Dr. Renate Spraul Arbeitswirtschaft im Gartenbau Umsatzst.ID: DE203532558 Steinweg 45 D-74206 Bad Wimpfen Tel. 0049 - (0)7063 - 8173 (Bitte auf AB sprechen – Danke) email: [email protected] 9. Niedersächsisches Fachforum Ökolandbau 26.11.2015 Altwarmbüchen Planen – Organisiere – Improvisieren Praktische Arbeitswirtschaft im Betriebsalltag Gerade in den unscheinbaren Abläufen des Alltags liegt hohes Einsparpotential. Bei der Arbeit wiederholen die Hände tausendfach Bewegungen, die in der Summe zu vielen Kilometern und hunderten von Arbeitsstunden werden. Wo steckt die Reserve und wie kann man sie aufdecken? Dem Detail auf der Spur Allzu oft werden bei Erntearbeiten die Pflanzen noch einmal von einer Hand in die andere übergeben. Dies nennt man einen sogenannter „Übergabegriff“. Da dieser Vorgang uns so leicht von der Hand geht, ist er manchmal schwer zu entdecken. Werden Sie zum arbeitswirtschaftlichen Forscher: Wo mache ich Übergabegriffe in meinem Arbeitsablauf? Versuchen Sie einmal in Zeitlupe zu arbeiten oder nehmen sie eine Videokamera zu Hilfe. Wann liegt die Pflanze plötzlich in der anderen Hand? Weshalb tue ich das? Wollte ich an einer anderen Stelle zugreifen, um ein Blatt abzuziehen? Oder stehe ich mit der falschen Körperseite Richtung Ernteband und kann den Blumenkohl nur ablegen, wenn ich ihn vorher von einer Hand in die andere übergebe? Die Vermeidung eines Übergabegriffes ist nur ein Beispiel für verborgene Rationalisierungsreserven im Betrieb. Ein einziger Übergabegriff dauert 1,07 Sekunden. 1,07 Sekunden x 500 000 Wiederholungen führt zu 149 Stunden Arbeitszeit. Wie werden aus Sekunden Stunden? Die Bewegung beim Übergabegriff dauert gerade einmal 1,07 Sekunden. Das erscheint nun nicht sehr bedeutend, aber genau hier steckt der Teufel im Detail. 500 000 gesparte Griffe ergeben 149 Stunden gesparte Arbeitszeit. Kann also beim Erntevorgang ein einziger Übergabegriff weggelassen werden, so gewinnt man viele Stunden Arbeitszeit. Zu weit, zu hoch, zu oft Ähnlich gestaltet sich die Arbeitszeiteinsparung durch das Verkürzen von Greifwegen. Zum Beispiel könnte man eine Kiste näher heranstellen: 55 cm statt 65 cm Abstand ergeben eine Einsparung von 10 cm Greifweg. Umgerechnet in gesparte Arbeitszeit bei 500 000 Greifvorgängen gewinnt der Betrieb 28 Stunden. Kann das Ernteband 10 cm abgesenkt werden, dann sind 28 Stunden gewonnen. Wo wird abgelegt? Wie weit ist es weg? Der kürzeste Greifweg gewinnt. Wenn es möglich ist mehrere Dinge auf einmal in der Hand zu halten, dann spart das viele Greifvorgänge. Wenn beide Hände gleichzeitig in Aktion sind, ist man schneller fertig. Auswirkung unterschiedlicher Greifwege im Gemüsebau In der folgenden Tabelle finden Sie die notwendigen Arbeitszeiten, um bestimmte Greifwege zurück zu legen. Nur die Greifwege beim Hinlangen und Bringen, ohne Greifen und ohne Ablegen. Obere Zeile: Einfache Entfernung des Greifweges in cm (z.B. Kistenabstand) 4 1,2 8 12 16 20 24 28 30 35 40 45 50 55 60 65 70 1,8 2,2 2,6 2,9 3,2 3,5 3,7 4,0 4,4 4,8 5,2 5,6 5,9 6,3 Untere Zeile: Angabe in Wochen für 500 000 Griffe (Zeit für den Hin - u. Rückweg) mit 5 Tagen pro Woche und 8 Stunden pro Tag 6,7 Daten nach MTM Normzeiten Rechenbeispiele zur Tabelle: a) Die Entfernung zwischen Hand und Kiste beim Ablegen wird von 30 auf 16 cm verringert. Bei 500 000 abgelegten Teilen ergibt sich eine zeitliche Einsparung von 1,1 Wochen Arbeitszeit. (3,7 - 2,6 = 1,1) b) Der durchschnittliche Greifweg aus der Kiste wird von 65 cm auf 40 cm reduziert. Dies ergibt eine zeitliche Einsparung von 1,9 Wochen = 76 Stunden für 500 000 Vorgänge. (6,3 – 4,4 = 1,9; 1,9 Wo x 5 Tage x 8h = 76 h) Achtung: Eine Verringerung des Greifweges um 4 cm entspricht nicht einer Einsparung von 1,2 Wochen. Die Einsparung entspricht immer der Differenz der oben genannten Werte. Für Müll gibt es kein Geld Immer wieder müssen schlechte Waren entsorgt werden. Auch der Greifweg zur Kompostkiste sollte so kurz als möglich sein. (s. Abb. 6) Das Augenmerk auf die Müllbeseitigung zu richten macht Sinn. Arbeitswirtschaftlich gesehen ist die Entsorgung von Pflanzenteilen genauso effizient zu gestalten wie die Ablage des Produktes für den Verkauf. Jede Sekunde zählt Jede gesparte Sekunde nimmt Stress heraus, gibt früher Feierabend oder schafft Zeit für andere Dinge. Da der wirtschaftliche Druck auf den Betrieb schon lange hoch ist, sind die offensichtlichen Optimierungspotentiale oft schon längst ausgeschöpft. Aber es lohnt sich eben auch, nach den Kleinigkeiten zu sehen, dort liegt manchmal noch Geld auf der Straße. Autorin: Dr. Renate Spraul, Bad Wimpfen (D), ist seit über zwanzig Jahren als arbeitswirtschaftliche Beraterin für Gärtnereien aller Sparten in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. [email protected]
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