Mehr als 1.000 völkische Siedler in Deutschland

Mehr als 1.000 völkische Siedler in Deutschland | Manuskript
Mehr als 1.000 völkische Siedler in Deutschland
Bericht: Björn Menzel, Sebastian Pittelkow
Knut Jahn hat neue Nachbarn. Für den Rentner im niedersächsischen Wibbese ist seitdem
nichts mehr wie es war.
Knut Jahn:
Wir sollen hier verschwinden, wir würden sowie so verschwinden, wir haben längst
verloren und wir sollten hier abhauen. Es werden finstere Tage auf uns zu kommen.
Gleich hinterm Zaun wohnen die neuen Nachbarn, die sich selbst
bezeichnen…Und Frau Jahn mit rechtsextremen Pöbeleien bedrohen.
als „völkisch“
Karsten:
Ihr Antifa-Huren und dann ging das noch weiter, das werdet ihr alle büßen. Ihr werdet alle
aufgehängt. Sieg Heil.
Die neuen Nachbarn in Wibbese sollen sogenannte Völkische Siedler sein. Deren Prinzip:
Rechtsextreme Familien ziehen in entlegene Gegenden, holen Gleichgesinnte nach.
Zwischen germanischen Runen und Schafen – ein braunes Bauern-Leben. Wibbese ist da
kein Einzelfall:
Anna Schmidt recherchierte für die Amadeu-Antonio-Stiftung. Mehr als 1.000 solch
rechtsextremer Siedler und Unterstützer in ganz Deutschland hat sie erstmalig für eine
Studie ausfindig gemacht.
Anna Schmidt:
In Mitteldeutschland gibt es zum Teil Flächengebiete, die wenig besiedelt sind, wenig
bewohnt sind. Gerade dort können sich Völkische Siedler und Siedlerinnen einfacher
niederlassen, sind ungestörter. Andererseits ist in den Bundesländern Mitteldeutschlands
zum Teil die extrem rechte Szene sehr stark und aktiv. Aus dieser Szene kommen die
Völkischen Siedler und Siedlerinnen, sie erhalten auch Unterstützung aus dieser Szene.
Die Idee völkischer Siedlungen gab es schon in Hitler-Deutschland. Seit etwa 20 Jahren
planen Rechte nun wieder Siedlungen in Rumänien, Schweden, Russland und vor allem in
Deutschland. Das Prinzip ist immer gleich:
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Anna Schmidt:
Sie sind extrem Rechte. Sie siedeln im ländlichen Raum, weil sie dort ungestörter sind. Sie
versuchen Selbstversorgung zu betreiben, ergreifen deswegen landwirtschaftliche und
handwerkliche Berufe. Sie treten in großen Familien mit vielen Kindern auf. Sie geben sich
einen ökologischen Anstrich, das heißt, sie sind als Biobauern oder ähnliches aktiv. Und sie
versuchen Gesinnungsgenossen, Kameraden und Freunde an die Orte zu ziehen, an denen
sie siedeln.
So war es auch in Wendemark in Sachsen Anhalt. Hier unterwandert eine rechtsextreme
Familie aus Österreich den Ort. Die B.s. Nach Exakt-Recherchen sollen auch sie Völkische
Siedler sein. Wir fahren zu ihrem Anwesen, wollen wissen, was sie vorhaben. Clan-Chef
Baldur B. hält die Begegnung mit seinem Handy fest.
Reporter:
Sie kaufen hier im Umkreis mehrere Immobilien auf, mit welchem Ziel machen Sie das?
B: Ich kaufe die ganze Welt auf, ich bin der schlimmste Mensch der Welt
Eine richtige Antwort bekommen wir nicht. Baldur B. und seiner Familie gehören bereits
mehrere Immobilien im Dorf. Es soll eine Siedlung nach eigenen Regeln entstehen, nach
außen isoliert: Das zeigt ein Brief, der von den B.s stammen soll:
Zitat: „Zielstellung der Gemeinschaft ist die größtmögliche Unabhängigkeit von dem
bislang herrschenden politischen und wirtschaftlichen System.“
Dafür sollen die restlichen Dorfbewohner weichen – ein Ansinnen, das völkische Siedler spät
offenbaren.
Anna Schmidt:
Das Gefährliche an ihnen ist, dass sie sehr unauffällig vorgehen, dass sie sich als nette
Nachbarn als hilfsbereite Vereinsmitglieder, Mütter, Erzieherinnen, Handwerker und
ähnliches in den Orten ansiedeln, sich dort niederlassen und erstmal angenehm auffallen
und gar nicht politisch. Erst im Laufe der Zeit wird dann durch bestimmte Begrifflichkeiten
oder Aussagen klar, dass sie durchaus rassistische und antisemitisch eingestellt sind.
Wie ein braunes Dorfleben aussehen könnte - beschreibt der Neonazi Steffen Hupka. Exakt
liegt sein Manuskript für einen Tagesablauf in einer idealtypischen Siedlungs-Gemeinschaft
vor. Eine Zusammenfassung:
Der Morgen beginnt mit Frühsport und Wehrertüchtigung – zum Schutz des Dorfes. Fit sein,
auch um deutschen Nachwuchs zu zeugen.
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Tagsüber bauen Männer Scheunen, Ställe und Häuser. Die Siedler wollen ohne Hilfe von
außen, isoliert leben.
Kinder werden nachmittags von den Frauen unterrichtet. Alle Bewohner tragen
selbstgemachte, fast mittelalterliche Kleidung.
Am Abend ist Treffpunkt das sogenannte Thinghaus – das Zentrum des Dorflebens. Dort wird
Rat abgehalten.
Noschkowitz in Sachsen. Die bereits erwähnten B.s aus Wendemark besitzen dieses Schloss.
Auch hier soll eine Siedlung entstehen. Reinhard B. ist aus dem (umtriebigen) Familien-Clan
ausgestiegen. Mit dessen Ideologie wollte er nie zu tun haben.
Rainhard B.:
Also es hat immer hier verschiedentlich Leute gegeben, die aus dem rechten Umfeld dieses
Gelände hier mit genutzt haben, wo hier Feierlichkeiten stattgefunden haben.
Im Schloss sollen Landsmannschaften und rechte Szenegrößen ein und ausgegangen sein.
Exakt-Recherchen belegen: Bereits 2007 führte die Innenministerkonferenz das Schloss als
Immobilie von Rechtsextremen. Folgen hatte das nicht. Die Familie bekam vom Freistaat bis
2011 rund 70.000 Euro Fördermittel. Die Behörden wollen von den braunen Umtrieben
offenbar nichts wissen.
Rainhard B.:
Ich sehe, dass es hier eine eindeutige Radikalisierung gibt, ideologische Radikalisierung
gibt, eine Abgrenzung gegenüber der Öffentlichkeit, ich war dort völlig überrascht und
schockiert, mit was für Leuten die Familie hier Umgang hat.
Noschkowitz, Wendemark und Wibbese,- nur drei von vielen Orten, in denen völkische
Siedler sich breit machen und niemand hinschaut. In Wibbese macht deshalb Familie Jahn
mit einem Info-Punkt auf ihr Problem mit den rechtsextremen Nachbarn aufmerksam.
Ich habe versucht Unterstützung in der Lokalpolitik zu mobilisieren. Das war nicht möglich.
Es gab keine Antwort, keine Reaktion, es gab eher den Versuch, das Ganze
herunterzuspielen und zu unserer Privatsache zu machen.
Dabei ist in dem kleinen Dorf kaum etwas privat. Es gibt viel Gerede. Manche tun das
Rentner-Ehepaar als Querulanten ab.
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Ich denk, das ist ein privater Krieg da, so sehe ich das. Wir halten uns da eigentlich raus
überall. Wir wollen hier Ruhe im Dorf und weiter wollen wir gar nichts. Der andere: Will
jeder, ne.
Da, wo engagierte Bürger und Politiker fehlen, finden völkische Siedler ihren Platz.
Unbemerkt. Unbehelligt. Unterschätzt.
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