L eser b r i e fe Zuletzt erschienen: iStock / Steve Cole Images GuG Nr. 7/2015 GuG Nr. 6/2015 Fehlinterpretierter Durchschnitt Die Psychologin und GuG-Mitarbeiterin Liesa Klotzbücher widmete sich der Frage, wie Von wegen Ruhestand! Senioren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Da sich der altersbedingte Abbau immer weiter nach hinten verlagert, verbringen sie den Lebensabend oft noch topfit. es um unsere Gesundheit im Alter bestellt ist (»Die gewonnene Zeit«, Heft 6/2015, S. 76). Bernd Kersten, Bern (Schweiz): Bei der PrognoGuG Nr. 5/2015 se der Lebenserwartung der Autorin am Ende des oberflächlich definiert wird. Mir ist in diesem Textes heißt es: »Bis zu ihrem aktiven und ge- Zusammenhang einmal ein sehr gutes Buch (Mi- Nachbestellungen unter: www.gehirn-und-geist. de/archiv oder telefonisch: 06221 9126-743 sunden Ruhestand vergehen noch mindestens haly Csikszentmihalyi: »Lebe gut!«) in die Hände 40 Jahre.« Das ist (leider) nur richtig, wenn die gefallen, worin die Bedeutung der individuellen Autorin in 40 Jahren noch lebt und vorher nicht Komponente von Glück in den Vordergrund ge- erkrankt – und der Ruhestand dann immer noch stellt wird. Danach hat Glück sehr wohl mit so spät im Leben sein sollte. Diese Versuchung, Anstrengung zu tun. Das Entscheidende sei aber Durchschnittswerte auf individuelle Personen die individuelle Ausgangsbasis: Wer sich ent oder interessierende Ereignisse anzuwenden, ist sprechend seinen individuellen Möglichkeiten allgegenwärtig, aber falsch. Es ist ja nicht nur so, realisierbare Ziele setzt, hat demnach weit mehr dass Durchschnittswerte falsch interpretiert Aussicht, Glück zu erleben, verglichen mit mehr werden, sondern die individuellen (Lebens-)Um- oder weniger unrealistischen Zielen. stände verändern die Erwartungen entscheidend (bedingte Wahrscheinlichkeiten). Eine Zeitschrift Erklären versus beschreiben wie GuG sollte der Versuchung, ungerechtfertigt Die Wissenschaftsjournalistin Manuela Lenzen zu verallgemeinern, widerstehen. verteidigte das Bestreben von Forschern, Aussicht auf Glück 6 menschliches Verhalten und Erleben mit neurowissenschaftlichen Modellen zu erklären Statt positive Momente zu genießen, entwickeln (»Nur ein Haufen Neurone?«, Heft 7/2015, S. 68). manche Menschen regelrecht Angst vor dem Reinhard Mario Fox, Lübeck: Die Behauptung Glücklichsein, schrieb die Psychologin Hanna der Naturalisten, Hirnforscher könnten welche Drimalla (»Glück lass nach!«, Heft 7/2015, S. 40). psychologischen Phänomene auch immer erklä- Tom Wickert, San Mariano (Italien): Das inte ren, ist zwar oft kolportiert, aber deswegen noch ressante Thema verfehlt sein Ziel, da Glück sehr lange nicht richtig. Hirnforscher können durchGehirn und Geist aus wertvolle Beiträge liefern, die die körper Psychologische oder geistige Vorgänge sind lichen Trägerprozesse psychischer Funktionen zwar determiniert durch ihre materiellen Eigen- beschreiben, aber Beschreibungen sind keine Er- schaften und gehen aus diesen hervor, aber sie klärungen! Dieser gravierende Kategorienfehler sind durch diese nicht angemessen beschreibbar, wird leider zu oft begangen. Es ist bedauerlich, schon gar nicht erklärbar. Auch folgt aus der dass auch die Autorin des ansonsten lesenswer- Determiniertheit nicht, dass sich die Entwick- ten Artikels zu oft Beschreibungen und Erklärun- lung psychologischer Systeme vorhersagen lässt, gen synonym verwendet. da sie sowohl einen zu hohen Grad der Kom Dagegen halte ich: Die physikalischen Wirk- plexität aufweisen wie auch nichtlinearen Kau- lichkeiten der Naturalisten sind nicht identisch salitätsprozessen unterliegen; sie bedürfen im- mit den Phänomenen der Psychologie. Die manenter Kategorien zu ihrer Beschreibung und Neurowissenschaften geben zwar eine auf ihren Erklärung. Beobachtungsebenen gute Beschreibung – aller- Der Physik geht es um die Klärung wider- dings keine Erklärung! – für psychische Prozesse, spruchsfreier Gesetzmäßigkeiten. Der Psycholo- teilweise auch einen Erklärungsansatz, aber si- gie geht es um die Deutung, die Bedeutung und cher keinen vollständigen. In ihrer biologisti- das Verstehen von Phänomenen. Es geht ihr schen Ausprägung wiederholt die Hirnforschung nicht um Gesetze, sondern um Regeln. Daher nur einen überholten kruden Determinismus wird sie stets eine eigenständige Disziplin inner- und feiert alte mechanistische Modelle vom halb der anderen Humanwissenschaften blei- Menschen. ben – jedenfalls, wenn man sie recht versteht. Briefe an die Redaktion … sind willkommen! Schreiben Sie bitte mit Ihrer vollständigen Adresse an: Gehirn und Geist Hanna Sigmann Postfach 10 48 40 69038 Heidelberg E-Mail: [email protected] Fax: 06221 9126-779 Weitere Leserbriefe finden Sie unter: www.spektrum.de/ gug-leserbriefe DIE SPEK TRUM SCHREIBWERKSTAT T Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie ein wissenschaftlicher Verlag arbeitet, und die Grundregeln fachjournalistischen Schreibens erlernen? Dann profitieren Sie als Teilnehmer der SpektrumWorkshops »Wissenschaftsjournalismus« und »Das Interview« vom Praxiswissen unserer Redakteure. Ort: Heidelberg Spektrum-Workshop »Wissenschaftsjournalismus«; Preis: € 139,– pro Person; Sonderpreis für Abonnenten: € 129,– Spektrum-Workshop »Das Interview«; Preis: € 179,– pro Person; Sonderpreis für Abonnenten: € 159,– Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit: Telefon: 06221 9126-743 spektrum.de/schreibwerkstatt Fax: 06221 9126-751 | E-Mail: [email protected] Hier QR-Code per Smartphone scannen.
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