Junge Flüchtlinge Oktober 2015 Aufgenommen! Angekommen? – Junge Flüchtlinge in der Jugendsozialarbeit Junge Menschen wie Elyan verbringen entscheidende Jahre ihres Lebens in Deutschland, und viele von ihnen werden dauerhaft hier bleiben. Jugendsozialarbeit will und muss auch sie erreichen und gezielt fördern, damit sie für sich eine Lebensperspektive entwickeln können und damit die entscheidenden Jahre, die sie hier verbringen, für sie nicht zu verlorenen Jahren werden. Aus dem Inhalt Mut für die neuen Herausforderungen2 Ich will arbeiten und selbstständig sein 2 Willkommen in Hamburg 3 Endlich anfangen anzukommen 3 Bildungsland Hessen 4 Pädagogik des sicheren Ortes 4 Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss 5 Welcome Center 5 Auf dem Kirchentag 2015 6 Fremde Heimat Bayern 6 Gremien der BAG EJSA: Gemeinsam neue Wege suchen 6 Bildung und Ausbildung: Kommunale Koordinierung 7 Mehr Aufmerksamkeit für junge weibliche Flüchtlinge Aufgenommen! Angekommen? 7 Was können junge Flüchtlinge von Jugendsozialarbeit erwarten? Entwicklungsschub für die Jugendsozialarbeit 8 Was brauchen junge Flüchtlinge in der Schule? 8 Jugendmigrationsdienst als verlässlicher Partner 9 Unsere Türen stehen offen! 11 Zehn Impulse 12 Links und Hinweise zum Thema 12 G eflüchtete Kinder und Jugendliche haben unabhängig von ihrem Status die gleichen Rechte wie alle anderen Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Das gilt seit dem 15. Juli 2010, nachdem Deutschland 2009 seinen Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention in Bezug auf ausländische Kinder zurück genommen hat. Vorrang muss bei allen Maßnahmen das Kindeswohl haben. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Jugendso- Redaktion: Verantwortlich: Gisela Würfel (wü) Einzelbeiträge: Claudia Armuth, Elke Bott-Eichenhofer, Günter Buck (bu), Michael Fähndrich (fä), Christiane Giersen, Judith Jünger (jj), Barbara Klamt, Susanne Käppler (suk), Urs Kaiser, Kristina Krüger, Andreas Lipsch, David Meis, Inge Müller, Esther Peylo, Claudia Seibold (sei), Marie Scripec und Tom Hauber, Helena Sauter, Burkhardt Wagner V.i.S.d.P.: Michael Fähndrich (Geschäftsführer) Bildnachweis: Jürgen Jünger (S. 1, S. 3 oben, S. 4 oben, S. 6 unten links, S. 7 oben, S. 8, S. 9 unten, S. 10 oben), vij (S. 5 unten rechts), Volker Maria Hügel (S. 2 oben), CJD (S. 4 unten, S. 5 unten links), Produktionsschule Moritzburg (S.5 oben), JMD MindenLübbecke (S. 9 oben), Hendrik Pupat (S. 12 oben), Jan Hanicz – HotRoad Film & Videoproduktion (S. 12 unten), Rest BAG EJSA Gefördert durch: Im Verband mit: ren Aufenthaltserlaubnissen oder gänzlich ohne gesetzlichen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Entscheidende Jahre verloren? »Meine eigene Zukunft sehe ich hier, denn wie soll ich in ein Land zurückkehren, in dem es für mich keine Möglichkeiten und Chancen gibt«, sagt Elyan Eshaq, der mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland kam (siehe dazu auch das Portrait auf Seite 5). Bitte lesen Sie weiter auf Seite 2 Wider die Verwertbarkeit Impressum Herausgeberin und Vertrieb: Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e. V. (BAG EJSA) Wagenburgstraße 26 – 28 70184 Stuttgart Tel. +49 (0) 7 11/16 489-0 Fax +49 (0) 7 11/16 489-21 [email protected], www.bagejsa.de zialarbeit? Ihre Angebote müssen offen sein für alle Jugendlichen. Nicht nur junge Flüchtlinge mit anerkanntem Status können sie in Anspruch nehmen. Auch Jugendliche und junge Erwachsene, die als Flüchtlinge ohne langfristig gesicherte Aufenthaltsperspektive in Deutschland leben, können Unterstützung erwarten. Zu dieser Gruppe gehören Jugendliche in langwierigen Asylverfahren, aber auch junge Menschen, die mit Duldung, befristeten humanitä- Was brauchen junge Flüchtlinge? Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie sich in unserem Land eine Zukunft wünschen und möglichst schnell so zialen und beruflichen Anschluss finden wollen. Für viele, und hier besonders für diejenigen ohne anerkannten Status, ist der Einstieg in eine Ausbildung mit hohen Hürden versehen. Daher kommt es insbesondere am Übergang Schule – Beruf darauf an, dass sie angemessene Unterstützung erhalten und bestehende Hindernisse abgebaut werden – auch wenn sich zurzeit bei den rechtlichen Rahmenbedingungen einiges zum Besseren ändert. Je nach Geschlecht, Lebensalter, Herkunftsland, Fluchtgrund, Fluchtweg, Traumatisierung, Sprachkenntnissen, Bildungsstand, beruflichen Erfahrungen, familiärer Begleitung, Stand der Familienzusammenführung und Statussicherheit brauchen junge Flüchtlinge unterschiedliche Unterstützung. Was sie aber vor allem brauchen ist das Gefühl, hier bei uns wahrgenommen zu werden und willkommen zu sein. Ein ethischer Zwischenruf! A ugenscheinlich reicht es in unserer Gesellschaft nicht mehr, ein Mensch zu sein, um ein Recht auf ein gutes und sicheres Leben zugebilligt zu bekommen. Wenn Armin Laschet in einem Gastkommentar im Tagesspiegel vom 6. Januar 2015 sagt: »Ohne Zuwanderung wird Deutschland seinen Lebensstandard und seinen Wohlstand nicht halten können. Deutschland muss seine Attraktivität für qualifizierte Zuwanderer deutlich steigern.«, dann meint er damit eben nicht, dass wir mehr jungen Flüchtlingen die Chance geben, das Potential, das in ihnen steckt, zu entwickeln. Er propagiert damit die Idee, dass gut ausgebildete, motivierte und leistungsbereite junge Flüchtlinge, die sich nahtlos in unsere Gesellschaft einfügen, unser erwartetes demografisches Problem lösen. Junge Flüchtlinge werden so zu wirtschaftlicher Ware, mit mangelhafter oder guter Qualität. Letzteres wird auch gern umschrieben mit »guter Bleibeperspektive«. Als ob die Bleibeperspektive in der Hand der jungen Menschen läge. Nein, sie ist ein hegemonialer Akt, der nach mehr oder weniger transpa- renten Kriterien darüber entscheidet, ob sie bleiben können oder nicht. Junger Mensch sein allein reicht da nicht. Junge Flüchtlinge werden Ziel von Investitionen Junge Flüchtlinge werden unter dieser Perspektive zum Ziel von Investitionen – nicht in Bezug auf die Verwirklichung ihrer eigenen Potentiale und Lebensvorstellungen, sondern immer im Hinblick auf ihre spätere Nützlichkeit für unsere Gesellschaft. Da werden dann mit großer Geste Ausbildungsplätze in Mangelberufen für Flüchtlinge angeboten, so geschehen in Rheinland-Pfalz, als der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband unter großer medialer Beteiligung und unterstützt von der Landesregierung 300 Ausbildungsplätze zur Verfügung stellte. Die Irritation, dass junge Flüchtlinge sich nicht um diese Plätze rissen, war hoch und die Landesregierung wurde genötigt, gegen dieses »Armutszeugnis« etwas zu tun. Die Absurdität wurde nur noch davon getoppt, dass die zuständige Ausländerbehörde die vier jungen Flüchtlinge aus den Balkanstaaten, die sich für einen solchen Ausbildungsplatz interes- sierten, hoch motiviert waren und zudem gut Deutsch sprachen, mit der Begründung ablehnte, dass sie keine »guten Bleibeperspektiven« hätten. Das Recht auf Bildung, das die UNKinderrechtskonvention im §29 ausführt, beschreibt Gegenteiliges: »Die Vertragsstaaten stimmen darin überein, dass die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muss, die Persönlich- keit, die Begabung und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen«, und dies alles auf der Basis der in §12 beschriebenen Berücksichtigung des Kindeswillens. Junge Flüchtlinge sind keine Ausfallbürgen der Gesellschaft Nicht nur die Ethik der Konvention verbietet es, junge Flüchtlinge zu Ausfallbürgen einer Gesellschaft machen zu wollen, die durch verfehlte Familienpolitik und gesellschaftliche Geringschätzung sozialer Berufe große Zukunftsprobleme hat. Nein, junge Flüchtlinge sind nicht die Rettung für unseren Fachkräftemangel in der Pflege. Nein, sie haben nicht die Verpflichtung, aus Dankbarkeit für das aufnehmende Land jede Ausbildungsstelle anzunehmen, egal ob diese ihren Begabungen, Wünschen und Lebensvorstellungen entspricht. Alle jungen Flüchtlinge haben ein Recht auf Bildung, auf ein gutes und sicheres Leben, weil sie Menschen sind! (Christiane Giersen, Vorstand Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit) BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Aus Politik und Zeitgeschehen Mut für die neuen Herausforderungen Neue Herausforderungen Die Herangehensweisen in der Jugendsozialarbeit, die pädagogische Arbeit mit Gruppen, die individuelle Förderung, die Hilfe in schwierigen Lebenssituationen und die langjährige Erfahrung in der Förderung von jungen eingewanderten Menschen bieten eine gute Grundlage für die Arbeit mit jungen Flüchtlingen. Aber es entstehen auch neue Herausforderungen. Durch die verstärkte Zuwanderung in den letzten Jahren steigt die Anzahl der jungen Flüchtlinge in der Jugendsozialarbeit ständig weiter an. Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen (wie z. B. das Bleiberecht für junge Flüchtlinge ohne anerkannten Status, die sich in Ausbildung befinden) schaffen neue Möglichkeiten, bringen aber auch neue Aufgaben. Daher ist es notwendig, dass wir die Angebote der Jugendsozialarbeit mit Blick auf die heterogene Zielgruppe »Junge Flüchtlinge« und im Kontext der Debatte um Vielfalt und Inklusion prüfen. Wir müssen die Frage, wie und mit welchen Mitteln Jugendsozialarbeit sich auf die Bedarfe und Bedürfnisse junger Flüchtlinge zukünftig einstellen muss, beantworten. J Kinder sind durch die Flucht von allem entwurzelt was ihnen vertraut ist, was bedeutet das für Deutschland? Das ist eine Herausforderung für die Aufnahmegesellschaft, weil die Sozialarbeit, die LehrerInnen, die AusbildungsgeberInnen natürlich überhaupt nicht vorbereitet sind. Da brauchen wir diejenigen, die den kulturellen und sprachlichen Background haben. Der klassische Einheimische stößt zu viel an Grenzen. Kultursensibilität kann man schlecht durch Seminare vermitteln, das Wissen um Fluchtursachen und -bedingungen sowie um die rechtlichen Aufnahmebedingungen dagegen schon. Es ist ganz wichtig, dass die flüchtlingsrechtliche Kompetenz vernetzt wird mit der Jugendhilfekompetenz, denn es gibt ein riesiges Umsetzungsdefizit bei der UN-Kinderrechtskonvention. Der Vorrang des Kindeswohles wird bei Flüchtlingskindern jeden Tag missachtet. unabsehbare Zeit in Deutschland. Ich muss mich also vom ersten Tag an um Eingliederung bemühen. Und selbst wenn es zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt, sind die rückkehrenden jungen Menschen natürlich Botschafter für Deutschland. Und wir sollten uns schon fragen, welches Bild von uns vermittelt wurde. Was brauchen die Fachkräfte? Dabei dürfen die Fachkräfte, die mit den jungen Flüchtlingen in den Einrichtungen arbeiten, nicht vergessen werden. Sie sind zwar mit ihrer pädagogischen Erfahrung grundsätzlich gut gerüstet. Neben zusätzlichen fachlichen Kenntnissen wie z. B. zu den rechtlichen Rahmenbedingungen oder zur Arbeit mit traumatisierten Jugendlichen, brauchen sie Wertschätzung für ihre Arbeit und die Möglichkeit der Selbstfürsorge (siehe dazu Seite 8). Wie sieht die Situation für junge Flüchtlinge über 18 Jahre aus? Zu sagen, mit 18 Jahren ist regelmäßig Schluss mit der Jugendhilfe, und daraus dann auch noch ausländerrechtliche Konsequenzen zu ziehen, das finde ich sehr bedrückend! Wo soll ich als Wie sehen Sie die Einteilung in gute und schlechte Flüchtlinge? Solange die Flüchtlingspolitik von Innen- und RechtspolitikerInnen betrieben wird und nicht von Familien- und SozialpolitikerInnen habe ich immer auch gleich die Abwehr- und Miss- Was tut die BAG EJSA? Zentraler Ansatzpunkt ist für uns, für junge Flüchtlinge den Zugang zu Bildung und Ausbildung weiter zu verbessern. Dabei steht für uns im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention (§29) die Entfaltung der Persönlichkeit im Vordergrund. Schon im Jahr 2014 haben wir im Rahmen des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit dazu das Positionspapier »Jungen Flüchtlingen Bildung und Ausbildung sichern!« herausgegeben. Um dem Schlagzeilenjournalismus zum Flüchtlingsthema etwas entgegenzusetzen, organisierten wir – auch im Rahmen des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit – ein Pressehintergrundgespräch mit erfahrenen Fachkräften und jungen Flüchtlingen, die selbst Auskunft über ihre Lebenssituation in Deutschland gaben. Auch rücken wir Aspekte, denen bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, in den Blick. So z. B. die dringende Notwendigkeit, die spezifische Situation weiblicher junger Flüchtlinge stärker zu berücksichtigen. Wir wissen, die Zielgruppe der jungen Flüchtlinge wird uns nicht nur in diesem Jahr intensiv beschäftigen. Wenn das Medieninteresse und auch die Aufmerksamkeit der Politik nachlassen, werden wir uns weiterhin für die Verbesserung der Lebenssituation junger Flüchtlinge in unserem Land einsetzen. Sie sollen in einigen Jahren nicht feststellen müssen, dass die Zeit, die sie hier waren, für sie eine verlorene Zeit war. n (wü) 2 Mit Expertise und Vernetzung vom ersten Tag an um Eingliederung bemühen Forsetzung von Seite 1 udith Jünger (BAG EJSA) sprach mit Volker Maria Hügel, Rechtsreferent bei der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. in Münster, Leiter des Projektes Qualifizierung der Flüchtlingsarbeit. junger Flüchtling ohne eine Lebensperspektive die Kraft hernehmen, um das zu leisten, was von mir erwartet wird? Die Mehrheit aller Flüchtlinge bleibt auf brauchsdebatte. Ich bin froh in einem Land zu leben, wo man selbst aus der CSU geworfen wird, wenn man offen antisemitisch vorgeht. Warum haben wir nicht die gleiche gute Sensibilität beim Antiziganismus? Roma sind die vergessenen Holocaustopfer. Neuerdings äußert sich auch die Wirtschaft zu Flüchtlingen. Ich bin sehr erfreut, wenn die Ökonomie sagt, wir brauchen sie. Dann wird das viel eher gehört, als wenn das die üblichen Verdächtigen sagen. Wir müssen aber auch dann diejenigen im Auge haben, die nicht wirtschaftlich »verwertbar« sind. Die Traumatisierten, die Alten, die Kranken. Diejenigen, die keine ausreichende Bildung haben. Wenn ich Flüchtlingsschutz ernst nehme, bin ich bei den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes. Wie sehen Sie Spielräume zur UN-Kinderrechtskonvention auf kommunaler Ebene? Wir haben über den paritätischen Wohlfahrtsverband angeregt, dass sich Flüchtlingsberatungsstellen und Kinderschutzbund in allen Kommunen zusammentun und daraus eine Agenda entwickeln und dann auf den jeweiligen Stadt- oder Kreisrat zu gehen. Thema Stolpersteine in der Ausbildung für junge Flüchtlinge … Das Mantra des Kühn-Memorandums von 1979 war »Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung«. Alles was ausgrenzt weg! Alles was fördert, inklusive Beratung, muss verstärkt werden! Sprachkurse für alle und keine Hürden zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Welche strukturellen Veränderungen brauchen wir? Das würde ich mir persönlich wünschen, dass die Flüchtlingshilfe wie die Jugendhilfe zur Regelleistung wird, damit kann man auch dem qualifizierten Personal eine Arbeitsperspektive bieten. Denn die hohe Fluktuation im Flüchtlingsbereich ist natürlich auch dem geschuldet, dass permanent überall Stellen befristet sind und die Anschlussfinanzierung von Projekten nicht da ist. Warum braucht es neben den Regeldiensten Flüchtlingsberatungsstellen? Flüchtlingsberatungsstellen bringen das ausländer- und asylrechtliche Wissen in Verbindung mit den Flüchtlingen und deren Lebenslagen. Eigentlich ist ganz klar, dass die Regeldienste sich auch auf Flüchtlinge einstellen müssen. Aber, so lange die Kultur- und Sprachkompetenz und vor allem die aufenthaltsrechtliche Kompetenz nicht da ist, landen sie natürlich postwendend wieder bei den Flüchtlingsberatungsstellen, die alle personell völlig unterbesetzt sind. Wie sehen Sie das aktuell große ehrenamtliche Engagement? Großartig! Aber, wenn man dieses erstaunliche gesellschaftliche Enga- Ich will arbeiten und selbstständig sein! Afrim B. – seit 25 Jahren Asyl suchend I ch heiße Afrim B., bin 1989 im Kosovo geboren. Mit meinen Eltern kamen wir 1991 nach Deutschland. Ich war anderthalb, mein Bruder zweieinhalb, und meine zwei Schwestern sechs und zehn Jahre alt. Wir sind wegen dem Krieg geflohen und nach Deutschland gekommen. Die erste Station war die Erstaufnahmestelle in Karlsruhe, dann kamen wir nach Stuttgart. Nur in Bad Cannstatt waren wir lange, da waren wir zehn Jahre. Es war 1993, 1994, da war das für mich wie im Paradies! Wir hatten Spaß in der Unterkunft, wir waren viele Kinder, haben immer viel gespielt. Und dann, 1994 war mein erster Royal-Ranger-Pfadfinder-Besuch, mit meinem großen Bruder und der großen Schwester. Die waren schon früher dort, aber ich bin erst 1994 dazu gekommen. Das hat mir gefallen. Aber dann mussten wir die Unterkunft wechseln. Ich war erst in der Grundschule und dann bis zur 9. Klasse in der Förderschule. Dann war ich in der Berufsschule, in der Hauswirtschaftsschule. Meine Eltern haben angefangen zu arbeiten. Keine Chance auf Ausbildung Wir durften keine Ausbildung machen, auch keine Schule weiter besuchen, weil wir nur geduldet waren. Erst 2007 haben wir eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre bekommen. Da bin ich wieder zur Ausländerbehörde gegangen, habe gefragt: »Kann ich jetzt meine Ausbildung beginnen?« Die Antwort war: »Du bist jetzt volljährig geworden. ist ausgeschaltet, Wasser gibt‘s nicht, Heizung gibt‘s nicht, Essen gibt‘s nicht, und kein Geld. Auch im Winter. In Deutschland denken sie, hier kann man gut leben. Aber geh mal richtig runter, zu den Romas! Für uns Roma ist es elend! Die sind auch rassistisch. Dort wird man verfolgt, verprügelt, alles. Es gibt für Volljährige keine Schule, das müsstest du selber zahlen«. Da hab ich gesagt: »Das geht nicht, was kann ich machen?« – »Such dir eine Arbeit«. Es war für mich schwer, als Roma einen Job zu finden. Über meinen Bruder habe ich in einer Bäckerei einen Job gefunden. Da war ich richtig angestellt, mit Papieren. Der Chef wollte mich als Bäcker oder Verkäufer ausbilden, aber das wurde von der Ausländerbehörde abgelehnt, obwohl ich eine Aufenthaltsgenehmigung hatte. Die meinten bei der Arbeitsagentur »Du kannst keine Ausbildung machen, du bist volljährig, du musst arbeiten. Wenn nicht, wirst du abgeschoben«. Hin- und hergeschoben 2009 bekamen wir keine neue Aufenthaltserlaubnis und sollten zurück in den Kosovo. Da sind wir zum Bruder meines Vater nach Belgien gegangen und haben dort Asyl beantragt. Sie haben uns zweieinhalb Jahre warten lassen und dann den Antrag abgelehnt. Meine Eltern und meine Schwester kamen in die Abschiebehaft. Meine Mutter und mein Vater haben da drin gelitten. Egal ob du blutest oder keine Luft kriegst, es juckt die Beamten nicht. Ich bin mit meinen anderen Geschwistern und meiner Freundin zurück nach Stuttgart geflohen. Meine Freundin war hochschwanger. Im Rathaus haben wir eine Grenzbescheinigung bekommen und über das Sozialamt Wohnung. Ein jetziger Nachbar von mir hat uns gut geholfen. Seither sind wir hier. Der 28. April 2014 war krass. Da kam die Polizei um vier Uhr morgens zu uns, hat meinen Bruder abgeholt und ihn nach Belgien verlegt. Er kam in Belgien in Abschiebehaft, zweieinhalb Monate. Da hat er immer mit uns telefoniert. Er hat uns erzählt, was da drin läuft. Ich sag nur eins, gut dass mein Bruder nicht krank geworden ist da drin. Sie haben ihn dann von Belgien abgeschoben in den Kosovo. Er ist illegal dort, er hat jetzt nur so eine Karte, so ähnlich wie der Personalausweis, keinen Pass. Meine Eltern und meine Schwester sind dann freiwillig zurück, wegen ihm. Er kennt sich da unten nicht aus, er weiß nicht mal, was rechts und links heißt auf Albanisch. Die Behörde hat gemeint, sie werden Unterstützung bekommen, aber was für Unterstützung? Gar nichts! Immer noch gibt‘s da keinen Frieden. Strom Afrims Zukunft Ich habe einen Brief gekommen, dass das Dublin-Verfahren, mich nach Belgien zu verlegen, blockiert ist. Jetzt hat Deutschland es in der Hand. Keine Ahnung ob das mit dem Asylantrag klappt. Aber die Sozialarbeiter hier, die geben sich Mühe, und ich werde mir auch Mühe geben. Bewerbungen schreiben und schnell einen Ausbildungsplatz finden, oder einen Job. Ich will arbeiten und selbstständig sein, am liebsten als Koch. Ich will kein HartzIV-Geld oder Sozialleistungen. Wenn die mich fragen: »Warum bist du nicht nach Belgien oder in den Kosovo?«, werde ich einfach sagen: »Diese 25 Jahre hier habe ich nicht einfach für nichts verloren. Mein erster Schritt war hier in Deutschland, mein erster Zahn war hier in Deutschland.« (Esther Peylo, Bundesgeschäftsführerin des vij; das Gespräch mit Afrim B. führte Daniel Fetzer als Teil einer Hausarbeit im Rahmen des Seminars »Fuß fassen in Deutschland – aus der Beratungspraxis menschenrechtsbasierter Sozialarbeit« an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg) BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Aus dem Verband gement nicht professionell flankiert, wird es weg brechen. Die Ehrenamtlichen brauchen die Logistik und sie brauchen auch jemanden, an den sie sich wenden können, wenn es Konflikte gibt oder sie die Flüchtlingsschicksale zu nah an sich herankommen lassen, weil sie die professionelle Distanz nicht haben. Wenn sie das in ihren Familien-und Bekanntenkreisen abladen, kann es ganz schön übel ausgehen. Und ein Ehrenamtlicher, der mit Enttäuschung aufgehört hat, ist empfänglich für rechte Parolen. Ich glaube, dass wir den Rassismus, der in der Mitte der Gesellschaft ist, im Moment überdecken mit dem ehrenamtlichen Engagement. Die Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie müssen die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge organisieren und finanzieren. Dabei kommt es zu Verdrängungsprozessen bei der Finanzierung und das wird Auswirkungen haben. Und wenn Wut sich kollektiv äußert, dann haben wir sächsische Probleme. Ich bin kein Düsterseher, aber unter der Oberfläche brodelt viel, was noch nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das ist sichtbar in Blogs und in Leserbriefen. Aber ich bin alles andere als entmutigt. 37 Jahre Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit und noch so engagiert! Vielen Dank für das Gespräch. Das vollständige Interview finden Sie unter www.bagejsa.de/handlungsfelder/Junge_Flüchtlinge. Willkommen in Hamburg Club International Ein Projekt des Jugendhauses Sankt Pauli Ein Mitmachangebot für junge Flüchtlinge« D enken Menschen an St. Pauli, denken sie zunächst an Reeperbahn, Nachtclubs und hoffentlich auch an den FC St. Pauli. Inmitten dieses turbulenten und bunten Stadtteiles liegt, erhöht mit Blick auf den Hamburger Hafen, die St. Pauli Kirche mit ihrem Jugendhaus. Solidarisch sein mit Flüchtlingen Bekannt geworden ist vielen diese Gemeinde vielleicht auch durch ihre Nothilfe für afrikanische Flüchtlinge, die später so genannten LampedusaFlüchtlinge. Diesen Flüchtlingen hat die St. Pauli Kirche für ein Jahr Obdach gegeben, nachdem diese aus Italien in Hamburg angekommen waren und das Hamburger Winternotprogramm endete. Mit breiter Unterstützung aus der Nachbarschaft und vielen weiteren Akteuren und Unterstützern wurde hier Willkommenskultur gelebt. Solidarisch haben sich viele Menschen an die Seite der Flüchtlinge gestellt. Weitere Angebote auch außerhalb der Schule sind nötig Auch die benachbarte Stadtteilschule ist gefordert, eine zunehmende Zahl von Schülerinnen und Schülern, die alleine oder mit ihren Familien nach Hamburg geflüchtet sind, willkommen zu heißen. Diese neuen Schülerinnen und Schüler werden in Hamburg in so genannten Vorbereitungsklassen in einem Jahr auf den Übergang in ihre Regelklassen vorbereitet. Damit ihr Ankommen in Hamburg und in ihrem neuen Stadtteil tatsächlich gelingt, sind ne- ben der Integration in Schule weitere Angebote nötig, wie sie das Jugendhaus St. Pauli bietet. Kontakte und Orientierung werden ermöglicht Viele dieser jungen Menschen besuchen bereits das Jugendhaus. Durch die Begegnung mit ihnen entstand die Idee zu dem Projekt: »MoinMoin und Hello – Willkommen in Hamburg«. In diesem Projekt werden gemeinsame Ausflüge an verschiedene Freizeitorte der Stadt wie z. B. Schwimmbäder, Mu- orientieren, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen und sie lernen weitere Freizeit- und Hilfsangebote kennen. Der Kontakt und die Beziehung zu den Mitarbeitenden des Jugendhauses intensiviert sich. Die Ausflüge werden dokumentiert und in einer Broschüre festgehalten, die auch zukünftigen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung steht. Ermöglicht wird das Projekt von der Christoph Metzelder Stiftung, die ihren Schwerpunkt in der Förderung von Projekten in den Bereichen Bildung, Aus- seen, Bücherhallen, Hafen, Bauspielplätze, Familiencafés sowie sozialen Einrichtungen wie z. B. Beratungsstellen, unternommen. Die Ausflüge werden im Vorfeld gemeinsam inhaltlich vorbereitet. Die jungen Menschen lernen es, sich geografisch in der Stadt zu bildung und Integration hat. Das Projekt soll junge Menschen ermutigen und befähigen, sich frei und sicher in Hamburg zu bewegen. Junge Menschen sollen erleben, dass sie in Hamburg willkommen sind! (Kristina Krüger, Diakonisches Werk Hamburg) Endlich anfangen anzukommen Manar Bojerimi hofft auf ein neues Zuhause für sich und seine Familie I ch bin Manar Bojerimi, aber einige kennen mich auch als Mc Manar. Vor kurzem bin ich 15 Jahre alt geworden. Vor fünf Monaten kam ich mit meinen Eltern und zwei Brüdern, die fünf und 18 Jahre alt sind, nach Deutschland. Ich liebe Deutschland aus dem einfachen Grund, dass es hier keinen Krieg gibt, dass meine Familie hier ein neues Leben in Sicherheit beginnen kann. Dies war in meinem Heimatland Syrien nicht der Fall. Situationen, in denen wir Kinder uns in kleinen Nischen vor Bomben und Angriffen verstecken mussten, haben unseren Alltag geprägt und ihre Spuren bis heute hinterlassen. Unser Familienhaus wurde 2010 zerbombt. Dadurch waren wir gezwungen, für ein Jahr in einem Raum der Schule zu leben. Eine komische Vorstellung zu wissen, dass ich die letzten zwei Jahre meiner Zeit in Syrien nicht zur Schule gehen konnte, da mein Vater mir jeden Morgen sagte »Nein, heute kommt vielleicht eine Bombe. Es ist zu gefährlich.« Doch die Bombe traf dann unser Haus. Ich ging also nicht in die Schule um zu lernen, sondern um dort zu überleben. Mit mir und meiner Familie lebten etwa noch 50 andere Personen in diesem einen Raum, wir alle teilten uns eine kleine Küche. Keine Zukunft in der Heimat Die Überzeugung, das Land verlassen zu müssen, wuchs täglich. Syrien war für uns »fertig«, wir hatten dort keine Zukunft mehr. 2011 begann unsere gefährliche Reise in ein neues Leben. Wir erreichten Ägypten, von dort sollte uns ein Boot nach Italien – nach Europa – auf sicheren Boden bringen. Zwölf Tage auf einem viel zu kleinen Boot mit viel zu vielen Menschen und ohne Essen und Trinken zu verbringen, war schlimmer als man es sich hätte ausmalen können. An Schlaf war vor lauter Angst und den Bildern, die man gesehen und erlebt hat, nicht zu denken. Die Menschen, die neben mir starben. Die unaufhörlichen Bewegungen des Bootes, bei denen man nicht wusste, ob sie in ein neues Leben bringen oder in den Tod führen würden. Am zehnten Tag geschah die Katastrophe: das Boot wurde brüchig. Auf die Hilfe- und Rettungsrufe wurde zwei Tage später reagiert und so kamen wir nach zwölf unendlich langen Tagen auf dem Meer endlich in Italien an. Doch die Probleme und Hindernisse nahmen kein Ende. Die Armut und Obdachlosigkeit in Italien nahmen uns jede Hoffnung. Wir sahen keine Möglichkeit weiterzukommen, bis wir Teil eines außergewöhnlichen Plans wurden, einer Idee, die uns half und danach den Menschen unsere Realität zeigt. Teil einer Hochzeit. Denn wer würde so eine Feier schon hinterfragen? Wer stoppt ein Hochzeitspaar und seine Gäste? Suche nach einem Zuhause So ging unser Weg weiter über Frankreich nach Deutschland, dann nach Dänemark und schließlich Schweden. Hier wurde 2012 der Film »Auf der Seite der Braut« fertiggestellt. Der Film zu unserer persönlichen Geschichte. In dieser Zeit in Schweden lernte ich Englisch, was mir gerade in den ersten Monaten hier in Deutschland sehr weiterhilft. Ich sehe, dass es mir leichter fällt hier Fuß zu fassen als meiner Familie, die ohne Englisch und mit nur wenig Deutsch, hier beinahe »sprachlos« ist. Auf der beschwerlichen Flucht habe ich mir das Leben in Deutschland nie ausmalen können. Meine ersten Eindrücke von diesem Land waren überwältigend. Ich wusste, hier und nirgends anders kann und will ich bleiben. Meine Familie kann nach fast vier Jahren ohne ein Zuhause anfangen, sich dieses aufzubauen und anfangen anzukommen. Im Moment leben wir in einer Gemeinschaftsunterkunft für AsylbewerberInnen. Mit uns leben weitere acht Familien in diesem Haus. Eine Perspektive Meine Eltern arbeiten noch nicht, aber sie lernen im Moment die deutsche Sprache. Meine Brüder und ich gehen in die Schule. Hier habe ich sofort Anschluss und viele Freunde gefunden. Trotz der Situation, dass die Klassen überfüllt sind und ich deshalb in eine zehnte Klasse kam, obwohl ich eigentlich in eine achte sollte, fühle ich mich sehr wohl. Nun habe ich die Chance bis zum nächsten Schuljahr die deutsche Sprache zu lernen und dann in einer achten Klasse meine Schullaufbahn mit langer Pause weiterzuführen. Das macht mich unglaublich glücklich! Meine Musik hilft mir Wenn die Erinnerungen an die unzähligen schrecklichen Erlebnisse in mir hochkommen, oder wenn ich sehe wie mein Vater damit kämpft, alles zu verarbeiten, dann schreibe ich Raptexte. Ich schreibe und schreibe Songs über den Krieg, über die Situation in Syrien und Palästina. Dies hilft mir, die Dinge auf meine Weise zu verarbeiten. Doch trotzdem möchte ich kein Musiker werden. Das ist und bleibt mein Hobby und meine ganz persönliche Hilfe. Mein Ziel ist es, Arzt zu werden – Menschen zu helfen und Leben zu retten. Die Menschen um mich rum helfen uns unglaublich viel, dafür bin ich sehr dankbar. Ich mag meine neue Heimat, ich mag die Leute hier und hoffe, dass sie auch uns mögen. (Das Gespräch führte Helena Sauter, BAG EJSA.) D er Club International des vij (Verein für Internationale Jugendarbeit Stuttgart e.V.) ist ein Anlaufpunkt und Aktionsraum für interkulturellen Austausch in Stuttgart. Integration und Begegnung werden hier durch gemeinsame Erlebnisse und Gestaltungsräume verwirklicht. Bei Aktionen wie einem Theaterstück zum Thema Zukunftsträume, einem gemeinsamen kirgisischen Kochabend, beim Gedichte schreiben auf Deutsch und in der Muttersprache können die TeilnehmerInnen eigene Interessen einbringen und sich ausprobieren, neue Ideen entwickeln und ihre Kompetenzen erweitern. Die deutsche Sprache zu lernen ist en passant bei allen Aktionen im Fokus, bei Angeboten wie Sprachtandems oder Sprachcafé wird gezielt für den Alltag geübt. Alle Angebote werden der Situation der Teilnehmenden angepasst und eingesetzt, um das Gruppengefühl zu stärken und den Austausch bewusst zu fördern. Teilhabe und eigene Stärken erkennen ist ein zentrales Anliegen bei den Aktivitäten mit den TeilnehmerInnen. Darüber hinaus ist stets genügend Zeit für informellen Austausch und die Gelegenheit für vertrauliche Gespräche. Der Club ist somit oft Ausgangspunkt für Freundschaften. Eigene Integrationserfahrung weitergeben Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind meistens ehemalige BesucherInnen. So können sie ihre Integrationserfahrung weitergeben und anderen zur Seite stehen und nebenbei ihr eigenes Potential erkennen und weiter ausbauen. Weiterbildungen für das Team ergänzen die Arbeit und motivieren dazu, sich zu engagieren. In Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt gab es vor wenigen Monaten einen ersten gemeinsamen Event für minderjährige Flüchtlinge: Einen Kochabend in den Räumen der AWO und anschließend einen Discoabend im vij. Flüchtlinge und Clubbesucher Innen zusammen bringen Ein von der Stadt Stuttgart gefördertes Projekt in Kooperation mit dem Sozialdienst für Flüchtlinge der eva (Evangelische Gesellschaft Stuttgart) bringt Flüchtlinge und ClubbesucherInnen zusammen. Hier werden Ausflugsziele in Stuttgart gemeinsam erkundet. Flüchtlinge zählten in der Vergangenheit bereits vereinzelt zu unserem Besucherkreis. Mit dem neuen Projekt wird jetzt bewusst die Chance gesucht, die Angebote des Club International den jungen Flüchtlingen durch direkte Begegnungen mit anderen Jugendlichen nahe zu bringen. Die Aktionen des Clubs eignen sich bestens, um erste Kontakte zu knüpfen. Über gemeinsame Erlebnisse und Ausflüge gelingt es leichter, Barrieren zu überwinden. Somit steht einer aktiven Teilhabe und Integration nichts mehr im Weg. (Marie Scripec und Tom Hauber, vij, Kontakt: www.vij-stuttgart.de) 3 BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Aus dem Verband Bildungsland Hessen – Mogelpackung oder Vorbild? Ein Jahr Bündnis »Gute Bildung für alle« D as Bündnis »Gute Bildung für alle« konstituierte sich anlässlich des Fachforums »Zugewandert in Hessen: Seiteneinsteiger – Eine Herausforderung für die Bildungspolitik«, das im Mai 2014 in Frankfurt stattfand. Seine Bündnispartner sind die Liga Hessen der freien Wohlfahrtspflege, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen, die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen, die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Hessen und die Kommunale Ausländervertretung Frankfurt. Grund für diesen Zusammenschluss und die gemeinsamen Aktionen des Bündnisses war die unbefriedigende Bildungssituation der vielen Kinder und Jugendlichen, die entweder im Rahmen der EU-Freizügigkeit oder als begleitete und unbegleitete (minderjährige) junge Flüchtlinge aus dem Ausland nach Hessen zuwanderten. Was braucht die Zielgruppe der Seiteneinsteiger? Diese Gruppe der sogenannten Seiteneinsteiger sind junge Menschen, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse und in der Regel während des laufenden Schuljahres in Deutschland ankommen und in Schulen integriert werden müssen oder wollen. Das Bildungssystem und die Schulen waren auf den Andrang dieser zusätzlichen Schülerinnen und Schüler nicht vorbereitet. So kam es zu erheblichen strukturellen Engpässen, die bis heute weiter bestehen. Diese Zielgruppe braucht eine Bildungspolitik, die sich den geänderten gesellschaftlichen Erfordernissen und damit den verändernden Lebenslagen der SchülerInnen anpasst. Das sind vor allem ausreichende und geeignete Schulplätze mit einer besonderen Beschulung in Form einer intensiven Sprachförderung und sozialpädagogische Begleitung. Diese besondere Förderung deshalb, um ihrem vorerst erhöhten Unterstützungsbedarf gerecht zu werden, sie am deutschen Bildungssystem teilhaben zu lassen und ihnen die gleichen Chancen wie einheimischen jungen Menschen zu geben. Welche Angebote hat das Land Hessen für sie? Aktuell können folgende Maßnahmen genannt werden: ■■ Bei Schulpflicht (bis 16 Jahre): Intensivklassen zum Erwerb von grundlegenden Kenntnissen der deutschen Sprache in altersübergreifend heterogenen Lerngruppen (Schuljahr 2014/15: 12 bis 16 SchülerInnen; 28 Wochenstunden) und Intensivkurse und »Deutsch als Zweitsprache« mit intensiver Deutschförderung parallel zum Unterricht in den Regelklassen ■■ Bei Schulrecht (bis 18 Jahre): »InteA – Integration und Abschluss«; ab dem Schuljahr 2015/16 das Nachfolgeprogramm von EIBE; Erwerb der Bildungssprache Deutsch in enger Verbindung mit handlungsorientiertem Fachsprachenerwerb plus sozialpädagogischer Begleitung In der Praxis scheinen die vom Land Hessen für die schulische Integration der Seiteneinsteiger zur Verfügung gestellten Ressourcen ausgeschöpft. Die für das Schuljahr 2015/16 praktizierte »Bedarfsdeckung« – mehr und größere Klassen, geringere Stundenzuweisungen – sind eindeutig. Zusätzliche Angebote gehen regelmäßig auf Kosten bereits bestehender. ■■ »Unterrichtsunterstützende sozial- pädagogische Förderung (USF)«: »Schulsozialarbeit« wird in Hessen nicht (mehr) als Regelaufgabe vom Land mitfinanziert, sondern aktuell aus kommunalen Mitteln und dem Schulbudget gezahlt. Jammern auf hohem Niveau? Trotz der guten Ansätze gibt es Kritik. Denn die Situation hat sich aufgrund der steigenden Zuzugszahlen immer weiter verschärft. Dies ist der Fall, obwohl Hessen laut seines Kultusministeriums ein Gesamtsprachförderkonzept von den Vorlaufkursen im Vorschulbereich, über Intensivsprachfördermaßnahmen im allgemeinbildenden Bereich bis hin zur flächendeckenden Einrichtung von Intensivklassen auch an beruflichen Schulen, bietet – ein Konzept zum Spracherwerb und zur schulischen Integration in allen Altersklassen plus sozialpädagogischer Begleitung. Gute Ansätze, aber auch vergebene Chancen Trotz guter Ansätze vergibt sich hier das Land Hessen Chancen und verschwendet Talente. Es reduziert sich auf die Beschulung minderjähriger Zugewanderter und höhlt bestehende Angebote sukzessive aus. Das entspricht weder den Ansprüchen eines Bildungslandes noch den gesellschaftlichen Erfordernissen oder den individuellen Bildungsbiografien dieser jungen Menschen. Zusätzlich zu den schulischen Angeboten, die inhaltlich und strukturell die Chance geben müssen, individuelle Begabungen und Potentiale zu erkennen und auszuschöpfen, ist vor allem für die Zielgruppe der Seiteneinsteiger eine individuelle sozialpädagogische Förderung unabdingbar. Die Arbeit des Bündnisses »Gute Bildung für alle« wird fortgesetzt. Eine ausführliche Version dieses Beitrags finden Sie unter www.bagejsa.de/Handlungs felder/Junge-Flüchtlinge. Inge Müller, Referentin für Jugend und Migration, Diakonie Hessen) Junge Flüchtlinge brauchen vor allem Sicherheit Zur Bewältigung von Traumata: Pädagogik des sicheren Ortes A n vielen Orten in Deutschland arbeitet das CJD (Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. – die Chancengeber) mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und auch Flüchtlingsfamilien, die oft hochbelastet in Deutschland ankommen. In der Arbeit mit diesen Menschen greifen wir auf Erfahrungen zurück, die im Rahmen eines bundesweiten Traumapädagogik-Projektes (Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe – Angebote zur Bewältigung von Traumata und Bindungsstörungen in Kooperation des CJD e. V. und der Universitätsklinik Ulm, gefördert von Aktion Mensch) gewonnen wurden (Schmid, Kaiser, Ziegenhain: 2014). Glücklicherweise ist nur ein Teil der jungen Menschen traumatisiert, alle aber brauchen nach den bisherigen Lebenserfahrungen einen sicheren Ort. Nur ein sicherer Ort ermöglicht Entwicklung und Wachstum Ein sicherer Ort ist ein Ort, an dem Entwicklung und Wachstum möglich sind, der es erlaubt, die hochwirksamen Überlebensstrategien (Flucht, Angriff, Erstarren) aufzugeben und alternative Verhaltensweisen zu erlernen. Wenn nach einer Flucht hochbelastete und eventuell traumatisierte junge Menschen nicht ein Milieu antreffen, das die permanente Abwehr von real erlebter und existenziell erschütternder Bedrohung nach und nach überflüssig macht, wird weder Lernen (kognitiv) noch Verhaltensveränderung (konativ) 4 noch die Aneignung neuer Erlebensmuster (emotional) möglich werden. Flüchtlinge als ExpertInnen in eigener Sache ernst nehmen Damit dies gelingt, braucht es erkundungsfreudige Fachkräfte mit einer forschenden Grundhaltung, die offen sind, Flüchtlinge als ExpertInnen ernst zu nehmen und ihre eigene Verunsicherung zu reflektieren. Durch den Träger ist sicherzustellen, dass den Mitarbeitenden Räume für Reflexion und Verarbeitung von Belastungen (Supervision/ Intervision) aber auch Fortbildungen im Bereich kultur- und traumasensibler Arbeit angeboten werden. Die Auseinandersetzung mit den Resilienzfaktoren ist sowohl auf der Mitarbeiterebene als auch in der Arbeit mit den Flüchtlingen, de- ren Überlebensleistung zu würdigen ist, entscheidend. Indem Jugendliche eingeladen werden, an einem sicheren Ort mitzubauen, werden sie auf Augenhöhe angesprochen und können sich als selbstwirksam erleben, weil sie Lösungen mitgestalten dürfen. Gegenüberstellung von belastendem und förderlichem Umfeld Angesichts der immer wieder auch begrenzten Möglichkeiten intensiver individualpädagogischer Arbeit bietet ein milieuorientierter Ansatz wie die Pädagogik des sicheren Ortes neue Chancen durch die konsequente Gegenüberstellung eines belastenden und eines förderlichen Umfeldes (siehe Auflistung rechts). Der Frage unter Beteiligung der Betroffenen nachzugehen, was den Ort sicherer macht, an dem Kinder, Jugendliche und ihre Familien leben, wo sie zur Schule gehen, im Sozialraum ihre Freizeit verbringen und Jugendarbeit stattfindet, ist sehr hilfreich, um im Sinne einer Win-Win-Situation sowohl für Klienten als auch für Fachkräfte gedeihliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Beteiligten beklagen dabei weniger mangelnde Ressourcen, sondern setzen die vorhandenen gezielter ein. Transparenz und schneller Spracherwerb wichtig Die Auswirkungen der konsequenten Ausrichtung am Konzept des sicheren Ortes zeigen sich zum Beispiel beim Thema Transparenz, das Kenntnis der deutschen Sprache unbedingt voraussetzt. Transparenz macht den Ort der Unterbringung in Deutschland verstehbar und ermöglicht den jungen Menschen, Entscheidungen nachzuvollziehen und die Durchsetzung eigener Wünsche und Rechte adäquat zu planen und zu adressieren. Der schnelle Spracherwerb ist deshalb sehr wichtig. Zuständigkeiten, Hausvereinbarungen, Verhaltensregeln sowie Kommunikations- und Beschwerdewege müssen eindeutig formuliert sein. Äußerer und innerer sicherer Ort Zu einem sicheren Ort gehört, dass alle in einem Quartier lebenden Menschen sich sicher fühlen. Von daher gilt es einerseits bis in eine gesellschaftspolitische Ebene hinein, die Bedürfnisse aller dort lebenden Menschen ernst zu nehmen. Außerdem müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Angst vor dem Fremden reduzieren und eine Willkommenskultur begründen. Andererseits geht es neben dem äußeren auch um den inneren sicheren Ort, der jeden einzelnen Menschen befähigt für sich zu sorgen, Halt im Leben zu finden und Selbstvertrauen zu entwickeln. Also ein zutiefst pädagogischer und werteorientierter Ansatz, der seine Wirkung immer da entfaltet, wo die Frage nach dem sicheren Ort konkret gestellt wird. (Urs Kaiser, Christliches Jugenddorfwerk Deutschland) Kriterien für ein belastendes und für ein förderliches Umfeld Weiterentwicklung wird möglich, wenn diese Kriterien einander konsequent gegenübergestellt werden. Traumatisierendes Umfeld ■■ Unberechenbarkeit ■■ Einsamkeit ■■ Nicht gesehen /gehört werden ■■ Geringschätzung ■■ Bedürfnisse missachtend ■■ Ausgeliefert sein – andere bestimmen absolut über mich Leid erzeugend Traumapädagogisches Milieu ■■ Transparenz / Berechenbarkeit ■■ Beziehungsangebote ■■ Beachtet werden/Wichtig sein ■■ Wertschätzung (Besonderheit) ■■ Bedürfnisorientierung ■■ Mitbestimmen können – Partizipation ■■ Selbstwirksamkeit Freude vermittelnd BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Aus dem Verband Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss Schulprojekt mit jugendlichen Asylsuchenden in der Produktionsschule Moritzburg D er Inhalt unseres Projektes ist die Beschulung von asylsuchenden Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren. Die Jugendlichen kommen aus dem sächsischen Regelschulsystem, aus den sogenannten DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache). In diesen Klassen werden die jugendlichen Flüchtlinge auf eine Integration in »normale« Klassen vorbereitet − mit dem Ziel, an den Regelschulen zu einem Schulabschluss zu gelangen. In diesen Klassen gibt es Jugendliche, welche auf Grund ihrer Flucht und ihrer Vorbildung im Herkunftsland im Regelschulsystem nicht zu einem Schulabschluss gelangen werden, da ihnen die im Regelschulsystem zur Verfügung stehende Zeit nicht ausreichen wird, um das Wissen für einen Schulabschluss umfänglich nachzuholen. Ziel ist das Bestehen der Schulfremdenprüfung Das Projekt ist ein durch das Kultusministerium Sachsen gefördertes Modellvorhaben, in welchem 16 asylsuchende Jugendliche in Moritzburg in einem Vorbereitungskurs intensiv auf den Erwerb eines Hauptschulabschlusses vorbereitet werden. Die Jugendlichen lernen im Projekt zu Anfang verstärkt Deutsch und später die anderen prüfungsrelevanten Fächer. Unser Ziel ist es, im Frühsommer 2016 möglichst viele Jugendliche über die Schulfremdenprüfung zu einem Schulabschluss zu bringen. Dies stellt sowohl für die Jugendlichen als auch für unsere pädagogischen Fachkräfte auf Grund der Vorbildungen, der Deutschkenntnisse und der Heterogenität der Klasse eine große Herausforderung dar. Neben dem fachspezifischen Unterricht werden die Jugendlichen sozialpädagogisch begleitet. meinsame Fußballturniere, gemeinsames Kochen und das Durchführen von gemeinsamen Unterrichtseinheiten. Kontakt zu Jugendlichen anderer Jugendberufshilfeprojekte Um auch den weiteren Weg unserer Jugendlichen in Richtung einer Berufsausbildung zu ebnen, versuchen wir Themen der beruflichen Orientierung im Unterricht, in eigens dafür geschaffenen Freiräumen und im Kontakt zu unseren anderen Werkstätten in der Produktionsschule zu integrieren. Wichtiger Bestandteil unseres Projektes sind außerdem Praktika in regionalen Unternehmen. Wichtig ist uns, dass die Jugendlichen in unserem Schulkurs so viel wie möglich Kontakt zu den deutschen Jugendlichen in unseren anderen Jugendberufshilfeprojekten haben. Wir erreichen dies beispielsweise durch ge- Zur Produktionsschule Moritzburg In der Produktionsschule Moritzburg werden Jugendliche und Erwachsene mit Hilfe verschiedener Arbeitsbereiche (wieder) in Ausbildung und Arbeit integriert. Die Menschen, die zu uns kommen, sind arbeitssuchend, haben oft keine Ausbildung und sind durch ihre Arbeitslosigkeit zum Teil schon seit langem von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Diesen Menschen, durch die Beschäftigung, Qualifizierung und die Begleitung bei uns wieder Anerkennung, Erfolge und Perspektiven zu geben, ist unser Ziel. (David Meis, Produktionsschule Moritzburg gGmbH, Schloßallee 4, 01468 Moritzburg, www.produk tionsschule-moritzburg.de Unglaublich hohe Motivation Obwohl das Projekt für alle Beteiligten eine große Herausforderung darstellt, sind wir zuversichtlich, dass am Ende für alle ein Erfolg stehen wird. Grund dafür ist, dass die Jugendlichen sich in der Schule wohl fühlen und wir bei den Jugendlichen eine unglaublich hohe Motivation erleben. Gut an(ge)kommen Wunschziel erreicht? Welcome Center Bodensee-Oberschwaben Elyan Eshaq erzählt, wie er nach Deutschland kam I Staatsminister Peter Friedrich (3. v. l.) zu Besuch im Welcome Center I n Baden-Württemberg eine echte Willkommenskultur etablieren – so lautet der Auftrag für die vom Wirtschaftsministerium geförderten Welcome Center in zehn Regionen des Landes. Das Team des Welcome Centers Bodensee-Oberschwaben, angesiedelt beim CJD an den Standorten Ravensburg, Friedrichshafen und Sigmaringen, erlebt seit dem offiziellen Start im Mai 2014 bewegende Geschichten von Fachkräften, die hier in der Region ihren Neustart wagen. Kooperation mit Betrieben Auf der Basis einer Befragung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Region wurden in einem ersten Schritt die konkreten Bedarfe an Fachkräften in der Region ermittelt. Eine wichtige Rolle spielte bei dieser Erhebung die Frage, ob die Betriebe daran interessiert sind, offene Stellen auch mit internationalen Fachkräften zu besetzen. Wenn dies der Fall ist, bietet das Welcome Center Beratung und Begleitung bei der Suche nach geeigneten Fachkräften – und insbesondere bei deren Integration in das betriebliche und soziale Umfeld. Fachkräfte aus dem internationalen Ausland bekommen beim Welcome Center vielfältigste Informationen, die vom geeigneten Deutschkurs über die Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen bis hin zu potenziellen Arbeitgebern reichen. Eine weitere Aufgabe des Welcome Centers ist die Vernetzung und Kooperation mit regionalen Akteuren und Beratungsstellen, die in den Themen Integration, Fachkräfte und Arbeitsmarkt unterwegs sind. Auch auf Landesebene findet ein fachlicher Austausch der Welcome Center in Form von regelmäßigen Treffen und eines gemeinsamen Internetforums statt, um möglichst viele Synergieeffekte zu nutzen. Die Arbeit des Welcome Centers Bodensee-Oberschwaben (www.wel comecenter-bo.de) ist geprägt von einer Vielzahl an Kontakten, die ein großes Potenzial an neuen Formen der Zusammenarbeit erschließen. Neben der persönlichen Beratung von Fachkräften und kleinen und mittleren Unternehmen spielt auch das Veranstaltungsangebot eine wichtige Rolle. (Elke Bott-Eichenhofer, Christliches Jugenddorfwerk Bodensee-Oberschwaben) ch heiße Elyan Eshaq, bin 20 Jahre alt und bin momentan im zweiten Lehrjahr meiner Ausbildung als Maler und Lackierer. Meine Freizeit gestalte ich sehr musikalisch, so bin ich Sänger in der interkulturellen Band »Wüstenblumen« von und mit Flüchtlingen, einem arabisch-deutschem Chor und dem aramäischen Kirchenchor. Singen ist meine große Leidenschaft. Im Januar 1995 wurde ich als jüngster Sohn einer sechsköpfigen christlichen Familie im Irak geboren. Meine Eltern arbeiteten beide, so konnten wir dort sehr gut in einem eigenen schönen Haus und mit Hund leben. Meine Brüder und ich besuchten die Schule. Doch nach dem Krieg änderte sich alles für uns. Das einst unbeschwerte, schöne und glückliche Leben war von nun an unvorstellbar. Hoffnung auf eine sichere Zukunft mit Hilfe der Vereinten Nationen Als ich elf Jahre alt war beschloss meine Familie, den Irak hinter sich zu lassen und hoffte auf eine sichere und gute Zukunft in Europa. Wir hörten von den Programmen der UN, welche aus bestimmten Ländern, wie beispielsweise Syrien, Flüchtlinge in Sicherheit bringt. So bewarben wir uns bei der UN und machten uns 2006 auf den Weg nach Syrien, um eine dieser glücklichen auserwählten Familien zu sein, die nach Deutschland dürfen. Diese drei Jahre, die ich in Syrien verbracht habe, werden für mich immer eine wunderschöne und unvergessliche Zeit sein. Hier war meiner Meinung nach das richtige Leben. 2009 erhielten wir erstmals die Nachricht eine Möglichkeit zu haben nach Amerika zu kommen, doch wir lehnten das Angebot ab und warteten weiter auf Deutschland. Und so kam es, dass wir ein paar Monate später als handverlesene Flüchtlinge der UN in Hannover mit dem Flugzeug landeten. Hier verbrachten wir unsere ersten Tage auf deutschem, europäischem Boden. Das Leben, wie es hier läuft und funktioniert, kannte ich bisher nur aus dem Fernseher. Häufig sah ich in Filmen und Sendungen große, schöne gepflegte Häuser mit guten Autos davor. Ich dachte DAS ist Deutschland. DAS muss in Deutschland normal und Realität sein. »Soll ich die Tasche auspacken?« Doch die Realität holte mich spätestens in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe ein. Diese teilte uns dem Landkreis Esslingen, genauer Kirchheim unter Teck zu. Mir war in diesem Moment nicht bewusst, dass hier meine neue Heimat sein wird und meine Zukunft hier stattfinden wird. Ich fragte lediglich meine Mutter, ob ich die Tasche auspacken soll, oder ob wir eh die nächsten Tage wieder woanders hingehen. In der Unterkunft habe ich sehr bald viele Freunde kennengelernt, die heute für mich wie eine Familie sind. »Meine Zukunft sehe ich hier« Heute würde ich behaupten, mir fehlt es an nichts und ich fühle mich sehr wohl. Obwohl meine Vorstellungen von Deutschland sich so nicht erfüllt haben und das Leben hier sehr viel komplizierter und anstrengender ist als erwartet. Meine eigene Zukunft sehe ich hier, denn wie soll ich in ein Land zurückkehren, in dem es für mich keine Möglichkeiten und Chancen gibt. Für mich ist es jedoch sehr schlimm zu ertragen, dass die Familie, Verwandten und Bekannten so auseinandergerissen wurden und nun auf der ganzen Welt verstreut ein neues Leben haben. Und dass es leider immer noch viele gibt, die täglich noch das erleben, vor dem ich und meine Familie fliehen durften. (Das Gespräch führte Helena Sauter, BAG EJSA.) Die Band »Wüstenblumen« Seit 2013 besteht die Band »Wüstenblumen«. Unter der musikalischen Leitung von Sidahmed Serour musizieren junge Musikerinnen und Musiker – Flüchtlinge und Einheimische – gemeinsam. Zurzeit spielen zwölf Musiker aus acht Ländern bei den »Wüstenblumen« mit. Mit Unterstützung durch die Bürgerstiftung der Stadt Kirchheim unter Teck konnten Instrumente und technische Ausrüstung angeschafft werden. Das Projekt ist eine Kooperation des Mehrgenerationenhauses Linde mit dem Club Bastion e.V., dem AK Asyl und chai. Weitere Informationen: http:// www.chai-beratung.de 5 BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Events Bekenntnis: »Ja, wir sind ein Zufluchtsland!« Die BAG EJSA auf dem 35. Evangelischen Kirchentag J a, wir sind ein Zufluchtsland! Dieses Bekenntnis stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung der BAG EJSA beim 35. Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Birgit Löwe (Vorstand des Diakonischen Werkes Bayern und 1. Vorsitzende der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern) stellte die von der Mitgliederversammlung des Diakonischen Werkes Bayern und der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern verabschiedete Standortbestimmung »Ja, wir sind ein Zufluchtsland – Plädoyer für eine Neuorientierung« vor. Ermutigung zur Integration Sie nahm dabei Bezug auf einen Satz aus Jeremia 29,7: »Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe lassen wegführen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn‹s ihr wohl geht, so geht‹s auch euch wohl.« Das schreibt der Prophet Jeremia in seinem Brief an die israelitische Exilgemeinde in der babylonischen Gefangenschaft. Ein Brief an Menschen, die in der Fremde leben mussten. Er ermutigt sie zur Integration. Durch Jeremia sind wir aufgefordert, das Beste zu suchen. Verantwortung zur Gestaltung des Lebensraums nerorganisationen im Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit dafür ein, dass auch junge Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus erreicht werden und fordert eine umgehende Sprachförderung, die Möglichkeit zur Teilnahme an Jugendintegrationskursen, einen sicheren Aufenthalt während der Ausbildung sowie den Zugang zu allen Unterstützungsleistungen während der Ausbildung. zu übernehmen. Uns für das Beste, das Bestmögliche einzusetzen.« Einen eindrucksvollen Blick in die Praxis und direkten Kontakt zu Betroffenen erhielten die BesucherInnen im zweiten Teil der Veranstaltung. Renate Hirsch (BruderhausDiakonie) stellte die Arbeit der Beratungsstelle CHAI in Kirchheim/Teck vor (www.chai-beratung.de) und berichtete über das Film- Projekt »Leben in Deutschland – aus Sicht von Flüchtlingen« (siehe Seite 12). Die verlorenen Jahre Vier Betroffene, die an dem Film mitgewirkt hatten, waren anwesend. Sie erzählten im direkten Gespräch mit den BesucherInnen, warum und wie sie nach Deutschland gekommen waren, über ihre ersten Erfahrungen und ihre Gemeinsam neue Wege suchen »Fremde Heimat Bayern« Fachbeiräte und Hauptausschuss der BAG EJSA im Gespräch Mehr Teilhabe für alle jungen zugewanderten Menschen B eim Fachtag der Evangelischen Jugendsozialarbeit in Bayern (ejsa Bayern e.V.) am 25. März 2015 in Rummelsberg forderten bayerische Fachkräfte der Jugendsozialarbeit mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle zugewanderten jungen Menschen. Die Veranstaltung mit dem Titel »Fremde Heimat Bayern« zeigte auch, dass es beim Thema Integration von jungen zugewanderten Menschen schwierig ist, dies ganz ohne die jungen begleiteten und unbegleiteten Flüchtlinge zu tun. So kam auch dieser Fachtag – trotz der Perspektive »alle zugewanderten jungen Menschen« – nicht ohne den Bezug auf junge Flüchtlinge aus. Denn vor allem diesen gilt derzeit – auch in Bayern – die verstärkte fachliche und politische Aufmerksamkeit. UMF: Mittlerweile angekommen in der Jugendhilfe Bei Zahlen von 3.400 unbegleiteten Minderjährigen in Bayern und weiteren 5.000, die in diesem Jahr zusätzlich erwartet werden, ist das kein Wunder. Birgit Löwe, Vorsitzende der ejsa und Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks Bayern, berichtete, dass unbegleitete Minderjährige mittlerweile in der Jugendhilfe angekommen sind. »Sie bekommen die Förderund Weiterbildungsmöglichkeiten, die sie brauchen.« Klaus Umbach betonte, dass auch die begleiteten Kinder und Jugendlichen Unterstützung brauchen. Auch sie hätten die Angst, ob sie bleiben könnten. Sie müssten mit ihren Familien in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Lagern leben oder hätten in dezentralen überfüllten Unterkünften nicht so gute Unterstützung wie Gleichaltrige in den Wohngruppen. 6 Andere Jugendliche nicht vernachlässigen Der ejsa-Geschäftsführer warnte aber auch vor einer Debatte aus wirtschaftlichen Interessen, in der Unternehmen den großen Fleiß und die Motivation von UMF besonders hochjubeln. Zugleich gebe es aber immer mehr Jugendliche, die vom Ausbildungsmarkt abgehängt würden. »Bei den ›normalen‹ Jugendlichen darf jetzt nicht der Eindruck entstehen, junge Flüchtlinge würden bevorzugt behandelt. Das wäre eine fatale Entwicklung«, warnte er. »Sprache schafft Wirklichkeit«, gab Sina Arnold vom Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) zu bedenken. Junge Leute definierten sich selbst heute nicht mehr mit eindeutigen Begriffen. Dagegen signalisierten klare ausgren- zende Begriffe wie »Asylbewerber« oder »Flüchtlinge« den Jugendlichen auch, »wo sie nicht hingehören«. In ihrem Sozialbericht warf Arnold auch die Frage auf, »Wie lange ist ein Migrant ein Migrant?« Die Dokumentation mit den Beiträgen zu diesem Fachtag finden Sie unter www.ejsa-bayern.de. (Burkhardt Wagner, ejsa Bayern) jetzige Situation. Alle berichteten von einer »verlorenen Zeit«, zu Beginn ihres Lebens in Deutschland – von meist mehreren (bis zu zehn) Jahren, in denen sie mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus noch keine Sprachförderung erhielten, keine Ausbildung machen konnten oder nicht arbeiten durften. Die Evangelische Jugendsozialarbeit setzt sich gemeinsam mit ihren Part- Engagement und Sorge Am BAG EJSA-Stand auf dem Markt der Möglichkeiten konnten BesucherInnen zu Fragen wie »Kennen Sie einen Flüchtling persönlich?« oder »Werden wir durch die Einwanderung von Flüchtlingen klüger?« (in Anlehnung an das Kirchentag-Motto »Damit wir klug werden«) Stellung beziehen und ihre Gedanken dazu aufschreiben. So entstanden viele interessante Gespräche, in denen häufig die Bereitschaft, sich selbst für Flüchtlinge zu engagieren, zum Ausdruck kam. Aber auch die Sorge wurde angesprochen, wie es gelingen kann, für die vielen, die zurzeit kommen, Akzeptanz in der Bevölkerung zu erlangen. n (wü) E vangelische Jugendsozialarbeit engagiert sich für junge Flüchtlinge! Ob und wie dies bereits in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Jugendsozialarbeit der Fall ist, war die Ausgangsfrage der gemeinsamen Sitzung der Fachbeiräte mit dem Hauptausschuss der BAG EJSA in Eisenach. Fruchtbarer Austausch Nicht die Belehrung durch ExpertInnen zur rechtlichen oder zur psychosozialen Situation von jungen Flüchtlingen stand im Vordergrund, sondern der Austausch zu bereits existierenden Ansätzen und Erfahrungen in der Jugendsozialarbeit. Diese Herangehensweise erwies sich bei dem Treffen der vierzig Fachkräfte von kommunaler, Landesund Bundesebene als sehr fruchtbar. Den Einstiegsimpuls gab Pfarrer Christoph Victor vom Diakonischen Werk der Ev. Kirchen in Mitteldeutschland e.V. mit einem regionalen Einblick zum Umgang mit Flüchtlingen in Mitteldeutschland. Hier wurden vor allem die Unsicherheiten und die Ambivalenz der Aufnahmegesellschaft gegenüber Flüchtlingen deutlich. Die interkulturelle Öffnung der Regeldienste und die Antirassismusarbeit werden wieder neu aktuell. In fünf Arbeitsgruppen wurden verschiedene Aspekte der Arbeit mit jungen Flüchtlingen anhand von konkreten Projekten beleuchtet. Die zentralen Erkenntnisse und Forderungen wurden in der EJSA-Morgenpost veröffentlicht, die in einem moderierten Plenumsgespräch pointiert präsentiert wurden. Wesentliche Ergebnisse »Der Mensch steht im Mittelpunkt« lautet das Credo des ganzheitlichen Ansatzes, dessen Erkenntnis ist, dass junge Flüchtlinge gekommen sind, um zu bleiben und wie Du und ich spielen, lernen, arbeiten und wohnen wollen. Beheimatung braucht Begleitung und Bildung. Die zentralen Forderungen sind daher die bedarfsgerechte Deutschförderung sowie die Ausdehnung der Berufsschulpflicht, die in Bayern bereits umgesetzt wird und positive Früchte trägt. Der Rückblick auf die Keine Eintagsfliege Thomas Kerksiek aus dem Vorstand machte in seinem Abschlussresümee klar: Das Thema ist keine Eintagsfliege. Flüchtlingsarbeit wird uns nachhaltig beschäftigen. Junge Flüchtlinge Arbeit an der »BAG EJSA-Morgenpost« Gildenarbeit nach dem zweiten Weltkrieg mit jungen heimatlosen Menschen sowie auf die Arbeitsansätze der Jugendgemeinschaftswerke mit jungen Aussiedlern machte deutlich, dass die jungen Flüchtlinge des 21. Jahrhunderts die EJSA an ihre Wurzeln erinnern. Der Umgang mit jungen Flüchtlingen ist heute ein Prüfstein für inklusives Handeln der Jugendsozialarbeit. Die Gruppe, die sich mit den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Bundesländern beschäftigte, forderte: Papiere jetzt! – Gleiche Rechte für Alle. Für die Legalisierung von Flüchtlingen ohne Papiere. Die Erfahrungen der Welcome-Center zeigen, dass Betriebe als starke Partner für die Migrationsarbeit gebraucht werden und es keine Abschiebung während der Ausbildung geben darf. Weil junge Flüchtlinge eine heterogene Zielgruppe sind mit besonderen psychosozialen Bedürfnissen, braucht es auch differenzierte Angebote für sie. als Zielgruppe führen die Jugendsozialarbeit zurück zur Frage des eigenen Profils, der eigenen Aufgaben und der eigenen Weiterentwicklung. Wir müssen gemeinsam mit anderen nach neuen Wegen suchen und neue Fragen stellen. Dabei haben wir einen anwaltschaftlichen Auftrag, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Sicherheit der jungen Flüchtlinge aber auch für die Ausfinanzierung dieser Arbeit zu fordern. Alle Arbeitsfelder der Jugendsozialarbeit müssen mit Blick auf die jungen Flüchtlinge und die Problemlagen, die sie mitbringen, durchdekliniert werden: Das betrifft das Jugendwohnen genauso wie die Jugendberufshilfe, Jugendmigrationsarbeit, Schulsozialarbeit, Mädchen- und Jungensozialarbeit. Jugendsozialarbeit hat dabei für junge Flüchtlinge einen Bildungs-, Beratungs- und Begleitungsauftrag. Denn Ankommen hat mit Beziehung zu tun, so Kerksieks Fazit. n (jj) BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Events Sicherer Aufenthalt für Bildung und Ausbildung Berufliche Perspektiven für junge Flüchtlinge durch kommunale Koordinierung D er große Zustrom von Flüchtlingen stellt für die Städte und Landkreise gegenwärtig eine der großen Herausforderungen dar. Der kommunale Alltag konzentriert sich derzeit in erster Linie auf die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und alle dazugehörigen Hilfestellungen. Gleichzeitig soll (und muss) gewährleistet sein, dass junge Flüchtlinge unabhängig von ihrer Herkunft ihren weiteren Lebenslauf selbstbestimmt gestalten können, um sich später – je nach Arbeitsmarktlage – in Deutschland oder ihrem Herkunftsland eine gesicherte Existenzgrundlage erarbeiten zu können. Bildungsabschlüsse und eine gute Berufsorientierung mit anschließender Berufsausbildung sind für die jugendlichen Flüchtlinge von zentraler Bedeutung – sowohl aus humanitären als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen. Die »Weinheimer Initiative« (www.ko mmunale-koordinierung.de) setzt sich bundesweit für eine kommunale Koordinierung des Übergangs von der Schule ins Berufsleben ein und hat daher das Thema auf einem JahresforumExtra Anfang März 2015 aufgegriffen. Kompetenzen und Chancen in den Vordergrund rücken Der Titel der Tagung, die gemeinsam mit der Landeshauptstadt Stuttgart, der Freudenberg Stiftung, dem Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlingen, der Amadeu Antonio-Stiftung und der BAG EJSA ausgerichtet wurde, lautete folgerichtig auch »Junge Flüchtlinge, berufliche Perspektiven und Kommunale Koordinierung«. Zwei Leitgedanken standen dabei im Fokus: ■■ Kein Defizitdiskurs! Die Kompeten- zen der jungen Flüchtlinge sowie die Chancen und Möglichkeiten für alle Beteiligten in den Vordergrund rücken sollten Ausgangspunkt sein. ■■ Keine reine Zweckdebatte! Die Frage unteilbarer gemeinsamer Werte (Menschenrechte) sollte im Vordergrund stehen und der Beitrag junger Flüchtlinge in unserer Gesellschaft nicht nur bezüglich ihrer Nützlichkeit auf dem Arbeitsmarkt diskutiert werden. Was können Städte und Landkreise beitragen? Über 100 BildungsexpertInnen aus der ganzen Republik kamen nach Stuttgart. Die Stuttgarter Bürgermeisterin für Jugend, Soziales und Gesundheit, Isabel Fezer, eröffnete die Tagung und Kultus-Staatssekretärin Marion von Wartenburg sprach ein Grußwort. Mit Vorträgen, einem Faktencheck, in Foren und Workshops und ergänzt mit Erfahrungsberichten junger Flüchtlinge wurde erörtert, was Städte und Landkreise angemessen zu der Eröffnung von beruflichen Perspektiven für junge Flüchtlinge beitragen können, und wie die hierfür förderlichen Rahmenbedingungen durch Land und Bund beschaffen sein müssen. Zugang zum Arbeitsmarkt: auch für Asylsuchende Von besonderer Bedeutung sind hierbei die rechtlichen Möglichkeiten des Zugangs von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt und ihre Einbeziehung in Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration auch während der Asylverfahren. Junge Flüchtlinge, die in Deutschland eine Be- rufsausbildung begonnen haben oder nachweislich die konkrete Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu beginnen, sollen für die Dauer ihrer Ausbildung eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen – unabhängig von ihrem bisherigen Aufenthaltsstatus. Die Politik hat bereits reagiert und Asylsuchenden den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Parallel haben der Bund, verschiedene Länder und Kommunen Modell-Maßnahmen entwickelt, die die Qualifikationen und Kompetenzen von Flüchtlingen erhöhen. Weiterhin sollten verstärkt die Potenziale junger Geduldeter genutzt und ihnen qualifizierende Ausbildungswege geöffnet werden. Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen von Flüchtlingen und eine eventuell notwendige Nachqualifizierung sind weitere Aufgaben. Willkommenskultur bedeutet in diesem Zusammenhang die »Verwirklichung gleichwertiger Chancen für alle jungen Leute, die zu uns kommen«. Die Ausgestaltung der Bildungs- und Ausbildungsbedingungen für junge Flüchtlinge muss dabei immer unter dem Primat des Kindeswohls und der Menschenrechte stehen. Alltagstaugliche Kooperationsbeziehungen aufbauen Deshalb muss die Frage nach förderlichen Lebensumständen vor Ort stets mit einbezogen werden. Dies gelingt, wenn die kommunale Koordinierung mit diesen Bedingungen und Voraus- setzungen umgehen lernt und breite Kooperationsbeziehungen entwickelt und stabilisiert und alltagstauglich macht. So kann auch eine Entlastung von andauernden Kriseninterventionen stattfinden und es können nachhaltige Maßnahmen entwickelt werden. Der Kreis der Kooperationspartnerinnen und -partner weitet sich dabei aus: es sind nicht mehr nur die klassischen Bildungs- und Ausbildungspartner, sondern auch das Sozialamt, die Ausländerbehörde, Aufnahmeeinrich- tungen, Wohnungsgesellschaften, die Polizei, die Organisation der Ehrenamtlichen, vor allem aber auch Migrantenorganisationen Mehr Teihabe ermöglichen durch bessere Koordinierung Gerade im Feld der Gestaltung des Übergangs Schule – Arbeitswelt müssen sich die Städte und Kreise den Herausforderungen von Teilhabe noch mehr als bisher zuwenden. Vom Grundsatz her sind sie hierfür gut aufgestellt, weil sie in vielen ihrer Ämter und Einrichtungen bereits damit befasst sind. Vor allem aber bei der Bündelung und Koordinierung können und müssen die Kommunen besser werden. Zugleich aber können sie ihr Potenzial zur Sicherung und Förderung von Teilhabe aufgrund der restriktiven Rahmenbedingungen, unter denen sie teilweise arbeiten müssen, nicht so abrufen, wie dies erforderlich wäre. Die Kommunen können es nicht alleine stemmen Aus kommunaler Sicht können die großen Herausforderungen nicht bei den Kommunen allein »hängenbleiben«. Die schleichende, aber immer spürbarer werdende Unterausstattung der Städte und Landkreise führt auf lange Sicht zu einer Gefährdung von Teilhabe und sozialer Integration und damit zur Gefährdung des sozialen Friedens. Dies verschärft sich, wenn die Kommunalaufsicht bei der Haushaltsgenehmigung mit einer engen Definition kommunaler Pflichtaufgaben reglementierend in Aufgaben eingreift, die von den Kommunen als dringend eingeschätzt werden. n (bu) Mehr Aufmerksamkeit für junge weibliche Flüchtlinge Großer Bedarf an Erfahrungsaustausch und Vernetzung bei Tagung in Hamburg B ei der Tagung »Geflüchtete Mädchen und junge Frauen im Spannungsfeld von Fluchterfahrung, Aufenthaltsrecht und Jugendhilfe« am 23. und 24. Juni 2015 in Hamburg stand die spezifische Situation von Mädchen und jungen Frauen mit Fluchterfahrungen im Mittelpunkt. BAG EJSA, BAG Mädchenpolitik, LAG Mädchenpolitik Hamburg und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg wollten erreichen, dass die Situation und der besondere Schutz- und Hilfebedarf von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen stärker in das Bewusstsein all derer rückt, die für die Aufnahme und Begleitung von jungen Flüchtlingen zuständig sind. Spezifische Angebote für weibliche Flüchtlinge Denn: Bisher wird der spezifischen Situation von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das gilt auch für die Kinder- und Jugendhilfe. Angesichts globaler Entwicklungen und Kriege steigt die Anzahl geflüchteter Menschen in Deutschland und damit auch die Anzahl von Kindern und Jugendlichen. Dies stellt die Kinder- und Jugendhilfe insgesamt vor neue Herausforderungen. Es gilt, die Zugänge zu Jugendhilfeangeboten zu verbessern, fachliche Standards zu hinterfragen und das sozialpädagogische Handeln weiterzuentwickeln. Auf die Situation geflüchteter Mädchen und junger Frauen – ob unbegleitet oder in Familien – muss mit spezifischen und niedrigschwelligen Angeboten einge- gangen werden, so die einhellige Einschätzung der Expertinnen. Zu diesen Angeboten gehören nicht nur Sprachkurse, sondern auch geschlechtssensible Beratungs- und Freizeitangebote. Geschlechtshomogene Unterbringung ist ein erster Schritt, um einen sicheren Zufluchtsort bereitzustellen. Erstaufnahmestellen und Folgeeinrichtungen sind bisher nur in den seltensten Fällen mit Schutzräumen für Mädchen, Frauen und Familien ausgestattet. Aufgrund des großen Ungleichgewichts zwischen männlichen und weiblichen Flüchtlingen, gerade auch im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, sind weibliche Flüchtlinge in der Regel deutlich in der Minderheit. Aus diesem Grund sind die Einrichtungen und ihre Angebote in vielen Fällen männlich dominiert. Genderblick als Qualitätskriterium in der Flüchtlingsarbeit Mit ihren Familien geflüchtete Mädchen werden oft »unsichtbar«, da sie aufgrund der traumatischen Erfahrungen auf der Flucht von ihren Angehörigen abgeschirmt und extrem beschützt werden. Der Blick auf mädchenspezifische Bedarfe muss daher standardmäßig ein Qualitätskriterium aller Flüchtlingsarbeit sein, geschützte Räume müssen überall geschaffen werden! Die Veranstalterinnen forderten – angelehnt an Nordrhein-Westfalen – eine behördliche Handlungsanweisung für die Jugendämter, nach der Mädchen nur von weiblichem Personal betreut werden sollen. Aktuelle Herausforderungen für die Jugendhilfe Fachvorträge zu den rechtlichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen, zur konkreten Situation und den sich daraus ergebenden Handlungsansätzen und zu den aktuellen Herausforderungen an die Jugendhilfe lieferten die Grundlage für einen intensiven Erfahrungsaustausch während der Tagung. In Workshops zu den Themen Sensibilisierung zu interkulturellen Kompetenzen und Diversity, rassismuskritische Jugendarbeit, Traumatisierung und Selbstregulation wurden einzelne Aspekte des komplexen Tagungsthemas aktuell und praxisnah beleuchtet. Auch fand ein Austausch über die Angebotsentwicklung, die rechtlichen Möglichkeiten und Ressourcenausstattung in den verschiedenen Bundesländern statt. Fachliche Kompetenzen, Qualifikationen, Ressourcen und Rahmenbedingungen wurden identifiziert, die für die Kinder- und Jugendhilfe notwendig sind, um den Hilfe- und Unterstützungsbedarfen von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen gerecht zu werden. Der Bedarf an Austausch über geschlechtssensible Handlungsansätze und die Vernetzung in diesem Feld ist groß. Das zeigte die starke Nachfrage zu dieser Veranstaltung, die mit 150 Teilnehmenden und einer Warteliste völlig überbucht war. Deutlich wurde auch, dass es aktuell an belastbaren Zahlen zu geflüchteten Mädchen und jungen Frauen fehlt. Geflüchtete Mädchen und junge Frauen berichten Während der Tagung wurde nicht nur über die Zielgruppe gesprochen. Geflüchtete Mädchen und junge Frauen berichteten selbst im Erzählcafé von ihren Erfahrungen und formulierten ihre Ideen, Wünsche und Bedarfe – eine der wichtigsten Grundlagen zur Entwicklung von Perspektiven. Die Vorträge und Ergebnisse der Veranstaltung werden in Kürze unter www.bagejsa.de abrufbar sein. Auch wird zurzeit an einer fachlichen Positionierung mit (An)Forderungen an die gendersensible Arbeit mit geflüchteten Mädchen und jungen Frauen gearbeitet. n (wü) 7 BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Handlungsfelder der Jugendsozialarbeit Entwicklungsschub im Know-how für die Jugendsozialarbeit Erfahrungen aus der Fortbildung zum Thema »Junge Flüchtlinge« Es bedarf Fortbildungen, die Fachkräften einen Überblick ermöglichen (»Rechtliche Situation bei UMF/UF«), genauso wie Fortbildungen, die ins Detail gehen (»Geförderte Beschäftigung für junge Flüchtlinge«). Es ist wichtig, für Seminare zu sorgen, die die interkulturelle und interreligiöse Kompetenz der oft sehr jungen und wenig berufserfahrenen MitarbeiterInnen schult, die wegen des Fachkräftemangels v.a. in vielen Metropolen in diesem Arbeitsfeld vermehrt eingestellt werden (müssen). K önnen Sie sich erinnern, welche sozialpolitische Herausforderung zuletzt so viel Handlungsdruck und damit verbunden Schulungsbedarf erzeugt hat, wie aktuell das Thema Flüchtlinge, insbesondere junge Flüchtlinge? Als Fortbildungsanbieter für den Bereich Jugendsozialarbeit erlebt ejsa Bayern e.V. in dieser Menge ungekannten Zuspruch. Wie erklärt sich dieser enorme Bedarf an Know-how zum Thema »Junge Flüchtlinge«? Chance für den interdisziplinären Austausch Wir können feststellen, dass es viele und sehr unterschiedliche Gruppen gibt, die zu unseren Seminaren kommen: Dies reicht von MitarbeiterInnen in Jugendämtern, Vormündern, SozialpädagogInnen bis hin zu RechtsanwältInnen. Sie alle sind gleichermaßen gefordert, sich sehr komplexes neues Wissen anzueignen. Jugendhilfe (stationäre und teilstationäre Einrichtungen, Vormundschaft, Jugendämter), Schule (Übergangsklassen, Berufsschulen, Schulsozialarbeit), Freizeitstätten, das Feld der beruflichen Integration (Jugendberufshilfe, Bildungsträger), Rechtsberatung, Jugendmigrationsdienste und Ehrenamtliche sind gleichermaßen TeilnehmerInnen des Angebots – alle aus unterschiedlichen Regionen in Bayern und über Bayern hinaus. Dies ist unter dem aktuell großen sozialpolitischen Handlungsdruck eine enorme Chance des interdisziplinären, interregionalen und z.T. interreligiösen Austauschs. Manch gute Entschlüsse wurden hier gefasst, wie z. B. sich für die Einführung der Krankenkassenkarte für UMF einzusetzen, die in einigen Jugendämtern Praxis und in anderen undenkbar waren. ejsa Bayern e.V. hat in 2012 zusammen mit PraktikerInnen aus der Berufsbezogenen Jugendhilfe in Bayern den Bedarf an Schulungen zum Thema UMF erkannt. Die Arbeit mit traumatisierten jungen Menschen war dabei besonders im Fokus. Schritt für Schritt hat sich die Themenpalette erweitert – im Gespräch mit den FortbildungsteilnehmerInnen, im Austausch mit ReferentInnen und mit den MitarbeiterInnen in der Praxis vor Ort. Themen für die Fortbildung Aktuell auf dem Markt ist das neue Fortbildungsprogramm 2015/16, in dem das Themenspektrum und die Angebotshäufigkeit nochmals ausgebaut wurden. Manche Themen werden a priori mehrmals angeboten. Zusätzlich dazu behält sich ejsa Bayern e.V. die Option der Erweiterung des Angebots unterm Jahr offen: Das Fortbildungsprogramm ist immer ein vorläufiges, das bei Bedarf (z. B. Wartelisten, aber auch bei wichtigen neuen Themen) tatsächlich erweitert wird. Existenzielle und schwerwiegende ethische Fragen Es stellt sich heraus, dass die rechtliche Seite der Thematik für Fachkräfte besonders anspruchsvoll ist, denn wir bewegen uns hier an der Schnittstelle von Asylrecht, Aufenthaltsrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, SGB XII, SGB VIII, SGB III, SGB II. Es geht um existentielle und ethisch schwerwiegende Fragen wie der Aufenthaltssicherung insbesondere junger unbegleiteter Flüchtlinge, für die die MitarbeiterInnen/Vor- münder alleinige Verantwortung tragen. Wir denken hier auch an Selbstfürsorge der Fachkräfte in einem »uferlosen« Arbeitsbereich mit oft sehr erwartungsvollen KlientInnen mit viel Entwicklungspotential bei gleichzeitigem Risiko abgeschoben zu werden. Alles in allem sind die Fortbildungsherausforderungen enorm und die Teilnehmendengruppen heterogen und anspruchsvoll. Macht doch der Blick auf die Zielgruppe der jungen Flüchtlinge deutlich, dass sie ihr Hiersein mit der Vorstellung von einem sicheren Ort ebenso verbinden wie mit Perspektiven für ihr weiteres Leben. Bei genauerer Betrachtung erweist sich das Themenspektrum »Junge Flüchtlinge« – bis auf einige spezifische Kenntnisse – jedoch für sehr viele sozialpädagogische Arbeitsbereiche als entwicklungsförderlich. Eine hier geleistete Investition dürfte sich langfristig auch für andere Arbeitsbereiche der Jugendsozialarbeit und Jugendhilfe auszahlen. (Barbara Klamt, Evangelische Jugendsozialarbeit Bayern) Fortbildungsangebote für die Jugendsozialarbeit Fortbildungen der ejsa Bayern e.V. recht, Aufenthaltsrecht, Asylbewerzum Themenbereich »Junge Flücht- berleistungsgesetz, SGB XII, SGB linge« finden Sie im Internet unter VIII, SGB III, SGB II. Hier eine Auswww.ejsa-bayern.de. Aufgrund der wahl aus dem Programm: aktuellen Situation wurde das Angebot stark erweitert. UMF/UF in der Jugendhilfe Es handelt sich um Fortbildungen, Termin: 10.11.2015 die einen Überblick ermöglichen (z. B. Tagungsort: Nürnberg »Rechtliche Situation bei UMF/UF«), genauso wie Fortbildungen, die ins Helferkreise/Freiwillige bei UMF/UF Detail gehen (z. B. »Geförderte BeTermin: 19.11.2015 schäftigung für junge Flüchtlinge«). Tagungsort: München Die rechtliche Seite der Thematik ist für Fachkräfte ganz besonders anJunge Flüchtlinge mit ihren Eltern spruchsvoll, denn wir bewegen uns Termin: 25.1.2016 hier an der Schnittstelle von AsylTagungsort: München Was brauchen junge Flüchtlinge in der Schule? Bildung von Anfang an und sozialpädagogische Begleitung notwendig! J unge Flüchtlinge haben ein Recht auf Bildung. In der Schule brauchen sie zusätzliche Unterstützung durch Jugendsozialarbeit an Schulen. Und sie brauchen mehr als die formale Bildung. Die gut organisierten Bildungsbehörden der Länder schaffen es i.d.R. innerhalb kürzester Zeit, allen jungen Menschen im schulpflichtigen Alter einen Schulplatz zu vermitteln. Ob die zur Aufnahme verpflichtete Schule mit ihrem Angebot im Einzelfall den individuellen Bedarfen entsprechen kann, ist damit noch lange nicht geklärt. Schulische Erstzuweisung bisher eher zufällig Bisher ist die Erstzuweisung eher zufällig; systematische Instrumente zur Kompetenzerfassung der jungen Menschen, die in der Regel ohne Deutschkenntnisse ankommen, fehlen sowohl in den Schulen als auch in den regional verorteten Jugendmigrationsdiensten. In einem dieser Dienste wurde ein Clearingverfahren entwickelt, mit dem durch Kompetenzerfassung und Ressourcenermittlung die passgenaue 8 Verteilung der jungen Menschen an die richtigen Schulen umgesetzt werden kann. Die Ankunft junger Flüchtlinge verändert das soziale Gefüge der Bildungseinrichtung Schule. Bisher stabile Interaktionsmuster müssen neu sortiert werden – nicht nur einmal im Schuljahr, sondern permanent. Junge Flüchtlinge kommen regelmäßig ohne oder mit wenigen Vorkenntnissen, dafür »beladen« mit den Erfahrungen der Flucht in der Schule an. Ein Teil von ihnen geht nach kurzer Zeit wieder – sei es, weil sie eine Wohnung außerhalb des Einzugsbe- reichs der Schule zugewiesen bekommen oder weil sie Deutschland wieder verlassen (müssen). Mehr Bedarf an Schulsozialarbeit Die jungen Flüchtlinge brauchen in all dieser Unsicherheit verbindliche AnsprechpartnerInnen, die sie verstehen und die ihnen helfen, diese Situation konstruktiv zu bewältigen. Deshalb ist es unumgänglich, an dieser Stelle den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule um den der Kinder- und Jugendhilfe, konkret der Jugendsozialarbeit, zu ergänzen. Für die vielfältigen neuen sozialen Aufgaben in Schule sind die Fachkräfte der Schulsozialarbeit gefragt. Diese sind jedoch vielfach bereits mit ihren Regelaufgaben voll ausgelastet. Zusätzliche Stellen für SchulsozialarbeiterInnen zur Begleitung junger Flüchtlinge wurden bislang nur an wenigen Schulen geschaffen. Die sozialpädagogische Begleitung von Einstiegsklassen, Integrationsklassen oder Sprachförderklassen (in den verschiedenen Bundesländern und unterschiedlichen Schulformen haben sie unterschiedlichste Bezeichnungen) wird zum Teil realisiert. Die pädagogischen, sozialen und psychischen Herausforderungen in diesen Klassen, die als erste Anlaufstelle für die jungen Flüchtlinge in Schulen fungieren, sind vielfältig: alltagspraktische Erstorientierung, Verarbeitung von zum Teil traumatisierenden Erlebnissen, völlig unterschiedliche Vorbildung, unterschiedlichstes Niveau der Deutschkenntnisse. Für einen Teil der jungen Flüchtlinge ist ein täglicher regelmäßiger Schulbesuch zudem weder selbstverständlich noch leistbar. Ohne eine Ergänzung der vorhandenen sozialpädagogischen Angebote durch zusätzliche Fachkräfte, die derzeit vorrangig außerhalb einer Regelfinanzierung gefördert werden, sind diese Aufgaben nicht zu leisten. Angebote über die Schule hinaus Junge Menschen mit Fluchterfahrungen brauchen mehr als Unterricht, sie brauchen Begleitung und Orientierung in der ihnen fremden und oft unverständlichen Umgebung. Sie brauchen Struktur für ihren Alltag. Ihre Eltern können ihnen diese aufgrund ihrer eigenen Situation (die in ihrer Vielfalt und BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Handlungsfelder der Jugendsozialarbeit Integration im Rahmen des Bestmöglichen frühzeitig fördern Beteiligung und Begleitung von Flüchtlingen im JMD Minden-Lübbecke S chon seit vielen Jahren bin ich immer wieder auch im Kontakt mit jungen Asylsuchenden, obwohl die Jugendmigrationsdienste bislang für sie offiziell nicht offen waren. So ist die Wirklichkeit eben oft facettenreicher als in der Theorie gedacht. Sie kommen mit Freunden aus der Schule, gleicher Herkunft oder aus dem gleichen Wohnheim, aber auch selbstständig zu uns. Es darf in der Beteiligung an Angeboten keine Ausgrenzung geben. Freunde müssen zusammen Spaß haben, gemeinsam etwas erleben, lernen, diskutieren, ausprobieren – unabhängig vom Aufenthaltstitel. Deshalb können bei uns alle an den Gruppenangeboten, Projekten und Seminaren, Ausflügen und Festen teilnehmen. Bei einer Tagesfahrt gibt es viel zu entdecken, bei einem Handballbundesligaspiel oder im Kletterpark lässt sich Nervenkitzel, Spaß und Spannung erleben, das Lob für einen köstlichen afghanischen Reis ist auch in der Mimik lesbar. Den Wert von Sprachkenntnissen muss ich nicht hervorheben. Viele sind wertvolle ehrenamtliche Helfer bei praktischen Aufgaben, als Dolmetscher, Umzugshelfer. Sehr wichtig ist uns ihre Beteiligung in der Öffentlichkeitsarbeit auf Messeständen, Kongressen, Gesprächsrunden oder Stadtteilfesten, denn dort sind junge Flüchtlinge die besten Botschafter in eigener Sache. All dieses stärkt ihr Selbstbewusstsein und stabilisiert ihr Selbstwertgefühl. Oft ergeben sich aus verschiedensten Gründen gute Aussichten auf ein Bleiberecht, z. B. durch gute schulische Leistungen, Aussichten auf einen Ausbildungsplatz, Elternschaft oder humanitäre Aspekte. Dann helfen wir bei der Durchsetzung der Rechte. Ausgestattet mit dem richtigen Paragraphen sind die jungen Menschen dann plötzlich die korrekte Klientel. Komplexität hier nicht dargestellt werden kann) oft nicht im ausreichenden Maß bieten. Sie brauchen Orte, an denen sie unter sich sein können, an denen sie sich mit FreundInnen treffen, an denen sie Ruhe finden und sich zurückziehen können. Wohnunterkünfte für Flüchtlinge können dies in der Regel nicht bieten. Zusätzliche sozialpädagogische Angebote der Träger Deshalb bieten Träger der Evangelischen Jugendsozialarbeit jungen Flüchtlingen zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung an. Neben sozialpädagogischen Angeboten an Schulen initiieren sie beispielsweise Patenprogramme unter SchülerInnen mit ähnlichen Muttersprachen, Mentoringprogramme (Vermittlung von Kontakten zu Einheimischen), Erstorientierungskurse für Eltern, Schulung von Ehrenamtlichen, aber auch Kultur-, Sportund Freizeitangebote. Gemeinsam mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft werden Willkommenskulturen in den Gemeinden entwickelt. Diese Beispiele und auch die Auswahl der Projekte (siehe Kasten) zeigen, Ein großer Anteil der Flüchtlinge sind Jugendliche oder junge Erwachsene. Ihre Asylverfahren können über Jahre dauern und sind nicht immer erfolgreich, doch bleiben die jungen Menschen überwiegend dauerhaft oder zumindest für viele Jahre im Land. Verlässliche Partner werden Daher gilt es, ihre Integration im Rahmen des Bestmöglichen frühzeitig zu fördern. Sie sind auf fachkompetente Begleitung durch die Jugendhilfe, Jugendsozialarbeit und jugendspezifische Angebote angewiesen. Junge Asylsuchende müssen komplexe Erlebnisse und Herausforderungen in ihrer noch jungen Biografie bewältigen. Oft brauchen sie praktische Hilfe, um Probleme zu lösen. Bisher gehören sie erst mit einem gesicherten Aufenthaltstitel zu unserer potentiellen Klientel, aber spätestens dann in den Integrationskursen lernen sie die JMD Fachkräfte kennen. Weisen wir sie vorher ab, werden wir keine verlässlichen Partner mehr sein. Viele junge Flüchtlinge sind ohne familiäre Bezugspersonen oft schon seit Jahren unterwegs. Ist der Aufenthalt gesichert, gilt es eine umfassende Exis- tenz mit eigenem Wohnraum, Einbindung in das soziale Umfeld und eine schulische sowie berufliche Zukunftsperspektive aufzubauen. Das ist ein umfassendes langfristiges Aufgabenpaket. Dabei begleite ich aktuell 48 Personen, fünfzehn von ihnen leben allein hier. Erschütternde Fluchterfahrungen, Isolation von der Familie, traumatisierende Erlebnisse zuhause oder unterwegs, monetäre Zwänge, ernste Erkrankungen, Unverständnis und unterschiedlich begründete Überforderungen – es ist eine umfassende Bandbreite an Extremen, mit denen sie fertig werden müssen, und mit der wir in der Arbeit konfrontiert werden. Die jungen Flüchtlinge, aber auch die Fachkräfte in den JMD brauchen adäquate Unterstützung, um dies alles zu bewältigen. Junge Flüchtlinge, Asylsuchende, andauernd Geduldete, nach quälend langem Asylverfahren oder durch sonstige Umstände mit einem dauerhaften Aufenthaltstitel in der Tasche, all diese diffizil bürokratisch zugeordneten jungen Menschen begegnen mir in der Arbeit. Sie alle benötigen Hilfestellung bei sehr unterschiedlichen Fragestellungen, und sie suchen Teilhabe. Gute Beispiele, wie Angebote der Jugendsozialarbeit jungen Menschen helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden, entstehen derzeit an vielen Orten. Vier Beispiele sollen hier kurz genannt werden: »Startrampe« in Rosenheim: Die Diakonie Rosenheim hat mit ihrer Schulsozialarbeit eine Art Patenschaftsmodell entwickelt. Neu einreisenden jungen Menschen werden solche mit der gleichen Muttersprache als »Paten« vermittelt. Diese Paten können dann Brücken bauen. Mehr dazu: http://ejsa-bayern.de/artikel/342/startrampe-einprojekt-der-schulbezogenen-jugendsozialarbeit-im-diako nischen-werk-rosenheim »FLOW – Für Flüchtlinge! Orientierung und Willkommenskultur« der Gemeindediakonie Lübeck: Junge Flüchtlinge werden bei ihrer Integration durch eine Verbesserung ihrer allgemeinen Lebenssituation unterstützt. Ein auf Ehrenamt basierendes Mentoringprogramm enthält die Module »Kontakte zu Einheimischen«, »Praktische Anwendung von Deutschkenntnissen«, »Aufbau eines Netzwerks für Traumatisierte« sowie Kultur-, Sport- und Freizeitakti- welche gute pädagogische Arbeit bereits an und um Schulen geleistet wird, ohne dass diese strukturell und finanziell verbindlich abgesichert ist. Für eine ebenso professionelle wie nachhaltige Begleitung und Unterstützung der jun- Sie sind jung, oft beeindruckend mutig und stark, andere wiederum total verunsichert oder nicht altersgemäß entwickelt. Sie wollen vor allem in ihrer individuellen Persönlichkeit akzeptiert werden, neue wichtige Erfahrungen sammeln und endlich auch altersspezifische gute Erlebnisse genießen. Offenes synergetisches System Über einen langen Zeitraum konnte ich Erfahrung und Wissen in der Arbeit mit jungen Flüchtlingen aufbauen. Es begann schon 1990, zur Zeit der großen Zuzugsströme von Asylsuchenden und Spätaussiedlern. Seither sind auch junge Flüchtlinge im noch laufenden Asylverfahren eine kleine stetige Gruppe innerhalb unserer mittlerweile breit gefächerten Klientel. Es gab in unserem Diakonischen Werk das damalige Jugendgemeinschaftswerk und eine Flüchtlingsberatungsstelle, in beiden Diensten waren mehrere Hauptamtliche tätig. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren in Wohngruppen oder Internaten in Obhut, und in diesen Jahren wurde ich auch mehrfach für UMF zum Vormund bestellt. Deutschkurse und Schulabschlüsse waren vitäten. Erstorientierungskurse unterstützen die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz. Kulturelle Veranstaltungen für die Bevölkerung und Weiterbildungen für die mit Flüchtlingen arbeitenden Fachkräfte ergänzen das Angebot im Sinne einer Willkommenskultur. Mehr dazu unter www. gemeindediakonie-luebeck.de/migration-integration/projekt-flow.html Sozialkritischer Arbeitskreis Darmstadt: Die schulische Deutschförderung an allgemeinbildenden Schulen wird durch sozialpädagogische Angebote des Sozialkritischen Arbeitskreises ergänzt. Durch freizeit- und erlebnispädagogische Angebote wird den jungen Flüchtlingen Kontakt zu Einheimischen ermöglicht, sie lernen ihr neues Lebensumfeld kennen und sie bekommen zusätzliche Sprachförderung. Mehr dazu unter www.ska-darmstadt.de In Hamburg engagiert sich das Rauhe Haus mit Angeboten vielfältiger Art an zwei Wohnunterkünften für die es zuständig ist. Dazu zählen Angebote für Kinder, Sprachkursangebote für alle Altersgruppen und sozialpädagogische Begleitung aller BewohnerInnen. Mehr dazu unter www.rauheshaus.de gen Flüchtlinge muss Jugendsozialarbeit an Schulen jedoch strukturell besser verankert werden. Nur so ist eine verlässliche, kontinuierliche und nachhaltige Hilfe für junge Flüchtlinge in unserem Bildungssystem möglich. Fachlich ist es notwendig, spezifische Kompetenzen auszubauen. Insbesondere gilt es Clearingkompetenzen zu entwickeln (s.o.) und diese Verfahren flächendeckend zu implementieren. Und es sind Fortbildungen möglich, da alle jungen Flüchtlinge sofort die Förderschule für Spätaussiedler besuchen konnten. Die einzelnen Dienste hatten ihre klaren Aufgabenstellungen und große Herausforderungen zu bewältigen. Wir arbeiteten damals sehr offen und intensiv zusammen, um die fachlichen und finanziellen Ressourcen bestmöglich in der sozialpädagogischen Begleitung der Jugendlichen zu nutzen. Wir bildeten gewissermaßen ein offenes synergetisches System. In unsere Ferienseminare musste ich immer zusätzlich auch einige Flüchtlinge mitnehmen, da die Internate und Wohnheime in den Ferien zeitweilig geschlossen waren. Nun ja, damals gab es Arbeitsplatzbeschreibungen, aber noch keine Rahmenkonzepte und Grundsätze als Vorgaben und Prüfparameter für unsere Arbeit. Ähnliches gilt sicher für die anderen Dienste. Die anstehenden Aufgaben und Probleme zu lösen, war unsere Leitlinie. Begrenzte Zuständigkeit? Die Flüchtlingsberatungsstelle wurde 2004 geschlossen, der Träger sagte gleichzeitig: Wir weisen niemanden ab. So machten wir die Grenzen unserer Zuständigkeit immer deutlich, blieben aber als unterstützende Einrichtung im Rahmen unserer inhaltlichen und personellen Möglichkeiten offen für Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltstitel. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, Tücken im Ausbildungsund Arbeitsmarktzugang, persönliche Defizite usw. blockieren ihre vollständige gesellschaftliche Teilhabe auf ungewisse Zeit. Doch es gibt nach meiner Ansicht viele gute Gründe und Möglichkeiten, auch junge Flüchtlinge frühzeitig durch die JMD zu unterstützen. (Claudia Armuth, Jugendmigrationsdienst Minden-Lübbecke) notwendig – und zwar auch gemeinsame Fortbildungen für die verschiedenen Professionen, die an Schulen gemeinsam arbeiten. Gemeinsame Anstrengungen sind notwendig Es braucht die grundsätzliche Bereitschaft von allen Beteiligten an Schule, sich gemeinsam für die jungen Menschen mit Fluchterfahrung einzusetzen. Das aktuell sehr hohe Engagement von den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen lässt hoffen. n (sei) 9 BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Handlungsfelder der Jugendsozialarbeit Junge Männer nach der Flucht Geflüchtete Mädchen und junge Frauen im Fokus Spezifische Unterstützung durch gut ausgebildete weibliche Fachkräfte nötig K riege, politische Verfolgung, innerstaatliche »Fehden« und wirtschaftliche Not in ihren Heimatländern sind der Grund, warum Mädchen und junge Frauen flüchten oder auf die Flucht geschickt werden. Hinzu kommen auf der persönlichen Ebene Erfahrungen von sexueller Gewalt und Fremdbestimmtheit im Bezug auf Lebenskonzepte, freie Partnerwahl, Schwangerschaft oder sexuelle Orientierung. Gewalterfahrungen Diese Mädchen und junge Frauen sind in Gefahr: im Herkunftsland, auf der Flucht und in Deutschland! Ihre Fluchterfahrungen, Abhängigkeitsverhältnisse, das Erleben enormen Druckes in scheinbar ausweglosen Situationen, verstärken die Gefahr, immer wieder Opfer von sexualisierter Gewalt (sexuelle Belästigung, Übergriffe, Vergewaltigung oder Zwang von sexuellen Dienstleistungen als Bezahlung), Menschenhandel, Zwangsehen und Ausbeutung jeglicher Art zu werden. Diese traumatisierenden Erfahrungen prägen die Mädchen und jungen Frauen. Daher ist eine adäquate Arbeit 10 mit ihnen in geschütztem Rahmen in den Angeboten der Jugendsozialarbeit elementar. Nur so können auch schambesetzte und tabuisierte Gewalterfahrungen thematisiert werden. Empfehlungen Eine geschlechter-, traumasensible und (kultur-)differenzbewusste Arbeit mit geflüchteten Mädchen und jungen Frauen ■■ schaut gezielt auch auf Mädchen ■■ verhindert (Re-)traumatisierung z. B. und junge Frauen, die in Begleitung bzw. mit ihren Familien geflüchtet sind, um zu verhindern dass sie »unsichtbar« werden. Sie werden aufgrund traumatischer Erfahrungen bzw. als extrem gefahrvoll empfundenen Situationen (auch in ihrer Unterbringungssituation) von ihren Angehörigen abgeschirmt und extrem »beschützt«. ■■ achtet auf niedrigschwellige Zugänge zu den Angeboten (z. B. aufsuchende Angebote). ■■ bietet fremdsprachliche Elternarbeit. ■■ setzt sich für eine flächendeckende Weiterqualifizierung und Fortbildung von Fachkräften (auch Lehrkräften) und Ehrenamtlichen ein. Inhalte hierbei sind: kulturelle und »ethnische« Herkunft, Religionen, Sprache, LBTIQ (lesbisch, schwul/gay, bisexuell, transgender, intersexuell), Trauma, Flucht und sexualisierte Gewalt. ■■ hält weibliches Personal als Bezugspersonen für die geflüchteten Mädchen und jungen Frauen vor. ■■ bietet geschlechtshomogene Räume / Schutzräume. über erneute schutzlose Situationen, rassistische Übergriffe und Bedrohungen. ■■ ermöglicht auch die Teilnahme an Angeboten für Mütter mit Kindern ■■ hat ein Konzept für frauenspezifische Beratung. Eckpunkte eines Konzepts für frauenspezifische Beratung Folgende Eckpunkte muss ein solches Konzept enthalten: ■■ Beratung und Begleitung durch weibliche Fachkräfte ■■ Berücksichtigung der besonderen Bildungsbedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen (auch im Hinblick auf die berufliche Orientierung) ■■ Netzwerk geschulter weiblicher muttersprachlicher Therapeutinnen bzw. mit weiblichen Übersetzerinnen für Mädchen mit Trauma- und Ausbeutungserfahrungen ■■ Netzwerk geschulter Ärztinnen (z. B. Frauenärztinnen besonders bei Schwangeren, Opfern von sexualisierter Gewalt und Opfern von Genitalverstümmelungen) (Die Eckpunkte stammen aus dem Resümee der Tagung »Geflüchtete Mädchen und junge Frauen im Spannungsfeld von Fluchterfahrung, Aufenthaltsrecht und Jugendhilfe« am 23. und 24. Juni 2015 in Hamburg. Dies war eine Kooperationsveranstaltung der BAG EJSA, der BAG Mädchenpolitik, der LAG Mädchenpolitik Hamburg und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg, Departement Soziale Arbeit. Siehe dazu auch den Bericht auf Seite 7.) Verantwortung für die Umsetzung der Rechte Zusammenfassend ist festzuhalten, dass unbegleitete und begleitete minderjährige weibliche Flüchtlinge ein Recht auf spezifische Unterstützung von parteilichen, gut vorbereiteten und ausgebildeten weiblichen Fachkräften haben! Die Verantwortung hierfür liegt bei den entsprechenden Behörden und Ämtern, die zur Umsetzung des §9,3 des SGB VIII, der UN-Menschenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention und der EU-Aufnahmerichtlinie beitragen müssen. n (suk) BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Rückblick und Ausblick »Das Verlassen der Heimat ist nie schön« Mojgan Nabizada erzählt von ihrer Flucht und ihren Zukunftswünschen M versteckt zu leben, damit uns die Polizei nicht findet, da wir illegal dort waren. Diskriminiert und ohne Rechte So sind mein Bruder und ich im Iran geboren und groß geworden. Dort hatten wir leider keine Chance zur Schule zu gehen aufgrund der Konflikte zwischen den iranischen und afghanischen Leuten. Jeden Tag hatten wir Angst, ob unsere Mutter oder unser Vater wieder nach Hause kommt. Ohne Arbeitserlaubnis oder Aufenthaltsgenehmigung war die Polizei immer hinter ihnen her. Uns wurde das Leben dort ziemlich schwer gemacht. Nicht nur der Schulbesuch oder die Arbeit ist Afghanen verboten, auch existenzielle Dinge wie eine Wohnung zu haben. Häufig wurden wir von iranischen Kindern als »dreckige Afghanen« beschimpft. Die Probleme wurden immer größer und so kam der Entschluss meiner Eltern, erneut zu fliehen, mit dem Ziel: Deutschland. Wir sind mit meinen Brüdern und meinen Eltern vom Iran in die Türkei gekommen, wo wir dann versucht haben, gemeinsam mit anderen Flüchtlingen Familie auseinandergerissen Wir wurden von den Schleppern in verschiedenen Orten untergebracht, bis alle 40 Leute, mit zwei Autos zum Strand gefahren wurden. Bevor wir losfuhren sollte eine schwangere Frau von dem anderen Auto gegen einige Leute von unserem Auto getauscht werden. Einer dieser Leute war mein Bruder. So haben die Schlepper meinen Bruder mit sehr unmenschlichem Verhalten mit den Anderen in das zweite Auto geschoben. Meine Mutter hatte lange geweint und wollte, dass mein Bruder bei uns bleibt − aber es hat nichts gebracht, wir sind weiter gefahren. Die Fahrzeuge waren rundherum komplett geschlossen, damit man niemanden sehen konnte. ES gab lediglich eine Tür und wir mussten alle auf dem Boden sitzen. Als wir nach acht oder neun Stunden Fahrt am Strand angekommen waren, wurde uns gesagt, dass wir alle ins Boot einsteigen müssen, aber von dem Auto, in welchem mein Bruder war, fehlte jede Spur. Wir wehrten uns und wollten nicht ohne ihn auf das Boot. Aus Angst vor der Polizei, da die Nacht schon fast vorbei war und es schon fast hell war, haben sie uns mit Gewalt hineingeschoben. Sie haben gesagt, dass mein Bruder mit einem ein Name ist Mojgan Nabizada, ich werde dieses Jahr 17 Jahre und bin mit meinen Eltern und einem Bruder seit ungefähr eineinhalb Jahren in Deutschland. Meine Eltern stammen aus Afghanistan. Nachdem dort jedoch Krieg herrschte, mussten meine Eltern das Land verlassen, und in den Iran flüchten. anderen Boot nachkommen wird. Das Boot ist dann losgefahren und mein Bruder wurde dort gelassen. Wir wissen immer noch nichts von ihm, wir glauben, dass auch er in Europa ist. Aber wie es ihm geht, was er macht und wo er ist, wissen wir leider nicht. Vielleicht hasst er uns jetzt und will gar nicht zu uns, weil er denkt wir haben ihn dort allein gelassen. Wir hatten aber keine andere Wahl, obwohl meine Mutter die ganze Zeit geweint hat und versucht hat, da zu bleiben. Wir sind unendlich traurig und vermissen ihn so sehr. Er denkt vielleicht, dass wir hätten dort bleiben sollen und auf ihn warten müssen, aber wir wurden mit Gewalt ins Boot geschoben, weil die Schlepper schnell verschwinden wollten. Sechs Tage lang, saßen wir mit 80 Leuten zusammen auf diesem Boot, ohne uns bewegen zu können, weil es so eng war. Es schockiert mich immer noch, wenn ich heute daran denke. Nachts wache ich verschwitzt und erschreckt auf, wenn ich wieder davon geträumt habe. Eigentlich will ich mich gar nicht mehr daran erinnern. Von Italien kamen wir dann mit der Bahn nach Deutschland. Weiter machen, weiter lernen Ein Wunsch meiner Eltern war, dass wir Kinder die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen, um später zu studieren. Wir leben jetzt in Kirchheim unter Teck und mein Bruder und ich gehen mittlerweile zur Schule. Im Moment bin ich in der neunten Klasse und will natürlich weiter machen und weiter lernen. Was mir an Deutschland gefällt In Deutschland gefällt mir vor allem, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und die Frauen genauso arbeiten können wie die Männer und nicht nur zuhause sitzen müssen. Auch deshalb will ich weiter lernen und alles tun, um meine Ziele zu erreichen. Hier ist sehr gut, dass man in der Schule von allen Seiten unterstützt wird und Hilfe bekommt. Dass ich hier etwas lernen kann, das ist für mich eine große Chance, wenn ich an meine Zukunft denke und an die Wünsche für mein Leben. Im Moment gehen meine Eltern ohne meinen Bruder und mich eigentlich nie nach draußen, weil sie nicht wissen, was sie machen oder sagen sollen. Sie haben Angst davor, angesprochen zu werden und nicht antworten zu können − sie verstehen ja kein Deutsch. Mama und Papa warten dann immer, bis mein Bruder oder ich dabei sind. Aber sie freuen sich darauf, wenn wir den Aufenthaltstitel bekommen. Dann können sie endlich einen Deutschkurs belegen, sind nicht länger »sprachlos« und können irgendwann arbeiten. Die Zerissenheit bleibt Das Verlassen der Heimat ist nie schön. Mit ihr lässt man ja auch seine ganzen Verwandten und Freunde hinter sich, Leute die man liebt und natürlich denkt man auch oft an sie zurück. Diese Zerrissenheit macht mich sehr traurig. Ich bin keine Iranerin, und die Einheimischen dort sind auch nicht gut umgegangen mit uns, deshalb habe ich überhaupt keine Sehnsucht nach diesem Land – meinem Geburtsland. Mein Ziel war immer, eines Tages nach Afghanistan zu gehen, wo meine Eltern herstammen und eventuell auch dort zu studieren und etwas für das Land zu tun. (Das Gespräch führte Helena Sauter, BAG EJSA.) Unsere Türen stehen offen! Junge Flüchtlinge erinnern die BAG EJSA an ihre Geschichte B ei uns im Dorf in der Nähe von Ulm gab es in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts eine »Flüchtlingssiedlung«, in der die zugewanderten Deutschen wohnten, die aus den Ostgebieten kamen, z. B. aus Pommern, von den Masuren, aus Siebenbürgen, Mähren und vielen anderen Gebieten, die nun nicht mehr deutsch oder die unter fremder Verwaltung waren. Diese Bezeichnung »Flüchtlingssiedlung« war gar nicht freundlich gemeint und viele Dorfbewohner waren auch nicht so freundlich zu den Menschen. Sie ließen sie spüren, dass sie nicht sehr willkommen waren. Erst sehr viel später wurde vielen klar, dass die ganzen ungeliebten Flüchtlinge aus dem Osten den Wiederaufbau und den unfassbaren Wohlstand Deutschlands in den 60er und 70er – Jahren und bis heute mitgeschaffen hatten. Ohne die vielen Flüchtlinge wäre das überhaupt nicht möglich gewesen, da ja auch im Westen sehr, sehr viele Menschen umgekommen, bzw. nicht aus dem Krieg zurück gekommen waren und die Bevölkerung dezimiert und in ihrem Leistungsvermögen geschwächt war. Flüchtlingsströme nach dem 2. Weltkrieg Die Flüchtlinge waren nach dem Krieg aus den besetzten Gebieten geflüchtet. Während oder nach Kriegen entstehen große Flüchtlingsströme, so auch im Nachkriegsdeutschland der späten 40er und frühen 50er – Jahre. »Seit dem Ende der Vertreibungen 1948/49 ist deshalb der Strom deutscher Aussiedler aus Osteuropa nie versiegt, und die bis heute nachwirkende Folge des zweiten Weltkrieges sorgte dafür, dass bislang mehr als 3,5 Millionen Deutsche auf diesem Weg in die Bundesrepublik gekommen sind.« (Reiplinger, Weihe, in: Evangelische Jugendsozialarbeit im Wandel der Zeit, 1999, S. 152) Viele junge Menschen kamen, die ihre Eltern dort in den Ostgebieten oder auf der Flucht verloren hatten, die heimatlos und elternlos waren. Heute nennen wir solche junge Menschen unter 18 UMF – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Unbestritten ist inzwischen vonseiten von Historikern und Ökonomen, dass das so genannte »Wirtschaftswunder«, der geradezu sensationelle Wiederaufbau der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg hauptsächlich eine Leistung der vielen Flüchtlinge war. Niemals hätte Deutschland so einen rasanten Wiederaufstieg erleben können, wenn die vielen Flüchtlinge nicht gewesen wären! Hauptsächlich ihnen haben wir unseren heutigen Wohlstand zu verdanken. Hilfe für junge Flüchtlinge aus den Ostgebieten Damals entstand die evangelische Jugendsozialarbeit als »Jugendaufbaudienst«, man wollte die jungen Leute nach den schrecklichen, verlustreichen und traumatischen Erfahrungen und Erlebnissen wieder aufbauen, sie trösten, begleiten und fördern. 1949 wurde in Bremen die »Evangelische Arbeitsgemeinschaft der Heimstatthilfe für die Jugend« gegründet, der Vorläufer der BAG EJSA. Sie entstand aus vielen unterschiedlichen evangelischen Einrichtungen auf Landes- und regionaler Ebene. Im selben Jahr hatte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk gegrün- det, auf deren engagierte Lobbyarbeit hin dann am 18.12.1950 von der neuen Bundesregierung der »Bundesjugendplan«, der heutige Kinder- und Jugendplan des Bundes, beschlossen wurde (vgl. auch ebd. S.119). Jugendgilden, Jugendwohnheime, Jugendgemeinschaftswerke Es entstanden in dieser Nachkriegszeit u.a. Jugendgilden, Jugendwohnheime, Förderschulen und die so genannten Jugendgemeinschaftswerke, die den Jugendlichen außer den elementaren Lebensnotwendigkeiten wie Wohnraum, Integration in Schule und Arbeit auch »Gemeinschaft« geben sollten, ein Platz, an dem sie sich treffen konnten, an dem Beziehungen entstanden zu »Gleichgesinnten« und zu einheimischen Jugendlichen, ein integrativer Ort mit Spaß, Freizeitgestaltung und Austausch. Eben das, was junge Flüchtlinge heute auch wieder brauchen. Die Jugendmigrationsdienste haben jahrzehntelang immer die Möglichkeit zur Begegnung geboten, die Möglichkeit zum Reden über Erlebtes, die Gelegenheit zur Ablenkung von Belastendem durch Freizeitaktivitäten, durch Ausflüge, die Möglichkeit zum Kennenlernen einer neuen Jugendkultur und die Chance, an dieser teilzuhaben und nicht zuletzt das Angebot zum Verarbeiten von kleineren und größeren Krisen bei der mühsamen und manchmal sehr belastenden Ankunft und dem Einleben in völlig neuer Umgebung. Auch Konflikte mit Eltern sind ohne die gewohnte Peergroup oder Clique schwer zu verkraften. Deshalb müssen neue Kontakte zu Gleichaltrigen geknüpft werden und dafür braucht es Orte. Gemeinsames Erleben in der Gruppe wichtig Dies waren immer schon die Jugendmigrationsdienste, aber auch andere Einrichtungen der Jugendsozialarbeit. Leider ist in den letzten Jahren die Einzelfallhilfe, das so genannte Case Management zu sehr in den Schwerpunkt der Arbeit dieser Einrichtungen gerückt und die Möglichkeiten des oben beschriebenen unstrukturierten Austauschs und gemeinsamen Erlebens sind zu sehr in den Hintergrund gerückt. Genau dies bildet aber schließlich den sicheren Grund für eine gelingende Entwicklung, auch in Schule und Beruf. Neu ankommende junge Menschen brauchen in Deutschland auch heute noch diese Möglichkeiten, sich in lockerer und zwangloser Atmosphäre neu zu orientieren und andere junge Menschen zu treffen, die entweder ähnliche Schicksale haben oder sich einfach interessieren. Geschichte wiederholt sich Sowohl die jungen Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg als auch die jungen SpätaussiedlerInnen nach dem Fall des eisernen Vorhangs in den Jahren 1990/91 haben diese Angebote der evangelischen Jugendsozialarbeit angenommen. Jetzt steht eine neue Zielgruppe der Jugendsozialarbeit vor der Tür: junge Flüchtlinge aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten aus der ganzen Welt. Auch ihnen stehen unsere Türen offen! Geschichte wiederholt sich immer! n (fä) 11 BAG EJSA – Junge Flüchtlinge 2015 Rückblick und Ausblick Zehn Impulse Menschenrechte realisieren – Freizügigkeit weiter denken 1. Leben retten Das Mittelmeer ist unser gemeinsames Meer, die Rettung von Bootsflüchtlingen eine gesamteuropäische Aufgabe. Wir brauchen dringend eine zivile europäische Seenotrettung. 2. Legale und gefahrenfreie Wege nach Europa eröffnen Flüchtlinge müssen die Möglichkeit zur legalen Einreise erhalten, über Aufnahmeprogramme, eine großzügige Visavergabe und unkomplizierte Familienzusammenführungen. 5. International Schutzberechtigten Freizügigkeit gewähren Flüchtlinge mit einem Flüchtlings- oder subsidiären Schutzstatus sollten nach Abschluss des Asylverfahrens – Unionsbürgern gleich – mit dem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ausgestattet werden, damit sie sich überall in der Europäischen Union als Arbeitnehmende oder Selbstständige niederlassen können. 3. Flüchtlinge neu ansiedeln Die großzügige Neuansiedlung von Flüchtlingen aus Erstaufnahmestaaten kann die Länder, die zurzeit die meisten Flüchtlinge aufnehmen, entlasten. Außerdem macht dies für die Betroffenen lebensgefährliche Fluchtwege überflüssig. 6. Erstaufnahmestaaten unterstützen Europa muss die Erstaufnahmeländer von Flüchtlingen besonders bei sich verstetigenden Flüchtlingssituationen besser und nachhaltiger unterstützen. Dazu bedarf es der konzeptionellen und programmatischen Verbindung von kurzfristiger humanitärer Nothilfe und längerfristiger Entwicklungszusammenarbeit. 4. Wahl des Asyllandes freistellen Die Zuständigkeitsregelungen des Dublin-Systems müssen grundlegend verändert werden. Es sollte der Staat für ein Asylverfahren zuständig werden, in dem der Asylsuchende seinen Antrag stellen möchte. Parallel dazu müsste ein finanzieller Ausgleichmechanismus unter den Staaten der Europäischen Union eingeführt werden. 7. Flucht- und Konfliktursachen entgegenwirken Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Flüchtlinge aus fragilen oder gescheiterten Staaten und aus lang anhaltenden Konflikten kommen, ist die oft geforderte »Bekämpfung der Fluchtursachen« bestenfalls eine langfristige Aufgabe, die friedensethisch und -politisch ausgerichtet sein und die Diaspora in Europa einbeziehen sollte. 8. Flüchtlinge ermächtigen und beteiligen In einer inklusiven, an den Menschenrechten orientierten Migrationsgesellschaft müssen sich alle Menschen gleichberechtigt beteiligen können, auch Schutz- und Asylsuchende. Vom ersten Tag an. 9. Social Remittances fördern Neben den monetären Rücküberweisungen von Flüchtlingen und MigrantInnen in ihre Herkunftsländer verdienen die sozialen und politischen Transfers und Austauschprozesse größere Beachtung. Sie können Konflikte sowohl anheizen als auch Narrative einer befriedeten Zukunft transportieren. 10. Den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erweitern Eine zukunftsfähige, an den Menschenrechten ausgerichtete europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik muss sich aus der sicherheitspolitischen Engführung befreien, legale Arbeitsmigration nach Europa in größerem Umfang ermöglichen und einen inklusiven und vernetzten Mittelmeerraum schaffen. Einen detaillierten Text dazu finden Sie unter www.bagejsa.de/handlungsfelder/Junge_Fluechtlinge (Andreas Lipsch, Evang. Kirche in Hessen und Nassau, Vorsitzender von PRO ASYL) »Leben in Deutschland – Aus Sicht von Flüchtlingen« Hinweise und Links zum Thema Diakonie Aktuelle Beiträge und Berichte der Diakonie: www.diakonie.de/fluecht linge-9092.html Diakonie magazin »Gut, dass ihr hier seid«: www.diakonie.de/diakoniemagazin-01-2015-16216.html Kirchenasyl Website der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl (Netzwerke aller Kirchengemeinden, die bereit sind, Flüchtlinge im »Kirchenasyl« vor Abschiebung zu schützen: www.kirchenasyl.de Bundesverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Website des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: www.b-umf.de Jugendliche ohne Grenzen Selbstorganisation von jungen Flüchtlingen: http://jogspace.net Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit Aktuelle Informationen und Veröffentlichungen: www.jugendsozialar beit.de/junge_fluechtlinge Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe Positionspapier: www.jugendhilfe portal.de/fokus/fluechtlingspolitik Arbeitshilfen Zusammenstellung von Arbeitshilfen für die Beratung, z. B. zu rechtlichen Fragen und zum Zugang zu Bildung vom Informationsverbund Asyl & Migration: www.asyl.net Netzwerk Kinderrechte Netzwerk zur Umsetzung der UNKinderrechtskonvention in Deutschland (National Coalition), Positionspapier: www.netzwerk-kinderrechte. de/themen/fluechtlingskinder.html UNICEF In erster Linie Kinder, Flüchtlingskinder in Deutschland: www.unicef.de UNICEF-Report 2015 Kinder zwischen den Fronten: www.unicef.de/ report2015 Pro Asyl Website von Pro Asyl; Basisinformationen, Zahlen und Fakten, Informationen zu rechtlichen Fragen u.v.a.m.: www.proasyl.de/de/themen Flüchtlingsrat Übersicht über die Landesflüchtlingsräte: www.fluechtlingsrat.de Ein außergewöhnliches Filmprojekt 12 Bildung Schulanaloger Unterricht für junge Flüchtlinge, innovative Projekte, sehr gutes Fortbildungsangebot: www.schlau-schule.de Integration in den Arbeitsmarkt Migrationsspezifika beim Übergang von der Schule in die Ausbildung: www.dji.de/index.php?id=144 Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag zur aktuellen Zuwanderungsdebatte: www. dihk.de/presse/meldungen/201503-26-dihk-zdh-berliner-erklaerung Gesetzliche Grundlagen Von Abschiebung bis Zwangsheirat, alle wichtigen Begriffe von A-Z: www.caritas.de/glossare/fluechtlinge Überblick zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz zum 1. März 2015 mit Beispielen und Hinweisen für die Beratungspraxis: www.migration.paritaet.org/start/ publikationen Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.; jahrzehntelange Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen, interessante Projekte und gute Qualifzierungsangebote: www.ggua.de Fachkonzept der Evangelischen Jugendmigrationsarbeit W arum bist du geflohen? Was gefällt dir in Deutschland? Was war oder ist schwierig? Hast du Heimweh? – Diese Fragen stellten die Schülerinnen und Schüler einer beruflichen Vorqualifizierungsklasse, die erst vor kurzem als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren. Sie interviewten Flüchtlinge, die bereits seit einigen Jahren in Deutschland leben. So entstand der Film »Leben in Deutschland – aus Sicht von Flüchtlingen«, den der Fachdienst Jugend, Bildung, Migration der BruderhausDiakonie in Kirchheim/Teck initiierte – unterstützt von Kooperationspartnern (u.a. auch durch die BAG EJSA, deren Studierende Helena Sauter maßgeblich beteiligt war). Beeindruckend an diesem Film ist, wie offen die Interview-PartnerInnen den fragenden jungen Flüchtlingen antworten, wie tief sie Einblick geben in ihre Lebensgeschichte und ihre Gefühle. Bei der Filmpremiere im April 2015 waren alle Mitwirkenden an dem Film anwesend. Viele Menschen, überwiegend natürlich aus Kirchheim/Teck, wa- Wohnen WG-Leben statt Wohncontainer in der Sammelunterkunft. Eine Berliner Idee greift um sich: www.fluecht linge-willkommen.de Lebensraum im Grandhotel Cosmopolis in Augsburg: http:// grandhotel-cosmopolis.org/de/ www.bagejsa.de/publikationen-und-downloads/publikationen I n diesem Fachkonzept geht es im Kern um die Arbeit der aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes finanzierten Jugendmigrationsdienste. Sie wenden sich an alle jungen Menschen mit Migrationshintergrund und unterstützen diese bei ihrer sozialen, schulischen und beruflichen Integration. In der Jugendsozialarbeit ist die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund jedoch auch eine Querschnittsaufgabe. Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind in allen Einrichtungen der Jugendsozialarbeit und ren gekommen, um den Film zu sehen, und auch, um mit den AkteurInnen zu sprechen. Als sich alle Mitwirkenden auf der Bühne zu einem Gruppenbild versammelten, konnte man in den Gesichtern der jungen Flüchtlinge die Freude darüber sehen, dass sie ein so außergewöhnliches Projekt gemeinsam zustande gebracht hatten. Der 40minütige Film ist zum Preis von 12,50 Euro als DVD erhältlich. Bestelladresse: BruderhausDiakonie, Fachdienst Jugend Bildung Migration, 72622 Nürtingen, Kirchheimer Straße 60, Tel.: 07022 21 75-113, EMail: [email protected]. der Jugendhilfe anzutreffen, zurzeit in deutlich steigender Zahl. Es ist folglich notwendig, migrationsbedingte Unterstützungsleistungen nicht nur in Migrationsfachdiensten zu erbringen. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg sind gemeinsame Zielvorstellungen und eine enge Vernetzung der Akteure. Für das vernetzte Arbeiten richtet sich das Fachkonzept nicht nur an die Fachkräfte in den Jugendmigrationsdiensten. Auch Fachkräfte aus anderen Handlungsfeldern der Jugendsozialarbeit und der Jugendhilfe finden darin wichtige Hinweise. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) ist der bundesweite Zusammenschluss der Jugendsozialarbeit in Diakonie und evangelischer Jugendarbeit. Sie fördert junge Menschen, die besondere Unterstützung brauchen. Außerdem ist die BAG EJSA mitverantwortliche Zentralstelle für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Als Fachorganisation der Jugendhilfe vertreten wir die Interessen benachteiligter junger Menschen und die gemeinsamen Anliegen unserer Mitglieder insbesondere in den Bereichen Jugend-, Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Migrations- und Sozialpolitik.
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