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GuG Nr. 7/2015
GuG Nr. 6/2015
Fehlinterpretierter
Durchschnitt
Die Psychologin und GuG-Mitarbeiterin
Liesa Klotzbücher widmete sich der Frage, wie
Von wegen Ruhestand!
Senioren sind auch nicht mehr das, was sie mal
waren. Da sich der altersbedingte Abbau
immer weiter nach hinten verlagert, verbringen
sie den Lebensabend oft noch topfit.
es um unsere Gesundheit im Alter bestellt
ist (»Die gewonnene Zeit«, Heft 6/2015, S. 76).
Bernd Kersten, Bern (Schweiz): Bei der PrognoGuG Nr. 5/2015
se der Lebenserwartung der Autorin am Ende des
oberflächlich definiert wird. Mir ist in diesem
Textes heißt es: »Bis zu ihrem aktiven und ge-
­Zusammenhang einmal ein sehr gutes Buch (Mi-
Nachbestellungen unter:
www.gehirn-und-geist.
de/archiv
oder telefonisch:
06221 9126-743
sunden Ruhestand vergehen noch mindestens
haly Csikszentmihalyi: »Lebe gut!«) in die Hände
40 Jahre.« Das ist (leider) nur richtig, wenn die
gefallen, worin die Bedeutung der individuellen
Autorin in 40 Jahren noch lebt und vorher nicht
Komponente von Glück in den Vordergrund ge-
erkrankt – und der Ruhestand dann immer noch
stellt wird. Danach hat Glück sehr wohl mit
so spät im Leben sein sollte. Diese Versuchung,
­Anstrengung zu tun. Das Entscheidende sei aber
Durchschnittswerte auf individuelle Personen
die individuelle Ausgangsbasis: Wer sich ent­
oder interessierende Ereignisse anzuwenden, ist
sprechend seinen individuellen Möglichkeiten
allgegenwärtig, aber falsch. Es ist ja nicht nur so,
realisierbare Ziele setzt, hat demnach weit mehr
dass Durchschnittswerte falsch interpretiert
Aussicht, Glück zu erleben, verglichen mit mehr
werden, sondern die individuellen (Lebens-)Um-
oder weniger unrealistischen Zielen.
stände verändern die Erwartungen entscheidend
(bedingte Wahrscheinlichkeiten). Eine Zeitschrift
Erklären versus beschreiben
wie GuG sollte der Versuchung, ungerechtfertigt
Die Wissenschaftsjournalistin Manuela Lenzen
zu verallgemeinern, widerstehen.
verteidigte das Bestreben von Forschern,
Aussicht auf Glück
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menschliches Verhalten und Erleben mit neurowissenschaftlichen Modellen zu erklären
Statt positive Momente zu genießen, entwickeln
(»Nur ein Haufen Neurone?«, Heft 7/2015, S. 68).
manche Menschen regelrecht Angst vor dem
Reinhard Mario Fox, Lübeck: Die Behauptung
Glücklichsein, schrieb die Psychologin Hanna
der Naturalisten, Hirnforscher könnten welche
Drimalla (»Glück lass nach!«, Heft 7/2015, S. 40).
psychologischen Phänomene auch immer erklä-
Tom Wickert, San Mariano (Italien): Das inte­
ren, ist zwar oft kolportiert, aber deswegen noch
ressante Thema verfehlt sein Ziel, da Glück sehr
lange nicht richtig. Hirnforscher können durchGehirn und Geist
aus wertvolle Beiträge liefern, die die körper­
Psychologische oder geistige Vorgänge sind
lichen Trägerprozesse psychischer Funktionen
zwar determiniert durch ihre materiellen Eigen-
beschreiben, aber Beschreibungen sind keine Er-
schaften und gehen aus diesen hervor, aber sie
klärungen! Dieser gravierende Kategorienfehler
sind durch diese nicht angemessen beschreibbar,
wird leider zu oft begangen. Es ist bedauerlich,
schon gar nicht erklärbar. Auch folgt aus der
dass auch die Autorin des ansonsten lesenswer-
­Determiniertheit nicht, dass sich die Entwick-
ten Artikels zu oft Beschreibungen und Erklärun-
lung psychologischer Systeme vorhersagen lässt,
gen synonym verwendet.
da sie sowohl einen zu hohen Grad der Kom­
Dagegen halte ich: Die physikalischen Wirk-
plexität aufweisen wie auch nichtlinearen Kau-
lichkeiten der Naturalisten sind nicht identisch
salitätsprozessen unterliegen; sie bedürfen im-
mit den Phänomenen der Psychologie. Die
manenter Kategorien zu ihrer Beschreibung und
­Neurowissenschaften geben zwar eine auf ihren
Erklärung.
Be­obachtungsebenen gute Beschreibung – aller-
Der Physik geht es um die Klärung wider-
dings keine Erklärung! – für psychische Prozesse,
spruchsfreier Gesetzmäßigkeiten. Der Psycholo-
teilweise auch einen Erklärungsansatz, aber si-
gie geht es um die Deutung, die Bedeutung und
cher keinen vollständigen. In ihrer biologisti-
das Verstehen von Phänomenen. Es geht ihr
schen Ausprägung wiederholt die Hirnforschung
nicht um Gesetze, sondern um Regeln. Daher
nur einen überholten kruden Determinismus
wird sie stets eine eigenständige Disziplin inner-
und feiert alte mechanistische Modelle vom
halb der anderen Humanwissenschaften blei-
Menschen.
ben – jedenfalls, wenn man sie recht versteht.
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Gehirn und Geist
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