Lean Methoden sind im Schweizer Gesundheitswesen angekommen - Lean Prinzipien, die übergreifend für eine ganze Organisation gelten, noch nicht. Lean ist als Thema in vielen Schweizer Spitälern angekommen. Die bisherigen Anstrengungen fokussieren dabei meist auf Effizienzsteigerung in Administrativ- und Supportbereichen. Die Verbesserung des Patientenerlebnisses und der Qualität in den medizinischen und den pflegerischen Kernabläufen – die eigentliche Fokus Bereiche von Lean - werden bis heute nur selten ins Zentrum der Anstrengungen gerückt. Auch vor substanziellen Um- und Neubauten werden die Kernprozesse kaum überarbeitet und simuliert, obwohl Simulationen und Prototypen der neuen Räumlichkeiten als enorm sinnvoll betrachtet werden. genutzt werden, eine zukunftsfähige Wertschöpfungslogik zu implementieren. Zürich-Flughafen, Mai 2015 Christoph Jäggi & Fabian Bischof Bei 55% der Teilnehmenden hat die Organisation bereits praktische Erfahrungen mit Lean gesammelt. Die Erfahrungen beziehen sich dabei zu 80% auf punktuelle Eigeninitiativen von Einzelnen oder Pilotprojekte in einer einzelnen Organisationseinheit. Lediglich bei 20% der Teilnehmenden, deren Institution erste Erfahrungen mit Lean gemacht hat, ist das Thema strategisch verankert. 55% der CH-Spitäler setzen „Lean“ bereits als Methode ein. Lean in der Organisation Im Schweizer Gesundheitswesen stehen grosse Herausforderungen und damit Veränderungen bevor. Es gibt verschiedenste Ansätze, wie Schweizer Gesundheitsdienstleister der steigenden Nachfrage, den höheren Erwartungen der Patienten an Qualität und Serviceorientierung und dem zunehmenden Kostendruck begegnen. Ein möglicher Ansatz diesen Herausforderungen zu begegnen ist Lean Hospital. Einige wenige Organisationen verstehen unter diesem Begriff das gesamte System Spital an Lean Prinzipien auszurichten. Für die meisten Institutionen jedoch ist Lean bis heute viel eher ein Werkzeugkasten für punktuelle Verbesserungen. Im Rahmen der IHS Jahresfachtagung 2015 hat der IHS zusammen mit walkerproject eine Erhebung zum Einsatz von Lean in Schweizer Gesundheitsorganisationen im Generellen und im Rahmen von Neubauprojekten im Speziellen durchgeführt. Ziel der Erhebung war die Verbreitung und den Einsatz von „Lean“ in Schweizer Spitälern zu kennen und zu verstehen ob Neu- und Umbauprojekte dazu Die Erfahrung im Gesundheitswesen und in anderen Branchen zeigt, dass Lean sein Potential nur entfaltet, wenn es nicht als punktueller Werkzeugkasten angewendet wird, sondern strategisch und kulturell verankert Teil der DNA einer gesamten Institution wird. Abbildung 1: Nur 20% der Lean Initiativen sind strategisch verankert. Erfahrungen Sammeln auf „Nebenschauplätzen“ Eindrücklich erscheint auch, dass rund doppelt so viele Lean Initiativen in Administration, Management und Führung sowie im Betrieb, Infrastruktur und Logistik im Vergleich zu Initiativen in der Pflegedienst- und ärztlichen Leistungserstellung erfolgen. Die Komplexität einer Philosophieund Systemumstellung in der medizinischen Leistung ist sicherlich bedeutend höher als in den Supportbereichen. Aber auch die erwarteten Effekte können in den Kernbereichen um ein vielfaches höher ausfallen. Abbildung 2: Die Mehrheit der Lean Initiativen fokussiert noch auf Supportbereiche Lean Journey Eine solche Systemumstellung geschieht nicht über Nacht. Die Transformation zu einem Spital, das nach der Lean Philosophie geführt wird, dauert im Regelfall eine ganze Dekade. Spitäler schaffen diese Transformation, wenn die oberste Spitalleitung Lean als Führungssystem strategisch verankert und die Umsetzung persönlich vorantreibt. In einem ersten Schritt werden einzelne Plattformen beispielsweise eine Bettenstation nach Lean Prinzipien organisiert. Diese dienen als Modell-Zellen und werden in einem zweiten Schritt multipliziert und in einem dritten Schritt zu einem kompletten System verknüpft. Das Lean-Führungsmodell wird parallel dazu auf alle Hierarchiestufen ausgerollt und die Problemlösungskompetenz der Führungskräfte mittels Training und Coaching erhöht. Die Führungslogik und die -instrumente werden auf Tagesaktualität und Wirksamkeit getrimmt. Lean Hospital Im Lean Hospital stehen die Patienten an erster Stelle. Ein Lean Hospital bringt die richtigen Leistungen in der richtigen Art und Menge im richtigen Zeitpunkt zum richtigen Patienten und dies möglichst verschwendungsfrei. Kontinuierliche Verbesserung und Respekt für die eigenen Mitarbeitenden sind die tragenden Pfeiler dieser Management-Philosophie. Mehr als nur Effizienz Mit eindrücklicher Klarheit (78%) wurden Effizienzsteigerungen als zentralste Zielsetzung für die Lean Initiativen genannt. Auch hier zeigen führende Spitäler, dass eine Fokussierung auf die Reduktion von Prozesskosten durch Effizienzsteigerungen zu kurz gedacht ist. Das Virginia Mason Medical Center wurde durch die konsequente Umsetzung der Lean Philosophie zum US Spital mit der höchsten Patientensicherheit (Leapfrog, 2010). Auch das Patientenerlebnis und damit die Qualität der Serviceorientierung sind neben der medizinischen und pflegerischen Qualität zentrale Zielgrössen. 78% der Organisationen fokussieren mit Lean auf Effizienzsteigerungen. Die Tatsache, dass in Schweizer Spitäler sowohl höhere Qualität, Patientensicherheit und Effizienz angestrebt werden kann, mag auf den ersten Blick der Intuition entgegenlaufen. Führende Spitäler zeigen jedoch eindrücklich auf, wie eine konsequente Ausrichtung auf für den Patienten wertschaffende Tätigkeiten auf alle drei Zielgrössen einzahlt. Es ist also noch Luft im System Spital. Dieser Meinung ist mit rund 65% auch die Mehrheit der Umfrageteilnehmenden. Sie geben an, dass ihre Organisation in den nächsten drei Jahren mehr Ressourcen für das Thema Lean investieren wird. 65% werden. Das ist eine verpasste Chance, die nicht so schnell wieder kommt. Mit 75% aller Antwortenden gibt den auch ein grosser Teil an, dass für das Erheben der Nutzeranforderungen neue Wege gefunden und Methoden entwickeln werden müssen. Während rund 90% der Teilnehmenden angeben, dass sie Prozesssimulationen und 1:1 Prototypen von geplanten Infrastrukturen im Vorfeld von Bauprojekten sinnvoll finden, nutzen nur knapp 40% der Organisationen diese Instrumente. Es ist dabei zentral, dass die Simulationen vor den Architekturplänen stattfinden und die Ergebnisse in diesen Planungsschritt mit einfliessen. der CH-Spitäler werden in den nächsten 3 Jahren klar mehr Ressourcen in „Lean“-Projekte investieren. Prozessorientierung in Neu- und Umbauten Das Grossprojekt Neubau ergibt sich für Spitäler ca. alle 40 Jahre. Es ist für ein Spital eine seltene Chance die Infrastruktur optimal an einen idealen Patienten- und Leistungsprozess anzupassen. Doch bei der Komplexität eines Neubaus ist die Verlockung gross die alten Arbeitsmuster und -abläufe abzubilden. Der zusätzliche Aufwand zahlt sich jedoch über die Jahre der Nutzung eines Spitals um ein Vielfaches aus. Das Seattle’s Children Hospital zum Beispiel hat sich vor einem geplanten Bauprojekt mit seinen zukünftigen Prozessen auseinandergesetzt. Im Ergebnis konnte ein dreistelliger Millionenbetrag an Kapital für das Bauprojekt eingespart werden. Jährlich wird durch verbesserte Logistik ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag Betriebskosten eingespart und durch den Einsatz der richtigen Mitarbeitenden für die richtige Arbeit generiert das Spital laufend substanziell Mehrumsatz. Bei knapp 85% aller Teilnehmenden steht denn auch ein grösseres Bauvorhaben (Neubau oder Umbau) in den nächsten 1 bis 5 Jahren bevor. Doch nur bei knapp 60% gibt das Betriebskonzept auch Antworten auf zukünftige Herausforderungen und zeigt auf, wie die Menschen in der Organisation in den nächsten 20 Jahren arbeiten Abbildung 3: Simulationszonen in „Integrated Facility Design“ Projekten von walkerproject Fazit Zahlreiche Organisationen des Schweizer Gesundheitswesens experimentieren mit Lean Methoden und sammeln Erfahrungen damit. Ist eine Organisation von der Sinnhaftigkeit eines Systemwechsels überzeugt, ist die Wertschöpfung im Kern eines Spitals und damit auch die räumliche Ausgestaltung des Spitals der Zukunft mit den Prinzipien der Lean Philosophie neu zu konzipieren. Diese Transformation braucht einen langen Atmen. Wir kennen viele Organisationen, die diesen Weg seit mehreren Jahren gehen und sind überzeugt, das er richtig ist. Studienreise - Lernen von den Besten Wer sehen möchte, wie Spitäler arbeiten, die seit über 10 Jahren nach Lean Prinzipien führen und diese sukzessive in ihre Organisation einbringen, dem ist eine Studienreise in die USA, z.B. die Study Tour Lean Hospital nach Seattle mit H+ Bildung empfohlen. Weitere Infos: H+ Bildung – www.hplus-bildung.ch Für Fragen und weiterführende Diskussion freue ich mich auf Ihre Nachricht. Christoph Jäggi Managing Partner bei der walkerproject ag +41 79 699 99 02 [email protected] www.walkerproject.com D. Walker (Hrsg.) Daniel Walker (Hrsg.) Lean Hospital Lean Hospital Das Krankenhaus der Zukunft mit Beiträgen von M. Alkalay | A. Angerer | T. Drews C. Jäggi | M. Kämpfer | I. Lenherr J. Valentin | C. Vetterli | D. Walker Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Buch Lean Hospital (Verlag mwvberlin.de). | Amazon.de) Die Teilnehmer an der Umfrage Die Konferenzteilnehmenden haben die Umfrage im Vorfeld zur Tagung erhalten und beantwortet. Von den teilnehmenden Personen arbeitet rund die Hälfte für einen Zentrumsversorger und 25% für eine Institution der Grundversorgung. Zwei Drittel der Institutionen sind öffentlichrechtlich geführt, das dritte Drittel privatrechtlich. Der Grossraum Zürich und das Mittelland sind mit jeweils rund einem Viertel der Rückmeldungen am stärksten vertreten. Die andere Hälfte der Antworten verteilt sich auf Vertreter der Zentralschweiz, Westschweiz, Genfersee Region und der Ostschweiz. Einzig das Tessin ist nicht vertreten.
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