ pubRD/Zukunftsbild_Industrie_40.pdf. BITKOM (2014): Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland. Studie. Fraunhofer IAO. Berlin. Brand, L. et al. (2009): Internet der Dinge. Übersichtsstudie, Zukünftige Technologien Nr. 80, Hrsg. v. Zukünftige Technologien Consulting der VDI Technologiezentrum GmbH, Düsseldorf. Brynjolfsson, E.; McAfee, A. (2014): Second Machine Age. Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies. New York. DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) (Hrsg.) (2015): Wirtschaft 4.0: Große Chancen, viel zu tun. Das IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung. Berlin. http:// www.dihk.de/presse/ meldungen/2015-02-05-unternehmensbarometer-digitalisierung. Gartner, Inc.: Gartner Identifies the Top 10 Strategic Technology Trends for 2015. 8. Oktober 2014; http://www.gartner.com/newsroom/ id/2867917; abgerufen am 7. Januar 2015. Heng, S. 2014: Industrie 4.0 – Upgrade des Industriestandorts Deutschland steht bevor, Deutsche Bank Research. Frankfurt a.M. Ingenics/Fraunhofer IAO 2014: Industrie 4.0 – Eine Revolution der Arbeitsgestaltung. Wie Automatisierung und Digitalisierung unsere Produktion verändern werden. Ulm. Spath, D. (Hrsg.) (2013): Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0. Windelband, L.; Spöttl, G. (2011): Konsequenzen der Umsetzung des »Internet der Dinge« für Facharbeit und Mensch-Maschine-Schnittstelle. In: FreQueNz-Newsletter 2011, 11-12. http://www.frequenz.net/ uploads/ tx_freqprojerg/frequenz_newsletter2011_web_final.pdf. 19 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) Abb. 5: arbeitsorganisation in der fabrik 4.0 – ganzheitliche gestaltung guter arbeit zwischen Menschen und Maschinen, die wiederum Ansatzpunkt und Gegenstand für Digitalisierung sind. Aspekte der Arbeitsorganisation in der Fabrik 4.0 Arbeitsorganisation in der industriellen Produktion wird immer noch stark von den großen Entwicklungen der Produktions- und Arbeitsgestaltung der vergangenen Jahrzehnte geprägt: Humanisierung der Arbeit, CIM (Computer-integrated Manufacturing), Lean Management und Wandlungsfähigkeit. Der heute mit Industrie 4.0 durch die Digitalisierung und Automatisierung von Wertschöpfungssystemen und -prozessen erwartete Entwicklungssprung beruht einerseits auf den neuen Möglichkeiten, die sich durch die Weiterentwicklung der IT ergeben; gleichzeitig sind Effizienzsteigerungen zu erzielen, um Übertreibungen, wie sie im Zuge vieler CIM-Projekte stattgefunden haben, zu vermeiden. Industrie 4.0 wie auch die Weiterentwicklung des Lean Managements stellen die engere Verzahnung von Produktentwicklung, Produktionsplanung und Produktion in den Vordergrund. Bedingt durch die Trends der immer stärker ausgeprägten Individualisierung von Produkten, sinkender Produktlebenszyklen und der Verkürzung der Lieferzeiten gewinnt die schnelle Reaktion auf Kundenanfragen und -änderungen immer mehr an Bedeutung. Dies schlägt sich neben der stärkeren Verzahnung der Bereiche auch in einer weiteren Übernahme von indirekten Tätigkeiten durch Produktionsmitarbeiter nieder. Bezogen auf die indirekten Bereiche der Industriearbeit lassen sich heute unterschiedliche Durchdringungsgrade beobachten. Während die Digitalisierung im Engineering und in der Planung kaum mehr wegzudenken ist, sind Steuerung, Disposition und indirekte Tätigkeiten auf dem betrieblichen Hallenboden heute vorwiegend von manuellen Prozessen geprägt. Aufgrund der noch offenen Entwicklung der Industrie 4.0 können noch keine eindeutigen Einschätzungen über Arbeitsorganisations- und damit verbundene Kompetenzentwicklungspfade getroffen werden. Deshalb werden im Folgenden Einschätzungen in Verbindung mit zwei auf Windelband und Spöttl (2011) zurückgehende Extremszenarien bzw. polar entgegengesetzte Entwicklungsrichtungen angeführt. Bei der ersten Richtung, dem »Automatisierungsszenario«, wird ein immer größer werdender Teil der Entscheidungen durch die Technik getroffen. Dies würde den Raum für autonome menschliche Entscheidungen und Handlungsalternativen immer weiter einschränken und wäre mit der Entstehung einer Kompetenzlücke verbunden: In einem zunehmend automatisierten System muss der Mensch nur noch in Störfällen eingreifen, aber zumindest die Mitarbeiter der unteren wie auch mittleren Qualifikationsebene könnten die dazu notwendigen Kompetenzen nicht mehr erlangen. Bei der zweiten Entwicklungsrichtung, die hier als »Spezialisierungsszenario« bezeichnet wird, dient die Technik zur Unterstützung menschlicher Entscheidungen und somit von Problemlösungen. Im Unterschied zum Automatisierungsszenario bleibt hier auch den Produktionsmitarbeitern zumindest der mittleren Qualifikationsebene ein wesentlich größerer Anteil der 20 p r o f. d r . - i n g . w i l h e l m b a u e r ( f r a u n h o f e r i a o s t u t t g a r t ) Entscheidungen überlassen, womit Prozessoptimierungen, Ein griffe bei Störungen und Problemlösungen, und damit vielfältigere, wenn nicht höhere Anforderungen verbunden sind. Im Automatisierungsszenario sollen die Aufgaben von den technischen Teilen des sozio-technischen Systems übernommen werden, in die nur Hochqualifizierte eingreifen können. Im Spezialisierungsszenario sind die Mensch-Technik-Schnittstellen so gestaltet, dass neben den Hochqualifizierten zumindest Fachkräfte der mittleren Qualifikationsebene mit der Technik interagieren können. Eine Übersicht über zentrale Bereiche zur ganzheitlichen Gestaltung guter Arbeit in der Fabrik 4.0 veranschaulicht die Abbildung 5. Wichtig ist es zu betonen, dass sich die Arbeit in der Fabrik 4.0 weiterhin an den Grundpfeilern der Arbeitsgestaltung orientiert, die die klassischen Elemente von »TOP« (Technik, Organisation und Personal) als ganzheitliches Gestaltungsfeld ansehen und die Wirkungsdimensionen Humanität und Produktivität in einem balancierten Gestaltungsraum adressieren. Wenn durch physische Assistenz nicht ergonomische Arbeit verbessert oder ersetzt wird, ist dies gut so. Wenn alternsgerechte Arbeitsgestaltung dazu beiträgt, Menschen länger im Arbeitssystem zu halten und damit einen Beitrag zum Fachkräftemangel zu leisten und zugleich Menschen die Möglichkeiten eröffnet, länger arbeiten zu können, ist dies bestens. Wenn lokationsbasierte und kontextsensitive Systeme helfen, dass Abb. 6: arbeit technische Anlagen im Sinne von »Predictive Maintenance« eine höhere Verfügbarkeit gewährleisten und gleichzeitig bei den Anlagenführern zu weniger Stress bei Anlagenstillstand führen, dann ist das gute Arbeit. Wenn durch ein vollständiges digitales Produktionsbild (»Digitale Fabrik«) Simulationen der Prozesse und Abläufe in Echtzeit erfolgen können und die Produktionsmitarbeiter sofort Aussagen über Ursachen und mögliche Lösungsszenarien bei Produktionsstörungen erhalten, dann verringert dies Stress bei der Arbeit. Wenn eine Produktionssteuerung unter Einbindung von mit mobilen Apps ausgestatteten Beschäftigten möglich wird, führt das zu mehr Work-Life-Balance bei den Beschäftigten und zu einer optimalen Produktionssteuerung. Wenn arbeitsprozessintegriertes Lernen durch zeitgemäße mobile und personalisierte Lernmodule unterstützt wird und Motivation fördert, führt dies zu mehr Produktivität des Systems und zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaft. Wenn durch multimodale Mensch-Technik-Interaktion vernetztes und kollaboratives Arbeiten (z. B. in der Mensch-Roboter-Kollaboration) gefördert wird, schafft dies neue und interessante zukünftige Jobs. Umfragen zeigen es deutlich: die Anforderungen an die Qualifikation der in der Fabrik 4.0 Beschäftigten verändern sich erheblich. Informationstechnische und soziale Kompetenzen werden immer wichtiger. Dies bedeutet nicht die Abkehr von anderen, z. B. mechatronischen Kompetenzanforderungen, zeigt aber die Richtung der Veränderungen auf. in der industrie 4.0 – neue qualifikationsanforderungen 21 s ta t e m e n t s Stimmen aus der Podiumsdiskussion Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Bauer, Fraunhofer IAO Stuttgart „Unsere Gesellschaft und Wirtschaft Dr. Jozef Nanasi, der Welt – stehen aufgrund von Engineering, – und mit ihr auch viele andere auf Leiter Industrial weitreichenden Veränderungen in Volkswagen Konzern den Bedürfnisstrukturen und im sozialen Verhalten von Mensch und Gesellschaft sowie aufgrund der dyna- „Das Industrial Enginee- mischen technologischen Entwicklungen und disruptiven Innovationen bei Geschäftsmodellen und Wertschöp- fungssystemen vor großen Herausforderungen. Arbeitsund Lebenswelten befinden sich in einer gewaltigen Transformation: Das Internet und digitale Technologien, allen voran auch die mobile Nutzung von Daten und deren Interpretation, gestalten nicht nur unseren Alltag neu, sondern führen auch zu einem tiefgreifenden Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt insgesamt.“ ring wird sich durch Indus- trie 4.0 deutlich verändern. Zusätzlich zu den bestehenden Aufgaben muss der Betrachtungs- und Optimierungsumfang auf Mensch-Roboter-Kooperationen ausgeweitet werden. In Bezug auf die Optimierung von Produktivität und Ergonomie brauchen wir neue Analyse und Simulationstools. Gleichzeitig brauchen wir neue Methoden, um komplexe und/oder verdeckte Wirkungszusammenhänge begreifbar zu machen, zum Beispiel durch Datamining. Nur so können wir Prozesse ganzheitlich optimieren. Die genannten Entwicklungen bleiben nicht ohne Folgen für die Teamarbeit. Neue Technologien, Analyse- und Optimierungswerkzeuge machen Prozesse besser beherrschbar und befähigen Teams zu einem effizienteren Prob- lemlösungsverhalten. Allerdings prognostizieren wir steigende Anforderungen an die Flexibilität der Teams, um sich auf ein stetig veränderndes Arbeitsumfeld einstellen zu können. Dadurch entstehen zusätzliche Ausbil- dungs- und Schulungsbedarfe für die Teammitglieder. “ 22 s ta t e m e n t s Frank Iwer, IG Metall „Industrie 4.0 wird nicht automatisch eine spezifische neue Form der Arbeitsorganisation herbeiführen, aber sie schafft neue Spielräume für die Gestaltung der Arbeit. Dabei geht es aus unserer Sicht darum, den Stellenwert von Produktionsarbeit als langfristige Basis für Wertschöpfung und Wohlstand zu erhalten und gleichzeitig die Interessenlagen der Menschen einzubringen. Die Veränderungen werden nicht abrupt eintreten, sondern sich über einen längeren Zeitraum und in unterschiedli- chen Geschwindigkeiten vollziehen. Für Betriebsräte und Gewerkschaften ist so ein komplexer Prozess schwierig, deshalb braucht es mittelfristig tragfähige Leitbilder. Wir identifizieren hierfür drei zentrale Themenfelder: Die (1) Flexibilisierung von Arbeitszeitregelungen und Einsatzorten birgt die Chance, Arbeitseinsätze viel feinkörniger zu gestalten und dabei zugleich Zeitbedürfnisse der Beschäftigten zu berücksichtigen. Sie birgt allerdings auch das Risiko, Unwägbarkeiten der Produktion den Beschäftigten aufzubürden. Aus technischer Sicht besteht die Herausforderung darin, komplexe Fragen der (2) Regelung von Datenspeicherung, -nutzung und -auswertung zu lösen. Neue Möglichkeiten der (3) Arbeitsorganisation bergen zudem die Gefahr, dass die Spreizung zwischen ganzheitlichen (komplexen) und kleinteiligen (einfachen) Tätigkeiten deutlich zunimmt.“ Michael Riffel, Gesamtbetriebsrat Volkswagen „Mit Industrie 4.0 werden sich Arbeitsorganisation und Arbeitsbedin- gungen erheblich verändern. Weder die Geschwindigkeit des Wandels darf dabei unterschätzt werden, noch darf sich der Blick einseitig auf den direkten Bereich der Produktion beschränken. Gerade auch auf den soge- nannten indirekten Bereich (Entwicklung, Konstruktion, Planung und Steuerung u.a.) kommen weitreichende Veränderungen zu. Gleichzeitig differenzieren sich die Ansprüche und Erwartungen der Beschäftigten an die Ar- beitswelt immer weiter aus. Das hat zuletzt die Befragung des Betriebsrates „Gute Arbeit im Büro“ bestätigt. So wünschen sich etwa die Hälfte aller Mitarbeiter mehr Freiräume bei der Ar- beitszeit und beim Arbeitsort. Technische Innovationen bieten Chancen, neue Spielräume für die Beschäftigten zu schaffen. Dabei müssen wir allerdings sicherstellen, dass neue Flexibilität nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten geht. Gestaltung von Arbeitsorganisation steht für die Interessenvertretung schon immer im Mittelpunkt. Mit dem Volkswagen-Weg haben wir bei Volkswagen ein bewährtes Instrument. Damit kann es auch in Zukunft gelingen, den Veränderungsprozess sowohl im Interesse des Unternehmens (z.B. kontinuierliche Produktivitätsfortschritte) als auch im Interesse von Beschäftigten (z.B. mehr Beteiligung durch Teamarbeit und Shop-Floor-Management) zu gestalten.“ Auch bei der Arbeit der Zukunft wird es darum gehen, den Spagat zwischen den individuellen und kollektiven Schutz- und Gestaltungsinteressen hin zu bekommen.“ 23 impressionen impressionen Dr. Alexandra Baum-Ceisig führte durch die Veranstaltung, an der rund 200 Experten aus Unternehmen, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Verbänden teilnahmen. Neben Dr. Neumann und Stefan Wolf begrüßte Im Anschluss an die Vorträge beteiligten sich Dr. Josef Baumert als Vorstand für Produktion zahlreiche Konferenzbesucher an der regen und Logistik der Volkswagen Nutzfahrzeuge die Diskussion und stellten so den Transfer des Konferenzteilnehmer und betonte die Gehörten in andere Unternehmensbereiche sicher. Wichtigkeit der konsequenten Einführung von Industrie-4.0-Technologien für die Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Produktion. 24 25 p r o f. d r . f r i e d r i c h h u b e r t e s s e r ( p r ä s i d e n t b u n d e s i n s t i t u t f ü r b e r u f s b i l d u n g ) Ausbildung und Qualifizierung für die Fabrik 4.0 – die Sicht des Bundesinstituts für Berufsbildung Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser. Jahrgang 1959. Ausbildung im Bäckerhandwerk. Abitur über den „Zweiten Bildungsweg“. Studium der Wirtschaftswissenschaften an der TU Braunschweig sowie der Betriebswirtschaftslehre und Wirt- schaftspädagogik an der Universität zu Köln. Langjährige wissenschaftliche Tätigkeit am FBH/Uni Köln sowie von 2004 bis 2011 Leiter der Abteilung „Berufliche Bildung“ beim ZDH. Seit Mai 2011 Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Berufliche Handlungsfähigkeit sichert langfristige Beschäftigungsfähigkeit Laut Berufsbildungsgesetz hat die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsberuf zu vermitteln. Das bedeutet: Berufsausbildung in Deutschland ist kein On-the-Job-Training, das kurzfristig „Skills“ zum Ausüben einzelner Tätigkeiten vermittelt. Vielmehr geht es darum, auf Grundlage breit angelegter Kompetenzen (junge) Menschen zu befähigen, komplexe Aufgabenstellungen zu meistern – und dies selbständig, im Team, in veränderten Kontexten und auch durch permanentes Weiterlernen. Klar ist: Die Arbeit in der Fabrik 4.0 wird anspruchsvoll und mehr soziale sowie personale Kompetenzen verlangen. Wer verantwortungsvolle und autonome Tätigkeiten übertragen will, muss freilich darauf achten, dass das Personal sehr gut in der Lage ist, abstrakt zu denken, sich selbst zu organisieren und damit selbständig zu handeln. Die Rahmen(lehr)pläne für Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen eröffnen Spielräume bei der Ausbildungsgestaltung. Diese Spielräume sind aus meiner Sicht für die Förderung der in der Fabrik 4.0 benötigten Kompetenzen noch besser zu nutzen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir bei der Novellierung von Ausbildungsberufen durch offen formulierte Kompetenzbeschreibungen über mindestens eine Dekade die Möglichkeit der Nutzung dieser Spielräume durch Betriebe und Berufsschulen sichern. Die Digitalisierung ist eine Herausforderung für das duale Berufsbildungssystem, an der sich seine Zukunftsfähigkeit bemisst Das Duale System der Berufsausbildung steht insbesondere mit Blick auf die demographische Entwicklung sowie angesichts der wachsenden Studierneigung der Schulabgänger vor großen Herausforderungen. Über die möglichst zügige Aufnahme von für die Fabrik 4.0 benötigten Qualifikationsanforderungen in ganzheitliche Berufslaufbahnkonzepte, vom Aufbau von Prozessund Systemwissen über die Beherrschung von Programmiersprachen bis hin zu berufsspezifischen Details wie dem Umgang mit Software in fahrzeugtechnischen Systemen, können die Berufe des Dualen Systems zukunftsfest und damit auch attraktiver gegenüber Studienangeboten gemacht werden. Denn für Unternehmen und Mitarbeiter sind berufsbegleitende Aufstiege vorteilhaft – wegen der Kosten, des Verbleibs im Unternehmen sowie als Brücke zwischen Arbeiten und Lernen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass dual Ausgebildete im Wettbewerb mit Absolventen akademischer Ausbildungen auch im Zeitalter von Wirtschaft 4.0 bestehen müssen. Die Betriebe und die Berufsschulen müssen ihr Ausbildungsverhalten ändern, um sich an neue Qualifikationsbedarfe anzupassen Die mit der Weiterentwicklung von Betrieben zur Fabrik 4.0 einhergehenden Veränderungen der betrieblichen Anforderungen verlangen Flexibilität und Veränderungsbereitschaft bei Unternehmern und Mitarbeitern. Die Unternehmen sollten 26 p r o f. d r . f r i e d r i c h h u b e r t e s s e r ( p r ä s i d e n t b u n d e s i n s t i t u t f ü r b e r u f s b i l d u n g ) In der anschließenden Podiumsdiskussion erläutert Prof. Esser seine Thesen zu den notwendigen Veränderungen im deutschen Berufsbildungssystem bezüglich der Anforderungen der Industrie 4.0. bei ihrer Ausbildungsplanung nicht nur ihren quantitativen, sondern auch ihren qualitativen Fachkräftebedarf prüfen – und zwar mit Blick auf die möglichen künftigen Arbeitsplätze und auf die Tätigkeitsprofile der Facharbeiter. Für schnellere bedarfsbezogene Anpassungen eignen sich vor allem Zusatzqualifikationen. Zugleich ist gerade für kleine und mittlere Betriebe evident: Die Verbundausbildung muss noch stärker genutzt werden, vor allem im Dienstleistungssektor und im Handwerk. Berufsschulen sollten sich noch mehr als Dienstleister verstehen und ihr Profil hinsichtlich möglicher beruflicher Einsatzgebiete der Absolventinnen und Absolventen schärfen. Sinnvoll können unter anderem Schwerpunktschulen bzw. –Klassen sein, zum Bespiel für Windenergieanlagen, für Gebäudetechnik und für Aufzugs- und Fahrtreppenbau. Dies wird jedoch noch genauer zu prüfen sein. Last but not least müssen Betriebe und Berufsschulen noch mehr in die Qualifizierung ihres Ausbildungspersonals investieren; denn sowohl Ausbildern wie auch Berufsschullehrern kommt eine Schlüsselfunktion bei der Qualifizierung für die Wirtschaft und Gesellschaft 4.0 zu. Von ihren Kompetenzen hängt es letztlich ab, wie schnell und wie gründlich die neuen Qualifikationsanforderungen mit entsprechend effektiven Lehrund Lernarrangements zum Standard in Betrieben und berufsbildenden Schulen werden. Von Bedeutung ist dabei auch die Vernetzung – zwischen Ausbildern und Berufsschullehrern in der Region sowie mit den Prüfungsausschüssen in den Kammern und Innungen. Die vorhandenen Ausbildungsberufe sind zukunftsorientiert und offen für sich verändernde Qualifikationsanforderungen Es ist wichtig, dass die Inhaber von Ausbildungsberufen über Jahrzehnte ihres Arbeitslebens in der Lage sind, veränderte Aufgaben zu meistern. Ausbildungsberufe müssen gleichwohl angesichts der Digitalisierung künftig noch mehr als Basisberufe verstanden werden, die kontinuierliche Fortentwicklung ermöglichen. Dem dürfen auch Unternehmen, Prüfungsausschüsse und Sozialparteien nicht entgegenstehen. Die Digitalisierung betrifft die meisten Ausbildungsberufe, unter anderem in den Bereichen Gesundheit und Pflege (hier wäre etwa der Pflegeroboter zu nennen), öffentliche Verwaltung, Bauindustrie und Bauhandwerk, Verkehr und Logistik. Beispielsweise möchte der Online-Versandhändler „Amazon“ bis 2017 kleine Pakete mit Drohnen ausliefern; eingeschränkte Tests dürfen schon jetzt stattfinden. Im Kontext von Industrie 4.0 bzw. Wirtschaft 4.0 oder bei der Digitalisierung könnten neue Berufsprofile entstehen: in der Instandhaltung (an der Schnittstelle zwischen virtuellem und realem System, Diagnostik und Prozess-Sicherheit) oder bei der Systemführung – dabei geht es um hochanspruchsvolle Routinetätigkeiten als Systemführer, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Besonders bedeutsam für den zu erreichenden Ausbildungserfolg ist die allgemeine Bildung. Ergebnisse aus der Qualifikationsforschung zeigen, dass sich die Komplexitäts-, Problemlösungs-, Lern- und vor allem auch Flexibilitätsanforderungen in den Berufen erhöhen werden. Gerade bei den g ewerblich-technischen Berufen ist eine hohe Diagnose kompetenz bei Wartung, Service und Reparatur zu erwarten. Um in der Berufsausbildung das geforderte Prozesswissen aufbauen zu können, bedarf es einer angemessenen Ausbildungsreife. Ein regelmäßiges Screening, insbesondere der von der Digitalisierung betroffenen Ausbildungsberufe, wird erforderlich sein und in enger Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis erfolgen. Das BIBB wird in bewährter Qualität dazu beitragen, dass die mit Wirtschaft 4.0 einhergehenden Tätigkeitsprofile möglichst schnell und valide identifiziert werden, um die Berufe fundiert und evidenzbasiert weiterzuentwickeln. 27 p r o f. d r . l a r s w i n d e l b a n d ( p ä d a g o g i s c h e h o c h s c h u l e s c h w ä b i s c h g m ü n d ) Qualifikationen und Ausbildungsgestaltung in Industrie 4.0 Prof. Dr. Lars Windelband, Professor für Technik und ihre Didaktik und Prodekan an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd sowie Institutsleiter des Instituts Bildung, Beruf und Technik. Arbeitsschwerpunkte: Veränderungen in der Mensch-Maschine-Schnittstelle, Digitalisierung der Arbeitswelt, Früherkennungs- und Berufsbildungsforschung. Stand der Umsetzung „Industrie 4.0“ Das Ziel von „Industrie 4.0“ besteht darin, eine höhere Form der Automatisierung durch eine Verknüpfung des gesamten Produktionsumfeldes zu einer intelligenten Umgebung zu erreichen. Das „Internet der Dinge“ (IdD) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Durch das Zusammenwirken mit dem „Internet der Dienste“ können Unternehmen mit ihrem gesamten Umfeld kommunizieren. Die Basis bilden dabei Cyber-Physical Systems (CPS), die die Maschinen, Lagersysteme, Betriebsmittel etc. digital miteinander vernetzen. Ergebnis ist die Auflösung der klassischen Produktionshierarchie von der zentralen Steuerung hin zu einer dezentralen Selbstorganisation der Produkte. Das Produkt lenkt im Zeitalter „Industrie 4.0“ den Produktionsprozess eigenständig. Ergebnis wäre eine grundlegende neue Form der Steuerung und der Organisation von Produktionsprozessen. Damit wäre ein neues Automatisierungsniveau erreicht (Hirsch-Kreinsen 2014, S. 6), da die Selbstoptimierung intelligenter, dezentraler Systemkomponenten und ihre autonome Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Rahmenbedingungen in Echtzeit erfolgen soll. Doch wie weit sind die Unternehmen auf dem Weg hin zu „Industrie 4.0“? Das aktuelle IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung (DIHK 2015) befragte 1.849 Unternehmen zum Stand der eigenen Umsetzung der Digitalisierung und deren Beeinflussung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse. 94 Prozent der Unternehmen sahen eine Beeinflussung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse durch eine vermehrte Digitalisierung. Auf die Frage „Wie schätzen Sie den Stand der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen insgesamt ein?“, antworten 27 Prozent aller Befragten mit „voll“ oder „nahezu voll“ entwickelt. Dabei kann die Frage der Digitalisierung nicht mit der Entwicklung von „Industrie 4.0“ gleichgesetzt werden. In „Industrie 4.0“ sollen Automatisierung und Digitalisierung zugunsten effizienterer Fertigungsmethoden verschmelzen. Hier sehen sich vor allem die großen Mittelständler und Großunternehmen (ab 500 Mitarbeiter) mit ca. 37 Prozent gut aufgestellt, wohingegen die kleineren Unternehmen noch Nachholbedarf (26 Prozent sehen sich gut aufgestellt) haben (DIHK 2015, S. 7). Anwendungsfelder und Kompetenzen in der „Industrie 4.0“ Für die Fragen der weiteren Kompetenzanforderungen an die Beschäftigten im Umgang mit jenen Industrie 4.0-Anwendungen bleibt zu klären, welche Funktionen im konkreten Anwendungsfall tatsächlich von CPS übernommen werden und welche beim Menschen verbleiben. Vom Grad und Umfang der Aufgabenübernahme durch CPS im Rahmen der jeweiligen Industrie 4.0-Anwendungen lassen sich erste Konsequenzen hinsichtlich zukünftig benötigter Kompetenzen von Beschäftigten ableiten. Zurzeit werden unterschiedliche Anwendungsszenarien der Mensch-Maschinen-Schnittstelle für den Einsatz von CPS in der Produktion diskutiert (vgl. Gorecky et al. 2014): • Instandhaltung (d.h. Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Optimierung) von Produktionsanalagen durch Bereitstellen von interaktiven, virtuellen Handlungsanweisungen, • Überwachung von Produktionsprozessen sowie Qualitätskontrolle durch das kontextsensitive Abrufen und Bereitstellen von Informationen, z.B. bezüglich des Status eines CPS, • Planung und Simulation von Produktionsprozessen, indem z.B. das Verhalten von CPS vorgezeichnet wird, • Einsatz von Leichtbaurobotern (sensitive Robotik) bei Automobilherstellern und -zulieferern in enger Zusammenarbeit mit den Beschäftigten. Unternehmen wählen beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Markt- und Produktionsanforderungen verschiedene Kombinationen aus Technologieeinsatzvarianten und Organisationsoptionen. Allerdings zeigen die vorhergehenden Ausführungen, dass sich Industrie 4.0 schon rein technologisch noch in der Entwicklung befindet. Somit können Aussagen über Technologie-, Arbeitsorganisations- und damit verbundene Kompetenzentwicklungspfade noch nicht hinreichend eindeutig getroffen werden und werden in den einzelnen Branchen und Unternehmen unterschiedlich aussehen. Dabei zeichnen sich zwei Entwicklungsrichtungen ab: 1. Die Technologien mit einem offenen Informationssystem werden so entwickelt und konfiguriert, dass auf dieser Basis der Mensch die Entscheidungen trifft oder 2. eine restriktive, kontrollierende Technologie wird umgesetzt, die auf der Basis von automatisch generierten Informationen eigenständig, selbständig Entscheidungen trifft. 28 p r o f. d r . l a r s w i n d e l b a n d ( p ä d a g o g i s c h e h o c h s c h u l e s c h w ä b i s c h g m ü n d ) Diese beiden Entwicklungsrichtungen sollen die Chancen und Gefahren einer Entwicklung zu Industrie 4.0 symbolisieren. Windelband/Spöttl (2012, S. 217) sprechen von einer Entwicklungsrichtung hin zum Assistenzszenario und/oder hin zum Automatisierungsszenario. Bei einer Entwicklung in Richtung Assistenzszenario würde der Mensch eine Mitgestaltungsmöglich behalten und Industrie 4.0 würde ein „Assistenzsystem“ zur Unterstützung der Fachkraft sein. Die Fachkompetenz der Fachkräfte wird dabei bei jedem Auftrag benötigt. Die Kompetenzanforderungen setzen voraus, dass die notwendigen Informationen zur Beherrschung der Arbeitsprozesse bereitgestellt werden und für die Kompetenzentwicklung passende Qualifizierungsansätze zur Verfügung stehen. Fachkraft (oftmals Facharbeiterniveau) und Technologie würden sich hier gegenseitig kontrollieren und beeinflussen, jedoch würde der Mensch immer noch die Entscheidungsgewalt behalten. Bei der zweiten Richtung, dem „Automatisierungsszenario“, wird ein immer größer werdender Teil der Entscheidungen durch die Technik getroffen. Dies würde den Raum für autonome menschliche Entscheidungen und Handlungsalternativen immer weiter einschränken und wäre mit der Entstehung einer Kompetenzlücke verbunden: In einem zunehmend automatisierten System muss der Mensch nur noch in schwerwiegenden und nicht vorhersehbaren Störfällen eingreifen. Schlussfolgerungen für die Ausbildung Welche genauen Informationen benötigt die Fachkraft z.B. innerhalb des Instandhaltungsprozesses für das Produktionssystem? Wie können die Daten so aufbereitet werden, dass die Fachkraft diese direkt für den Arbeitsprozess nutzen kann? Diese Herausforderung kann nur gemeistert werden, wenn die Fachkräfte bei der Entwicklung und Implementierung der CPS-Technologien für die Instandhaltung direkt beteiligt werden. Diese Entwicklung führt zu einer Veränderung des Aufgabenspektrums für die Fachkräfte, die mit höheren Komplexitäts-, Abstraktions- und Problemlösungsanforderungen verbunden sind. Mit Bezug auf fachliche Anforderungen wird die zukünftige Instandhaltung mehr vertieftes und kombiniertes Wissen über IT sowie elektronische und mechanische Systeme verlangen, um bei Störungen schnell reagieren und handeln zu können. In diesem Kontext wird ein größerer Bedarf nach Kompetenzen zur Parametrisierung sowie Programmierung und Anwendung von spezieller Software entstehen. Weiterhin werden zumindest Basiskompetenzen bezüglich Netzwerk-, Funkund Übertragungstechnik verlangt, um Ursachen von Störungen identifizieren sowie mit den IT-Experten kooperieren zu können. Kontroll- und Instandhaltungsaufgaben verlangen fortgeschrittene Kenntnisse dieser Art. Fachkräfte benötigen vertieftes Prozesswissen. Instandhaltungspersonal steht höheren Anforderungen bei der Interpretation von Informationen gegenüber. Gleichzeitig verlangen ein steigender Anteil von Planungsaufgaben sowie die zunehmende Maschinenkommunikation vertiefte Systemkenntnisse. In diesem Zusammenhang sind Analysefähigkeiten und Methodenkompetenzen notwendig, um mit abstrakten Informationen umgehen zu können und einen schnellen Überblick über den Produktionsprozess zu gewinnen (FreQueNz 2011). Durch die Verschiebungen der Kompetenzen sollte man neben einer Neuordnung von verschiedenen Berufen (u.a. IT-Berufen und/oder dem Mechatroniker/in) auch über eine grundlegende Neustrukturierung der Berufe nachdenken. Eine Zusammenfassung von ähnlichen, berufsübergreifenden Handlungen, Arbeitsprozessen und Kompetenzen zu einem Kernberuf wäre eine Möglichkeit auf die gestiegenen Anforderungen mit einer hohen Prozesskompetenz zu reagieren. Dazu müssen jedoch erst einmal die Veränderungen in der Arbeitswelt innerhalb von Industrie 4.0 genau untersucht werden. LITERATUR Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) (Hg.) 2015: Wirtschaft 4.0: Große Chancen, viel zu tun. Das IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung. Berlin. http://www.dihk.de/presse/meldungen/2015-02-05-unternehmensbarometer-digitalisierung [zuletzt aufgesucht am 23.02.2015] FreQueNz (Hg.) 2011: Zukünftige Qualifikationserfordernisse durch das Internet der Dinge in der industriellen Produktion. Zusammenfassung der Studienergebnisse. http://www.frequenz.net/ uploads/tx_freqprojerg/Summary_indProd_final.pdf [zuletzt aufgesucht am 23.02.2015] Gorecky, D./Schmitt, M./Loskyll, M. 2014: Mensch-Maschine-Interaktion im Industrie 4.0-Zeitalter. In: Bauernhansl, T./ten Hompel, M./ Vogel-Heuser, B. (Hg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Wiesbaden, S. 525-542. Grote, G. 2005: Menschliche Kontrolle über technische Systeme – Ein irreführendes Postulat. In: Karrer, K./Gauss, B./Steffens, C. (Hg.): Beiträge der Forschung zur Mensch-Maschine-Systemtechnik aus Forschung und Praxis. Düsseldorf, S. 65-78. Hirsch-Kreinsen, H. 2014: Wandel von Produktionsarbeit – „Industrie 4.0“, Soziologisches Arbeitspapier Nr. 38, Dortmund. http://www.wiso. tu-dortmund.de/wiso/is/de/forschung/soz_arbeitspapiere/Arbeitspapier_Industrie_4_0.pdf [zuletzt aufgesucht am 10.02.2015] Windelband, L.; Spöttl, G. 2012: Diffusion von Technologien in die Facharbeit und deren Konsequenzen für die Qualifizierung am Beispiel des „Internet der Dinge“. In: Faßhauer, U. (Hrsg.): Berufs- und wirtschaftspädagogische Analysen. Barbara Budrich. Opladen & Farmington Hills, S. 205-219. 29 s ta t e m e n t s Stimmen aus der Podiumsdiskussion Gerardo Scarpino, Vorsitzender GBA Bildungsausschuss, Volkswagen „Die Beschäftigten von morgen müssen ganz andere Aufgaben bewältigen, als sie es heute tun. Das bedeutet, dass unsere Kolleginnen und Kollegen gezielt neue Kompetenzen aufbauen müssen. Die Qualifizierung zu Themen, die sich aus der Evo- lution hin zur Industrie 4.0 ergeben, ist aus unserer Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Institut sel für den Weg in die „Fabrik 4.0“. Als GBR Bil- Forschung München Sicht kein Modethema. Sie ist vielmehr ein Schlüs- dungsausschuss unterstützen wir betriebliche und für Sozialwissenschaftliche überbetriebliche Initiativen zur Weiterentwicklung „Das System der Dualen Ausbildung dere wenn sie zukünftig dazu beitragen Fertig- giert vorausschauend auf neue Be- von Aus- und Weiterbildungskonzepten, insbeson- ist innovativer als sein Ruf und rea- keiten und Kenntnisse der Kolleginnen und Kolle- darfe. Das sieht man etwa am Aus- und Weiterbildungs- auf- und auszubauen. Um das erfolgreich zu gestal- Produktionstechnologen. Auch bestehende gewerb- gen zur Digitalisierung von Arbeit und Gesellschaft ten, braucht es eine technische Grundausstattung im Unternehmen und das Wissen und die Kompe- tenz über Zugang und Nutzen von digitalen Medien und Lerninhalten. Dabei ist uns besonders wichtig, dass neue Konzepte nicht zu einer „2-Klassen-Belegschaft“ führen, in der einige wenige Berufe gefördert und weiterentwi- ckelt werden, während andere außen vor gelassen werden. Wir fordern eine Gesamtstrategie des Unterneh- mens für eine kontinuierliche Modernisierung des gesamten Aus- und Weiterbildungsangebotes. Wir sollten uns dabei auch stets unserer bisherigen Stärken in der Aus- und Weiterbildung und in der Qualifizierung besinnen. Und noch etwas: Lernen braucht Zeit und funktionierende Prozesse – diese Zeit zum Lernen muss recht- zeitig eingeplant werden und Prozesse müssen frühzeitig entwickelt und eingerichtet werden.“ system für die IT-Berufe oder am Berufsbild des lich-technische Ausbildungsberufe werden ein „Upgrading“ in Richtung IT- und Systemwissen benötigen. Für die Veränderung der Ausbildung wie für nötige Weiterbildungsschritte durch Industrie 4.0 gilt: Mehr IT- und Systemwissen dort einzubauen, wo bereits fundiertes Fach- und Erfahrungswissen vorhanden ist. Neben der Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildung lautet aber die wichtigste Frage: Wie nutzen wir das be- reits vorhandene Fach- und Erfahrungswissen unserer Dual Ausgebildeten für die Gestaltung von Industrie 4.0 heute? Dafür fehlt uns eine Kultur für agile und partizipative Innovationsprozesse auf dem Hallenboden. Deutschland hat durch die Duale Ausbildung eine weltweit fast einmalige Qualifikationsstruktur. Gelingt es, dieses Fach- und Erfahrungswissen für die Gestaltung von Industrie 4.0 zu nutzen, werden technische Lösungen entstehen, die nicht leicht kopierbar sind und die genau dadurch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sichern. Zudem sind partizipative, innovationshaltige Arbeitsplätze auch zukünftig für junge Menschen attraktiv.“ 30 s ta t e m e n t s Ralph Linde, Leiter Volkswagen Group Academy „Die Qualifizierung muss alle Mitarbeiter, vom Auszubildenden bis zum Manager, erreichen. Jede Generation hat dabei eine unterschiedliche Techniksozialisierung. Um sich in Aus-und Weiterbildung auf das Thema einzustellen, müssen Lerninhalte, -orte und -arten angepasst werden. In der Ausbildung wird die Entwicklung der Kompetenzanforderungen die Ausbildungsberufe verändern. Einige Grundfertigkeiten bleiben gleich. Andere Inhalte werden durch die Digitalisierung leichter, z.B. durch nutzerfreundliche Bedienoberflächen oder die Vi- sualisierungen. Das Beherrschen vernetzter Systeme und Anlagen, Kompetenzen wie Program- mieren und Parametrisieren kommen neu hinzu. Zur Weiterentwicklung der Ausbildungsberufe hat VW gemeinsam mit dem Bildungs- und Wirtschaftsministerium eine Initiative gestartet, die die bundesweite Entwicklung der Ausbildungsberufe zum Ziel hat. Um die Ausbildung bei Volkswagen noch näher am Beruf auszurichten, werden Ausbildungs- stationen näher an die Berufsfamilien gebracht. Gemeinsam mit den Experten werden Ausbildungsinhalte regelmäßig erfasst und weiterentwickelt. Veränderte Anforderungen an die Kompetenzen der Fachkräfte können schnell erkannt, in die Ausbildung integriert und somit umgesetzt werden, z.B. bereits heute im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung.“ In der Podiumsdiskussion erörtern Ralph Linde, Prof. Friedrich Hubert Esser, Dr. Konstanze Kurz, Prof. Lars Windelband, Prof. Sabine Pfeiffer und Gerardo Scarpino (v.l.n.r.) die Stärken und Potenziale der deutschen Berufsausbildung vor den Herausforderungen der Industrie 4.0. 31 dr. techn. norbert elkmann (fraunhofer iff magdeburg) Arbeitssicherheit bei Mensch-Roboter-Kooperationen Dr. techn. Norbert Elkmann schloss 1993 sein Studium als Dipl.-Ing. für Maschi- nenbau an der Universität Bochum ab und promovierte 1999 an der Technischen Universität in Wien. Seit 1998 leitet er das Geschäftsfeld Robotersysteme am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. Sein Forschungsinteresse gilt Assistenzobotern, Inspektionsrobotern und der sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration. Er hat mehr als 80 Publikationen veröffentlicht und ist Mitautor des Springer Handbook of Automation. Herausforderungen und Motivation Die produzierende Industrie in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Um die weltweit führende Position z.B. im Maschinen- und Automobilbau zu halten bzw. auszubauen, müssen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch erhöhte Flexibilität und Effizienz begegnet werden. Ein wesentlicher Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen und Erreichung der vorgenannten Ziele besteht in der Mensch-Roboter-Kooperation (MRK): durch das Zusammenführen der Stärken der Robotertechnik wie Präzision, hohen Handhabungslasten und ununterbrochenem Einsatz mit den motorischen, sensorischen sowie perzeptiven und kognitiven Fähigkeiten des Menschen besteht ein immenses Verbesserungspotential für zukünftige Produktions- und Montagesysteme. Dies setzt eine konsequente Aufhebung der räumlichen Trennung von Mensch und Roboter voraus: Mensch und Roboter teilen sich den Arbeitsraum oder arbeiten direkt Hand in Hand zusammen. Die bisherige Absicherung der Roboterzellen durch trennende Schutzeinrichtungen ist somit hinfällig. Durch den Wegfall der trennenden Schutzeinrichtungen müssen neue Maßnahmen ergriffen werden, damit keine Gefahren für anwesende Personen bestehen. Sicherheitskonzepte gemäß Normung EN ISO 10218 und TS 15066 Für die Produktionsplanung und die Robotik ergeben sich daraus eine Vielzahl von neuen Forschungsfeldern und Fragestellungen. Bisher waren Roboter strikt vom Arbeitsraum des Menschen durch trennende Schutzeinrichtungen abgeschirmt. Bei Wegfall dieser Schutzeinrichtungen muss dennoch ausgeschlossen sein, dass Roboter den Menschen verletzen können. Die Sicherheitsthematik ist von grundlegender Bedeutung, da die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen über die Möglichkeiten und insbesondere auch die Grenzen der Mensch-Roboter- Kooperation maßgeblich entscheidend sein wird. Die relevanten Normen DIN EN ISO 10218-1 „Industrieroboter – Sicherheitsanforderungen Teil 1: Roboter“) und DIN EN ISO 10218-2 „Industrieroboter – Sicherheitsanforderungen Teil 2: Robotersysteme und Integration“ (DIN EN ISO 10218-2 2011) wurden 2011 in überarbeiteter Form veröffentlicht und beschreiben auch die Anforderungen an die Mensch-Roboter-Kooperation. Sie werden durch die ISO/TS 15066 „Robots and Robotic Devices – Safety Requirements for industrial robots – Collaborative operation“, die sich gegenwärtig in der Bearbeitung befindet und Ende 2015 veröffentlicht wird, ergänzt. Die bisherigen Grenzwerte aus der DIN EN ISO 10218 aus dem Jahr 2006, die u.a. eine maximale Kontaktkraft ohne Angabe einer Kontaktfläche von 150N und eine nicht näher definierte Leistungsbegrenzung von 80W festlegte, sind nicht länger gültig. In der ISO/TS 15066 werden Vorgaben für die Risikobeurteilung und Gefahrenidentifikation, die Anforderungen an eine Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung sowie biomechanische Grenzwerte für den Kollisionsfall zwischen Mensch und Roboter enthalten sein. Die biomechanischen Grenzwerte definieren erstmals maximal zulässige Kraftwerte und Flächenpressungen für unterschiedliche Bereiche des menschlichen Körpers. In den Normen werden vier grundsätzliche Sicherheitsansätze für die Mensch-Roboter-Kooperation aufgeführt: • Handführung: Manuelles Führen des Roboters z.B. durch Joystick oder Kraft-/ Momentensensor • Sicherheitsbewerteter überwachter Halt: Roboter muss sicher anhalten bei Personenzutritt in Kollaborationsraum • Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung: Sichere Robotergeschwindigkeit und festgelegter Mindestabstand zu Personen sowie Geschwindigkeitsreduzierung bei Annäherung einer Person und Sicherheitshalt bei Verletzung des Mindestabstands • Leistungs- und Kraftbegrenzung: Sensorische, mechanische und/oder elektronische Begrenzung von Kraft bzw. Druck bei Kollision zwischen Mensch und Roboter Gemäß der Normung wird für jede Anwendung eine spezifische Risikoanalyse verlangt, die neben dem Roboter und der eingesetzten Sicherheitssensorik auch das Werkzeug, den Greifer, den Prozess und das Werkstück betrachtet sowie das Kooperationsszenario mit dem Menschen. Daraus leiten sich die Maßnahmen wie z.B. maximale Robotergeschwindigkeit und die notwendigen Sicherheitstechnologien ab, um die Anlage sicher 32 dr. techn. norbert elkmann (fraunhofer iff magdeburg) betreiben zu können. Grundvoraussetzung für kooperierende Roboter sind sichere Steuerungen für Roboter als auch sicherheitszertifizierte Sensorik. Eine sichere Robotersteuerung, die heute von nahezu allen Roboterherstellern angeboten wird, überwacht die Geschwindigkeit und Position der Roboterbewegung und stoppt den Roboter im Falle einer Abweichung von der Sollposition bzw. -geschwindigkeit sofort. Je nach Einsatzfall können Einzelsicherheitsmaßnahmen ausreichen oder aber auch die Kombination verschiedener Technologien notwendig werden. Die Kombination einer Arbeitsraumüberwachung zur Detektion des Betretens des Warnfeldes durch Menschen mittels optischer Arbeitsraumüberwachung oder mittels ortsaufgelöstem Fußboden kann die gemäß Risikoanalyse erforderliche Reduzierung der Robotergeschwindigkeit sicherstellen. Der Roboter kann zudem z.B. mit interner Momentensensorik oder mit taktiler Sensorik ausgestattet sein und somit Kollisionen zuverlässig detektieren und den Roboter im Kollisionsfall sofort stoppen. Auf diese Weise kann eine hohe Effizienz der Roboterzelle bei gleichzeitiger Sicherheit für den Menschen gewährleistet werden. Um alle Möglichkeiten der Mensch-Roboter-Kooperation unter Berücksichtigung der Sicherheit nutzen zu können sind vielfältige neue Technologien und Sensorsysteme notwendig. Je nach Anwendungsszenario und dem Kooperationsgrad zwischen Mensch und Roboter (Koexisitenz oder Kollaboration im gemeinsamen Arbeitsraum) müssen die erforderlichen Roboter- und Sensorsysteme ausgewählt werden und als Komplettsystem betrachtet werden. Die bereits heute vorhandenen Technologien ermöglichen schon eine Vielzahl an Anwendungen. Für die Zukunft sind aber weitere Roboter- und Sensorsysteme erforderlich, um auf Basis eines Sicherheitstechnologiebaukastens die notwendige Absicherung und Effizenz der Roboterzelle umzusetzen. © Fraunhofer IFF, Magdeburg 2015 Dr. Norbert Elkmann Das Fraunhofer IFF arbeitet intensiv an der Entwicklung neuer Technologien für die sichere Mensch-Roboter-Kooperation. Nachfolgend werden neue Entwicklungen und Projekte für die Sicherheitsansätze „Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung“ und „Leistungs- und Kraftbegrenzung“ näher beschrieben. Neue Entwicklungen: MRK-Ansatz „Geschwindigkeitsund Abstandsüberwachung“ Der MRK-Ansatz „Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung“ unterscheidet sich von dem Ansatz „Sicherheitsbewerteter überwachter Halt“ dadurch, dass der Roboter nicht beim Betreten des Roboterarbeitsraums durch den Menschen gestoppt werden muss. Vielmehr muss ein sicherer Abstand zwischen dem Menschen und dem Roboter gemäß Norm ISO 13855 sichergestellt werden. Hierbei werden die Roboter- sowie die Annäherungsgeschwindigkeit des Menschen, die Reaktionszeit der Robotersteuerung und der Roboterbremsweg sowie die Auflösung des Sensorsystems (Detektion des Körpers oder des Arm oder der Hand des Menschen) berücksichtigt. Beim Unterschreiten des minimal zulässigen Abstandes muss der Roboter gestoppt werden, damit sichergestellt ist, dass sich der Roboter im Falle einer Berührung mit dem Menschen nicht mehr bewegt. Aktuell existiert kein zertifiziertes Sensorsystem, dass diese Anforderungen in optimaler Weise umsetzt. Verfügbare Sensorsysteme wie Laserscanner oder das optische Arbeitsraumüberwachungssystem der Firma Pilz (Safety-Eye) erkennen zuverlässig die Position des Menschen im Arbeitsraum des Roboters. Die notwendigen Minimalabstände zum Roboter gemäß der Norm ISO 13855 betragen aber in der Regel 2 m und mehr, da die aktuelle Roboterposition nicht berücksichtigt wird und die Sensorauflösung den Körper des Menschen, aber nicht der Hand oder des Fingers zuverlässig detektiert. Um eine minimale Annäherung des Menschen neben dem Roboter zu gewährleisten und den MRK- Ansatz „Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung“ optimal zu erfüllen sind zwei zentrale Anforderungen umzusetzen: • Sichere Detektion von Hand bzw. Finger und nicht nur des menschlichen Körpers (Rumpf oder Beine), dadurch Reduzierung des erforderlichen Abstandes gemäß Norm zwischen Mensch und Roboter um 0,85m • Dynamische Schutzraumgenerierung, online- Berechnung des Minimalabstandes zwischen Mensch und Roboter gemäß der aktuellen Roboterbewegung (Kopplung mit Robotersteuerung) 33 dr. techn. norbert elkmann (fraunhofer iff magdeburg) Das Fraunhofer IFF hat ein neuartiges optisches Arbeitsraumüberwachungssystem auf Basis von Projektor- und Kameratechnik entwickelt, das erstmalig beide vorab aufgeführten Anforderungen erfüllt und den MRK-Ansatz „Geschwindigkeitsund Abstandsüberwachung“ umsetzt. Das patentierte System dient dazu, eine Annäherung von Menschen an den Roboter robust und sicher zu detektieren und darauf durch z.B. eine Geschwindigkeitsreduzierung bzw. Stopp des Roboters zu reagieren. Dazu werden Sicherheitsbereiche (Warn- und/oder Schutzfelder) in Form von Linien, Muster oder Flächen direkt in die Umgebung wie z.B. den Fußboden oder Arbeitsplatz projiziert. Verletzungen dieser Sicherheitsbereiche durch eine Unterbrechung der Projektionsstrahlen bzw. -fläche durch den Menschen werden von den umgebenden Kameras zuverlässig detektiert. Für den Bediener sind zudem jederzeit sowohl aktive Warn- und Schutzfelder sichtbar. Neben dem Aspekt der zertifizierbaren Sicherheitssensorik erfüllt das System auch Anforderungen hinsichtlich der Ergonomie und Akzeptanz. Aufgrund der Sichtbarkeit der Warn- und Schutzfelder ist dem Menschen jederzeit bekannt, wo sich die Sicherheitsbereiche befinden und er kann eine Verletzung derer aktiv vermeiden. Durch zusätzliche Einblendungen wie z.B. aktuelle Roboterzustände oder die bevorstehende Roboterbewegung kann die Transparenz für den Menschen weiter erheblich erhöht werden. Durch die Kombination mehrerer Projektoren und Kameras kann die Größe des möglichen Überwachungsbereichs an die anwendungsspezifischen Anforderungen adaptiert werden. Durch die Kopplung des Arbeitsraumüberwachungssystems mit der Robotersteuerung wird eine dynamische Anpassung der Sicherheitsbereiche bezüglich Form, Größe und Lage auf Basis aktueller Gelenkstellungen und -geschwindigkeiten des © Fraunhofer IFF, Magdeburg 2015 Dr. Norbert Elkmann Roboters möglich. Somit können Sicherheitsbereiche generiert werden, die den Roboter minimal umschließen und damit einen maximalen Umgebungsraum für den Menschen freigeben. Neue Entwicklungen: MRK-Ansatz „Kraftbegrenzung“ Der MRK-Ansatz „Kraftbegrenzung“ beschreibt die Anforderungen für den Fall, dass eine Kollision zwischen einem Menschen und einem in Bewegung befindlichen Roboter stattfindet. In dem Fall ist eine Kollisionserkennung sowie eine sensorische, mechanische und/oder elektronische Begrenzung von Kraft bzw. Druck bei der Kollision zwischen Mensch und Roboter notwendig. Aktuell entwickeln nahezu alle Roboterhersteller Kleinroboter, die mittels interner Sensorik Kollisionen erkennen und den Roboter im Berührungsfall stoppen. Ein Beispiel ist z.B. der auf dem Markt verfügbare KUKA Leichtbauroboter iiwa, der auf Basis der Momentenmessung in allen Robotergelenken Kollisionen erkennt. Das Fraunhofer IFF hat eine Sensorik entwickelt, die an jedem Roboter (auch Schwerlastroboter) anwendbar ist und Kollisionen zwischen dem Mensch und dem Roboter zuverlässig erkennt. Das patentierte taktile Sensorsystem lässt sich an jede beliebige Roboterform anpassen und gewährleistet eine lückenlose Umhüllung des Roboters. Die Basis des taktilen Sensorsystems bildet ein leitfähiges Elastomer, das unter Druckbelastung seine Leitfähigkeit ändert. Eine wesentliche Besonderheit des taktilen Sensorsystems ist die Möglichkeit der Integration energieabsorbierender Dämpfungsschichten. Gemäß der gültigen Normen darf es bei einer Kollision zwischen Mensch und Roboter zu keinem Schmerz und bei Fehlverhalten des Menschen oder Fehlfunktion der Technik zu keiner bleibenden Verletzung kommen. Im Zusammenhang mit der ISO TS 15066 wurde begonnen, einen umfassenden Körperatlas zu erstellen, der die maximalen mechanischen Beanspruchungen für alle Körperstellen für den quasi-statischen Kollisionsfall zusammenfasst. Mit Hilfe des Körperatlas können Arbeitsplätze mit Mensch-Roboter-Kooperation prozessoptimal eingerichtet und den Sicherheitsvorgaben gerecht werden. Am Fraunhofer IFF werden aktuell erstmalig die physikalischen und biomechanischen Eigenschaften von dynamischen Mensch-Roboter-Kollisionen auf Basis von Versuchen mit Probanden ermittelt. Das Ziel der Studien liegt in der Ermittlung der biomechanischen Belastungsgrenzen für den dynamischen Schmerz- und 34 dr. techn. norbert elkmann (fraunhofer iff magdeburg) Verletzungseintritt. Hierzu hat das Fraunhofer IFF eine neuartige Messvorrichtung entwickelt, mit der Probandenversuche durchgeführt werden können. Die Messvorrichtung besteht aus einem gekoppelten Stoßpendel. Über die Auslenkung des Pendels wird die Kollisionsgeschwindigkeit sicher und reproduzierbar eingestellt. Zusätzlich kann die Pendelmasse variiert werden. Die Variation von Pendelgeschwindigkeit und -masse ermöglicht die exakte Einstellung unterschiedlich hoher Impulse und Stoßkräfte. Bei einem Kollisionsversuch werden die Stoßkraft, die Flächenpressung und die Kollisionsgeschwindigkeit erfasst. Die Studien werden von medizinischer Seite von der Klinik für Unfallchirurgie, der Klinik für Dermato© Fraunhofer IFF, Magdeburg 2015 Dr. Norbert Elkmann logie und Venerologie, dem Institut für Rechtsmedizin und dem Institut für Neuroradiologie der Uni- Vorarbeiten und einsetzbare Systeme. Um alle Möglichkeiten der Mensch-Roboter-Kooperation vor dem Hintergrund der Sicherversitätsklinik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg beheitsanforderungen ausschöpfen zu können sind aber noch vielgleitet. Die zuständige Ethikkommission der Otto-von-Guericke fältige Forschungs- und Entwicklungarbeiten notwendig sowie Universität Magdeburg hat den Studien zur Ermittlung der bioweitere grundsätzliche Untersuchungen wie die Ermittlung der mechanischen Belastungsgrenzen auf Basis der Kollisionsversubiomechanischen Belastungsgrenzen bei Kollisionen zwischen che mit Probanden zugestimmt. Mensch und Roboter. Wichtig sind zunächst zahlreiche Referenzanwendungen im Ausblick industriellen Umfeld, die den Sicherheitsanforderungen genüDie Mensch-Roboter-Kooperation wird sich sehr schnell im ingen. Weiterhin wird die Entwicklung MRK-optimierter Robodustriellen Umfeld etablieren, es bestehen bereits seitens der ter, Sensorik, Greifer, Montagewerkzeuge und Kommunikativerfügbaren Technologien und der Normung weitreichende onsschnittstellen unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen/ Zertifizierung im Vordergrund stehen müssen. Ein weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt werden Technologien für die intuitive Interaktion zwischen Menschen und Roboter sein, um die Akzeptanz der Menschen zu fördern und den Umgang mit dem Roboter zu erleichtern. Weiterhin sind digitale Planungswerkzeuge für die Auslegung von MRK-Zellen notwendig. Zudem ist es wichtig, dass bei der Neuplanung von Produktionsstätten (z.B. Vor- und Endmontage) die MRK-Anforderungen und die verfügbaren Technologien mit in die Planung einbezogen und umgesetzt werden. © Fraunhofer IFF, Magdeburg 2015 Dr. Norbert Elkmann 35 s ta t e m e n t s Dr. Mathias Umbreit, Berufsgenossenschaft Holz und Metall Stimmen aus der Podiumsdiskussion „Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall ist als Versicherer nicht nur tätig wenn es um Entschädigungs- zahlungen in der Folge von Unfällen kommt, sondern kümmert sich vor allem auch um eine effektive Prävention solcher Unfälle. Über die uns zugeordneten Gemein- schaftsaufgaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallver- Jörg Nothdurft, Leiter Arbeitsschutz, Volkswagen „Die Arbeitssicherheit ist in die Prozesse zur Gestaltung von Ar- beitsplätzen fest eingebunden. Wir haben dies bei Volkswagen durch eine Regelung des Vorstandes (Organisationsanweisungen) fixiert, die sicherstellt, dass alle Fachabtei- lungen in den Gestaltungs- bzw. Beschaffungsprozess eingebunden werden. Hierdurch wissen alle Betroffenen rechtzeitig, was geplant ist und können ihre Fachkenntnisse einbringen. Zusätzlich wird ein Sperranhänger an der neuen Anlage angebracht, der nur von der Arbeitssicherheit entfernt werden darf. So ist sichergestellt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst an diesem Arbeitsplatz tätig werden, wenn alle sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllt sind. Bei der Entscheidung für neue Technologien sind wir sehr sensibel und verlassen uns nicht nur auf die Angaben der Hersteller, sondern fordern auch die Überprüfung durch unabhängige Dritte (z.B. TÜV). Nur wenn wir sicher sind, dass unsere Mitarbeiter ungefährdet arbeiten können, geben wir den Arbeitsplatz frei. sicherung beteiligen wir uns aktiv an den internationalen Normungsverfahren. Dort werden aktuelle Forschungsergebnisse zum Beispiel zu biomechanischen Gren- zwerten im Falle von Kollisionen mit eingearbeitet. Zudem werden im Rahmen von Projekten praktische Handlungsanleitungen für die Betriebe entwickelt. Dazu gehören auch umfangreiche Beratungstätigkeiten bei OEMs. Die individuelle Betreuung von Unternehmen stößt allerdings schnell an Kapazitätsgrenzen. Daher verfolgt die Berufsgenossenschaft Holz und Metall die Strategie, Hersteller und Anwender durch Beratungen, Seminare und Zertifizierungen soweit zu unterstützen, dass sie selbst in der Lage sind, sichere kollaborierende Robotersysteme bereitzustellen. MRK ist sind aus Sicht der Berufsgenossenschaft kein Selbstzweck. Wir erhoffen uns von kollaborierenden Robotern positive Auswirkungen auf die Ergonomie, eine Reduktion monotoner Tätigkeiten und die Möglichkeit, Handarbeitsplätze für Beschäftigte angenehmer zu ge- stalten. Zudem besteht die Chance, die durch die demografische Entwicklung entstehende Beschäftigtenlücke, und den dadurch absehbaren Mangel an Fachkräften, auszugleichen. Hierzu werden allerdings sowohl alle Formen der MRK als auch weiter fortschreitende „klassische“ Automatisierung nötig sein.“ Wir müssen bei der jetzigen Entwicklung der neuen si- cheren Steuerungen für MRK-Anwendungen bedenken, dass die Industrie erst am Anfang einer neuen Generation Roboter steht. Heute reden wir noch über die maximalen Kräfte, die im Falle einer Kollision auf den Menschen einwirken dürfen. Aber die Zukunft liegt in Systemen, die eine Kollision sicher verhindern.“ 36 s ta t e m e n t s Dr. Holger Heyn (Technologieentwicklung Roboter, Volkswagen) „Unsere Motivation MRK einzusetzen besteht darin, die Ergonomie zu verbessern, den Mitarbeiter zu entlasten und die Qualität der Tätigkeit zu erhöhen. Zugleich wollen wir mit Hilfe von MRK die Produktivität steigern und die Präzision in der Fertigung weiter erhöhen. Verschiedenste Robotersysteme und Sicherheitskonzepte sind zwar bereits heute verfügbar, befinden sich teilweise allerdings noch in einem frühen Reife- stadium. Wir arbeiten im Konzern mit allen uns derzeit bekannten Lösungsanbietern für MRK (Roboterhersteller, Lieferanten für Systemkomponenten und Systemintegratoren), mit der Berufsgenossenschaft und mit Forschungsinstituten zusammen, um die Vielfalt der mit MRK verbundenen Fragestellungen beantworten zu können. Dies sind vielfach technische, aber auch nicht-technische Aspekte. Wir verfolgen dabei das Ziel, optimale und sichere MRK-Lösungen nach aktuellem Stand von Technik Wissenschaft zu implementieren. Dabei sind ungewollte Kontakte zwischen Mensch und kollaborierendem Roboter durch entsprechende technische Lösungen so weit wie möglich auszuschließen.“ Dr. Constanze Kurz, IG Metall „Der menschengerechten Gestaltung Andreas Heim, trale Rolle zu, um ihr Potenzial sowohl Arbeitssicherheit, Gesundheit von MRK-Lösungen kommt eine zen- Vorsitzender Ausschuss für in ergonomischer als auch qualifikato- & Umwelt, Volkswagen rischer Hinsicht im Interesse der Be- schäftigten auszuschöpfen. Dem Arbeits- und Gesundheitsschutz fällt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, neue „Für uns ist der Einsatz von koope- rierenden Robotern eine Frage von Gefährdungen des Arbeitsvermögens durch kollaborieren- Chancen und Risiken, die gegeneinander abgewogen Schutzkonzepte zu entwickeln, welche die Risiken – die zurzeit ergonomisch nicht optimale Arbeitsplätze ha- de Leichtbauroboter zu analysieren sowie Sicherheits- und heute noch vorhanden sind – zu minimieren. Zugleich muss das Handlungs- und Regelungsfeld des Arbeits- und Ge- sundheitsschutzes stärker als bislang Bestandteil der Organisations- und Qualifizierungsgestaltung werden. Das Thema Ergonomie muss gezielt in arbeitspolitische Gestaltungsansätze eingebettet werden, die auf eine Anreicherung der Tätigkeiten sowohl in fachlich-technischer Hinsicht als auch mit Blick auf soziale oder organisatorische Kompetenzen zielen. „Ganzheitlich gedacht“ können Auf- wertungs- und Requalifizierungsstrategien besser greifen. Der Weg dahin: Weg vom Spezialistenkonzept (Beauftragte für Arbeitssicherheit) hin zu einer durchgängigen Aufgabe für alle Beschäftigten. In jedem Fall muss die Ausgestaltung und Weiterent- wicklung und Anwendung von MRK verstärkt auf Impulsen beruhen, die von den Beschäftigten kommen. Beteiligung sollte bereits in der Phase der Technikent- wicklung beginnen und dazu beitragen, eine Entfaltung des Arbeitsvermögens mit der Umsetzung guter Arbeit gerade auch in MRK zu verwirklichen.“ werden müssen. Chancen sehen wir überall da, wo wir ben, z.B bei Überkopfarbeit oder schweren Teilen. Wenn Roboter dort den belastenden Teil der Arbeit übernehmen entlasten wir die Kolleginnen und Kollegen. Risiken sehen wir im Bereich der Arbeitssicherheit. Wenn wir Roboter ohne Schutzzaun betreiben wollen und sie dichter an den Menschen rücken, müssen wir auch alles dafür tun, dass nichts passieren kann. Die Sicherheitstechnik ist zum Teil noch nicht ausgereift und Kollisionsrisiken sind selbst mit dem aktuellen Stand der Technik nicht auszuschließen. Roboterhersteller, Verbände und Berufsgenossenschaften diskutieren welche Verletzungsschweren denn gerade noch tolerabel sind. Als tolerabel gelten Beanspru- chungen der Haut und der darunter liegenden Gewebe, bei denen es nicht zu tieferem Durchdringen der Haut und des Gewebes mit blutenden Wunden kommen kann. Das mag tolerabel für Ingenieure und Techniker sein, das ist aber nicht akzeptabel für die Arbeitnehmervertretung. Unsere Forderung lautet: Mensch-Roboter-Kooperation darf nicht zur Mensch-Roboter-Kollision führen. Jede Art der Körperverletzung muss ausgeschlossen werden!“ 37 p r o f. d r . - i n g . j a n a d i t t m a n n ( a d v a n c e d m u l t i m e d i a u n d s e c u r i t y, u n i v e r s i t ä t m a g d e b u r g ) Datensicherheit in der vernetzten Fabrik Prof. Dr. Jana Dittmann studierte Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt. Sie ist Leiterin des Advanced Multimedia and Security Lab (AMSL) der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, mit dem Fokus auf multimediaspezifische Sicherheitsaspekte der Technik, IT, Anwenderwahrnehmung, Anwenderinteraktion und rechtlicher Dimensionen. Die Digitalisierungstrends der Fabrik 4.0 sind eindeutig - Wertschöpfungsnetzwerke sind mit Sicherheit die Zukunft! Produktive Wertschöpfung bedarf der Vernetzung und auf den Punkt gebracht ist Sicherheit der Rahmen für Gute Arbeit in der Fabrik heute und in der Zukunft. Sicherheit kann auch als das grüne Band – als Gürtel, der alles zusammen hält, verstanden werden und ist somit die Basis für unser Handeln. Es liegt an uns allen, Sicherheit kreativ und zielführend in der vernetzten Fabrik zu gestalten, um die existierenden Kernkompetenzen in der Prozess-und Systemintegration als Erfolgsfaktor langfristig zu erhalten und auszubauen. Motivation Mit den aus der IT-Security bekannten Sicherheitsaspekten Vertraulichkeit, Authentizität, Integrität, Verfügbarkeit und Verbindlichkeit kann das prinzipielle Schutzbedürfnis im Detail zum Beispiel pro Information, Nutzer oder pro IT-Komponente formuliert und Datenschutzaspekte einbezogen werden. In der Vergangenheit hat es sich bekanntermaßen gezeigt, dass es eine Vielzahl von Motivationen für einen digitalen Angriff gibt, sie werden von Hackern, Spionen, Terroristen, beauftragten Angestellten, professionellen Kriminellen, Vandalen, Voyeuren durchgeführt (siehe zum Beispiel in [1]). Dabei nutzen Angreifer prinzipiell Schwachstellen als Systemeigenschaft, die Missbrauchsmöglichkeiten bieten. Vor dem Hintergrund von existierenden Schwachstellen im Design, der Implementierung und Konfiguration, werden heute fünf bekannte Basisangriffe einzeln oder kombiniert genutzt: Lesen, Verändern, Unterbrechen, Erzeugen/ Fälschen und Stehlen/Entfernen (siehe Sicherheitsaspekte Abbildung 1). Projiziert man diese Basisangriffe abstrakt auf ein Abb. 1: sicherheitsaspekte 38 p r o f. d r . - i n g . j a n a d i t t m a n n ( a d v a n c e d m u l t i m e d i a u n d s e c u r i t y, u n i v e r s i t ä t m a g d e b u r g ) Abb. 2: vernetzung System, kann eine Abschätzung der aktuellen als auch mittelfristigen Bedrohungslage in Funktion und Struktur erfolgen. Aus den Erkenntnissen kann dann der Handlungsbedarf abgeleitet werden. Es bietet sich daher an, alle Basisangriffe frühzeitig bei der Konzeption der Fabrik 4.0 einzubeziehen und auch in der Implementierung und Konfiguration sowie in der Aktualisierung (Update) gezielt zu berücksichtigen und zu testen. Hier können bekannte organisatorische und technische IT-Security-Maßnahmen zur Prävention, Detektion und zur Wiederherstellung definiert werden, die zum Beispiel nach [2] zum normalen Schutzbedarf gestaltet und durch eine Risikoanalyse mit darüberhinausgehenden Maßnahmen ausgestattet werden sollten. Organisatorische Maßnahmen sind zum Beispiel explizite Gesetzgebung, Definition von Sicherheitsrichtlinien und Schutzprofilen, Festlegung von Vorbehalten und/oder Definition von Wahlfreiheit, Zweckbindung, Erforderlichkeitsprinzipien, Auskunftspflichten und Anspruch auf Transparenz, Verfahrensrechtliche Sicherungen. Technische Maßnahmen sind zum Beispiel die Nutzung von Kryptographie, verdeckte Kommunikation, Isolation und Abschottung, Firewall, Virenscanner und IT-Forensikmaßnahmen. Das Zusammenspiel von Security und Safety muss ebenfalls gezielt einbezogen werden, um Schaden im Bereich Leib und Leben auszuschließen. Vernetzungsaspekte: Lokale und globale Beobachtbarkeit im Cyberspace Im Folgenden soll das Thema Wertschöpfungsnetzwerke und Datensicherheit vor dem Hintergrund der Vernetzung der technischen Komponenten und der arbeitenden und wirkenden Menschen betrachtet und die sich ergebenden Implikationen aus ganzheitlicher Sicht der digitalen Beobachtung weltweit angesprochen werden. Prinzipiell verbinden und öffnen Wertschöpfungsnetzwerke der Fabrik 4.0 einzelne Funktionen zwischen den Betrachtungseinheiten (Komponenten und Mensch-Maschine-Interaktion) und bilden neue Strukturen aus. Die neuen Funktionen in neuen Strukturen sind jedoch nicht alleinstehend, sie sind eingebettet in andere bestehende oder sich auch neu bildende Strukturen und letztendlich Internet-basiert global vernetzt, weltweit (siehe Vernetzung Abbildung 2). Wertschöpfungsnetzwerke sind somit nicht isoliert vom Internetkontext zu bewerten, zu organisieren und zu sichern, da eine prinzipielle digitale Erreichbarkeit und Offenlegung inhärent erfolgt. Auch 39 p r o f. d r . - i n g . j a n a d i t t m a n n ( a d v a n c e d m u l t i m e d i a u n d s e c u r i t y, u n i v e r s i t ä t m a g d e b u r g ) sind die Funktionen und Strukturen sowie deren Internet-Kontext dynamisch ändernd und Wechselwirkungen müssen somit stets im Zusammenhang ganzheitlich betrachtet und fortwährend gestaltet und angepasst werden. Die prinzipielle Vernetzung verbindet und öffnet die digitale Fabrik 4.0 und ermöglicht eine lokale und globale Beobachtbarkeit im Cyberspace der technischen Komponenten als auch der Menschen, die in der Fabrik 4.0 arbeiten. Durch die technische Ausstattung ist die Feststellung und Festlegung von Zeit-Ort-Personen-Service-Maschinen-Eigenschafts-Beziehungen nicht nur durch die Wertschöpfungsketten der Fabrik 4.0 selbst, sondern beispielsweise auch durch social media Dienste, news-Dienste, Suchmaschinennutzung, SmartHealth, Connected Living etc. gegeben. Schauen wir uns ein Beispiel an: Die Nutzung von Suchmaschinen ist für viele Mitarbeiter eine erhebliche Erleichterung beim Arbeiten. Begrifflichkeiten, Funktionsweisen, Neuigkeiten können schnell nachgeschlagen, Trends können recherchiert, Details nachgeschlagen, Dienstreisen geplant, Reiserouten bestimmt und gezielt interessierende Örtlichkeiten angeschaut werden. Doch was sieht die Suchmaschine? Alle Anfragen eines Clients sind sichtbar und können seitens der Suchmaschine analysiert werden, welche Themen aktuell von Interesse sind und die Anfragen können in den Zusammenhang gesetzt werden, was es potentiell ermöglicht, aktuelle Aktivitäten, Schwierigkeiten oder Bedarfe auszumachen. Der Client kann durch seine genutzte IP-Adresse, falls diese nicht gezielt anonymisiert wird, auf eine Region, auf Aufenthaltsorte, auf ein Unternehmen etc. durch Nutzung von Metawissen bezogen werden. Durch weitere Clienteigenschaften wie Informationen über Betriebssystem und Browserdetails kann über sich ändernde IP-Adressen hinweg sehr einfach eine Individualisierung erfolgen. Am einfachsten kann man dies sehen, wenn man in einer Suchmaschine nach dem Wetter recherchiert, hier sind meist in der Suchansicht von den weiterführenden Linktreffern bereits ortsbezogene Wetterdetails zu sehen. In Endgeräte integrierte GPS-Module erlauben darüber hinaus eine noch präzisere geografische Ortung. Durch die Nutzung von Internetdiensten in der Fabrik 4.0 – auf Fabrik-eigenen als auch auf privat mitgebrachten Geräten – können Daten und Informationen von innen nach außen zu Dritten diffundieren, sie werden verfügbar und können gezielt gesammelt und verarbeitet werden. Die vielfältigen Möglichkeiten zur Individualisierung von Eigenschaften der Endgeräte (Komponenten) und die Verknüpfung mit Metadaten können ggf. eine umfassende Analyse der gesamten Wertschöpfungskette der Fabrik 4.0 für Dritte ermöglichen. Dies sollte zumindest allen bewusst sein bzw. sollten gezielt Richtlinien erstellt werden, um die Sichten auf und den potentiellen Erkenntnisgewinn über die Fabrik 4.0 und ihre Akteure von Dritten zu minimieren. Eine gezielte Bestimmung von Diensten, die genutzt werden, sollte explizit erfolgen, um sich selbst ein Bild der Lage zu verschaffen, was von Dritten gesehen werden kann. Des Weiteren sollte überlegt werden, welche Dienste nicht bzw. welche Alternativen genutzt werden sollten. Durch die lokale als auch globale Beobachtbarkeit eröffnen sich somit neue Sichtweisen auf die Akteure der Wertschöpfungsnetzwerke durch Dritte, die bisher nicht oder schwer erfolgen konnten, welche als Nutzungsrisiken bezeichnet werden können. Diese werden verstärkt durch die permanente digitale Präsenz und somit „Unlöschbarkeit“ der erzeugten Informationen gegenüber Dritten. Im heutigen Alltag trifft IT jeden und somit trifft auch der häufig vorherrschende Default IT-Alltag die Fabrik 4.0. Beispielsweise müssen neue Effekte der Informationstransparenz durch BYOD, Social Media & Connected Living und der damit einhergehende potentielle Cross System Information Leakage – die Verkettbarkeit aller Informationen in privaten und beruflichen Bereich einbezogen werden. Man sollte davon ausgehen, dass die Mitarbeiteraktivitäten seitens Dritter sehr vollständig protokolliert und in den Kontext der Arbeit gestellt und langfristig beobachtet und analysiert werden können. Welche Informationen hier bei Dritten im Detail vorliegen ist für die Fabrik 4.0 weder vollständig nachzuvollziehen noch abzuschätzen. Wertschöpfungsnetzwerke – Forschungsaspekte Die globale Vernetzung ermöglicht somit einen „Wissensvorrat“ seitens Dritter anzuhäufen und kann neue „Wissen“-Risiken und „Wissen“-Hoheiten eröffnen, die gezielt zu Wirtschafts-Spionage/-Sabotage/-Ausspähung genutzt werden könnten. Auch sind neue weltweite Bedrohungsformen denkbar, wie zum Beispiel „Erfolgsfaktor“- oder „Schwachstellen“-Sniffing, -Targeting (Angebots- und Preisbildung, digitale Ausgrenzung/Erpressung) oder Human and machine ressource profiling etc. Betrachtet man Wertschöpfungsnetzwerke aus dem Blickwinkel der Schadcodedynamik – Fabrik 4.0, Internet of Things etc. – ist zu erwarten, dass es zu einer Vereinfachung und Automatisierung von gezielten Angriffen kommt (siehe Sicherheitsaspekte Abbildung 3 – Folie 3). In verschiedenen Berichten wird bereits darauf verwiesen, dass ein erheblicher Mangel an Authentizität der Endgeräte oder Endnutzer beklagt wird bzw. Schwierigkeiten in der technischen Umsetzung vorliegen. Existierende „hooks“ im Design – unzureichende Default-Einstellungen – bereiten ebenfalls Sorgen. Die Fabrik 4.0 sollte deshalb die Chance nutzen, konzeptionell Funktion und Struktur sowie Informationen und Daten ganzheitlich zu reflektieren und gezielt neu zu sortieren und zu gestalten. Möglichkeiten der Abschottung sind mit bekannten Strategie wie NeedToKnow, Simplicity und OpenSoftware-Ansätzen zu diskutieren und zu gestalten. Zielkonflikte sollten explizit identifiziert, aufgegriffen und kreativ gelöst werden. Die Integration des Fahrzeugs stellt die Fabrik 4.0 vor weitere Herausforderungen. Zum Beispiel die Integration Mensch im Fahrzeug selbst. Hier sollten Lösungen zum Datenschutz auch als Herstellerschutz verstanden werden, um eine gezielte 40 p r o f. d r . - i n g . j a n a d i t t m a n n ( a d v a n c e d m u l t i m e d i a u n d s e c u r i t y, u n i v e r s i t ä t m a g d e b u r g ) Reduktion von „Wissen“-Risiken zu erreichen. Safetyaspekten kann durch gezielte Nutzung und Fortführung der bekannten Asimov Laws (siehe zum Beispiel in [3] und [4]), als Design-Richtlinie und Basis für mehr Gesamtsicherheit begegnet werden. Vielfältigkeit des Zusammenspiels in Wertschöpfungsnetzwerken Die Fabrik 4.0 muss die Security und Safety einzelner Komponenten sowie deren komplexe Strukturwirkung beherrschen und regelmäßig überprüfen. Dies sollte in allen Aspekten erfolgen – in Design, Produktion, Auslieferung, Konfiguration, Nutzung, Update, Weiterverkauf, Ausmusterung, Beendigung, Weiterverwertung, Zerstörung. Es sollte beachtet werden, dass die Gesamtsicherheit die Sicherheit des schwächsten Glieds bedeutet. Qualifikationen – Lehre – Datensicherheit in der vernetzten Fabrik Sicherheit muss als fortwährende Aufgabe verstanden werden und somit sind Qualifikationen gefragt, die Menschen in die Lage versetzen, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, Systemanpassungen zu formulieren und Re-Design vorschlagen zu können. Dazu müssen die Akteure die Faktoren Mensch und Technik, globale Sichten, Zusammenhänge und Wirkungen mit Langzeitaspekten unter sich ändernden Bedingungen sowie Unsicherheit, Fehler, Verlust, Completeness im Auge haben. Nicht-Wissen und fehlendes Erfahrungsspektrum (not-me-Syndrom, „Weil-Sucht“) führen oft dazu, dass Chancen global verpasst werden und Risiken entstehen. Qualifikationen sind gefragt, alle Beteiligten sollten ein Grundverständnis und eine Sensitivität für die Mächtigkeit von IT besitzen, da Sicherheit auch mit der Akzeptanz der Mitarbeiter steht und fällt. IT-Fachkräfte sollten über ein Basiswissen zur IT-Security verfügen, um gezielt und schnell handeln zu können, und zur Gestaltung der Fabrik 4.0 sollten IT-Security-Experts mit social skills und Kreativität ausgestattet sein, um die Herausforderungen mit allen Beteiligten zu meistern. Kernbotschaften: Die Fabrik 4.0 ist als sozio-technisches System zu verstehen, welches sich dem Internet in vielen Facetten öffnet und somit erreichbar und analysierbar wird. Dies eröffnet neue Bedrohungsformen wie „Wissen“-Risiken und „Wissen“-Hoheiten als Bedrohung der Vertraulichkeit und Geheimhaltung durch Beobachtbarkeit und Verkettbarkeit oder erlaubt gezielte Angriffsformen wie zum Beispiel Gefährdung von Vertrauen und Funktionssicherheit, der Verfügbarkeit oder Integrität. Gestaltungsspielräume sollten gezielt im Design, der Konfiguration und Umsetzung diskutiert und genutzt werden, um Risiken zu minimieren und um Zielkonflikte und Nutzungsrisiken in Einklang zu bringen. „Upgrading“ auf Fabrik 4.0 ist kein Automatismus: Eine Abkehr vom „Silodenken“: Zwar ist es notwendig, die Eigensicherheit der Komponenten selbst zu erreichen, jedoch ist es auch dringend notwendig, die Gesamtstruktur unter Einbeziehung aller digitalen Handlungsspielräume der Technik und des Menschen mit den sich daraus ergeben gestalterischen Grenzen zu reflektieren und gezielt eine Umordnung bisheriger Sichtweisen auf Informationen und Daten durchzuführen. Die Fabrik 4.0 ist keine Vernetzung von digitalen Inseln, sondern ist digital global eingebettet mit vielfältigen Wechselwirkungen von anderen digitalen Diensten und Infrastrukturen, die gezielt einbezogen oder ausgeschlossen werden müssen. Die gesamtheitliche Sichtweise muss Einfluss auf die Systemkonzeption bzw. -schnittstellen haben und erfordert eine ständige Überprüfung und Anpassung an sich ändernde Situationen in der Verknüpfung von realen und digitalen Welten. LITERATUR [1] John D. Howard and Thomas A. Longstaff: A Common Language for Computer Security Incidents, Sandia National Labs, 1998 (see in http://prod.sandia.gov/techlib/access-control. cgi/1998/988667.pdf, website request 26.5.2015 [2] BSI IT-Grundschutz - die Basis für Informationssicherheit - https://www.bsi. bund.de/DE/Themen/ITGrundschutz/itgrundschutz_node.html, website request 11.3.2015 [3] I. Asimov. 1942. Runaround. Astounding Science Fiction. [4] D.Weld, O.Etzioni. 1994. The first law of robotics (a call to arms). Proceedings of the twelfth national conference on Artificial intelligence (vol.2), AAAI‘94, ACM, USA, ISBN 0-262-61102-3. 41 s ta t e m e n t s Gunter Wachholz, Betriebsrat Stimmen aus der Podiumsdiskussion Volkswagen „Der Betriebsrat steht grundsätz- lich positiv zur Einführung von In- dustrie 4.0 in der Fabrik. Der Einsatz Dr. Martin Hofmann, Leiter Konzern IT und Organisation „Sichere IT-Systeme sind eine Grundvoraussetzung für die vernetzte Fabrik“, sagt Konzern IT- Chef Dr. Martin Hofmann. Sie schützen sowohl die Produktionsanlagen als auch das Produkt selber vor Manipulation und unbefugtem Zugriff. Darüber hinaus spielt die Absicherung der Mensch-Maschine- Interaktion eine zunehmend wichtigere Rolle. Klar ist: Schon heute wachsen IT und Produktion auf dem Shopfloor zusammen. Das stellt IT-Sicherheit vor neue Herausforderungen. Sie entwickelt sich zur Querschnittsaufgabe, betrifft und fordert das ganze Unternehmen. Dabei gilt es, Sicherheit nicht als festen, einmal erreichten Zustand misszuverstehen, sondern vielmehr als stetigen Prozess zu begreifen, der konti- nuierlicher Anstrengung und Arbeit bedarf. Jeden Tag aufs Neue und immer intelligenter.“ fortschrittlicher IT-Techno- logien kann zur Erleichterung und zur sinnvollen Unterstützung der Arbeit der Beschäftigten führen. Die darf aber nicht in einer kompletten Automatisierung der Ar- beit münden. Die Beschäftigten in der Fertigung müssen auch zukünftig immer die Hoheit über ihre Tätigkeit und ihre Entscheidungen am Arbeitsplatz haben. Zudem sollte der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie z.B. Datenbrillen, Wearables und Tablet-Technologie nur zur Unterstützung der Arbeit dienen, auf keinen Fall aber zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Zudem muss die Sicherheit der IT-Systeme in der Fertigung ei- nen extrem hohen Stellenwert haben, um eine Schädi- gung der Beschäftigten auszuschließen. Es müssen mindestens die gleich hohen Anforderungen gelten wie für die IT-Sicherheit im Internet-vernetzten Fahrzeug. Aus Sicht des Betriebsrates ist es zudem unabdingbar, dass die Beschäftigten in der Fabrik nicht nur entspre- chend qualifiziert werden, sondern auch endlich einen umfassenden Zugang zu allen im Unternehmen üblichen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten erhalten.“ Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, Autor „Das Thema Industrie 4.0 kommt zu einem relativ ungünstigen Zeitpunkt in der Geschichte der IT-Sicherheit. Wir können uns zwar recht gut gegen bekannte Angriffsszenarien schützen, aber wir haben keine Möglichkeit, uns gegen gezielte Attacken von mit entsprechenden Ressourcen ausgestatteten Akteuren zu schützen. Erste Auditerfahrungen mit vernetzten Robotersystemen waren mit Blick auf die IT-Sicherheit leider nicht sehr ermutigend. In den Werkhallen stoßen wir zudem häufig auf veraltete IT-Systeme, die nie dafür ausgerichtet waren, ans Netz zu gehen. In der heutigen universitären Ausbildung spielen sichere Programmiertechniken praktisch keine Rolle. Das gilt insbesondere für die Informatikausbildung im Rahmen ingenieurswissenschaftlicher Studiengänge. Wir sollten unverzüglich damit beginnen, die IT-Sicherheit in der universitären Ausbildung zu stärken und anschließend da- ran arbeiten, moderne Sicherheitskonzepte und Prüfsysteme in die Produktion zu bringen. Zudem brauchen wir einen grundlegenden Paradigmenwechsel, was die Haftung für IT-Systeme betrifft. Es muss möglich sein, IT-Anbieter in für Industrieanlagen übliche Haftungszyklen zu nehmen. Wichtig dabei ist, dass entsprechende Vorschriften nicht dazu führen, dass nur noch Großanbieter Systeme ausliefern können während kleineren Firmen der Marktzugang verwehrt bleibt. Dies könnte z.B. durch Versicherungen geschehen. Großunternehmen wie VW können im Rahmen ihres Umgangs mit Lieferanten und der Politik diese Entwicklung positiv beeinflussen.“ 42 dr. carl benedikt frey (university of oxford) Beschäftigungseffekte der Digitalisierung Dr. Carl Benedict Frey ist Co-Direktor des Oxford Martin Programme on Technology and Employment an der University of Oxford. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem Übergang von Industrienationen zur digitalen Wirtschaft, sowie Herausforderungen für wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsmärkte und urbane Entwicklung. 2013 erschien sein weltweit beachteter Artikel „The Future of Employment: How susceptible are jobs to computerisation?“ zusammen mit Prof. Michael Osborne (University of Oxford). The digital revolution has brought undisputable gains, including the World Wide Web, Google and the iPhone. Nevertheless its impact on the workforce has arguably been more disruptive than technological revolutions of the past. In our widely discussed paper entitled The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?, my co-author Michael Osborne and I estimate that 47 percent of the US workforce is now susceptible to automation. Although these estimates cannot be directly transferred to other countries, the type of jobs that will be affected is the same. In particular, similar to the United States, jobs in transportation, logistics, as well as office and administrative support, are at “high risk” of automation. Furthermore, the bulk of service and sales occupations, where the most job growth has occurred over the past decades, are how for the first time at risk. Digital technologies do however not only destroy jobs, but also create jobs in entirely new occupations and industries. For example, Video and Audio Streaming industry, Online Auctions, and Web Design constitute new industries that appeared in official classifications for the first time in 2010, following a series of recent innovations. Yet, the magnitude of new jobs created from the arrival of new technologies throughout the 2000s has been strikingly small: in 2010 only about 0.5 percent of the US workforce was employed in new industries that did not exist a decade earlier. Workers in these industries are also much better educated than most workers, meaning that although technological progress continues to create new jobs, these have largely been confined to skilled labour. Thus, as technology races ahead, workers will need to acquire more sophisticated skills, allowing them to reallocate to new jobs being created. 43 impressionen impressionen Die interaktive Begleitausstellung der Konferenz machte unter anderem Virtual Reality-Technologien live erlebbar, die zukünftig Einzug in viele Produktionsprozesse halten können. Die Konferenzteilnehmer nutzten die Pausen und Begleitausstellungen um sich auszutauschen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschung und Politik zu verbinden und so das Netzwerk „Gute Arbeit 4.0“ mit Leben zu füllen. 44 Die Firma Kuka Robotics präsentierte Roboterentwicklungen wie den LBR iiwa, mit denen die Mensch-Roboter-Kooperation sicher und effizient gestaltet werden kann. 45 o l a f l i e s ( m i n i s t e r f ü r w i r t s c h a f t, a r b e i t, v e r k e h r l a n d n i e d e r s a c h s e n ) Präsentation der Gewinner des 5. Robotics-Awards Den ROBOTICS AWARD für angewandte Roboterlösungen verleihen Deutsche Messe AG, der Industrieanzeiger und die Robotation Academy bereits seit fünf Jahren im Rahmen der HANNOVER MESSE. Eine unabhängige Jury von Robotik-Experten beurteilt die Einreichungen nach verschiedenen Kriterien. Dazu gehören besonders der technische Innovationsgrad der Lösung sowie ihr Nutzen für Industrie, Umwelt und Gesellschaft. Darüber hinaus spielen aber auch der wirtschaftliche Nutzen für die Anwender und das Nachfragepotenzial auf den Absatzmärkten eine Rolle. Überreicht wurde er von Olaf Lies, dem Niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie zugleich auch Schirmherr des ROBOTICS AWARD. Die incubed IT GmbH überzeugte mit einer Roboterlösung für Shuttles, die sich intelligent, autonom und flexibel im Raum bewegen. Auf Platz zwei schaffte es die Goldfuß Engineering GmbH aus Balingen mit einem Dual arm-Roboter, der das Handling von Verpackungen optimiert. Den dritten Platz belegte die MRK-Systeme GmbH aus Augsburg mit einem Roboter, der Werkern in der Automobil-Endmontagebei Audi Bauteile anreicht. Olaf Lies überreicht den ROBOTICS AWARD als Schirmherr der Auszeichnung. 46 o l a f l i e s ( m i n i s t e r f ü r w i r t s c h a f t, a r b e i t, v e r k e h r l a n d n i e d e r s a c h s e n ) Die Preisträger der incubed IT GmbH aus Hart bei Graz (Österreich) Unten: Den Gewinnern gratulierten (v.l.n.r.): Dr. Horst Neumann, Stefan Wolf, Jörg Hofmann, Olaf Lies. 47 j ö r g h o f m a n n ( z w e i t e r v o r s i t z e n d e r d e r i g m e ta l l ) Leitbilder und Leitplanken für Industrie 4.0 und Digitalisierung Wir wissen keineswegs genau, was Industrie 4.0 und Digitalisierung für Arbeit und Beschäftigung bedeutet, wie tief und wie weit der quantitative und qualitative Wandel der Industriearbeit reichen wird. Schon deshalb, weil der Prozess der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeit ergebnisoffen ist. Das betrifft den technologischen, wie den sozio-ökonomischen und den organisatorischen Entwicklungspfad. Vieles hängt davon ab, was wir jetzt tun – also wie die Weichen heute gestellt werden, welche Leitbilder und Leitplanken entwickelt werden. Nehmen wir die Frage der Beschäftigung: Konferenzteilnehmer Carl Frey von der Universität Oxford kündigt aufgrund seiner Studie zur Zukunft der Beschäftigung aus dem Jahr 2013 einen erheblichen Verlust von Arbeitsplätzen und eine tiefgreifende Veränderung von Berufsbildern an – betroffen seien insbesondere die traditionellen industriellen Arbeitsfelder. Zu diesem Schluss kommen auch andere wissenschaftliche Studien. In der BCG-Studie, die pünktlich zur Hannover-Messe 2015 erschienen ist, wird hingegen prognostiziert, dass sich allein der deutsche Maschinenbau über 100.000 neue Arbeitsplätze freuen kann, gerade in der Produktion. Anders gesagt: 4.0 soll sowohl als ein „echter Produktivitätsbeschleuniger“ wirken als auch Garant für zusätzliches jährliches Wachstum von 30 Milliarden Euro netto sein. Was stimmt nun? Möglicherweise werden in der aktuellen Diskussion die kurzfristigen Folgen überschätzt, die langfristigen Folgen indes unterschätzt. Unstrittig ist: Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt fundamental verändern – insbesondere was die in Zukunft abverlangten Qualifikationen angeht. Wir brauchen ohne Zweifel eine solide und präventive Abschätzung der Folgen der Technik für Gesellschaft und Arbeit. Was wir aber vor allem brauchen, ist ein klares Bild davon, wie gute Arbeit in einer digitalisierten Welt aussehen soll. Ein Leitbild, • das die Trends der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Individualisierung der Lebens- und Arbeitswelt aufgreift, das das Interesse der Beschäftigten an mobiler Arbeit, hoher Zeitsouveränität und damit auch an einer besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben berücksichtigt und • das Interesse der Beschäftigten an einer guten Arbeit aufgreift, die Gesundheit erhält, Handlungsspielräume erweitert und Qualifikation fördert. Oder anders: Industrie 4.0 muss ihren gesellschaftlichen Nutzen unter Beweis stellen. Industrie 4.0 als reine Rationalisierungsstrategie ist aus unserer Sicht der grundfalsche Ansatz. Gewerkschaften und Betriebsräte sind hier auch keine Akzeptanzbeschaffer. Sie wollen ihre Gestaltungsansprüche an Arbeit 4.0 verwirklicht sehen. Es geht dabei keineswegs um „weiche“ Themen. Es geht um • Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Teilhabe, Grenzverschiebungen im Bereich der Mitbestimmung im Betrieb wie in der Gesellschaft, • die Frage, ob Maschine oder Mensch bestimmen, wie wir künftig arbeiten werden. Es geht – kurz gesagt – darum, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und für die Digitalisierung einen in sozialer wie in technischer Dimension gleichermaßen innovativen Entwicklungsweg zu gehen. Ich möchte hierzu einige Anmerkungen machen: 1. Technik und Arbeitsgestaltung sind nicht vorherbestimmt, sondern durchaus beeinflussbar. Die Öffnung der Industrie 4.0-Debatte in Richtung Arbeit, die Abkehr von einem rein ingenieurwissenschaftlichen geprägten Zielbild cyber-physikalischer Systeme durch die Einbeziehung sozio-ökonomischer Zielbilder war ein erster wichtiger Schritt. Dieses Zielbild einer arbeitszentrierten Technikgestaltung gilt es zu schärfen. 2. Unternehmen, Gewerkschaften, Politik und Wissenschaft müssen die Digitalisierung der Arbeitswelt als gemeinsames Zukunftsprojekt erkennen, das Beiträge zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Fragen bietet. Industrie 4.0 wird ohne Akzeptanz bei Beschäftigten, Betriebsräten und Gewerkschaften scheitern. Wenn Betriebsräte gemeinsam mit den Unternehmen den Prozess der Digitalisierung proaktiv angehen, wenn Gestaltungskompetenz und Beteiligungsmöglichkeiten auf breiter Front aktiviert und auf betrieblicher Ebene „in Form gebracht“ und greifbar gemacht werden, dann ergeben sich für den Industriestandort Deutschland neue Chancen, seine Stärken auch in Zukunft auszuspielen und hierdurch Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Diese Stärken sind: gut qualifizierte und engagierte Belegschaften, Mitbestimmung und Beteiligung sowie hohe Innovationsfähigkeit bei Produkten und Prozessen. 3. Die neuen Techniken können den arbeitenden Menschen sinnvoll unterstützen. In einer humanorientierten Industrie 4.0 wird es mehr gut qualifizierte und weniger körperlich belastende Arbeit geben. Digitalisierung und Konnektivität 48 j ö r g h o f m a n n ( z w e i t e r v o r s i t z e n d e r d e r i g m e ta l l ) ermöglichen das Aufbrechen starrer Arbeitsstrukturen und Hierarchien. Damit können nicht nur neue Chancen für qualifiziertes, selbstorganisiertes Arbeiten, sondern auch neue Chancen auf eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben eröffnet werden. Industrie 4.0. ermöglicht eine bessere Berücksichtigung einer gewachsenen Vielfalt in den Beschäftigtenstrukturen. Junge und Ältere, Einsteiger und Erfahrene – angepasste Assistenz kann unterstützen, ausgleichen und auch zur Inklusion ansonsten Ausgeschlossener beitragen. 4. Zur Realisierung dieser Chancen bedarf es auf dem Weg in die digitalisierte Arbeitswelt einer nachhaltigen Forschungs-, Bildungs- und Industriepolitik, die am Menschen ausgerichtet ist. Gerade der Erstausbildung und Weiterbildung wird eine zentrale Rolle zukommen. Um die neuen Technologien und Prozesse zu beherrschen und dabei mit dem Tempo der Veränderungen und Entwicklungen Schritt zu halten, muss die berufliche Bildung deutlich dynamischer agieren als heute. Die Taktzahl der Digitalisierung ist hoch und beschleunigt sich weiter. Meine These ist: unser System der Erstausbildung und Weiterbildung ist für diese Geschwindigkeit noch nicht gerüstet. In der Weiterbildung haben wir in der Auseinandersetzung um die tarifliche Bildungsteilzeit nochmals vor Augen geführt bekommen, wie selektiv und unzureichend berufliche Weiterbildung heute praktiziert wird. Ein erster Schritt ist mit dem Tarifvertrag nun gemacht. In der beruflichen Erstausbildung haben wir mit der Reform der Berufsbilder eine wichtige Voraussetzung geschaffen: Eine breite, fundierte Erstausbildung, auf der berufliche Spezialisierung und neue Anforderungen durch Weiterbildung aufbauen können. Die Berufsbilder gilt es nun neu zu justieren; viele Unternehmen haben damit bereits angefangen. Dagegen haben wir in der akademischen (Erst-)Ausbildung eine völlig überzogene Kleinteiligkeit und Spezialisierung – ein Hemmschuh für die Anforderungen des Arbeitsmarktes einer Industrie 4.0, der nach Veränderung ruft. 5. Entscheidend ist, dass die Mitbestimmung als Korrektiv in den Unternehmen gestärkt wird. Nur wenn IG Metall, Betriebsräte und Beschäftigte die Arbeitswelt der Zukunft mitgestalten, wird die industrielle Wertschöpfung hierzulande human und nachhaltig profitabel statt rein profit- und technikzentriert sein. Beschäftigte, Betriebsräte und die IG Metall müssen von Beginn an gezielt auf die Arbeitsorganisation und Technikgestaltung Einfluss nehmen. Dies geschieht bereits in ersten Pilotprojekten. Für die Mitbestimmungspraxis in der digitalen Arbeitswelt müssen die Mitbestimmungsrechte entsprechend den neuen Herausforderungen und technologischen Möglichkeiten erweitert und angepasst werden. 6. Eine große Herausforderung, die sich aus der Digitalisierung ergibt, ist der Beschäftigtendatenschutz. Bis heute gibt es in Deutschland kein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz. Die heutige Rechtslage muss zwingend weiterentwickelt werden. Wir kommen mit den klassischen Instrumenten zur Verhinderung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen nicht mehr weiter. Datenschutzzäune hochzu ziehen wird immer schwieriger. Umso mehr braucht es Schutzzäune für Arbeitnehmer: Arbeitnehmerrechte in der digitalen Arbeitswelt müssen gestärkt werden. Alles in allem: Es geht um viel. Wir wollen den Weg in die Digitalisierung der Arbeitswelt zu einer Erfolgsstrategie für Unternehmen und Beschäftigte machen. Wir haben deshalb als IG Metall die Digitalisierung der Arbeitswelt ganz oben auf die Agenda gesetzt. Uns geht es um die Beantwortung der Fragen, die diese Entwicklung für die Beschäftigten aufwirft. Wir müssen uns vernetzen, um unser am Menschen orientiertes Zielbild einer digitalisierten Arbeitswelt der Zukunft umzusetzen. Deshalb lade ich ausdrücklich alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter für diese Idee dazu ein, sich an der von Management und Betriebsrat der Volkswagen AG gemeinsam mit der IG Metall gegründeten offenen Plattform für gute Industriearbeit zu beteiligen (www.gutearbeit4punkt0.de). Sie steht Unternehmen, Betriebsräten und Wissenschaftlern gleichermaßen offen. Hier sollen Ideen, Konzepte und Praxisbeispiele für gesunde, qualifikationsfördernde Arbeitsbedingungen in der Industrie 4.0 ausgetauscht und damit auf den Weg gebracht werden. In diesem Rahmen werden u.a. Tagungen, Workshops und Expertenforen stattfinden. 49 impressionen impressionen In der abschließenden Diskussionsrunde fassen Dr. Alexandra Baum-Ceisig, Stephan Wolf, Jörg Hofmann, Dr. Horst Neumann, Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen, Dr. Josef Baumert und Dr. Constanze Kurz (v.l.n.r.) ihre Positionen zusammen und bilanzieren einen erkenntnisreichen Tag. Dr. Horst Neumann skizziert die Ziele und nächsten Schritte von Volkswagen auf dem Weg zur „Guten Arbeit 4.0“ in Deutschland. 50 51 © Volkswagen Aktiengesellschaft Institut für Arbeit und Personalmanagement des Volkswagen Konzerns Brieffach 011/12310 38436 Wolfsburg Telefon +49 (0)5361 9–0 Telefax +49 (0)5361 9–28282 E-Mail [email protected] Internet www.volkswagenag.com/info Stand 10/2015
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