Lösungen an die Spitze

CAD CAM
Bullmer und RG Technologies: Komplettpakete aus einer Hand
Mit gemeinsamen
Lösungen an die Spitze
Der eine suchte einen Softwarepartner, der
andere wollte sich bei der Hardware besser
aufstellen: Deshalb gehen der Zuschnittspezialist Bullmer und das Softwarehaus
RG Technologies seit April gemeinsame Wege.
Inwiefern die Kunden verschiedenster Branchen künftig von neuen Lösungen profitieren
können, erfuhr die „möbelfertigung“ im Gespräch mit Bullmer-Vertriebsleiter Jochen
Cramer und RG-Geschäftsführer Theo Kuffler.
möbelfertigung: Und es war
schnell klar, dass es einen gemeinsamen Weg geben kann?
Theo Kuffler: Definitiv. Wir haben
uns zusammengesetzt, erste gemeinsame Ideen entwickelt, die
Software mit den Bullmer-Cuttern
verknüpft und sind ab Mitte April
gemeinsam gestartet.
Jochen Cramer: Es zeigte sich
sehr schnell, dass der Know-howTransfer in beide Richtungen funktioniert. RG Technologies kann
softwareseitig unsere Ideen umsetzen und wir können die Anregungen aus Feldkirchen in unsere
Maschinen einfließen lassen. Auf
dieser Basis können innovative
neue Konzepte entstehen. Die
nichts damit zu tun haben, dass
einfach eine Grundidee kopiert
und minimal verändert wird, wie
es manche Marktbegleiter tun. Leder schneiden können viele – eine
individuelle Lösung entwickeln
nicht.
Es stellte sich aber schnell
heraus, dass die Abhängigkeit von
lediglich zwei Kunden zu eng gefasst ist, um eine Software am Leben zu erhalten – weil beispielsweise Marktentwicklungen nicht mehr
einfließen. Darum wurden auch
andere Anwender der Software abseits von Gabor und Rohde angesprochen und als Kunden gewonnen. Der Beginn für den Erfolg des
Softwarehauses RG Technologies.
Im Jahr 2008 ist Rohde als Eigner ausgestiegen und Gabor hat die
Unternehmensanteile übernommen,
und ich bin hier offiziell Geschäftsführer geworden. Im Vorfeld hatte
ich die Unternehmung „nebenberuflich” betrieben. Allerdings
wollte auch Gabor auf lange
Sicht die Trennung von RG
Technologies, denn in dem
großen Konzern war die dauerhafte separate bilanztechnische Führung eher unerwünscht. Im Jahr 2012
duktionsmaschinen und unterstützen
sie bei der Beschaffung und nachfolgendem Service. Im Prinzip ist RG
Technologies bei Konzepten der
Generalunternehmer: Die Kunden
kaufen direkt bei uns. Wir haben
beispielsweise die meisten DürkoppAdler-Nähmaschinen im vergangenen Jahr im deutschsprachigen
Raum in der Schuhindustrie verkauft.
Ohne offiziell Händler zu sein. Wir
stehen für eine umfassende produktionsbezogene Beratung und Optimierung von Produktionsabläufen.
RG Technologies sein Leder-Knowhow. Den rein mechanischen Part
beherrscht Bullmer, was die Software und die Infrastruktur um den
Cutter herum angeht, kann Bullmer
von RG Technologies profitieren.
Sehr wichtig war Bullmer dabei,
einen deutschsprachigen Partner zu
finden – Gespräche mit anderen
Softwarehäusern gab es natürlich.
Dennoch wurde die Notwendigkeit,
sich auf einer Sprachebene um die
oft komplexen Zusammenhänge
kümmern zu können, sehr hoch ge-
>Jochen Cramer (links)
hat die Vertriebsleitung
bei dem Maschinenbauer
Bullmer in Mehrstetten
inne, Theo Kuffler ist seit
2013 Inhaber und Geschäftsführer des Softwarehauses RG Technologies in FeldkirchenWesterham. Seit April
2015 agieren beide
Unternehmen zusammen.
„Durch die Zusammenarbeit sind
wir in der Lage, innovative neue
Lösungen zu entwickeln. Und
nicht nur Schema F zu kopieren.“
Theo Kuffler
„Eine Kunde sagte
mir einmal, dass
der Bullmer-Cutter
in Verbindung mit
RG-Software ideal
sei. Das ist jetzt
der Ist-Zustand.“
Jochen Cramer
82 möbelfertigung 7/2015
möbelfertigung: Herr Cramer,
Herr Kuffler, kurz vor der „Interzum” haben Bullmer und RG
Technologies partnerschaftlich
zusammengefunden. Wie kam
es dazu?
Theo Kuffler: Für unser Unternehmen war es immer wichtig, einen
Maschinenbauer zum Partner zu
haben, der genau die Dinge umsetzen kann, die unsere Kunden wirklich weiterbringen. Mit dem bisherigen Partner hieß das, in einigen Fällen auch Kompromisse einzugehen.
Zudem passte die Vertriebsstruktur
nicht mehr optimal zu RG Technologies – darum suchten wir nach einem Cutter-Bauer, der die von uns
gewünschte Flexibilität mitbringt.
Damit die Gesamtlösung noch kundenindividueller ausfallen kann.
Zudem kannte ich den BullmerGeschäftsführer Marc Haasler aus
der Vergangenheit, und zufälligerweise haben wir im Frühjahr dieses
Jahres beinahe gleichzeitig versucht, miteinander in Kontakt zu
kommen.
Jochen Cramer: Ich hatte vor gar
nicht langer Zeit Berührungen auf
Wettbewerbsebene bei einem Projekt. Gewinnen konnten wir den
Kunden nicht. Denn er war zwar
vom Schnitt des Bullmer-Cutters
sehr überzeugt, aber leider nicht
von der Softwarelösung. Seine
damalige Aussage lautete, „dass
eine Kombination aus dem Schnitt
der Bullmer-Maschine mit der Software von RG Technologies optimal“
sei. Das war im vergangenen Jahr.
Als wir jetzt intern über einen
neuen Softwarepartner nachgedacht haben, kam mir das sofort
wieder in den Sinn.
möbelfertigung: In der Polstermöbelindustrie ist der Name
RG Technologies noch nicht
besonders bekannt…
Theo Kuffler: Das stimmt. RG
Technologies wurde 2003 als Tochtergesellschaft der Unternehmen
Gabor und Rhode gegründet, um
eigenständig eine zuvor in den Unternehmen etablierte CAD-Lösung
zu betreuen, weil der urspüngliche
Softwareanbieter Insolvenz anmelden musste. Insofern hat sich RG
Technologies zuerst in der Schuhindustrie einen Namen gemacht.
habe ich darum zwei Drittel des
Unternehmens übernommen, im
Jahr darauf den Rest. Seitdem ist
RG Technologies komplett eigenständig. Wobei Gabor nach wie vor
ein wichtiger Kunde ist.
möbelfertigung: Wodurch zeichnet sich RG Technologies aus?
Theo Kuffler: Wir konzentrieren
uns nicht nur auf die CAD-Software
und den Zuschnitt, sondern auf den
kompletten Produktionsbereich rund
ums Leder: Wir beraten Kunden bezüglich der Neuinvestition von Pro-
möbelfertigung: Sind dies die
Gründe, dass RG Technologies
und nicht ein anderer Softwareanbieter der Partner von
Bullmer geworden ist?
Jochen Cramer: Das umfangreiche Wissen von RG Technologies
war ausschlaggebend. Der Bereich
Leder ist sehr vielseitig und bietet
in den meisten Fällen enorm viel
Potenzial zur Optimierung – wir
können dort gemeinsam noch sehr
viel bewirken. Bullmer bringt seine
Erfahrungen im Maschinenbau und
individuellen Anwendungsfall mit,
hängt. Auch die örtliche Nähe ist in
diesem Fall sehr positiv.
möbelfertigung: Wie flexibel
ist RG Technologies damit, die
Maschinen softwareseitig an
ERP-Systeme in den Unternehmen oder bereits vorhandene
CAD-Systeme anzubinden?
Theo Kuffler: Im Prinzip geht alles. ERP-Anbindungen sind eher
Fleißarbeit statt eine technische
Herausforderung. Das beherrschen
wir. Und natürlich gibt es auch
die Möglichkeit, Schnittstellen zu
7/2015 möbelfertigung 83
CAD CAM
„Leder schneiden
können viele –
eine individuelle
Lösung entwickeln
nicht.“ Jochen Cramer
anderen Softwares zu schaffen.
Grundsätzlich arbeiten wir mit
Modulen und ein Kunde kann sein
System jederzeit erweitern, um
neuen Produktionssituationen gerecht zu werden.
Als Softwarehaus beherrscht
RG Technologies die komplette Klaviatur: die Softwareentwicklung
im Bereich CAD, das Produktdatenmanagement, das als Modul auf
die Datenbank aufsattelt, Kalkulationssoftware, PDM-Module für
Entwicklungsstücklisten, und das
alles durchgängig bis zum Nesting
und Zuschnitt. Diese Durchgängigkeit schafft auch immer wieder
neue Auswertungsmöglichkeiten,
die es in dieser Form vorher in den
Unternehmen vielleicht nicht gab.
„RG Technologies soll Generalunternehmer
bei neuen Projekten sein. Damit hat der
Kunde nur einen Ansprechpartner.“ Theo Kuffler
„Beide Unternehmen
bringen ein umfangreiches Know-how
mit ein. RG Technologies besitzt viel Wissen
rund ums Leder.“
Jochen Cramer
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möbelfertigung: Und wie gehen Sie jetzt konkret gemeinsame Wege?
Jochen Cramer: Bei neuen Kunden im Lederbereich wird RG Technologies auch künftig Generalunternehmer sein. Bestandskunden betreut jedes Unternehmen für sich
wie gewohnt weiter. Unsere Vision:
dem Kunden individuelle Lösungen
verkaufen, um ihm auch nach der
Lieferung noch in die Augen sehen
zu können. Und das funktioniert
nicht über einen zugrundeliegenden Standard, weil jeder Kunde
eine andere Produktionsphilosophie
hat. Andere Wege innerhalb der
Produktion, andere Qualitätsansprüche, andere Forderungen.
Theo Kuffler: Und aktuell geht es
erst einmal darum, potenzielle Kunden in den verschiedenen Bereichen zu besuchen. Denn in vielen
Fällen lassen sich Abläufe optimieren, selbst hochwertige Produkte
entstehen heute noch mit sehr
viel handwerklichem Aufwand. Dort
wollen wir gemeinsam ansetzen
und Vorschläge machen.
Der Vorteil von RG Technologies
ist, dass wir weder komplett software- noch ausschließlich heavymetal-bezogen agieren. Und all das
funktioniert natürlich nicht nur im
Schuhbereich. Darum hat RG Tech-
nologies vor einiger Zeit begonnen,
auch in andere Industriebereiche
hineinzugehen. Beispielsweise Automotive, Lederwaren oder die Verarbeitung von technischen Textilien:
Überall gibt es Spezialitäten, viele
Dinge gleichen sich allerdings auch
und Know-how lässt sich gut übertragen, denn die Schuhfertigung ist
bereits sehr diffizil und variantenreich
– andere Produkte sind im Vergleich
dazu deutlich einfacher zu fertigen.
Jochen Cramer: Insofern werden
unsere Bestandskunden künftig auch
die Chance haben, RG Technologies
kennenzulernen und RG Technologies kann mit uns in Bereiche hineingehen, in denen es bislang ohne
Referenzen schwierig war. Nach der
ersten Findungsphase ging es bereits
sehr schnell zu Bestandskunden, von
denen wir wissen, dass sie offen für
neue und innovative Lösungen sind.
Dazu gehören auch die Kontakte der
„Interzum“.
möbelfertigung: Das bedeutet,
dass beide Unternehmen Neuland betreten werden?
Theo Kuffler: Mit Sicherheit.
Wir sehen in der Zusammenarbeit
Potenzial in den verschiedensten
Bereichen. Beispielsweise auch
den Einsatz der Lösungen in der
Forschung & Entwicklung bei Automotive-Zulieferern, wo viel mit
neuen Materialien experimentiert
wird. Oder der Fashionindustrie.
Jochen Cramer: Anders als bisher
liegt der Fokus nun nicht mehr
zwingend auf großen Unternehmen
mit Drei-Schicht-Betrieb und hohem
Durchsatz. Sondern der idealen
Lösung für einen Verarbeiter, der
vielleicht nur 30 Häute am Tag
schneidet. Und selbst für Stoffverarbeiter sehen wir neue Ansätze. Das
Spektrum reicht jetzt von kleinen
anwendungsorientierten Lösungen
bis hin zu Fertigungsverfahren für
sehr große Kapazitäten.
Theo Kuffler: Für Bullmer ist beispielsweise die Schuhsparte neu.
Auf der anderen Seite gibt es abseits vom Leder Materialien, die
heutzutage noch gestanzt werden,
wo es künftig durch den Einsatz eines Bullmer-Mittellagencutter ganz
neue Lösungen geben kann.
möbelfertigung: Wie haben
die bislang besuchten Kunden
auf den neuen „Doppelpack”
reagiert?
Jochen Cramer: Bislang sind die
Reaktionen sehr positiv und viele
Kunden bedanken sich sogar
dafür, Gespräche und Beratungen
auf einem solch hohen Niveau zu
erleben – weil ihnen dabei Möglichkeiten aufgezeigt werden, mit
denen sie nicht einmal gerechnet
haben. Wir waren uns bei Bullmer
schon immer bewusst, dass wir ein
klassischer Maschinenbauer sind –
und jetzt erhalten die Kunden einen
echten Mehrwert.
Theo Kuffler: Mittlerweile steht
auch hier bei uns in Feldkirchen im
Showroom ein Bullmer-Cutter, damit wir hier vor Ort Kunden beraten können – und diese wissen es
wirklich zu schätzen, eine umfangreiche Lösung aus einer Hand zu
erhalten. Das bezieht sich auch auf
alle Komponenten rund um den
Cutter, beispielsweise Projektoren
und PC-Gestelle, wo wir weiterhin
mit unseren bestehenden Lieferanten zusammenarbeiten, höchste
Qualität erhalten und auch im Falle
eines Problems den entsprechenden Service übernehmen.
möbelfertigung: Werden Sie
auch gemeinsam auf Messen
ausstellen?
Jochen Cramer: Auf jeden Fall.
Der Zuspruch auf der „Interzum”
hat gezeigt, dass das ein guter
Weg ist, um die neue Zusammenarbeit stärker bekannt zu machen.
Fest steht beispielsweise schon
die gemeinsame Präsentation auf
der „Texprocess Americas“ in
Atlanta Anfang Mai im kommenden
Jahr. Wir sind derzeit am Planen
und wollen den verschiedensten
Branchen unsere Konzepte durch
partnerschaftliche Messebeteiligungen veranschaulichen.
Es gibt auch Überlegungen, mit
einer Hausmesse in Mehrstetten
2016 an die „Innovationstage“ anzuknüpfen. Wobei wir uns nicht nur
auf Bullmer-Lösungen konzentrieren wollen. Wir spielen mit dem
Gedanken, beispielsweise einen
Nähmaschinen-Hersteller miteinzuladen, um den Besuchern ein wirklich umfassendes Paket zu bieten.
Mit dem Ziel, möglichst viele Stationen der Prozesskette abzubilden.
Das Interview führte Doris Bauer