18. 10. 2015 `Amazing grace`, Pfr. F. Schmid

Gottesdienst 18. Oktober 2015
10:00 Uhr in der Kirche Suteracher; Taufe von Alianna Möbius
Predigt: Pfr. Felix Schmid; Musik: Daniela Timokhine
Thema:
„Amazing grace“
Eingangsspiel
Begrüssung 1. Korinther, 1, 3
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn, Jesus Christus.
Taufansage
Gebet
Lied 533,1-3: „Morning has broken“
Taufe
Gemeindelied 187,1-5: „Amazing grace“
Predigt 2. Mose 34,5-7
Da kam der Herr in einer Wolke auf den Berg herab, und Mose trat daselbst zu ihm und rief
den Namen des Herrn an.
Und der Herr ging an Mose vorüber und rief: »Ich bin der Herr! ›Ich bin da‹ ist mein Name!
Ich bin ein barmherziger und gnädiger Gott, voller Geduld, grosser Gnade und Treue. Ich erweise meine Gnade über Tausende von Generationen hinweg.und vergebe Missetat, Übertretung und Sünde.
Liebe Gemeinde
Unter Gnade versteht man eine wohlwollende, freiwillige Zuwendung. Gnade kann nicht verdient werden. Gnade kann nicht irgendwie errungen werden. Gnade spielt in der Heiligen
Schrift eine sehr zentrale Rolle. Und wie wir soeben im Predigttext gehört haben: Gott ist ein
gnädiger und barmherziger Gott. Voller Geduld, grosser Gnade und Treue. Wir können Gott
nicht gnädiger stimmen durch unser Tun. Er ist und bleibt ein Gott voller Gnade.
Gnade war auch ein zentraler Begriff bei den Reformatoren. Aus Gnade allein wird der
Mensch vor Gott gerecht. Das war die Entdeckung von Martin Luther. „Sola gratia“ – Gnade
allein war denn auch einer der Slogans oder Leitbegriffe der Reformation.
Gnade. Wir haben einen gnädigen und barmherzigen Gott. Was bedeutet das nun für uns? Wir
alle wissen, dass es auch Nöte gibt in unserem Leben. Jeder von uns hat schon Phasen durchgemacht, in denen er dachte: „Das Leben meint es nicht gut mit mir. Ich erlebe gar nicht etwa
Gnade, sondern Prüfungen, Enttäuschungen und Herzeleid.“
Vergangene Woche hatte ich ein Gespräch mit einem Angestellten einer grossen Firma. Da
herrschen offenbar gar nicht etwa gnädige Zustände. Zweimal zu spät kommen und es gibt einen Verweis. Beim dritten Mal eine Verwarnung und beim vierten Mal wird gekündigt.
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Immer häufiger hörte ich in den vergangenen Jahren von Härte, Leistungsdruck und Belastung
in der Arbeitswelt. Eher gnadenlose Zustände.
Gnädiger Gott aber gnadenlose Welt? Es kommt einem fast so vor. Es gibt offensichtlich
Kräfte und Einflüsse hier auf Erden, die den Menschen knechten und bedrücken. Das Wort
Gottes befasst sich sehr intensiv mit diesem Thema. So spielt ja unsere Begebenheit hier im
Predigttext von der Begegnung des Mose mit dem gnädigen Gott. Und bekanntlich ist die
Mosegeschichte eine Befreiungsgeschichte. Befreiung aus der gnadenlosen Sklaverei Israels
in Ägypten hinein in die gnädige Führung durch Gott selbst. Es folgte die berühmte Wüstenzeit und dann endlich der Einzug ins gelobte Land.
Diese Befreiung aus der Knechtschaft und Sklaverei gilt als Geburtsdatum des Volkes Gottes.
Und das wird für Gottes Volk und auch für jedes einzelne Mitglied von Gottes Volk - also
auch jeden einzelnen Christen – stets ein Grundthema bleiben: Heraus aus allem, was mich
knechtet und gnadenlos niederdrückt. Hinein in ein Leben voller Freiheit und Gnade. Das ist
und bleibt für jeden glaubenden Menschen sozusagen ein „stehendes Traktandum“. Dieser
Prozess der Befreiung wird in ihrem und meinem Leben in immer wieder neuen Situationen
stattfinden. Oder er sollte jedenfalls immer wieder neu stattfinden.
Aber auch im Leben der Kirche braucht es stets von neuem diesen Prozess der Befreiung.
Aufbruch aus Festgefahrenem. Fortsetzung des Reformprozesses. „Die Kirche wird immer einen ‚Reformationsbedarf‘ haben (semper reformanda est).“ Insofern erachte ich die Reform
der ref. Stadtzürcher Kirchgemeinden als eine grosse Chance. Ballast loswerden. Neue Formen finden. Neue, angepasste Strukturen finden, die nicht mehr gnadenlos niederdrücken,
weil sie der veränderten Situation nicht mehr gerecht werden.
Wenn wir als Kirche oder als Einzelne mit Gott unterwegs sein wollen, muss uns eines unverrückbar vor Augen stehen: Wir haben einen gnädigen Gott. Nicht zufällig hat Gott selber sich
dem Mose bekundet, als er an ihm vorüberschritt. Es war, wie wenn er ihm damit sagen wollte: Lieber Mose, damit es ein für allemal klar ist: Ich bin gnädig, gnädig, gnädig und nochmals
gnädig. Ich bin barmherzig ohne Ende. Ich bin die Güte in Person.
Ich habe einen gnädigen Gott. Ich habe einen Gott, der sich unaufhörlich wohlwollend und
freiwillig mir zuwendet. Wissen sie das? Sind sie verankert in dieser Überzeugung? Wenn
nicht, so hoffe ich, durch diese Predigt ein wenig dazu beizutragen, dass ihre Zuversicht hierin
wächst.
Warum ist das so wichtig? Ich möchte es einmal mit einem Kompass vergleichen. Die Kompassnadel zeigt stets unbeirrt nach Norden. Wenn das nicht so wäre, würden wir bald die Orientierung verlieren und uns heillos im Gelände verlaufen oder gar im Kreis herum bewegen.
So ähnlich ist das mit der Orientierung auf unserem Lebensweg. Ohne die Gewissheit, dass
Gott gnädig und mir wohlgesonnen ist, werde ich mich nicht an ihm orientieren können.
- Ich werde dann vielleicht befürchten, er strafe mich jetzt
- Oder er auferlege mir unerfüllbare Vorschriften.
- Oder ich wäre in widrigen Lebensumständen verunsichert, ob am Ende gar Gott dahinter steckt. Würde mich vielleicht fragen, ob er es nicht mehr gut mit mir meint oder
mich gar vergessen hat.
o Das würde mich geradezu in die Gegenrichtung treiben: weg von Gott.
Damit es ein für allemal klar ist: Gott ist gnädig, gnädig, gnädig und nochmals gnädig. Wenn
mir Gnadenloses widerfährt, muss das andere Gründe haben, aber das ist nicht er. Und er ist
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schon gar nicht schuld daran. Je tiefer diese Gewissheit in mir Wurzeln schlägt, desto grösser
wird mein Vertrauen auf Gott sein.
Gott ist gnädig. Gott will meine Befreiung. Gott hat für mich einen Ausweg. Gott wird mich
trösten. Gott wird mir vergeben, wenn ich daneben lag. Gott wird mich führen. Gott wird
mich immer und überall und unter allen Umständen mit offenen Armen empfangen.
Ist es nicht eine Wohltat, dies zu wissen? Hiermit eröffnet sich für mich in jeder nur erdenklichen Lebenslage ein Zufluchtsort. Immer darf ich mich an ihn wenden. Immer hat er ein offenes Herz und ein offenes Ohr für mich.
So wird Gott für mich ein Zuhause. Ein Ort der Geborgenheit. Ein Ort, den ich immer wieder
und immer öfter und immer lieber aufsuche. So kann in mir eine tiefe Liebe zu Gott wachsen.
Ich erinnere mich sehr gut daran, dass mir eine ältere Dame in meiner früheren Kirchgemeinde einmal sagte: Weisst du: früher fürchtete ich mich vor Gott. Ich wusste nie, ob er zufrieden
ist mit mir. Ich habe in der Kindheit einen sehr strengen Gott kennen gelernt. Aber nun habe
ich durch dich; durch deine Predigten lernen und auch erleben dürfen, dass ich einen liebenden Gott habe. Einen gnädigen Vater. Und das bedeutet mir sehr, sehr viel.
Amen
Zwischenspiel Orgel
Gebet / Stille / Unser Vater
Gemeindelied 700,1-3: „Weit wie das Meer ist Gottes grosse Liebe“
Mitteilungen
Verabschiedung/Sendungswort
1. Korinther, 1, 3
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn, Jesus Christus.
Gemeindelied 233,1-3: „Nun danket alle Gott“
Segen
Ausgangsspiel
Orgel