Du bereitest vor mir einen Tisch – im Angesicht meiner Feinde Ansprache zu Psalm 23,5 beim Abendmahl vor der Konfirmation Nellingen St. Blasius-Kirche 1. Behutsam stellte die Frau den Teller auf den Tisch. Da würde nachher Oma sitzen. Nächster Teller: die große Tochter. Noch einen Teller für den Freund der Tochter. Sie holte Messer, Gabel, Gläser, Wasser. Für die Kleinen Saft. Für die Großen Wein. Sie machte das gern, so in Ruhe alles vorbereiten. Als au pair war sie einmal in Frankreich gewesen, bei einer vornehmen Familie. Da war das Tischdecken eine wahre Zeremonie. Drei verschiedene Gläser, Messer auf Messerbänkchen, kunstfertig gewickelte Servietten und alles farblich perfekt aufeinander abgestimmt. ‚Ich habe es gerne ein paar Nummern kleiner‘, dachte sie und legte mit großer Hingabe die kleinen Löffel auf den Tisch. Wer deckt für Sie – für Euch morgen den Tisch? Es ist schön sich an einen gedeckten Tisch setzen zu dürfen. Es wird ein festlicher Tisch sein, Blumen, Kerzen, schöne kleine Dinge. Das Essen wurde Probe gegessen – oder Probe gekocht, die Lieblingskuchen gewählt und bei der lieben Verwandtschaft bestellt. Du bereitest vor mir einen Tisch, sagt der Beter des 23. Psalms. Du deckst für mich einen Tisch, heißt es in einer neuen Übersetzung. Tischdecken ist eine von Gottes Lieblingstätigkeiten. Denn Gott liebt es, wenn die Menschen sich miteinander an einen Tisch setzen, anstatt aneinander vorbei zu leben, wenn sie miteinander essen und lachen und sprechen, anstatt ohne einander am Schreibtisch oder vor dem Fernseher ein Käsebrot sich einzuverleiben, wenn sie sich ansehen an diesem Tisch und wenn mit dem Wohlschmecken des Lieblingsessens und dem Wohlgenährtsein des Bauches auch das Wohlwollen in ihren Augen zunimmt. Gott liebt es, wenn ihre Menschen sich an den schönen Dingen ihrer Schöpfung freuen: Karotten und Blumenkohl, Erdbeeren und Sekt, Brezeln und Weißwurst und Rindfleisch und Pute, in der Hoffnung, sie durften artgerecht leben und in Würde sterben. Das ist Gott ja schließlich seinem guten Ruf schuldig, ein guter Hirte zu sein und wie ein Hirte für die Schafe zu sorgen, ihnen grüne Weide, frisches Wasser, gangbare Wege zu bieten und sie in finsteren Tälern nicht alleine zu lassen. 2. Im Februar habe ich mit Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden an einem gedeckten Tisch gesessen und das Heilige Mahl haben wir auch miteinander gefeiert. Dann seid ihr in die Nacht hinausgewandert, über den Friedhof, es gab ein Spiel – und ich: bereitete hier in der Kirche für Euch etwas vor. Für jede und jeden zündete ich ein Teelicht an und stellte es auf einen Holzkeil, der die Schräge der Gesangbuchablage ausglich und legte noch einen Spruch aus der Bibel dazu. Wer würde sich an diesen Platz setzen, dachte ich. Wer würde diesen Spruch lesen. Und dann kamt Ihr. In der Dunkelheit der Kirche leuchtete nur das Licht der Kerzen. Wir sagten Euch an der Tür, Ihr solltet nichts reden. Und dann saßt Ihr da. Jede und jeder hatte ohne Gerangel den richtigen Platz gefunden. Überall verteilt saßt Ihr. Und es war still. Es war mucksmäuschenstill. Keiner lachte. Keiner hatte das dringende Bedürfnis die in Eurer Altersgruppe ungewöhnliche Stille zu durchbrechen. Eine Minute verging. Noch eine. Und noch eine. Da merkte ich: die warten nicht. Die genießen das einfach. Die große dunkle Kirche. Die Lichter. Sich selbst – und die anderen, die da in den Bänken saßen. Es war voll schön. Satt waren wir schon – und das war dann Nahrung für die Seele. Gemeinschaft mit anderen. Stille. Licht. Nachdenken. Oder einfach: Da sein. Gott nahe sein, werden Dominik und Sara morgen dazu sagen und ich und viele von Euch haben das genauso empfunden. Gott deckt für uns einen Tisch – was für ein Glück, dass wir das manchmal auch merken. Wir setzen uns hin und sind dankbar und sehen und schmecken, was gut ist. Wir setzen uns hin und merken, wie das Wohlwollen wächst. Gastfreundschaft bei Gott. Stille, Güte, Freundlichkeit, Großherzigkeit – das alles gibt es bei Gott auch zu essen. Für Dich selbst – und für die anderen. 3. Im Psalm steht der Tisch – au weia – im Angesicht, vor den Augen meiner Feinde. Das hört sich ungemütlich an. Da flüchtet einer vor Feinden – und Gott deckt den Tisch. Da wird einer gemobbt und hat Feinde in der Schule – Gott deckt den Tisch. Da haben Menschen in Frieden gelebt in der Ukraine und mit einem Male blickt niemand mehr durch im Bürgerkrieg – Gott deckt den Tisch. Da liegt eine Frau lebensbedrohlich krank – Gott deckt den Tisch. So handelt Gott. Auch wenn es Menschen und Ereignisse gibt, die Dir wie Feinde an Dein Leben wollen. Egal in welcher Situation Du gerade stehst: als erstes sollst Du essen und trinken. Nicht nur Brot oder Kuchen und Wasser oder Wein, auch: Zärtlichkeit. Auch: Kraft. Auch: Neuwerden. Du sollst Dich stärken am Tisch Gottes – sogar im Angesicht der Feinde. Kann er das nicht umgedreht machen: erst uns retten vor den Feinden, erst die Feinde vernichten oder friedlich verjagen, jedenfalls weg, die Krankheit heilen, das Mobbing beenden – und dann Tisch decken?! Anscheinend kann er das nicht. Wahrscheinlich dauert es zu lang und wir verhungern unterwegs. Also müssen wir sogar dort, wo die Feinde sind, Gott beim Tischdecken zuschauen. Also dürfen wir auch dort – im Angesicht der Feinde am gedeckten Tisch Platz nehmen. Das macht einen schon etwas nervös. Ist das alles was Gott gegen die Feinde tun kann? Tisch decken? Ja, vielleicht ist das für heute alles. Aber schätzt das nicht gering. Es bedeutet so viel. Davon erzählen nachher die Konfis. Sie decken für uns heute den Tisch. Sie bringen Brot, Licht, Leben, Menschen, Befreiung, Versöhnung. Sie bringen die Feinde nicht um. Sie bringen einfach die guten Gaben Gottes auf den Tisch. So als ob diese Feinde entmachtet seien. Das tut zu meinem Gedächtnis, sagte Jesus. 4. Das Tischdecken hat der Sohn vom Vater übernommen mitsamt dem Tischgebet. Und wenn wir seine Tischdeckgeschichte hören, dann merken wir: da passiert ja dasselbe wie in diesem alten Psalm. Es gibt Feinde. Verrat kündigt sich an und wirft einen dunklen Schatten auf das Fest. Jesus stößt einen Wehruf aus, so weh tut ihm dieser Verrat der Freundschaft. Aber dann, man hält den Atem an, wird das Brot weitergereicht, der Krug herumgegeben, Essen, Trinken, alle sind dabei. Jesus bewirtet seine Gäste. Menschlich, freundlich. Jesus dankt und bricht das Brot und teilt es aus – das bin ich, sagt er, nehmt meine Kraft. Jesus schenkt den Becher voll ein – das bin ich, sagt er, und in mir fließt der Friede Gottes, trinkt seine Güte. Und alles Lebensfeindliche, der Verrat, die Verleugnung, der Tod wird überboten von dieser Gabe am Tisch Gottes. Jesus feiert das Leben. 5. Wir feiern mit ihm und decken uns gegenseitig den Tisch, egal wie es gerade um uns steht, zu seinem Gedächtnis und: weil wir die Wunder so dringend brauchen. Weil nur Gott diesen riesigen Hunger und Durst stillen kann, mit dem wir durch das Leben ziehen. Weil auch wir genug Feinde und Bedrängnisse haben, die uns lähmen und hinunterziehen und fertig machen. Jesus sagt: nehmt erst mal die guten Gaben Gottes an, öffnet die Hände, empfangt Brot, Wein, Güte, Kraft und neue Hoffnung. Nehmt Gott selbst in Euren Leib und Eure Seele auf. Dann könnt Ihr weitergehen mit Lobgesang - hinaus in die Nacht. Dann habt Ihr die Kraft, die Welt zu verändern, die Feinde zu ertragen, zu besiegen, zu verwandeln. Gott deckt den Tisch für Euch, mit großer Hingabe, behutsam denkt er schon: da würde nachher Simone, Jule, Gisela sitzen. Oder wie Ihr eben alle heißt. Am Tisch Jesu gibt es das Leben. Immer. Bis wir einst an seinem großen Tisch in seinem Saal sitzen, alle, an Tischen, vereint, in einem Heil, das unvorstellbar ist, in einem Frieden, der alle Sehnsucht sattmacht. AMEN. Pfarrerin Cornelia Krause, Evangelische Kirchengemeinde Nellingen
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