Handbuch zur Zivilcourage

Handbuch zur
Zivilcourage
Begleitmaterialien zum Film
Onlineversion
Sichtweisen
Sichtweisen
Sichtweisen
Kinder am Spielplatz, die ein „fremdländisch“ aussehendes Kind vom
Spiel ausschließen; ein älterer Herr, der einem Unbeteiligten seine
xenophoben Ansichten unterbreitet und dabei um dessen Zustimmung
buhlt; zwei Mädchen in der Straßenbahn, die eine Kopftuch tragende
junge Frau von oben herab behandeln; zwei Neonazis, die einen
jungen Zuwanderer auf der Straße bedrohen.
Ausgehend vom Kurzfilm „Handbuch zur Zivilcourage“ von
Yann-Moritz Kosa wird in diesem Begleitheft das Thema
„Zivilcourage“ auf kreative und abwechslungsreiche Art
und Weise behandelt.
Sie finden Anleitungen zur Auseinandersetzung mit dem
Thema am Beispiel realistischer Fallbeispiele, Möglichkeiten
zur Selbst- und Fremdreflexion, Übungen zur Interpretation
von Zitaten und zum Paraphrasieren sowie die Möglichkeit
zum Austausch von Recherchen und Beobachtungen. Aber
auch der Aktionsmus kommt nicht zu kurz: Aufstellungs-,
Stopp-Schrei-Übung und Rollenspiele machen Einstellungen
sichtbar, bauen Hemmungen ab und fördern Zivilcourage.
Schulstufe/Anwendungsbereich: ab 12 Jahren
www.landdermenschen.at
Vorwort
Handbuch zur Zivilcourage
Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,
Land der Menschen – Aufeinander Zugehen OÖ setzt sich seit über zehn Jahren
für ein respektvolles Miteinander aller hier in Österreich lebenden Menschen ein.
Leider stehen ausländerfeindliche Übergriffe in Österreich immer wieder an der
Tagesordnung. Ermutigen Sie ihre Schüler/innen zur Zivilcourage!
Mit diesem Begleitheft zum Film „Handbuch zur Zivilcourage“ von Yann-Moritz
Kosa möchten wir Sie als Lehrer/in und Multiplikator/in bei der Bewusstseinsbildung Ihrer Schüler/innen zu diesem Thema unterstützen.
Inhalt
Erste Unterrichtseinheit
Zivilcourage
Filmvorführung
Was? Wie? Wo? Wer?
Meine Erfahrungen
Reaktionsmöglichkeiten
Zitate
Keine Hemmungen
Couragebarometer
STOPP-SCHREI-ÜBUNG
StraSSenbahn
Beobachtungen
Stopp
Schnappschuss
Zweite Unterrichtseinheit
Dritte Unterrichtseinheit
Das Material „Handbuch zur Zivilcourage“ umfasst vier konkrete Stundenbilder
mit ausgewählten Übungen und Methodeninputs. Arbeitsblätter in A4 zu den
einzelnen Übungen finden Sie ab Seite 14. Inhaltliches Hintergrundwissen für
die Lehrkraft stellen wir unter „Arbeitswissen“ zur Verfügung.
Die Unterrichtseinheiten sind in sich geschlossen und – bei straffem Ablauf – in
50 Minuten umsetzbar. Ob dies für Sie und Ihre Klasse möglich ist, müssen
Sie selbst entscheiden. Bei Bedarf können die kurzen Einstiegsübungen auch
weggelassen oder einzelne Übungen adaptiert werden.
Das Unterrichtsmaterial sollte auch als „Pool“ von Übungen gesehen werden,
aus dem Sie Ihre persönliche, authentische und an die Reife Ihrer Schüler/innen
angepasste Unterrichtseinheit zusammenstellen können. Da der Kurzfilm
„Handbuch zur Zivilcourage“ Impulsgeber für die weiteren Übungen ist, sollte
unbedingt mit der ersten Unterrichtseinheit begonnen werden.
Am Ende des Heftes finden Sie Hinweise zu weiterführenden Angeboten zum
Themenfeld.
Vierte Unterrichtseinheit
Arbeitsblätter
Vertiefung
Links und Literatur
Workshops & Co
Hinweis:
Die vierte Unterrichtseinheit bedarf einer Hausübung im
Vorfeld. Nähere Informationen dazu auf Seite 11.
Symbole
Wir wünschen Ihnen gutes Gelingen und viel Spass.
Margit Hauft
Vorsitzende von Land der Menschen
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Leichte Aufgabe
Einzelarbeit
Mittelschwere Aufgabe
Gruppenarbeit
Schwere Aufgabe
Plenum
Materialien
Methodik
Arbeitsblätter in den Kopiervorlagen
Dauer
2
Handbuch zur Zivilcourage
1.
Erste Unterrichtseinheit
Die Schüler/innen erarbeiten Begriffe und
Konzepte zum Thema Zivilcourage und
setzen sich mit ihrer eigenen Position und
anderen Meinungen kritisch auseinander.
Auf Grundlage des Films „Handbuch zur
Zivilcourage“ von Yann-Moritz Kosa erfolgt
eine empathische Auseinandersetzung mit
Fallbeispielen.
Zivilcourage
Bei dieser Übung geht es um die Bedeutung von Zivilcourage. Die Schüler/innen
erarbeiten selbst ihr Verständnis von Zivilcourage und üben das Wahrnehmen
und Nachvollziehen anderer Meinungen und Perspektiven. Zusätzlich wird
wichtiges Basiswissen vermittelt.
Brainstorming, Vortrag
Stifte/Kreide, Flipchart/Tafel
10 min
Ablauf
Mit Hilfe der Methode des Brainstormings sammelt die Lehrkraft zuerst
Beiträge bzw. Definitionen der Schüler/innen zum Begriff Zivilcourage auf
dem Flipchart/der Tafel.
Anschließend wird, unter Anwendung des Arbeitswissens „Zivilcourage“, auf
gängige Definitionen des Begriffs und dessen historische Entwicklung eingegangen. Dabei sollen die Antworten der Schüler/innen in wertschätzender
Art und Weise integriert werden.
Methodikinput Brainstorming
Beim Brainstorming sollen durch den freien Gedankenaustausch möglichst
viele Sichtweisen und vorhandene Kenntnisse der Schüler/innen festgehalten
werden. Auf diesem Basiswissen wird in den kommenden Übungen aufgebaut. Für die Schüler/innen bringt dies zusätzliche Motivation, da sie durch
ihr Wissen Wertschätzung erfahren. Dabei muss allerdings darauf geachtet
werden, dass alle Beiträge gleichermaßen akzeptiert werden und keine Kritik
geäußert wird. Vielmehr sollte es ein kreativer Gedankenaustausch sein, bei
dem sich Beiträge ergänzen und Gedanken weiterentwickeln können. Aus
diesem Grund ist es wünschenswert, dass sich alle Schüler/innen beteiligen.
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1. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
Filmvorführung
Arbeitswissen „Zivilcourage“
Zivilcourage bedeutet wörtlich übersetzt „Bürgermut“. Der/Die Bürger/in bezeichnet etymologisch gesehen „‚Ein- bzw. Bewohner‘ einer Burg. (...) Neben
dem oben angesprochenen Bestandteil ‚Burg’ setzt es sich aus dem althochdeutschen Wort ‚wari’ zusammen, welches den Aspekt des Verteidigens oder
Sich-Gemeinsam-Wehrens zum Ausdruck brachte“.
(Quelle: Kotalakidis, Nikolaos)
In dieser Übung werden anhand des Films „Handbuch zur Zivilcourage“ vier
Situationen dargestellt, in denen Zivilcourage auf recht unterschiedliche Art
und Weise gezeigt wird. Die Schüler/innen erhalten die Aufgabe, die Inhalte
kritisch mit ihrem zuvor erarbeiteten Wissen (Brainstorming) zu vergleichen.
Der Vergleich zeigt, wie der Einsatz eines anderen Mediums den Zugang zum
Thema verändert.
Zivilcourage bzw. „Bürgermut“ beinhaltet aber auch „Mut“. Mut, um bei
Konflikt-, Bedrohungs- oder Gewaltsituationen, ohne Rücksicht auf drohende
Nachteile, nicht wegzusehen, sondern zu handeln.
„Zivilcourage – der ‚Bürgermut‘ ist … die Tapferkeit der Nicht-Soldaten. Diesen Begriff schuf Otto von Bismarck, (* 1815, † 1898), genannt der ‚Eiserne
Kanzler‘, der Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches war. Martin
Knobbe schreibt hierüber:
Es war ein Montag im Mai, als das Wort Zivilcourage geboren wurde. Pfiffe
gellten durch das Parlament, während der junge Abgeordnete und spätere
Reichskanzler seine erste Rede hielt. Es ging um ein Gesetz über die Rentenbank, gegen das er sich aussprach. Ironisch und fast beleidigend waren seine
Worte, die Reaktionen darauf mindestens ebenso harsch.
Später saß der Abgeordnete mit einem älteren Verwandten beim Essen, der
meinte: ‚Du hattest ja ganz Recht, aber so etwas sagt man doch nicht.’ Der
Jüngere antwortete: ‚Wenn du meiner Meinung warst, hättest du mir beistehen sollen.‘
Es war der 17. Mai 1847, und die Schmach im Vereinigten preußischen Landtag
traf den jungen Abgeordneten Otto von Bismarck so tief, dass er später noch
von diesem Erlebnis erzählte. ‚Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut’, meinte er zu seinem Vertrauten Robert von Keudell, ‚aber Sie werden
nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt.‘“
(Quelle: Koblank, Robert)
Filmvorführung, Diskussion
Film „Handbuch zur Zivilcourage“,
Abspielgerät
10 min
Ablauf
Der Film „Handbuch zur Zivilcourage“ wird einmal abgespielt. Im Anschluss daran sollen die Schüler/innen im Plenum folgende Fragen zum Film beantworten:
➜ Könnt ihr die vier Geschichten aus dem Film nacherzählen?
➜ Wie passen die gezeigten Inhalte zu den Definitionen, über die wir zuvor
gesprochen haben?
➜ Stimmen eure Vorstellungen mit den Geschichten im Film überein?
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1. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
Was? Wie? Wo? Wer?
Arbeitswissen zum Film „Handbuch zur Zivilcourage“
Unterschiedliche Situationen fremdenfeindlicher Übergriffe: Kinder am Spielplatz, die ein „fremdländisch“ aussehendes Kind vom Spiel ausschließen; ein
älterer Herr, der einem Unbeteiligten seine xenophoben Ansichten unterbreitet
und dabei um dessen Zustimmung buhlt; zwei Mädchen in der Straßenbahn,
die eine Kopftuch tragende junge Frau von oben herab behandeln; zwei Neonazis, die einen jungen Zuwanderer auf der Straße bedrohen. Wie kann man in
solchen Situationen reagieren?
Der Film behandelt das Thema Zivilcourage im Fall von rassistischen/fremdenfeindlichen Übergriffen. Es werden Episoden gezeigt, die verschiedene Arten
des Übergriffs und unterschiedliche Optionen, darauf zu reagieren, zum Inhalt
haben.
Interessant ist hier die Art und Weise, wie Übergriffe initiiert werden, und
welche Arten der Reaktion es gibt. Beispielsweise: Ist ein Übergriff immer
direkt? Muss dazu überhaupt die angegriffene Person/Gruppe anwesend sein?
Gibt es nur die „strahlender Held“-Variante, die nicht immer ungefährlich ist
und deshalb oft vermieden wird?
Ziel ist es, einen Einblick in die enorme Bandbreite des Problems zu gewähren,
und alternative Ansätze, zu reagieren, aufzuzeigen.
Inspiriert wurde die Handlung sowohl durch persönliche Erfahrungen des
Regisseurs (dessen Vater ursprünglich aus Ungarn stammt), als auch durch sein
politisches und soziales Engagement. Wichtiger Baustein des Konzeptes waren
eine Reihe von Forumtheater-Workshops, an denen der Regisseur mitwirkte,
und bei denen mit Techniken des Improvisationstheaters Zivilcourage geübt
wurde. Die Erzählstruktur des Kurzfilms ist in Anspielung auf diese Workshopreihe nach der Impro-Struktur der „Pyramide“ aufgebaut.
Der Regisseur Yann-Moritz Kosa, geboren 1987 in Linz, Österreich, arbeitet
als Cutter, Kameramann, Regisseur und Motiongraphicdesigner. 2008 gewinnt
er mit dem Kurzfilm „Drehmomente“ den Sonderpreis beim Filmfestival
„OÖ im Film“. Er studiert seit 2008 „zeitbasierte und interaktive Medien“
an der Kunstuniversität Linz und ist Mitglied des Backlab-Kollektivs.
http://av2art.wordpress.com/
Mit Hilfe dieser Übung sollen die Schüler/innen eine Situation empathisch
wahrnehmen lernen. Eine Handlung soll aus verschiedenen Perspektiven
betrachtet werden. Die Schüler/innen sind aufgefordert, begründete Meinungen
zu formulieren und diese mit ihren Mitschülern/innen zu diskutieren.
Diskussion, Präsentation
Arbeitsblatt „Was? Wie? Wo? Wer?“ S. 14
30 min
Ablauf
Die Schüler/innen werden in vier Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bearbeitet
fünfzehn Minuten lang eine Geschichte aus dem Film. Dazu erhält sie das
Arbeitsblatt „Was? Wie? Wo? Wer?“. Die Lehrkraft soll auf einen wertschätzenden
Umgang mit den Meinungen der Mitschüler/innen in den Diskussionen hinweisen. Zur Präsentation einigen sich die Gruppen auf je eine Person, die ihre
Antworten vorstellt.
Nach der Ausarbeitungszeit kommen alle Schüler/innen in der Großgruppe
zusammen, um der Reihe nach ihre Ergebnisse zu präsentieren. Dabei sollen
die Mitschüler/innen dazu ermuntert werden, Feedback zu geben:
➜ Stimme ich den Einschätzungen der vortragenden Gruppe zu?
➜ Bin ich anderer Meinung?
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Handbuch zur Zivilcourage
2.
Zweite Unterrichtseinheit
In dieser Unterrichtseinheit stehen die
Selbst- und Fremdreflexion, die Erarbeitung
und Bewertung von Reaktionsmöglichkeiten
und demokratische Entscheidungsformen im
Vordergrund.
Hinweis:
Da sich die folgenden Übungen intensiv mit dem Film „Handbuch zur Zivilcourage“ und den darin gezeigten Handlungen auseinandersetzen, sollte das Video an dieser Stelle nochmals vorgeführt werden.
Die Schüler/innen erarbeiten und bewerten eine Bandbreite an Möglichkeiten,
zivilcouragiert zu reagieren. Dazu hören sie sich andere Perspektiven an,
argumentieren und finden in einem demokratischen und wertschätzenden
Prozess zu gemeinsamen Ergebnissen. Sie lernen, die Konsequenzen ihrer
Handlungen zu bedenken.
Diskussion,
Reflexion
35 min
ausgefüllte Arbeitsblätter „Meine Erfahrungen“, Stifte, Flipcharts,
rote und grüne Klebepunkte, vorbereitetes Flipchart „Handlungskreis“
Meine Erfahrungen
Arbeitsblatt „Reaktionsmöglichkeiten“ S. 16
Die folgende Übung hat Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion zum Ziel.
Eigene Handlungen und erlebte Situationen, in denen Zivilcourage gefragt war,
werden von den Schülern/innen kritisch hinterfragt.
Reflexion
Reaktionsmöglichkeiten
10 min
Arbeitsblatt „Meine Erfahrungen“ S. 15
Ablauf
Jede/r Schüler/in erhält das Arbeitsblatt „Meine Erfahrungen“ mit der Aufforderung, es alleine auszufüllen. Das Arbeitsblatt bleibt bei den Schülern/innen.
Wer möchte, kann es in der folgenden Übung einbringen.
Ablauf
1. Schritt – Gruppenarbeit:
Die Schüler/innen werden in Gruppen zu vier bis sechs Personen eingeteilt
und arbeiten gemeinsam das Arbeitsblatt „Reaktionsmöglichkeiten“ aus. Die
Schüler/innen können dabei auf die von ihnen zuvor ausgearbeiteten Arbeitsblätter „Meine Erfahrungen“ zurückgreifen.
2. Schritt – Ergebnissammlung:
Die Lehrkraft schreibt alle erarbeiteten Reaktionsmöglichkeiten – ohne
Kommentare – in der Klasse auf ein Flipchart untereinander. Doppelnennungen
sollen dabei jedoch kein weiteres Mal aufgeschrieben werden.
3. Schritt – Bewertungen:
Die Schüler/innen bekommen je drei rote und drei grüne Klebepunkte und
verteilen diese einzeln. Grün steht für Handlungen, die sie selbst präferieren
und auch setzen würden. Rot soll jene Reaktionen kennzeichnen, die sie selbst
nicht setzen möchten.
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2. Unterrichtseinheit
4. Schritt – Handlungskreis:
Die Lehrkraft bereitet ein Flipchart mit dem Titel „Was tun, wenn ….?“ vor.
Darauf wird ein leerer Handlungskreis mit vier Ringen (siehe Abbildung)
gezeichnet. In den äußersten Ring werden von der Lehrkraft jene Handlungsmöglichkeiten eingetragen, die von den Schülern/innen am besten bewertet
wurden (nur grüne Punkte). Im innersten Ring werden jene mit der schlechtesten
Bewertung angeführt (nur rote Punkte). Im zweiten und dritten Kreis finden sich
jene Aktionen wieder, zu denen die Schüler/innen geteilter Meinung sind.
Im Handlungskreis sollen, nach Möglichkeit, alle Handlungen Platz finden, ein
fließender Übergang von „präferiert“ zu „nicht präferiert“ soll sichtbar werden.
Auf diese Weise wird die Gesamteinstellung der Gruppe dargestellt.
5. Schritt – Reflexion:
Das sich im Handlungskreis darstellende Bild wird mit den Schülern/innen
besprochen. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie sehr es das persönliche
Verständnis von Zivilcourage des/r jeweiligen Schülers/in widerspiegelt.
Im Anschluss wird das Plakat in der Klasse oder der Schule zugänglich
aufgehängt.
Beste Bewertung
(nur grüne Punkte)
Schlechteste
Bewertung
(nur rote Punkte)
Handbuch zur Zivilcourage
Arbeitswissen „Reaktionsmöglichkeiten“
Das Aufbegehren gegen die Verletzung bürgerlicher Grundrechte und das
Aufdecken krimineller Machenschaften sind Beispiele für die Zivilcourage
Einzelner. Überall wo Menschen gedemütigt, bedroht oder angegriffen
werden, motiviert Zivilcourage, nicht wegzusehen, sondern einzugreifen.
Aber wie? Nicht jede/r ist bereit, die gleichen Handlungen zu setzen. Auch
die Konsequenzen müssen bedacht werden.
Gerd Meyer unterscheidet drei Arten des Handelns mit Zivilcourage:
➜ „Eingreifen zugunsten anderer, meist in unvorhergesehenen Situationen,
in denen man schnell entscheiden muss, was man tut.
➜ Sich-Einsetzen – meist ohne akuten Handlungsdruck – für allgemeine
Werte, für das Recht oder die legitimen Interessen anderer, vor allem in
organisierten Kontexten und Institutionen.
➜ Sich-Wehren z.B. gegen körperliche Angriffe, Mobbing oder Ungerechtigkeit; zu sich und seinen Überzeugungen stehen, standhalten, nein sagen,
widerstehen.“
(Quelle: Meyer, Gerd)
Die Bandbreite an Aktionen, die man setzen kann, ist groß. Beispielsweise:
➜ beobachten
➜ Bericht erstatten
➜ andere Menschen dazuholen
➜ Autoritäten informieren
➜ dazugehen und das Gespräch suchen
➜ Aufmerksamkeit erregen
➜ öffentlich seinen Unmut kundtun
➜ Ablenkung erzeugen
➜ sich offen dagegen aussprechen
➜ aufklären
Zivilcourage hat viele Gesichter: Sei es als Zeuge/in vor Gericht über Geschehenes
zu berichten, sich in einem Leserbrief gegen herabwürdigende Aussagen auszusprechen, einem/r Mitschüler/in bei Konflikten beizustehen oder in einer
Gefahrensituation Hilfe zu holen. Wichtig ist dabei vor allem, dass eine Konflikt-,
Bedrohungs- oder Gefahrensituation als solche wahrgenommen wird, man
nicht wegsieht und sich dann auf eine der vielen Arten ins Geschehen einbringt.
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Handbuch zur Zivilcourage
3.
Dritte Unterrichtseinheit
Die Interpretation von Zitaten und die Auseinandersetzung mit rassistischen Fallbeispielen
bilden den Einstieg in diese Unterrichtseinheit.
Danach ist Aktionismus gefragt: Aufstellungs-,
Stopp-Schrei-Übung und Rollenspiel machen
Einstellungen sichtbar, bauen Hemmungen
ab und fördern Zivilcourage.
Keine Hemmungen
In dieser Übung arbeiten die Schüler/innen mit Fallbeispielen rassistischer
Übergriffe und erlernen auf diese Weise Empathie. Sie setzen sich mit
Konsequenzen von Entscheidungen auseinander und erarbeiten alternative
Handlungsmöglichkeiten. Durch die Reflexionsrunde lernen die Schüler/innen
andere Perspektiven kennen.
Fallbearbeitung,
Reflexion
Klebeband, Schere,
Flipchart/Tafel
Zitate
In dieser Übung sind die Schüler/innen dazu aufgefordert, Aussagen von
Persönlichkeiten zu interpretieren. Dabei lernen sie, Meinungen kritisch zu
hinterfragen und andere Perspektiven wahrzunehmen.
Diskussion
Kreide,
Tafel
6 min
Ablauf
15 min
Arbeitsblätter „Keine Hemmungen I und II“
S. 17 - 18
Ablauf
Die Schüler/innen bilden Zweierteams. Diese erhalten je zwei Fälle aus den
Arbeitsblättern „Keine Hemmungen I und II“ zur Bearbeitung. Dazu notiert die
Lehrkraft folgende Arbeitsfragen auf dem Flipchart/der Tafel und unterstützt die
Schüler/innen bei Bedarf bei deren Beantwortung:
➜ Warum hat sich keiner eingemischt?
➜ Was hat andere Menschen davon abgehalten, einzugreifen?
➜ Wie hätte man eingreifen können?
Die Zweierteams vermerken ihre Antworten auf einem Blatt Papier.
Die Lehrkraft schreibt die beiden untenstehenden Zitate an die Tafel und stellt
zu jeder Aussage folgende Fragen:
➜ Wer kann mir dieses Zitat erklären?
➜ Möchte jemand etwas dazu ergänzen?
„Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es
einmal brauchen.“ F. Magnani, ehemalige Korrespondentin der NZZ
(Quelle: http://www.psychologie.uzh.ch)
„Das Böse braucht das Schweigen der Mehrheit.“ K. Annan bei der Gedenkfeier der UN anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz
(Quelle: http://www.psychologie.uzh.ch)
Am Ende der Bearbeitungszeit werden die Notizen gemeinsam mit den
jeweiligen Fällen in der Klasse aufgehängt. In einer kurzen Reflexionsrunde im
Plenum werden folgende Fragen an die Schüler/innen gestellt:
➜ Wie ist es euch beim Lesen der Texte und dem Erarbeiten der Fragen
ergangen?
➜ Wie geht es euch jetzt, da ihr die Fülle an anderen Beispielen rund um
euch seht?
Die Fälle der Arbeitsblätter sind dem Rassismusreport von Zara
entnommen und stellen somit tatsächlich passierte Ereignisse dar.
Näheres unter: http://www.zara.or.at/index.php/beratung/rassismus-report
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3. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
Couragebarometer
STOPP-SCHREI-ÜBUNG
Die eigene Einstellung zur Zivilcourage zu überprüfen und Stellung zu beziehen,
ist zentraler Inhalt folgender Aufstellungsübung.
Diskussion, Reflexion
Bei dieser Selbstwahrnehmungsübung werden die Schüler/innen zu lautem
Schreien ermutigt. Dies dient der Auflockerung, aber auch dem Abbau von
Hemmungen.
8 min
Lockerung
4 min
Klebeband, Zettel „Trifft zu 100 % zu“, Zettel „Trifft überhaupt nicht zu“
Ablauf
Ablauf
Am Boden wird in der Klasse ein langer Strich mit einem Klebeband gezogen.
An das eine Ende kommt ein Zettel mit der Aufschrift „Trifft zu 100 % zu“, an
das andere Ende jener mit „Trifft überhaupt nicht zu“.
Dann werden nacheinander folgende Fragen gestellt, zu denen die Schüler/innen
mittels der Skala des Meinungsbarometers Stellung beziehen sollen:
Bei dieser kurzen Übung stellen sich alle Schüler/innen im Kreis auf und
beginnen mit einer Atemübung: mehrmals tief ein- und ausatmen. Die Lehrkraft macht dies vor. Wenn alle ausgeatmet haben, gibt die Lehrkraft ein
vorher vereinbartes Zeichen (beispielsweise: zweimal in die Hände klatschen).
Auf dieses Signal sollen alle so laut wie möglich „Stopp“ schreien.
Dies kann im Anschluss nochmals wiederholt werden.
➜ Es ist toll in einer Gesellschaft zu leben, deren Mitglieder viel Zivilcourage
besitzen und zeigen.
➜ Ich finde es gut, wenn sich jede/r um ihre/seine Angelegenheiten kümmert
und sich nicht einmischt.
➜ Es bringt nichts, gegen Vorurteile und Parolen einzutreten.
Danach wird die Übung nochmals durchgeführt, allerdings wird das Zeichen
zum lauten Schreien diesmal nach dem Einatmen und nicht nach dem Ausatmen gegeben. Pro Stopp-Schrei-Übung sollten etwa zwei Minuten
eingeplant werden.
(Quelle: Meyer, Gerd, u. a.)
Auf Rückfrage der Lehrkraft sollen die Schüler/innen ihre Positionierung entlang
des Meinungsbarometers begründen. Pro Frage stehen etwa zwei Minuten
Antwortzeit zur Verfügung.
Darauf soll geachtet werden:
➜ Die Schüler/innen sollen selbst entscheiden können, ob sie ihre
Positionierung begründen möchten.
➜ Auch gegensätzliche Meinungen sollen akzeptiert werden.
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3. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
StraSSenbahn
Bei diesem Rollenspiel mit zwei Varianten werden Übergriffe in der Straßenbahn nachgestellt, bei denen Zivilcourage ausbleibt bzw. gezeigt wird. Die
Schüler/innen sollen dabei die Unterschiede in der Reaktion und im Ausgang
des Ereignisses selbst erfahren. Dadurch wird ihr Einfühlungsvermögen gefördert. Dies motiviert die Schüler/innen, sich für eigene oder andere Interessen
einzusetzen. Zur Selbst- und Fremdreflexion wird angeregt.
Abschließend sollen im Plenum nacheinander die einzelnen Gruppen
befragt werden:
➜ Wie ist es den Angepöbelten/Opfern mit ihrer Rolle gegangen?
➜ Wie haben die Täter/innen ihre Rolle erlebt?
➜ Wie ist es den Fahrgästen mit ihrer Rolle ergangen?
➜ Was haben die Beobachter/innen empfunden?
Rollenspiel, Reflexion
17 min
Arbeitsblatt „Rollenkarten“ S. 19
Ablauf
Zu Beginn werden verschiedene Darsteller/innen für das Nachspielen einer
Szene in der Straßenbahn gesucht. Zwei Freiwillige erhalten die Rolle der
Opfer (Opfer 1 + 2), die von zwei weiteren Schülern/innen (Täter 1 + 2)
angepöbelt werden.
Nachdem die vier Rollenkärtchen aus dem Arbeitsblatt verteilt worden sind,
gehen die Schauspieler/innen aus der Klasse, um sich dort vorzubereiten.
In der Mitte der Klasse werden währenddessen mehrere Stühle in einer Zweierreihe aufgestellt, die die Straßenbahn nachstellen soll. Einige Schüler/innen
nehmen darauf Platz, um andere Fahrgäste zu mimen. Die Restlichen werden
zu Beobachtern/innen. Noch während die Schüler/innen vor der Klasse ihre
Rollen einüben, vereinbaren die Fahrgäste ihr Vorgehen:
Variante 1:
Die Fahrgäste greifen nicht ins Geschehen ein, auch wenn sie dazu aufgefordert werden. Sie ignorieren die Szene gänzlich.
Variante 2:
Die Fahrgäste greifen nicht sofort ins Geschehen ein, sondern erst nach einem
vereinbarten Zeichen durch die Lehrkraft.
Methodikinput Rollenspiel
Beim Rollenspiel sollen in einer lebhaften Art und Weise Selbst- und Fremdbeobachtung, Empathie, Flexibilität, Offenheit, Kooperations-, Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeit geschult werden. Dabei ist darauf zu
achten, dass beim Ablauf vier Phasen durchgemacht werden: Einstiegs-, Spiel-,
Ausstiegs- und Reflexionsphase.
Die Einstiegsphase ist dazu gedacht, in die Rolle zu finden, um beim Rollenspiel möglichst frei und locker, aber mit Bedacht auf die Vorgaben, seine/ihre
Rolle spielen zu können. Hier sollte die Lehrkraft nur auf Anfrage Hilfestellung
leisten.
Auf die Vorbereitungszeit folgt die Spielphase.
Nach dem Rollenspiel müssen die Schauspieler/innen aus ihren Rollen aussteigen. Dabei kann eine kleine Übung unterstützen: Alle Schüler/innen stellen
sich im Kreis auf, hüpfen gemeinsam ca. fünfmal in die Höhe und schreien
dabei: „Ich bin <Name> und <Jahreszahl> geboren.“
Darauf sollte eine offene Diskussion über die Empfindungen der Darsteller/innen
in ihren Rollen folgen: „Wie hast du dich gefühlt, als du XY gespielt hast?“
Anschließend werden die Rollen – nicht die Personen, die diese gespielt
haben – besprochen.
In der Reflexionsphase werden das Thema, die Handlung, die Kontroverse
sowie alternative Handlungsmöglichkeiten diskutiert.
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Handbuch zur Zivilcourage
4.
Vierte Unterrichtseinheit
In der vierten Unterrichtseinheit werden
Beobachtungen ausgetauscht und das
Paraphrasieren geübt. Eigene Grenzen
werden wahrgenommen und verteidigt.
Abschließend wird Zivilcourage pantomimisch dargestellt.
Hinweis:
Diese Übung bedarf einer Hausübung im Vorfeld.
Die Schüler/innern sollen über einen gewissen Zeitraum interessante
Vorfälle im Zusammenhang mit Zivilcourage dokumentieren und
Zeitungsartikel sammeln. Dazu erhält jede/r Schüler/in das Arbeitsblatt
„Beobachtungen“ (Seite 20).
Durch die kritische Beobachtung der Lebensumwelt der Schüler/innen wird
geschult, Zivilcourage wahrzunehmen. Unter Anwendung des Paraphrasierens
schildert jede/r Einzelne seine/ihre Ergebnisse. Dadurch lernen die Schüler/innen
den Unterschied zwischen Gesagtem, Gehörtem und Verstandenem besser
einzuschätzen. So aktivieren sie ihre selbstkritische Wahrnehmung, lernen andere
Perspektiven kennen und üben einen wertschätzenden Umgang miteinander.
ausgefülltes Arbeitsblatt „Beobachtungen“ S. 20
In Gruppen zu je drei Personen werden von den Schülern/innen ausgewählte
Fälle aus den Beobachtungen besprochen.
Jede/r der drei Schüler/innen hat dazu drei Minuten Zeit. Das ausgefüllte
Arbeitsblatt kann zur Hand genommen werden.
Dabei spricht immer nur eine/r. Eine weitere Person hört zu und stoppt die
Zeit. Die dritte Person schreibt das Erzählte mit.
Am Ende sollte jede/r Schüler/in jede Rolle einmal übernommen haben.
Abschließend geben die Schüler/innen der Reihe nach jene Schilderungen
wieder, die sie protokolliert haben. Die beiden anderen formulieren dazu ihr
Feedback:
➜ Ja, das habe ich so gesagt/verstanden.
➜ Nein, das habe ich so nicht gesagt/verstanden.
Beobachtungen
Hausübung,
Paraphrasieren
Ablauf
18 min
Arbeitswissen „Zuhören“
In vielen Situationen entwickeln sich Konflikte durch Übertragungsfehler
zwischen dem Aussenden und dem Empfangen einer Botschaft:
Gemeint ist nicht gesagt,
gesagt ist nicht gehört,
gehört ist nicht verstanden,
verstanden ist nicht einverstanden,
einverstanden ist nicht angewendet,
angewendet ist nicht beibehalten.
Um eine verständnisvollere Kommunikation zwischen Menschen zu ermöglichen, hilft es, zu überprüfen, welche Botschaft angekommen ist. In diesem
Zusammenhang sei auf das Prinzip des „Beobachtens ohne Bewerten“ aus
der „Gewaltfreien Kommunikation“ hingeweisen, das unter anderem in der
interkulturellen Kommunikation sehr hilfreich sein kann. Der/Die Gesprächspartner/in erfährt Aufmerksamkeit und Wertschätzung, Missverständnisse
können vermieden werden.
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4. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
Stopp
1. Schritt
Der/Die Angreifer/in bleibt beim ersten „Stopp/Anhalten“ sofort stehen.
Bei dieser Übung stehen Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion im Mittelpunkt. Die Schüler/innen spüren ihre Grenzen und lernen, wie weit sie gehen
müssen, um Grenzüberschreitungen glaubwürdig zurückzuweisen.
Reflexion
10 min
Ablauf
Diese Übung baut sich in mehreren Schritten auf.
Zwei Personen stehen sich in sehr großem Abstand gegenüber (10m oder
mehr). Eine/r ist der/die Angreifer/in, der/die andere ist Opfer.
Der/Die Angreifer/in geht mit zügigem Schritt und böser Miene auf die andere
Person zu. Diese hört auf ihre innere Stimme. Sobald sie ein ungutes Gefühl
hat, nimmt sie eine selbstsichere Haltung ein, blickt dem/der Angreifer/in fest
in die Augen und sagt laut und deutlich „Stopp“ oder „Anhalten“.
2. Schritt
Die angreifende Person lässt sich nicht mehr vom ersten „Stopp“ beeindrucken
und geht weiter auf das Opfer zu. Erst bei der zweiten Aufforderung, nicht
weiter zu gehen, bleibt sie stehen.
3. Schritt
Der/Die Angreifer/in bleibt erst dann stehen, wenn er/sie das Gefühl hat,
besser nicht mehr weiter zu gehen. Also dann, wenn die Abwehrreaktion
glaubwürdig ist.
In der letzten Stufe kann es sein, dass die angegriffene Person mehrmals
„Stopp“ rufen und richtig laut werden muss. Aber genau das ist Sinn der
Übung: die Stimme einsetzen, laut werden, der Empörung freien Lauf lassen.
(Quelle: http://www.eingreifen.de)
Bei der Nachbesprechung sollen die Akteure/innen ihre Rollen mit Hilfe
folgender Impulsfragen reflektieren:
➜ Wie ist es dir bei der Übung ergangen?
➜ Wie hast du dich in deiner Rolle gefühlt?
➜ Was hat dich überrascht?
➜ Was war unangenehm/angenehm?
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4. Unterrichtseinheit
Handbuch zur Zivilcourage
Schnappschuss
Das hier zu erarbeitende Statuentheater ermöglicht einen weiteren, neuen
Zugang zu Zivilcourage. Nicht Worte oder Taten, sondern die bloße Wirkung
eines Bildes steht im Vordergrund. Die Schüler/innen lernen dabei nicht nur
andere Perspektiven kennen, sondern erarbeiten einmal mehr alternative
Formen von Zivilcourage.
Statuentheater,
Diskussion
22 min
Ablauf
Die Dreiergruppen aus der Übung „Beobachtungen“ schließen sich zu drei
großen Gruppen zusammen. Jede Gruppe einigt sich auf eine Beobachtung
(Hausübung), die sie im Folgenden pantomimisch darstellt. Dabei sollen die
Schüler/innen weder sprechen noch ihre Beobachtung nachspielen, sondern
diese in Form eines „Standbilds“ ausdrücken. Standbild bedeutet dabei, dass
die Akteure/innen versuchen, eine Szene in einem Bild einzufangen und,
Statuen gleich, nachzustellen. Wichtig ist, dass die Darstellungen nicht nur die
Szene zeigen, in der Zivilcourage gefragt ist, sondern auch den Teil, in dem
Zivilcourage passiert. Wurde in der jeweiligen Beobachtung keine Zivilcourage
gezeigt, so soll dieser Teil von den Schülern/innen erfunden werden.
Nach der Vorbereitungszeit präsentieren die Gruppen der Reihe nach ihre
Darstellung. Die Mitschüler/innen betrachten diese kommentarlos. Nach einer
Minute wird das jeweilige Bild aufgelöst. Die Schüler/innen sollen nun folgende
Fragen beantworten:
➜ An die Betrachter/innen:
Was könnte das gezeigte Standbild darstellen?
➜ An die Schauspieler/innen:
Was stellt ihr tatsächlich dar?
➜ An alle:
Was ist die Zivilcourage in dieser Szene?
➜ An alle:
Wem fällt eine alternative Form von Zivilcourage dazu ein?
13
arbeitsblatt „Was? Wie? Wo? Wer?“
Welche Gemeinsamkeiten haben die Geschichten?
– wenn nein, wieso nicht?
– wenn ja, wie?
Hätte man dieser Situation auch aus dem Weg gehen können?
War es mutig, hier einzugreifen?
Was war hier die „Zivilcourage“?
Wie ist es zu der Situation gekommen?
Titel der Geschichte
Handbuch zur Zivilcourage
HandbucH zur zivilcourage
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− Wie würdest du heute reagieren?
− Was hättest du dir gewünscht, dass geschieht?
− Wie hast du die Reaktionen anderer dabei empfunden?
− Wie hast du dich verhalten?
Denke an ähnliche Situationen wie im Film, die du erlebt hast!
Handbuch zur Zivilcourage
arbeitsblatt „Meine erfaHrungen“
HandbucH zur zivilcourage
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arbeitsblatt „reaktionsMöglicHkeiten“
Welche Handlungen sollte man vermeiden?
Welche Konsequenzen sollte man, eurer Meinung nach, im Zusammenhang mit
Zivilcourage beachten?
− Welche alternativen Reaktionsmöglichkeiten wären möglich gewesen?
− Gab es Hilfestellungen und wenn ja, welche?
Welche Situationen, in denen Zivilcourage gefordert war, habt ihr bereits erlebt?
In der vierten Geschichte erfahren wir, wie ein Jugendlicher, durch intelligente
Intervention, einem anderen hilft, einer Schlägertruppe zu entkommen. Wie hätte er
alternativ handeln können?
Um Vorurteile gegenüber fremden Traditionen und Rollenbildern geht es in der
dritten Geschichte. Hier beweist eine ältere, Kopftuch tragende Österreicherin
Zivilcourage, indem sie zwei junge Frauen direkt auf die Charakterlosigkeit ihres
Verhaltens anspricht. Welche anderen Reaktionsmöglichkeiten hätte sie gehabt?
In der zweiten Geschichte, an der Bushaltestelle, zeigt der jüngere Protagonist dem
älteren „Lästerer“ ganz deutlich, was er von seinen und den Vorurteilen des Boulevardblattes hält. Hätte er auch anders reagieren können? Wie?
Ausgrenzung kann bereits am Spielplatz, unter Kindern, beginnen. Wie hätten der
Junge/das Mädchen aus der ersten Geschichte sonst noch reagieren können?
Handbuch zur Zivilcourage
HandbucH zur zivilcourage
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Handbuch zur Zivilcourage
arbeitsblatt „keine HeMMungen i“
Fall 1: Frau L. ist Afro-Österreicherin. Im Jänner fährt sie mit ihrer einjährigen Tochter mit der Wiener Straßenbahnlinie 43. Ein älterer, sichtlich
angetrunkener Mann steigt ein. Frau L.s Tochter lächelt ihn an und winkt.
Der Mann beginnt sofort, auf „die Ausländer“ zu schimpfen. Das Mädchen
lächelt ihn noch einmal an. Daraufhin sagt der Mann zu ihr: „Du kleines N...
lein.“ Frau L. steht auf und wendet sich verärgert an den Mann: „Sind’s
jetzt einfach still!“ Er murmelt weiter. Frau L. wiederholt: „Sie haben mich
schon verstanden, halten’s jetzt einfach ihre Klappe!“ Der Mann entfernt
sich von ihr, schimpft jedoch weiter: „Die Ausländer, kan Wiener gibt’s
mehr in der Stadt!“ Niemand außer Frau L. spricht den Mann auf seine
rassistischen Aussagen an.
Fall 2: Eine junge Frau mit Kopftuch schiebt im Oktober einen
Kinderwagen mit Zwillingen durch
die Wiener U-Bahn-Station Volkstheater. Neben ihr gehen noch
zwei weitere Kleinkinder. Eine
ältere Frau kommt ihnen am
Bahnsteig entgegen und meint:
„Wie viele Kinder wollen sie
noch kriegen?“ Die junge Muslima
erwidert, dass sie das wohl kaum
etwas anginge. Daraufhin konstatiert die alte Frau, begleitet von
anzüglichen Handbewegungen:
„Ihr kommt’s hierher und könnt’s
nur Kinder machen!“ Die junge
Mutter geht weiter, ohne sich
umzudrehen.
Fall 3: Frau I. berichtet ZARA im
Oktober von folgendem Vorfall.
Zwei Männer, beide etwa
50 Jahre alt, gehen zügig auf
die U-Bahn-Station Reumannplatz
zu und skandieren dabei laut:
„Ju-den-schwei-ne! Judenschwei-ne!“
Fall 4: Frau K. meldet ZARA im
Februar, dass sich auf dem Auto
eines Nachbarn ein Aufkleber
befindet, auf dem der Prophet
Mohammed als Schwein abgebildet
ist, darunter steht der Schriftzug
„Islam Nein Danke“.
HandbucH zur zivilcourage
Fall 5: Herr A. ist gambischer Staatsbürger, er lebt und arbeitet in Wien.
Eines Abends im April befindet er sich auf dem Heimweg und besteigt in
Grinzing einen Wagen der Straßenbahnlinie 38. In der Nähe der Türe sitzen
drei ältere Herren und zwei Damen im gleichen Alter. Als einer der beiden
auf Herrn A. aufmerksam wird, sagt er zu seinem Sitznachbarn: „Schau, da
kommt ein Schwarzer!“. Der Sitznachbar erwidert: „Schieß den einfach ab
und schmeiß’n raus aus der Bahn.“ Die Gruppe lacht aus vollem Herzen, bis
einer der Herren bemerkt, dass Herr A. ihn entsetzt ansieht. Der Mann ermahnt
daraufhin seinen Bekannten: „Pass auf, ich glaub, der kann uns verstehen.“
Fall 6: Herr B. ist nigerianischer Staatsbürger und wohnt mit seiner Ehefrau im 10. Wiener Gemeindebezirk. An einem Märzabend gegen 20 Uhr
geht er aus seiner Wohnung auf die Straße, um bei einem nahe gelegenen
Automaten Zigaretten zu kaufen. Als er zum Eingang seines Wohnhauses
zurückkehrt, bemerkt er zwei junge Männer im Alter von etwa 25 Jahren
vor dem Gebäude. Als er an ihnen vorbeigeht, ruft man ihm zu: „Servus
N...!“ Herr B. ignoriert die rassistische Beleidigung und geht an dem Mann
vorbei. Plötzlich sagt der zweite junge Mann: „Scheißn..., was machst du in
Österreich? Wir sind Skinheads und töten N...!“ Als sich Herr B. umdreht,
versetzt ihm einer der Männer mit einer Weinflasche einen Schlag mitten
ins Gesicht, wodurch ihm eine offene Wunde an der Lippe zugefügt wird
und drei Zähne anbrechen. Herr B. verliert kurz das Bewusstsein und fällt zu
Boden, die Männer treten auf ihn ein. Passanten/innen, die den Vorfall sehen
und seine Hilfeschreie hören, kommen Herrn B. nicht zu Hilfe. Plötzlich
zückt einer der Angreifer ein Springmesser. Mit letzter Kraft springt Herr B.
auf und läuft davon. Im Laufen versucht er, mit seinem Handy die Polizei zu
rufen. Die beiden Männer verfolgen ihn, einer ruft: „Nimm ihm das Handy
weg!“ Herr B. kann ein herannahendes Auto anhalten und den Fahrer um
Hilfe ersuchen. Die Angreifer sehen dies und verstecken sich in einer Wohnhausanlage. Herr B. schafft es, die Polizei und seine Ehefrau zu verständigen...
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Handbuch zur Zivilcourage
arbeitsblatt „keine HeMMungen ii“
Fall 7: Frau O. ist Lehrerin an einem Gymnasium. Im Rahmen eines
einwöchigen Schulausfluges besucht sie mit 40 Schülern/innen und drei
Kollegen/innen das Konzentrationslager Auschwitz in Polen. Sie ersucht
ZARA, die während dieses Ausfluges von ihren Kollegen/innen getätigten
Aussagen zu dokumentieren: „Die Scheiß Zigeuner, das Gesindel“, „Es gibt
eben völkische und rassische Unterschiede“, „Diese Leute [Anm.: gemeint
sind Einwohner/innen arabischer Staaten/Diktaturen] kann man nicht anders
regieren“, „Die Türken halten sich nicht an die österreichischen Gesetze“,
„Die Ungarn und die Tschechen halten sich nicht an die österreichische
Straßenverkehrsordnung“, „Ich habe nicht viel zur Erhaltung der Menschheit beigetragen. Ich habe nur zwei Kinder in die Welt gesetzt. Zwei Kinder
erhalten die Art, drei die Rasse“.
Fall 8: Frau T. arbeitet in einer
öffentlichen sozialen Beratungseinrichtung in Wien und informiert
ZARA im September telefonisch
über folgende Vorfälle: Eine ihrer
Kolleginnen fällt seit einiger Zeit
mit ausländerfeindlichen Aussagen
auf. So meint sie in einer E-Mail,
in der sie um Urlaub ersucht, dass
sie an diesen Tagen „eh keine
Tschuschen-Familien zugeteilt“ bekommen habe. Beim Mittagstisch
äußert sich die Kollegin über ihre
Klienten/innen: „Die werden‘s bald
merken, die Tschuschen, dass ich
sie nicht will.“
Fall 9: In einer Wiener Straßenbahn unterhalten sich zwei junge
Männer. Frau S. vermutet, dass
die beiden oder ihre Eltern
philippinischer Herkunft sind. Als
einer der beiden Männer aussteigt,
wendet sich eine ältere Frau an
den zweiten Mann und erkundigt
sich, woher er komme. Dieser
antwortet, dass er Österreicher
sei und in Wien geboren wurde.
Darauf erwidert die Frau, dass er
kein Österreicher sein könne, da
nur Weiße Österreicher seien. Der
junge Mann antwortet darauf nicht
mehr.
HandbucH zur zivilcourage
Fall 10: Frau P. und ihre Schwester fahren im Oktober mit der Wiener
Schnellbahn. Während der Fahrt unterhalten sie sich teilweise in Deutsch
und in ihrer Muttersprache Arabisch. Dies stört zwei andere Fahrgäste, sie
beginnen, die beiden als „arabische Schlampen“ zu beschimpfen. Außerdem drohen sie den beiden, dass sie „vergast und verbrannt gehören“ und
zünden zur Bekräftigung ihrer Aussage mehrmals ihre Feuerzeuge an. Die
Belästigungen und Beschimpfungen dauern etwa fünf Minuten. Während
des ganzen Vorfalls verhalten sich Frau P. und ihre Schwester ruhig, damit
die Situation nicht eskaliert. Leider werden sie von den übrigen Fahrgästen
nicht unterstützt. Frau P. will den Vorfall lediglich dokumentiert wissen.
Fall 11: Frau M. geht im Februar mit
ihrem dreijährigen Sohn in einem
Park in Graz spazieren. Ihr Sohn
hat dunkle Haare. Als sie sich dem
Spielplatz nähern, werden sie als
„Türkenbagage“ beschimpft. Ihr
Sohn möchte trotzdem auf dem
Spielplatz mit einem anderen Kind
spielen. Dessen Vater schreit Frau
M.s Sohn plötzlich an: „Schö Di
[Steirisch für „Schleich Dich!“,
Anm.], Du klanes Türkenschwein!“
Fall 12: In einem Artikel auf der
Homepage eines österreichischen
Radiosenders wird über den Film
„Operation Walküre“ berichtet. Ein
Poster schildert einen Vorfall, den
er im Anschluss an die Vorstellung
dieses Films in einem Wiener
Kino erlebt hat: Als der Abspann
beginnt, springen einige Kinobesucher auf und schreien laut:
„Hoch lebe Adolf Hitler!“
Fall 13: Frau U. steht Anfang September am Wiener Schottentor. Als es zu
einer Auseinandersetzung zwischen Taxifahrern kommt, bei der es offenbar
um die Standreihenfolge geht, beschimpft ein Fahrer seinen Kollegen mit
schwarzer Hautfarbe und meint, er solle „zurück nach Hause auf seinen
Baum“ gehen. Als sich Frau U. angesichts dieser rassistischen Beleidigung
einmischt, werden ihr Prügel angedroht. Sie verlässt den Ort des Geschehens.
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Halbbruder von
„Opfer 1“
etwa 30 Jahre alt
Student
Halbbruder von
„Opfer 2“
etwa 55 Jahre alt
Arzt eines
Krankenhauses
Täter 2
helle Hautfarbe
ehemaliger Kollege
von „Täter 1“
etwa 32 Jahre
zur Zeit arbeitslos
spricht im Dialekt
Deutsch
österreichischer
Staatsbürger
helle Hautfarbe
ehemaliger Kollege
von „Täter 2“
etwa 28 Jahre
Elektrotechniker
spricht im Dialekt
Deutsch
österreichischer
Staatsbürger
geboren und
aufgewachsen in
den USA
Täter 1
österreichischer
Staatsbürger
spricht perfekt Deutsch
dunkle Hautfarbe
dunkle Hautfarbe
spricht nur Englisch
Opfer 2
Opfer 1
Handbuch zur Zivilcourage
arbeitsblatt „rollenkarten“
HandbucH zur zivilcourage
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arbeitsblatt „beobacHtungen“
Es gibt Situationen, in denen zivilcouragiertes Handeln ausbleibt.
Was könnten Gründe dafür sein?
Hast du auch über Situationen/Vorfälle gelesen, in denen es Zivilcourage
gebraucht hätte? Beschreibe die Situationen:
Hast schon einmal über Zivilcourage gelesen und wenn ja, wo?
Beschreibe die Geschichte:
Hast du schon einmal Situationen erlebt/beobachtet, in denen Zivilcourage
vonnöten gewesen wäre? Beschreibe die Situation:
Hast du in deinem Alltag bereits Situationen erlebt/beobachtet, in denen
zivilcouragiert gehandelt wurde? Beschreibe die Situation:
Handbuch zur Zivilcourage
HandbucH zur zivilcourage
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Vertiefung
Links und Literatur
Workshops & Co
Gugl, Günther (2010): Zivilcourage lernen, Tübingen.
http://www.friedenspaedagogik.de/content/download/6584/35543/file/
Kapitel%204.1.pdf
Trägerorganisationen von Land der Menschen bieten ein vielfältiges Angebot
für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Themen des Medienpakets
„Sichtweisen – Integration, Legal, Vorurteile, Handbuch zur Zivilcourage“ an.
Diese Maßnahmen umfassen etwa organisierte Schulbesuche von Personen
mit Migrationshintergrund, thematische Workshops, Planspiele, den Verleih
von ergänzenden Arbeitsmaterialien und Pakete für den außerschulischen
Jugendbereich.
Koblank, Robert: Was versteht man unter „Zivilcourage“?
http://www.georg-elser-arbeitskreis.de/texts/zivilcourage-begriff.htm
Kotalakidis, Nikolaos (1999): Von der nationalen Staatsangehörigkeit zur
Unionsbürgerschaft, Baden-Baden.
Meyer, Gerd: Was heißt Zivilcourage heute?
http://www.gemeinsinn.de/assets/files/Vortrag_Zivilcourage_heute_230905.pdf
Einen aktuellen Gesamtüberblick über die Angebote der Trägerorganisationen
von Land der Menschen – Aufeinander Zugehen OÖ finden Sie auf unserer
Homepage:
www.landdermenschen.at
Meyer, Gerd, u. a. (2004): Zivilcourage lernen – Analysen, Modelle, Arbeitshilfe,
Tübingen.
http://www.bpb.de/publikationen/K74L8K,0,Zivilcourage_lernen%
3A_Analysen_%96_Modelle_%96_Arbeitshilfen.html
http://www.eingreifen.de/html/uebungen-zivilcourage-eingreifen.de.html
http://www.psychologie.uzh.ch/fachrichtungen/motivation/zivilcourage/
zivilcourage.html
http://www.zara.or.at/index.php/beratung/rassismus-report
Impressum:
Medieninhaber und Herausgeber:
Verein Land der Menschen – Aufeinander Zugehen OÖ
Kapuzinerstraße 84, A-4021 Linz, T +43 732 678883
[email protected], www.landdermenschen.at
Pädagogisches Konzept: Mag. Reinhard Leonhardsberger MA
Redaktion: Mag.a Melanie Zach, Mag. Reinhard Leonhardsberger MA
Lektorat: Mag.a Katja Fischer MAS
Satz und Gestaltung: Richard Fischer
Druck: Pecho-Druck GmbH, Linz
1. Auflage 2012 © Alle Rechte vorbehalten
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