Predigt am 17. Januar 2016 Psalm 2

Predigt über Psalm 23, 4-6 (Pfr. Oliver Ruoß, 17.01. 2016)
Letzte Woche habe ich hier über Ps 23 gepredigt, über den guten Hirt. Heute die 2. Predigt über Ps 23. Da
geht es nicht mehr um den guten Hirt, sondern um den guten Wirt. Ich lese Ps 23.
Im ersten Teil des Psalms wird das Bild gezeichnet von Gott als Hirte, der seine Schafe begleitet. Die Bilder
des 2. Teils gehen in eine ganz andere Richtung: Da ist Gott einer, der den Menschen den Tisch deckt, der sie
mit Öl salbt, der sie in seinem Haus wohnen lässt. Nicht mehr das Bild vom guten Hirt, sondern das Bild
vom guten Wirt. 3 Gedanken zu diesem 2. Teil des Psalm 23.
1.) Der gute Wirt
Ich lese uns ein Gebet des Pfarrers und Autors Wolfgang Vorländer vor: „Herr, dieses Glas Bier - es war
wirklich eine einfache Kneipe und ein einfältiger Wirt, aber sein Sieben-minutenpils war eine Wucht ein
Kunstwerk schaumgekrönt waren Hopfen und Malz nicht verloren. Im Wasser aus dem Fels und im Hopfen
vom Feld blinkte und blinzelte mich deine Schöpfung an im Glase einer Arbeiterkneipe.“
Vielleicht etwas befremdlich, dieses Gebet. Gott für ein Glas Bier danken und loben - ist das passend,
angemessen? Natürlich könnte man alle möglichen Bedenken vorbringen: Alkohol kann gefährlich sein und
was sagt der Jugendschutz dazu und überhaupt. Aber ich glaube, dass dieses dankbare, sich am Biergenuss
freuende Gebet gut zusammenpasst mit dem Bild vom Guten Wirt: Du schenkst mir voll ein: Da steckt
Lebensfreude dahinter, die Erfahrung: Ich bin doch reich beschenkt mit so viel Gutem. Und das, was Gott
mir schenkt, darüber will ich mich freuen, das will ich dankbar genießen. Gott, kein knauseriger Gott, der
uns bei Wasser und Brot knapp hält. Sondern ein Gott, der voll einschenkt. Von Jesus wissen wir, dass er gut
gefeiert und gegessen und getrunken hat. Er hat auch gefastet. Aber er war kein Asket, der gesagt hat: Genuss
ist etwas Schlechtes. Und Paulus kann sagen: „Ob ihr esst oder trinkt oder was auch immer ihr tut: Tut es zu
Gottes Ehre – indem ihr ihm dafür dankt.“ (1 Kor 10, 31 + 1 Tim 4,4).
Es gibt eine Sichtweise des christlichen Glaubens, als ob Gott uns allen Spaß und alle Lebensfreude
vermiesen wollte.
Sicher, wo der Genuss zum Sinn und letzten Ziel des Lebens wird – „Ich will Genuss sofort und um jeden
Preis“ - wo der Genuss auf Kosten anderer geht - wo man über dem Genießen und Feiern Gott und seine
Mitmenschen vergisst – da ist das ein Irrweg. Aber grundsätzlich lädt uns das Bild vom Guten Wirt und das
Vorbild Jesu dazu ein, die guten Gaben Gottes in unserm Leben zu entdecken und zu genießen und dafür zu
danken. Und diese guten Gaben sind manchmal die alltäglichen Kleinigkeiten wie ein frischgezapftes Bier.
Deswegen finde ich das Biergebet von Wolfgang Vorländer durchaus passend und angemessen.
Gott als Guter Wirt, der den Tisch deckt und voll einschenkt, das hat für mich aber noch eine andere
Bedeutung. Es geht bei diesem Bild ja nicht um einen Kneipenwirt. Sondern es geht um Gastfreundschaft.
Und die spielt damals und heute im Orient eine ganz andere Rolle als bei uns.
Vor vielen Jahren bin ich mal mit drei Freunden in einem VW-Bus durch die Türkei gefahren. In einem
türkischen Bad sind wir ins Gespräch gekommen mit einem Türken, und der lud uns dann ein, zu ihm nach
Hause zu kommen, mit seiner Familie zu essen und dort zu übernachten. Wenn mir hier in Deutschland ein
wildfremder Mensch sagen würde: Komm doch mit zu mir nach Hause, du kannst bei mir übernachten dann wäre ich misstrauisch, würde das wohl kaum machen. Aber bei diesem Türken hatten wir gar keine
Bedenken. Da hatten wir keine Angst, nachts ausgeraubt zu werden. Sondern es war klar: Wir waren Gäste,
und deswegen war alles in Ordnung. Wenn man sich im Orient an einen Tisch setzt, dann sagt man damit:
Zwischen uns herrscht Friede. Die Gemeinschaft zwischen uns ist in Ordnung. - Das Bild von Gott als
Gutem Wirt, der Menschen an seinen Tisch lädt, ist auch ein Bild von Versöhnung, von Vergebung, ein Bild
dafür, dass Gott uns Menschen Gemeinschaft mit sich schenkt. Was hier im Psalm bildhaft beschrieben
wird, das wird von Jesus konkret verwirklicht: Wir haben es vorhin in der Lesung gehört: Jesus isst mit den
Zöllnern und Sündern und signalisiert damit ganz deutlich: Die Beziehung zwischen uns ist jetzt in Ordnung.
Und damit hat er dann ja auch gesagt: „Die Beziehung zwischen Gott und euch ist in Ordnung. Ich bringe sie
in Ordnung, ich bringe euch Gottes Nähe und Vergebung.“ Jedesmal, wenn wir Abendmahl feiern, bedeutet
das auch immer wieder diese versöhnende Tischgemeinschaft: Dass der Gute Wirt, dass Jesus uns einlädt:
Dass er uns seine Gemeinschaft schenken will, obwohl wir sie im Alltag so oft vergessen und verraten. Gott
als Guter Wirt war das erste. Jetzt:
2.: Im Angesicht der Feinde
In dem schönen Bild vom gastfreundlichen Gott taucht etwas Unangenehmes auf: „Du bereitest mir einen
Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ Sicher, die Feinde tun mir da gerade nichts, aber sie sind doch da. Ich
finde diese Erwähnung der Feinde sehr wichtig. Sonst wäre das Bild zu schön und angenehm und idyllisch
und damit unrealistisch. Denn es gibt in unserem Leben ja nicht nur Erfahrungen von Lebensfülle, vom
vollen Becher und dem reich gedeckten Tisch. Es gibt auch die traurigen und negativen Erfahrungen. Und
ich denke, die Feinde kann man auch in diesem sehr allgemeinen Sinne verstehen: All das, was meinem
Leben feindlich gegenübersteht: Konkrete Menschen vielleicht, aber auch Krankheit, Sorgen, Ängste,
Bedrohungen. Sie gehören zu unserem Leben dazu. Der Psalm ist nicht naiv, er erzählt nicht vom
Schlaraffenland, wo der Tisch immer gedeckt und der Becher immer voll und alles angenehm und easy ist.
Sondern er redet davon: Manchmal schenkt Gott mir im Angesicht meiner Feinde, mitten in den schweren
Dingen meines Lebens auch immer wieder schöne und erfreuliche Erfahrungen. Vielleicht ist es am Ende
eines Tages voller Sorgen oder Ärger ja wirklich mal das gute Glas Bier oder der Becher Eis oder der Anruf
eines Freundes oder ein toller Sonnenuntergang. Etwas, was mir hilft, auf andere Gedanken zu kommen,
etwas, was mir zur Gelassenheit hilft. Und wofür ich Gott danken kann.
Die Feinde, darunter kann ich alles verstehen, was für mein Leben bedrohlich ist. Ich denke aber, dass
ursprünglich tatsächlich konkrete Menschen damit gemeint waren. Deswegen frage ich Sie: Gibt es
Menschen, von denen Sie sagen würden: „Das ist mein Feind?“ Wahrscheinlich würden die meisten von uns
diesen Begriff nicht so ohne weiteres benutzen, er hört sich doch sehr massiv an. Aber Menschen, die mich
verletzt haben, Menschen, vor denen ich vielleicht Angst habe, Angst vor ihren spitzen Bemerkungen, Angst
vor ihrem Gerede über mich – die gibt es schon. Ich finde befreiend, dass die Bibel so unverkrampft davon
spricht, dass wir Feinde haben können. Auch wenn ich als Christ leben will, heißt das nicht, dass ich mit
jedem gut zurecht kommen muss und er mit mir. Paulus schreibt einmal: „So viel es an Euch liegt, habt
Frieden mit jedermann“ - es liegt aber nicht immer an mir. Es kann sein, dass Leute was gegen mich haben.
Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Und an der Stelle geht Jesus deutlich über das hinaus, was der Psalm
sagt: Jesus spricht von der Feindesliebe. Wenn Jesus das sagt „Du sollst auch deine Feinde lieben“ dann stellt
er zunächst auch damit fest, dass es möglich, vielleicht sogar normal ist, dass ich Feinde habe. Aber er fragt
mich, wie ich mit denen umgehe. Die Feinde lieben, das heißt nicht, dass ich unsympathische Menschen auf
einmal sympathisch finden soll. Das geht ja gar nicht. Bei der Feindesliebe geht es darum, wie ich über
meine Feinde rede, wie ich an sie denke und mit ihnen umgehe. Ich kann sie schlecht machen vor anderen.
Oder ich kann das Lästern sein lassen – vielleicht sogar auch mal Gutes über sie sagen. Ich kann meine Wut
oder meinen Hass auf sie pflegen, indem ich ihnen die Pest an den Hals wünsche. Oder ich kann versuchen,
Ihnen Gutes zu gönnen, ihnen vielleicht Gutes zu wünschen, für sie zu beten. Manchmal ändert sich
vielleicht das Verhältnis zum andern. Aber auf jeden Fall wird sich bei mir etwas ändern. Es tut mir selbst
und meiner Seele gut, wenn ich weniger Hass in meinem Herzen mit mir rumtrage.
Ein chinesischen Kaiser zog los, um seine Feinde im Norden zu vernichten. Ein Minister reiste ihm nach,
und er traf seinen Kaiser mitten im Lager der Feinde, wo er mit ihnen aß und trank und feierte. Der Minister
nimmt den Kaiser beiseite und sagt: "Majestät, Ihr sitzt hier und feiert mit euren Feinden. Aber Ihr seid doch
losgezogen, um sie zu vernichten.“ Darauf antwortete der Kaiser: "Aber das habe ich doch gemacht: Ich habe
meine Feinde vernichtet, indem ich sie zu meinen Freunden gemacht habe." - Ich denke, dass das bei uns wenn überhaupt - nur sehr selten gelingt. Aber bei Gott ist es so: Die Menschen, die ihn ablehnen oder ihm
so oft die kalte Schulter zeigen, denen geht er nach, die will er zu seinen Freunden machen. Gott will unsere
menschliche Ablehnung, unsere Gleichgültigkeit überwinden und uns an seinen Tisch holen. Und jetzt noch
als 3.
3.) Gemeinde als Herberge.
Vor einiger Zeit stand in der Zeitung: Ein Gastwirt wollte eine neue Religionsgemeinschaft gründen. Die
Gemeinde der Raucher nämlich. Seine Gaststätte sollte die Kirche dieser neuen Religionsgemeinschaft sein.
So wollte er das Rauchverbot umgehen. Ich glaube nicht, dass das geklappt hat. Aber eins finde ich hieran
gut: Die Vorstellung, dass Kirche, dass Gemeinde eine Gaststätte ist: Wenn Gott der gute Wirt ist, dann ist
das ein gutes, ein passendes Bild: Gemeinde als Gaststätte, als Herberge, die für Gäste offen ist. - Das ist
eine Frage, die wir uns als Gemeinde immer wieder stellen müssen: Wie gastfreundlich sind wir? Wie
aufmerksam sind wir, dass wir das überhaupt mitbekommen, wenn jemand neu dabei ist? Trauen wir uns,
Menschen, die wir nicht kennen, mal anzusprechen sie zu begrüßen? Wie willkommen, wie aufgenommen
und angenommen fühlen sich Menschen, wenn sie hierhin kommen? .
Zur Begrüßung beim Gottesdienst sage ich oft: „Schön, dass Sie da sind.“ Oder „Ich freu mich, dass wir alle
hier sind.“ Ich hoffe sehr, dass dieser Satz bei mir nicht zu einer Floskel wird. Sondern dass ich, dass wir alle
das so empfinden und dem anderen signalisieren: Es ist schön, es ist gut, dass Du da bist. Nicht, damit die
Statistik des Gottesdienstbesuchs besser aussieht. Sondern weil es schön ist, weil wir uns freuen, dass Du da
bist. Wir alle sind da mitverantwortlich, dass bei uns so eine Atmosphäre der Gastfreundschaft entsteht. Wo
das geschieht, werden Menschen gerne kommen und hoffentlich die Gastfreundschaft des Guten Wirts
erfahren. Amen