Wer sind die wahren Totengräber unserer Freiheit

Das Titelbild zeigt den ehern. SS-General
Meyer, den seine Anhänger „Panzer-Meyer“ nennen. Auf dem SS-Treffen (HIAG) im
September 1959 in Hameln sagte PanzerMeyer: „Wir stehen nicht an einem Hintertürchen, nicht an jenem verborgenen Eingang für Dienstboten und Lieferanten, wir
wollen über die Vordertreppe in den Staat ...
Jawohl, meine Kameraden, diese Bundesrepublik ist unser Staat ...“
Wer sind die wahren
Totengräber
unserer Freiheit?
Die Antwort eines antifaschistischen
Widerstandskämpfers an
Oberstaatsanwalt Dr. Johannes Schneider
von Heinz Junge
D I E N S T
D E R
F R E I H E I T - V E R L A G
1
„Also Vorsicht bei den Unabhängigen“, sagte Dr. Schneider
Die „Unabhängigen“
Unser Bild zeigt die Angeklagten im Kandidaten-Prozeß in
Düsseldorf (v. I. n. r. Willi Engels, 7 M. Gef.; Joh. Haugrund,
9 Mon. Gef.,; Heinz Junge, 6 Mon. Gef.; Peter Boumöller, 8
Mon. Gef.; Hans Rösch, 12 Mon. Gef.; Paul Tragier, 6 Mon.
Gef.; Max Fischer, 7 Mon Gef.; WiIli Hermann, 9 Mon. Gef.;
Hans van Beeck, 7 Mon. Gef.; Artur Schipper, 7 Mon. Gef.;
Heinz Dzwewas, 10 Mon. Gef.; Egon Homann, 6 Mon. Gef.;
Karl Schabrod, 9 Mon. Gef. — Auf dem Bild nicht zu sehen:
Alfred Gecks, 12 Mon. Gef.; Willi Wateler,. 18 Mon. Gef.
Der Weg eines Widerstandskämpfers
Heinz Junge: Mitglied der KPD in der Illegalität nach 1933. Erste Verhaftung Mai 1933. Zweite Verhaftung nach einer Antikriegsaktion am 1.
August 1933. KZ Börgermoor. Untersuchungshaft 1934-1935, eineinhalb
Jahre im Gefängnis. Dann illegale Tätigkeit im „Freundeskreis der Deutschen Volksfront“ 1936 — 1939 Emigration in Holland. 1939 Internierung. 1940, als Dr. Schneider schon Staatsanwalt in Breslau war, kam
Heinz Junge ins KZ Sachsenhausen. Mitglied des Lagerkomitees, 1945
nach Mauthausen und KZ Ebensee in Österreich. Unmenschliche Mißhandlungen. 1945 ausgehungert bis zum Skelett, von den Amerikanern
befreit. Sekretariatsmitglied des Intern. Sachsenhausenkomitees für die
Bundesrepublik.
2
Ein Ärgernis für Dr. Schneider
In einer (CDU)-Propagandaschrift mit dem Titel „Totengräber unserer Freiheit“ informierte
der Herr Oberstaatsanwalt Dr. Johannes Schneider die Öffentlichkeit darüber daß die KPD,
obwohl sie im August 1956 in der Bundesrepublik verboten wurde, ihre Arbeit trotzdem fortsetze. Dr. Schneider drückt sich allerdings sehr unklar aus, wenn er einmal von der KPD als
Partei und dann wieder von den Kommunisten schlechthin spricht.
Die KPD als Partei ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 8. 1956 verboten
und jede Tätigkeit für sie steht unter Strafe. Zahlreiche Urteile, von 6 Monaten Gefängnis bis
zu 5 Jahren Zuchthaus, machen das deutlich.
Die einzelnen Kommunisten leben jedoch noch, befinden sich im Besitz ihrer Staatsbürgerrechte, soweit diese nicht, wie bei einigen Verurteilten, durch Gerichtsbeschluß eingeschränkt sind.
Von den Kommunisten sagt Dr. Schneider dann wörtlich:
„Sie haben es innerhalb weniger Jahre verstanden, nahezu unser gesamtes gesellschaftliches Leben zu unterminieren, man kann ihnen heute unter Tage genauso begegnen, wie in der Bahn, in den Büros, genauso wie auf den Hochschulen, auf Partys genauso wie in literarischen Zirkeln.“
Für Dr. Schneider ist es offenbar ein Ärgernis, daß die einzelnen Kommunisten auch nach
dem Verbot ihrer Partei nicht aufgehört haben, Kommunisten zu sein und weiterhin ihre politische Meinung sagen. Ich kann nicht beurteilen, ob die große Aktivität, von der Dr. Schneider spricht, bei den Kommunisten in der Bundesrepublik vorhanden ist, doch hat es den
Anschein, als ob Dr. Schneider jede grundsätzliche Äußerung der Gegnerschaft zur offiziellen Bonner Politik als Ergebnis der unmittelbaren Tätigkeit der Kommunisten hinstellt. Dr.
Schneider macht es sich etwas zu leicht.
Bekanntlich war für die Nazis jeder, der mit ihrer Politik nicht einverstanden war, ein Kommunist. Im KZ bekamen alle Hitler-Gegner, gleich ob Katholik, Sozialdemokrat oder tatsächlich
Kommunist, ein rotes, dreieckiges Tuch angenäht. Herr Dr. Schneider hängt, wie es den Anschein hat, jedem Adenauer- Gegner in Gedanken solch ein rotes Dreieck an. Eben weil Dr.
Schneider allzuviel rot sieht, kommt er zu der Auffassung, die Kommunisten hätten nahezu
das gesamte gesellschaftliche Leben „unterminiert“.
Soll diese Übertreibung des Umfanges der kommunistischen Tätigkeit bei solchen Menschen, die noch allzu sehr im Banne des Hitler‘schen. Bolschewistenschrecks stehen,
Furcht einflößen? Etwa so, daß der aufgeschreckte Bürger ausruft: „Was, so weit ist es
schon mit den Kommunisten? Mein Gott, wenn die nun morgen anfangen unser Eigentum
zu teilen und unsere Frauen sozialisieren. Nein, niemals! Her mit dem Notstandsgesetz!
Packt sie! Bindet sie! Rein ins Zuchthaus und ins KZ mit ihnen! Wir wollen unsere Ruhe
haben.“
Im Grunde genommen könnte mir eine Schrift von Seiten eines Oberstaatsanwaltes über die
Kommunisten in der Bundesrepublik gleichgültig sein, denn was er dort sagt, haben andere
mehr oder weniger in den letzten Jahrzehnten des öfteren geschrieben. Herr Dr. Schneider beschäftigt sich jedoch mit den „Unabhängigen“, die anläßlich der Landtagswahlen in NordrheinWestfalen im Sommer 1958 auftraten, über diese Unabhängigen verbreitet der Oberstaatsan-
3
walt dann „Wahrheiten“, die nie im Prozeß gegen die .Unabhängigen vor dem Düsseldorfer
Landgericht bewiesen werden konnten.
Da ich zu diesen „Unabhängigen“ gehöre und in Zukunft wieder als solcher, z. B. bei den
Kommunalwahlen im Oktober 1960 auftreten möchte, fühle ich mich persönlich angesprochen und möchte dem Herrn Oberstaatsanwalt auf dem gleichen Wege antworten.
Ich will versuchen, die wirklichen Totengräber der Freiheit, unserer Freiheit, aufzuspüren,
gleich wo sie sich heute verborgen halten und wie sie sich auch tarnen mögen. Kein Geschrei: „Haltet den Dieb“ soll mich daran hindern.
Wer ist Oberstaatsanwalt Dr. Johannes Schneider?
Dr. Schneider hielt vor einigen Jahren Serien-Vorträge in gewerkschaftlichen Schulungsabenden über die Themen: „Staatsgefährdung“, „Hochverrat“ und „Landesverrat“. Als
Ausgangspunkt benutzte er jeweils mit Vorliebe das von der KPD 1952 herausgegebene
„Programm der Nationalen Wiedervereinigung Deutschlands“. Einige in diesem Programm
enthaltene, nicht gerade löbliche Qualifikationen für gewisse Führer der SPD wurden von
Dr. Schneider in diesen Schulungsabenden wiederholt zitiert, um die zur SPD gehörenden
Gewerkschafter - gewöhnlich die Mehrheit auf diesen Schulungsabenden - gegen ihre kommunistischen Klassenbrüder zu verstimmen. Sehr oft mußte Dr. Schneider erleben, daß sich
gerade die sozialdemokratischen Gewerkschafter, die ihre kommunistischen Kollegen vom
Arbeitsplatz oder aus dem Wohngebiet persönlich kannten, entschieden gegen solche Versuche wandten. Allerdings gab es sozialdemokratische Funktionäre, die, im Glauben, daß
der Herr Oberstaatsanwalt ein Freund der Gewerkschaften und ein der SPD nahestehender
Mann sei, taktvoll über Dinge hinweg sahen, die ihnen nicht gerade logisch erschienen. Verstärkt wurde diese Rücksichtnahme durch die ständig wiederkehrende Versicherung des Dr.
Schneider, daß die Gesetze, soweit sie sich auf „Staatsgefährdung“ usw. beziehen, niemals
gegen die SPD und die Gewerkschaften angewandt werden könnten.
Daß Dr. Schneider nicht der SPD, sondern der CDU nahestand, erfuhr die Öffentlichkeit
erst, als in Bonn der Ausschuß „Rettet unsere Freiheit“ gebildet wurde. Bekanntlich distanzierten sich von diesem Ausschuß sofort die SPD und die FDP. Die SPD schloß sogar diejenigen ihrer Mitglieder aus, die sich an der Bildung des Ausschusses beteiligt hatten. Dr.
Schneiders Name mit der Bezeichnung „Oberstaatsanwalt in Dortmund“ erschien auf der
Unterzeichner- Liste dieses sonderbaren Ausschusses. Damit war „die Katze aus dem Sack
gelassen“ und der gewerkschaftsfreundliche Staatsanwalt entpuppte sich als ein eifriger
CDU-Propagandist.
Dr. Schneider amtiert in Dortmund in der Hohenzollernstraße / Ecke Kaiserstraße. Als der
Verfasser dieser Schrift in einer persönlichen Angelegenheit im Jahre 1957 Dr. Schneider
dort aufsuchte, konnte er kaum durch den Vorraum in dessen Büro gelangen, da dieser Vorraum bis unter die Decke von Postsendungen aus der Deutschen Demokratischen Republik
vollgepackt war.
Der dort tätige Angestellte meinte, daß sie sehr bald besondere Räume für diese Unmenge
von Materialien beziehen müßten. Viele tausende Sendungen, die schon auf der Post, im
Auftrage Dr. Schneiders, beschlagnahmt worden waren, wurden hier gesichtet und registriert. Man muß sich fragen, was hat das mit „Rettet unsere Freiheit“ zu tun, wenn Postsendungen auf der Post beschlagnahmt werden, der freie Briefverkehr zwischen Deutschen
unterbunden wird.
4
Das ist wirklich eine sonderbare Freundschaft zu den Gewerkschaften, die nicht zuläßt, daß
Gewerkschafter aus der DDR ihren Kollegen in der Bundesrepublik Briefe schicken.
Eine rein persönliche Bemerkung sei mir noch gestattet, über dem Schreibtisch Dr. Schneiders hing eine Reproduktion von Rembrandts „Der Mann mit dem Goldenen Helm“. Da ich
eine Vorliebe für niederländische Malerei habe und besonders Rembrandt verehre, wurde
ich einigermaßen beim Anblick dieses Bildes beeindruckt, ich sagte mir: „Welch ein Kontrast,
hier Rembrandt, d. h. Kultur und Humanität, und vor der Tür - viele Tausende dem Empfänger vorenthaltene Postsendungen.“
Herr Dr. Schneider begann seine Laufbahn bei der Justiz schon 1939 unter Hitler und hat
offenbar andere Vorstellungen von der Freiheit als diejenigen, die während des Krieges, als
Dr. Schneider Staatsanwalt in Breslau war, im KZ saßen.
Oberstaatsanwalt Dr. Schneider besitzt seit Monaten belastendes Material über NS-Richter.
Was geschieht damit? Die Öffentlichkeit hat bisher von Verfahren gegen diese Richter nichts
gehört.
Auf der anderen Seite sind viele Opfer des Nazisystems heute erneut Verfolgungen ausgesetzt, Verfolgungen von seiten der Behörde, der Dr. Schneider angehört, so daß Verfolger
und Verfolgte von damals auch teilweise Verfolger und Verfolgte von heute sind. Dr. Schneider sollte sich z. B. unter seinen Amtskollegen, unter den Richtern und Staatsanwälten einmal umschauen, er fände manchen, der durch seine Tätigkeit während des Dritten Reiches
geholfen hatte die Freiheit hinter Gitter oder an den Galgen zu bringen.
Amtsgerichtsrat
Walter Philippi, Dortmund
Kriegsgerichtsrat a. D. Walter Philippi, geb.
8. 12. 1902, seit 1938 Amtsgerichtsrat. 1942 FeldGend.E.Abt. Neustadt. Dann Dienst bei Kommandantur Paris, Nov. 1942 Partisanenbekämpfung bei
Kursk, 1944 im April freiwillig zum Heeresjustizdienst
als Kriegsgerichtsrat. Divisionsrichter der Division
Nr. 176, Oberkriegsgerichtsrat Dr. Kaske, unterstützt
die Meldung Philippis mit folgender Charakteristik:
„Philippi ist ein frischer und tatkräftiger Richter, praktisch veranlagt und von aufgeschlossener Wesensart. Kriegsgerichtsrat ist soldatisch und kameradschaftlich eingestellt.“
5
Ehemaliger Kriegsgerichtsrat als Helfer Dr. Schneiders
Da ist z. B. der Amtsgerichtsrat Walter Philippi in Dortmund, welcher auf Antrag Dr. Schneiders viele politische Vernehmungen durchgeführt hat. Dieser Amtsgerichtsrat, welcher beim
„Schutze der Freiheit“ heute mitwirkt, hat schon als Kriegsgerichtsrat unter Hitler die „Hitlersche Freiheit“ beschützt. Hier sei etwas aus seiner jüngsten Praxis wiedergegeben:
Über viele Monate hindurch wurden ehemalige Kreisleitungsmitglieder der KPD in Dortmund
über ihre Tätigkeit vor dem Verbot der KPD vernommen. Da jeder ehemalige KPD-Funktionär nach § 90a StGB heute noch strafrechtlich verfoIgt werden kann, hätte Herr Philippi die
einzelnen Zeugen, bei denen. „Lehmann“ als Zeuge gegen „Meier“ und „Meier“ als Zeuge
gegen „Lehmann“ vernommen werden sollten, sofort darauf aufmerksam machen müssen,
daß jeder das Recht hat, die Aussage zu verweigern, wenn er glaubt, daß seine Aussage
gegen ihn selbst verwandt werden könne. Das traf in diesem Falle zu, da nur derjenige
die strafbare Handlung des anderen, die Teilnahme an einer Kreisleitungssitzung bezeugen
konnte, der selbst daran teilgenommen hatte.
Herr Philippi machte den Zeugen nicht auf dieses Recht, das Zeugnis zu verweigern (§ 55
der STPO) aufmerksam.
Er sagte: „Sie müssen als Zeuge aussagen, sonst kann ich Sie in Beugehaft nehmen.“ Er
verschwieg Zeugen gegenüber sogar, daß auch gegen sie die gleichen Ermittlungen wegen
deren Tätigkeit in der Kreisleitung liefen.
Hier ein Ausschnitt aus einer Vernehmung:
Philippi:
„Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie als Zeuge aussagen müssen und daß Sie die reine Wahrheit zu sagen haben ...
Sie heißen X und sind geboren ... und arbeiten auf dem Werk Y“
Zeuge:
„Ja, stimmt“.
Philippi:
„Sie waren Sekretär der Betriebsgruppe der KPD bis zum Verbot?“
Zeuge:
„Was, wollen Sie mich über den ehemaligen Kreissekretär ‚NN‘ vernehmen oder bin ich hier selbst der Angeschuldigte?“
Philippi:
„Nein, Sie werden als Zeuge vernommen, aber die Frage müssen Sie
beantworten, denn es ist eine Frage zur Person.“
Der Zeuge wußte, daß er über eine Sache, in der er evtl. selbst angeklagt werden kann, weder über sich noch über andere eine Aussage machen muß. Aber wieviel Menschen kennen
sich in diesen Dingen nicht aus und wissen nicht, daß sie, wenn sie eine Funktion in der KPD
vor dem Verbot hatten, heute noch als „Rädelsführer“ angeklagt werden können?
Ich habe den Eindruck, daß die Vernehmungen durch Philippi, soweit Bekannte und Verwandte mir davon berichteten, in ihrer Art, mit drohend erhobener Stimme und Androhung
von Beugehaft auch vor einem Kriegsgericht so geführt worden sein könnten.
Aber der Herr Amtsgerichtsrat Walter Philippi ist nicht der einzige heute in Dortmund amtierende Jurist, der schon im Hitlerstaat als Richter tätig war,
6
Erhängt!
Öffentliche Hinrichtungen in den von
deutschen Truppen besetzten Ländern, haben den deutschen Namen mit
Schande bedeckt, woran wir noch heute zu tragen haben.
Erschossen!
7
da ist zum Beispiel Herr
Oberamtsrichter Dr. Unterhinninghofen
Dieser jetzige Oberamtsrichter war in der Nazizeit Landgerichtspräsident am Sondergericht
in Wloclawek (Leslau) und fällte, gestützt auf die Nazi-Sondergesetze, folgende Todesurteile:
Am 1. Oktober 1942 gegen den Deutschen Waldemar Schröder. Schröder wurde am 15.
Dezember 1942 hingerichtet.
Am 21. November 1940 gegen den Landwirt Vizenty PrzybiyI,
Am 15. Januar 1941 gegen den Nachtwächter Acln Szafranski, den Arbeiter Stanislaus Razwadoski sowie den Schuster Sylvester Musielak.
Wie Dr. Unterhinninghofen seine Todesurteile begründete, ist aus dem Urteil gegen den Polen Kolodzicjczak vom 11. 9. 1944 zu sehen. Dieser Pole hatte sich der deutschen Zwangsarbeit widersetzt, war mehrfach geflüchtet und lebte ohne Anmeldung und ohne Lebensmittelkarten. In dem Urteil heißt es wörtlich:
„Rechtlich stellt sich das Verhalten des Angeklagten als Kriegswirtschaftsverbrechen und als Verstoß gegen Ziff. I, Abs. 4 Ziff. 2 der Polenstrafrechtsordnung dar;
denn der Angeklagte hat mindestens 7 Monate hindurch einen Schleichhandel
mit Fleisch und Wurst betrieben, der so einträglich war, daß er davon gut leben
konnte, und hat nach seiner Festnahme Einrichtungen der deutschen Behörde,
nämlich die Haftzelle in Mühlental, erheblich beschädigt. Er muß daher nach Ziff.
I Abs. 4 Ziff. 2, II, III der Polenstrafrechtsverordnung i.V. m. § 1 KWVO bestraft
werden.
Ein minder schwerer Fall im Sinne der Polenstrafrechtsverordnung liegt nicht vor.
Irgendwelche Umstände, die die Tat des Angeklagten in einem mildernden Licht
erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Angeklagte gehört vielmehr
zu denjenigen Polen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Warthegau
bilden...
Als er im Juli 1943 in Warthbrücken festgenommen war, flüchtete er.
Ebenso gelang ihm die Flucht im Jahre 1944 in Hohensalza. Am 20. 8. 1944 ist
die Flucht erst im letzten Augenblick verhindert worden, als der Angeklagte die
Zelle schon erheblich beschädigt hatte. Elemente, die sich im 5. Kriegsjahr in
dieser Weise vor der Arbeit drücken, die öffentliche Ordnung stören und eine gewalttätige Natur haben, sind gemeingefährlich und müssen ausgemerzt werden.
Das Sondergericht hat deshalb auf die Todesstrafe erkannt ...“
Weiter zählen zu den ehemaligen NS Sonderrichter die heute in Dortmund tätig sind, der
jetzige
Amtsgerichtsrat Fähndrich, früher Oberamtsrichter am Sondergericht in Kattowitz.
8
9
Der jetzige
Landgerichtsdirektor Dr. Dietrich Baedeker, früher Landgerichtsdirektor am Sondergericht Dortmund.
Der jetzige Staatsanwalt Schlaf, früher Staatsanwalt am Nazi-Sondergericht Dortmund.
Der Oberstaatsanwalt Hans Niese, im 3. Reich Kriegsgerichtsrat.
Der jetzige
Staatsanwalt Jahn, früher Oberfeldrichter.
Ihm wurde am 3. Juni 1944 von dem Chefrichter des Generalgouverneurs und
Kriegsverbrechers Frank in Krakau bestätigt: „...seine Einstellung zu Staat und
Partei ist uneingeschränkt bejahend.“ Er war 1919 Freikorpskämpfer im Baltikum,
seit 1934 Mitglied der SA und 1937 Mitglied der NSDAP.
Warum denn in die Ferne schweifen . . .
Herr Oberstaatsanwalt!
Schauen Sie sich bei der Dortmunder Justizbehörde etwas um und es findet sich leicht ein
Betätigungsfeld, um Freiheit und Demokratie einen Dienst zu erweisen.
Oder sollte ein Hitler‘scher Landgerichtspräsident, der Todesurteile in Polen fällte, ein besserer Demokrat sein, als ein Kommunist, der fünf, acht oder zwölf Jahre seines Lebens für
Freiheit und Demokratie im Hitler-Zuchthaus oder Hitler-KZ gesessen hat?
Welche Freiheit ist denn das, die der Herr Oberstaatsanwalt retten will? Die Freiheit der
ehemaligen Hitler-Richter, auch heute gute Demokraten zu verfolgen, oder die Freiheit derer, die durch ihren Kampf gegen Hitler die Ehre des deutschen Volkes retteten und dazu
beigetragen haben, daß 1945 Deutschland nicht wie Karthago behandelt wurde, wie z. B.
die Londoner „Times“ 1939 forderte? (Karthago wurde von den Römern 146 v. Chr. dem
Erdboden gleichgemacht).
Wie zahlreich die ehemaligen Hitlerrichter heute wieder Einfluß in der Justiz haben, sei an
weiteren Beispielen aus unserer engeren Heimat gezeigt.
H a m m i. Westf.
Oberlandesgerichtsrat Branz, fr. Landgerichtsrat am Sondergericht Dortmund,
Oberstaatsanwalt Dr. Göke, früher Staatsanwalt am Sondergericht Bielefeld,
Oberlandesgerichtsrat Dr. von Großschopf, früher Amtsgerichtsrat an den Sondergerichten
Danzig und Thorn.
Regierungsdirektor im Strafvollzugsamt Dr. Grunau, früher Staatsanwalt am Sondergericht
in Celle.
Oberstaatsanwalt Dr. Gugler, früher Staatsanwalt am Sondergericht Breslau,
Oberlandesgerichtsrat Krönig, früher Oberlandesgerichtsrat am Sondergericht Hohensalza,
Oberlandesgerichtsrat Dr. Josef Kruschewski, früher Landgerichtsrat am Sondergericht in
Bromberg, Kriegsverbrecherliste von Polen 80/426,
Oberstaatsanwalt Lehnhoff, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Danzig,
10
Oberlandesgerichtsrat Lindemann, früher Landgerichtsrat am Sondergericht
Dortmund,
Oberlandesgerichtsrat Muhs, fr. Landgerichtsrat am Sondergericht in Radom,
Senatspräsident Dr. Rein, fr. Oberstaatsanwalt am Sondergericht in Dortmund,
Oberlandesgerichtsrat Hans Schoene, früher Oberlandesgerichtsrat am Sondergericht Magdeburg,
Senatspräsident Eberhard Everlin, früher Kriegsgerichtsrat,
Oberlandesgerichtsrat Helmut John, früher Kriegsgerichtsrat,
Oberlandesgerichtsrat Boenicke, früher Amtsgerichtsrat, Sachbearbeiter für politische Strafsachen im Reichsjustizministerium,
Oberstaatsanwalt Dr. Ködding, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Essen,
Senatspräsident Laube, früher Staatsanwalt, Sachbearbeiter für politische Strafsachen im
Reichsjustizministerium,
Oberlandesgerichtsrat Prof. Dr. Peters, früher Erster Staatsanwalt, Sonderreferent für politische Strafsachen beim Generalstaatsanwalt in Köln,
Oberstaatsanwalt Stähler, früher Staatsanwalt am Sondergericht Danzig,
Oberlandesgerichtsrat Dr. Stracke, früher Amtsgerichtsrat für politische Strafsachen am
Oberlandesgericht Hamm,
Oberstaatsanwalt Wälzholz, früher Staatsanwalt am Sondergericht Breslau.
Wer verfolgten Juden half,
wurde erbarmungslos hingerichtet!
Oberlandesgerichtsrat Muhs
Dieser ehemals an dem berüchtigten Sondergericht in Radom tätige Richter verurteilte am
25. Juni 1943 den am 6. September 1892 in Nowosiolki-Gosconne, Kreis Lemberg, geborenen Badeanstaltsbesitzer Bazyli Antoniak aus Szydlowiec, Badestraße 10, „weil er zwei
jüdischen Kindern beim Verlassen des jüdischen Wohnbezirks Beihilfe geleistet und ihnen
Unterschlupf gewährt hat“ zum Tode. Seine mitangeklagte Ehefrau erhielt im gleichen Prozeß wegen Beihilfe drei Jahre Zuchthaus.
Am 4. April 1944 verurteilte er den am 24. Oktober 1916 in Dobrut geborenen Schlosser
Wladyslaw Tyczynski aus Radom, Mlecznastraße 28, wegen „Unterschlupfgewährung“ zum
Tode. Tyczynski hatte dem 12jährigen Sohn seines jüdischen Arbeitgebers für kurze Zeit
Unterkunft gewährt, als dieser aus dem Ghetto Glinice, das „geräumt“ werden sollte, entflohen war.
Bochum
Landgerichtsdirektor Dr. Boes, früher Landgerichtsrat am Sondergericht in Essen,
Landgerichtsrat Dr. Leutert, fr. Landgerichtsrat am Sondergericht in Weimar,
Oberstaatsanwalt Theodor Schäper, früher Erster Staatsanwalt am Sondergericht in Brünn,
Amtsgerichtsrat Schmiedeberg, früher Staatsanwalt am Sondergericht Stettin,
Staatsanwalt Sernau, früher Staatsanwalt am Sondergericht Dortmund,
Landgerichtsrat Berthold Hänert, früher Oberstabsrichter,
11
Amtsgerichtsrat Ernst Hartke, früher Kriegsgerichtsrat,
Staatsanwalt Dr. Tüting, früher Oberfeldrichter,
Amtsgerichtsrat Gerhard Wallis, früher Oberstabsrichter,
Landgerichtsdirektor Konrad Witzig, früher Kriegsgerichtsrat,
Oberstaatsanwalt Dr. Hüntemann, früher Staatsanwalt für politische Strafsachen am Oberlandesgericht Hamm.
Essen
Landgerichtsdirektor Dr. Backhaus, früher Landgerichtsdirektor am Landgericht MährischSchönberg,
Landgerichtsdirektor Dr. Cramer, früher Landgerichtsdirektor am Oberlandesgericht Posen,
Staatsanwalt Dr. Glunz, früher Staatsanwalt am Sondergericht Essen,
Landgerichtsrat Dr. Hartmayer, fr. Landgerichtsrat am Sondergericht Essen,
Landgerichtsdirektor Dr. Kowalski, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Leslau,
Senatspräsident am Landessozialgericht Dr. Dr. Neubauer, früher Landgerichtsdirektor am
Sondergericht Litzmannstadt (Lodz),
Landgerichtsdirektor Josef Schoene, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Essen,
Oberstaatsanwalt Dr. Josef Törnig, früher Staatsanwalt am Sondergericht Prag (auf Kriegsverbrecherliste Nr. A-38/91),
Landgerichtsdirektor Dr. Dorfmüller, früher Kriegsgerichtsrat,
Landessozialgerichtsrat Dr. Werner Holle, früher Kriegsgerichtsrat,
Staatsanwalt Ronge, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Zichenau,
Amtsgerichtsrat Hillenkamp, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Essen,
Staatsanwalt Dr. Jungmann, früher Staatsanwalt am Sondergericht Posen,
Landgerichtsrat Krügers, früher Landgerichtsdirektor am Sondergericht Kattowitz,
Oberstaatsanwalt Dr. Metten, früher Reichsanwalt für politische Strafsachen am
Reichsgericht,
Landgerichtsrat Schnidder, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Duisburg,
Amtsgerichtsdirektor Dr. Selhorst, früher Feldkriegsgerichtsrat.
Der oben angeführte
Senatspräsident Dr. Dr. Neubauer, Essen
beteiligt an Todesurteilen:
Aktenzeichen: 7 SD Kls 6/43 PoV
Am 27. Mai 1942 verurteilte er den Polen Stefan Gaszweski, der einen Streit mit einem
Volksdeutschen gehabt hatte, wegen Landfriedensbruch zum Tode. Aktenzeichen: Sd Kls
220/42
Am 24. November 1942 verurteilte er die Polin Anna Rajs, geb. Witkowski, geboren am 19.
Mai 1896 in Lodz, wegen Diebstahls zum Tode.
Unter dem Aktenzeichen: 10 SD Kls 6/43 PoV verurteilte er am 30. Juli 1943 sechs Polen
nach der berüchtigten Polen-Strafverordnung zum Tode.
Am 19. 10. 1943 verurteilte er unter dem Aktenzeichen: 10 Sond. KLs 15/43 PoV
12
Angehende Nazi-Juristen symbolisieren in Gegenwart ihres Justizministers die ihnen zugedachte
Tätigkeit.
13
den polnischen Arbeiter Zygmunt Janiszewski, geboren am 20. März 1919 in Lodz, wegen
Diebstahls von einigen Lebensmittelkarten zum Tode.
Aktenzeichen: 10 Sond. KLs 15/44 PoV
Am 20. Juni 1944 verurteilte er Wladisla Pawelec, geboren am 15. Okt. 1913 in Lodz,
wegen Beteiligung an einem Lebensmittelkartendiebstahl und falscher Namensführung
zum Tode.
Köln
Oberstaatsanwalt Otto Süß, früher Erster Staatsanwalt für polit. Strafsachen in Leitmeritz,
Kriegsverbrecherliste der Tschechoslowakei A-6/371,
Erster Staatsanwalt Dr. Wersdörfer, früher Staatsanwalt am Sondergericht
Düsseldorf,
Staatsanwalt Horst Badorrek, früher Oberstabsrichter,
Amtsgerichtsrat Dr. Albert Fuxius, früher Kriegsgerichtsrat,
Oberamtsrichter Peter Kiebel, früher Kriegsgerichtsrat,
Landgerichtsdirektor Dr. Erich van Look, früher Kriegsgerichtsrat,
Staatsanwalt Dr. Kettner, früher Staatsanwalt am Sondergericht Berlin,
Erster Staatsanwalt Dr. Kraemer, früher Staatsanwalt m Volksgerichtshof,
Landg.erichtsdirektor. Dr. Loevenich, früher Landgerichtsdirektor am Sondergericht Köln,
Landgerichtsdirektor Dr. Murhard, früher Landgerichtsdirektor am Sondergericht Köln,
Oberstaatsanwalt Dr. Orzechowski, fr. Staatsanwalt am Sondergericht Breslau,
Oberlandesgerichtsrat Rettner, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Köln,
Landgerichtsdirektor Schwengers, früher Landgerichtsrat am Sondergericht
Aachen,
Oberstaatsanwalt Skupin, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Kattowitz,
Arbeitsgerichtsrat Chaluppa, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht in Kattowitz und
Pressedezernent beim Landgericht Kattowitz,
Staatsanwalt Cünnen, früher Gerichtsassessor am Sondergericht Köln,
Landgerichtsrat Göbel, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Essen,
Amtsgerichtsrat Göhring, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Naumburg in
Halle/Saale,
Senatspräsident am Oberlandesgericht Dr. Hein, früher Kriegsgerichtsrat (Armeeoberkommando 7),
Erster Staatsanwalt Kraemer, früher Staatsanwalt am Volksgerichtshof,
Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Makart, früher Richter am Volksgerichtshof,
Staatsanwalt Lewerenz, früher Staatsanwalt am Sondergericht Aachen,
Amtsgerichtsrat Dr. Pütz, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht in Kattowitz,
Landgerichtsdirektor Dr. Zain, früher Landgerichtsrat am Sondergericht in
Koblenz,
Staatsanwalt Dr. Höher, früher Staatsanwalt am Sondergericht Aachen,
Oberstaatsanwalt Dr. Hofstadt, früher Erster Staatsanwalt am Sondergericht Köln,
Oberstaatsanwalt Irsfeld, früher Staatsanwalt am Sondergericht Köln.
14
Hitlergegner mußten sterben
Aus der Tätigkeit des jetzigen Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Makart, als Richter am
Volkgerichtshof
Am 11. August 1942 verurteilte Makart o. a. den Deutschen Karl Tanne wegen antifaschistischer Betätigung zum Tode.
Aktenzeichen: LL J 112/4 lg - 3 L 106/42
Am 15. Januar schickte er den am 2. Februar 1884 in Bogutschütz geborenen Mechaniker
Blasius Hampf aus Beuthen und den am 16. 3. 1903 in Mechtal geborenen Bürogehilfen
Josef Mitrenga aus Radzionkau aufs Schafott, weil sie die polnische Widerstandsbewegung
unterstützten
Aktenzeichen: 8 J 222/43 - 3 L 13/44
Am 8. Februar 1944 verurteilte Makart den am 23. 1. 1887 in Memel geborenen Mechaniker
August Ulrich aus Duisburg-Großenbaum zum Tode, weil dieser ein von britischen Flugzeugen abgeworfenes Flugblatt in seinem Be¬trieb an Arbeitskollegen weitergegeben hatte.
Am 29. September 1944 verurteilte Makart die Deutsche Johanna Vyhlidal wegen antifaschistischer Betätigung zum Tode.
Aktenzeichen: 3 L 405/44 - 4 J 86/44
Am 10. August 1944 verurteilte er das ehemalige SPD-Mitglied, den am 8. 8. 1882 in Osterode/Harz geborenen Maler Gustav Hüsing aus Hamburg- Altona wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung zum Tode. Hüsing, der bereits 1940 einmal wegen Abhörens des Schweizer
Rundfunks verurteilt worden war, hatte sich gegenüber Arbeitskollegen in ablehnender Weise gegenüber dem NS-Stab und seiner Führung geäußert.
In der Urteilsbegründung wurde u. a. folgendes angeführt:
„Das tat er namentlich gegenüber dem Zeugen Thomsen, der im Jahre 1942 bei ihm als
Untermieter wohnte. Wenn dieser die deutschen Nachrichten hörte, erklärte er, ‚Was hörst
Du Dir den Lügenkram an?‘ Bei Sammlungen für das Rote Kreuz und WHW sagte er: ‚Weshalb gibst Du eigentlich und weshalb soll ich geben? Wer spendet, verlängert den Krieg!‘ ...“
Aktenzeichen: 5 H 118/44 - 9 J 213/44
Am 29. und 30. November 1944 verurteilte Makart vier Deutsche zum Tode. Neun weitere
Angeklagte verurteilte er zu insgesamt 38 Jahren Zuchthaus und zwei Jahren Gefängnis.
Diese Widerstandskämpfer hatten die kommunistische Widerstandsgruppen Anton Saefkow
aktiv unterstützt und zum Teil in ihr mitgearbeitet.
Aktenzeichen: 5 H 119/44 - 9 J 231/44
Unter der gleichen Beschuldigung verurteilte er am 7. Dezember 1944 neun weitere Antifaschisten der Saefkow-Gruppe zum Tode und sechs weitere Antifaschisten zu insgesamt 36 Jahren Zuchthaus.
Das sind nur ein Teil der von Makart zum Tode Verurteilten und für viele Jahre ins Zuchthaus
Geworfenen.
Ein viertel Jahr vor Kriegsende, am 15. Februar 1945, verurteilte er noch den Deutschen
Hugo Kapteina wegen antifaschistischer Betätigung zum Tode. Kapteina wurde im März
1945 hingerichtet.
15
Duisburg
Erster Staatsanwalt Dr. Bonnekamp, früher Staatsanwalt am Sondergericht
Düsseldorf,
Landgerichtsdirektor Dally, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Bromberg,
Landgerichtsrat Füllgrabe, früher Amtsgerichtsrat, Ankläger am Sondergericht
Leslau,
Landgerichtsdirektor Hammel, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Stettin,
Oberamtsrichter Happe, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Prag,
Landgerichtsdirektor von Meenen, früher Landgerichtsrat am Volksgerichtshof,
Erster Staatsanwalt Dr. Windhausen, früher Staatsanwalt am Sondergericht
Duisburg,
Landgerichtsdirektor Dr. Otto Gerhardt, früher Oberkriegsgerichtsrat,
Amtsgerichtsrat Ortmann, früher Oberstabsrichter,
Erster Staatsanwalt Dr. Bellebaum, früher Staatsanwalt für politische Strafsachen beim
Generalstaatsanwalt in Kattowitz,
Staatsanwalt Dr. Oppe, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Oppeln,
Landgerichtsrat Dr. Rheinen, früher Kriegsgerichtsrat (Division Nr. 176)
sowie der jetzige
Amtsgerichtsdirektor Dr. Hans Heine
früher: Amtsgerichtsrat am Sondergericht beim deutschen Landgericht Prag. Heine war als
Beisitzer am Sondergericht in Prag tätig und ist mitverantwortlich für den Tod Dutzender
tschechischer Staatsbürger.
Dafür einige Beispiele:
Richard Bloch aus Warschau, tschechoslowakischer Staatsangehöriger, geb. 5. 6. 1916,
wurde am 15. 4. 1943 zum Tode verurteilt, weil er aus dem Warschauer Ghetto entflohen
war und sich auf dem okkupierten Gebiet der - CSR versteckt gehalten hatte. Gleichzeitig
mit ihm wurde Bozena Do I e j s i, geb. Zrala aus Prag, geb. 29. 7. 1900, zum Tode verurteilt.
Josef Lorenc aus Markvarec, geb. 15. 2. 1887, wurde wegen Nichtablieferung von Getreide
am 19. 4. 1943 zum Tode verurteilt. (GZ: 4K Ls 103/43-I-642/43).
Wegen Verheimlichung einiger Säcke Getreide wurden ebenfalls zum Tode verurteilt:
Jaroslav Jiriste aus Studnany, geb. 19.10.1881, am 13. 5.1943
(GZ: 3 K Ls 75/43-I-862/43) und
Frantisek Cisek aus Pocaply, geb. 15. 11. 1893, am gleichen Tag (GZ: 2 K Ls 103/43).
Frantisek Martinek aus Tuchoraz, geb. 10.12.1893, wurde am 18. 6.1943 wegen unbefugten
Waffenbesitzes zum Tode verurteilt. (GZ 8 K Ls 117-43-1238}.
Am 28. 6. 1943 wurde wegen unbefugten Waffenbesitzes eine Gruppe von Personen vor Gericht gestellt. Zum Tode verurteilt wurden: Miroslav Zajic aus Dolanky,
geb. 14. 5. 1918, Jaroslav Vytvar aus Mlada Boleslav, geb. 6. 2. 1892, Antonin
Paukner aus Mlada Boleslav. Drei weitere Personen wurden zu Zuchthausstrafen
verurteilt (GZ: 8 K Ls 112/43-I-1198/43).
16
Vaclav Dvorsky aus Prag, geb. 2.4.1906, wurde wegen Beherbergung eines von der Gestapo verfolgten Widerstandskämpfers am 13.12.1943 zum Tode verurteilt (GZ. 2 K Ls 275/43
- I - 2210).
Jan Zidek aus Slivenec, geb. 21.8.1908, wurde am 17.1.1944 wegen unbefugten Waffenbesitzes und Beherbergung eines von der Gestapo verfolgten Widerstandskämpfers zum
Tode verurteilt.
Gleichzeitig mit ihm wurden zum Tode verurteilt:
Matyás Pizinger, geb. 26.6.1907 und seine Frau Marie Pizingerova, geb. Ma- rikova, geb.
30.8.1903, weil sie dem Verfolgten Kleidung verschafft hatte. (GZ. 6 K Ls 239/43-I-6/44).
Oldrich Knezik aus Vlasim, geb. 20.2.1907, wurde am 17.1.1944 wegen Einbaus einer Kurzwellenempfangseinrichtung und Abhörens ausländischer Nachrichten zum Tode verurteilt.
Karel Kopecky aus Crekvice, geb. 8. 1.1892, wurde wegen Beherbergung eines von der
Gestapo verfolgten Patrioten am 23.6.1944 zum Tode verurteilt. Gleichzeitig mit ihm wurden
seine Frau und zwei Söhne zu Freiheitsstrafen verurteilt (GZ: 3 K Ls 366/43 - I - 2370/43).
Jaroslav Machàcek aus Hradec Kràlovè, geb. 26.5.1913 wurde am 2.11.1944 deshalb zum
Tode verurteilt, weil er In Anwesenheit von Zeugen das Mißlingen des Attentats auf Hitler
bedauert hatte. (GZ: 5 K Ls 296/44 — II — 1931/44).
Schwer belastet ist auch der obengenannte
Landgerichtsdirektor Hammel, Duisburg
Er verurteilte am 11. Dezember 1942 den Deutschen Ernst Grandke wegen angeblichen
Verstoßes gegen nazistische Zwangsgesetze zum Tode und Martha Hagenstein zu einer
Zuchthausstrafe. Am 29. Juli 1944 verurteilte Hammel die Deutschen Marie Leptow, Fritz
Hiller, Heinrich Helige, Gertrud Hübner, Elisabeth Rohde, Albert Köpke, Melanie Köpke und
Hermann Bär.
Leptow wurde zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 hingerichtet, die anderen
erhielten Zuchthaus- und Gefängnisstrafen.
Düsseldorf
Amtsgerichtsrat Dr. Andritschke, früher Amtsgerichtsrat am Sonder- und Ober- landesgericht Posen,
Oberlandesgerichtsrat Feldmann, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Eger
Landgerichtsdirektor Herbertz, früher Landgerichtsrat, Mitarbeiter der Justizpressestelle Posen,
Landgerichtsrat Dr. Hopf, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Freiberg,
Oberstaatsanwalt Dr. Hubernagel, früher Staatsanwalt am Oberlandesgericht in Leitmeritz
und beim Sondergericht Radom,
Landgerichtsrat Lenz, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Düsseldorf,
Staatsanwalt Dr. Ludwig, früher Oberstaatsanwalt am Sondergericht in Prag,
Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Pellmann, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Berlin.
17
Oberstaatsanwalt Dr. Rebmann, früher Staatsanwalt am Sondergericht Berlin,
Staatsanwalt Scherf, früher Staatsanwalt am Volksgerichtshof,
Oberstaatsanwalt Dr. Schindler, früher Oberstaatsanwalt am Sondergericht
Breslau,
Landgerichtsdirektor Dr. Steffen, früher Landgerichtsrat am Sondergericht in
Düsseldorf,
Amtsgerichtsrat Dr. Steiner, früher Amtsgerichtsrat am Sondergericht Berlin,
Senatspräsident (Oberlandesgericht) Thierbach, früher Landgerichtsrat am Sondergericht
Berlin,
Staatsanwalt Uhlig, früher Staatsanwalt am Sondergericht Freiberg (Sa.),
Amtsgerichtsrat Dr. Felix vom Endt, früher Oberfeldrichter,
Amtsgerichtsrat Dr. Werner Hagenbeck, früher Kriegsgerichtsrat,
Ministerialrat im Justizministerium von NRW, Hubert Hey, früher Kriegsgerichtsrat,
Oberstaatsanwalt Gerhard Luenen, früher Kriegsgerichtsrat,
Landgerichtsrat Reinhard von Rabenau, früher Oberstabsrichter,
Landgerichtsrat Dr. Friedrich Werther, früher Kriegsgerichtsrat,
Landgerichtsdirektor Keim, früher Landgerichtsrat am Sondergericht in Naumburg in Halle
(Saale),
Landgerichtsrat Spehr, früher Landgerichtsrat am Sondergericht Düsseldorf,
Sozialgerichtsrat Dr. Bruno Höhne war Amtsgerichtsrat am Sondergericht in
Prag,
Landgerichtsdirektor Thomashoff, früher Landgerichtsrat am Sondergericht
Düsseldorf,
Landesverwaltungsgerichtsrat Dr. Wildt, früher Staatsanwalt für politische Strafsachen in
Kassel,
Landesverwaltungsgerichtsrat Dr. Zienicke, früher Staatsanwalt am Sondergericht in Bielsko
(Bielitz).
Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Pellmann
Er verurteilte am 3. August 1944 unter Anwendung rechtswidriger Nazigesetze die Franzosen Louis Cognard, Maurice Hachet, Jean Boutin, Georges Vasible, Raymond Vachet zum
Tode und Gaston Banneux, Louise Pinenq, Susann Gacherieu, Josiane Guermeuer, Victor
Ernault zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Die zum Tode Verurteilten wurden am 25.
August 1944 hingerichtet.
Ein weiteres Beispiel aus Düsseldorf
zeigt folgende Abschrift
6 Sondf.K Ls 52/45 - 16 AK 74/45
Im Namen des Deutschen Volkes!
Strafsache gegen den Lokomotivheizer
G r ü t z , Josef
aus Erlental, Kreis Oppeln, zuletzt in Roth bei Nürnberg, geboren am 17. 11. 1891 in Bolko,
Kreis Oppeln, verheiratet, z. Zt. in Haft in der Haftanstalt Eger wegen Plünderns.
18
Das Sondergericht bei dem Landgericht in Eger hat in der Sitzung vom 13. April 1945, an
der teilgenommen haben:
Landgerichtsrat Feldmann
als Vorsitzender,
Landgerichtsdirektor Dr. Zuber,
Amtsgerichtsrat Dr. Gerlach als beisitzende Richter,
Staatsanwalt Dr. Schrott als Beamter der Staatsanwaltschaft
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat sich nach einem feindlichen Luftangriff im Schadengebiet 2 Büchsen mit
Konserven und einen Koffer angeeignet. Er wird als Plünderer zum Tode verurteilt.
Die Ehrenrechte eines Deutschen werden ihm auf dauernd aberkannt. Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen.
Gründe:
Der Angeklagte stammt aus einer Arbeiterfamilie. Nach dem Besuch der Volksschule wurde
er zunächst Fabrikarbeiter und später Streckenarbeiter bei der Reichsbahn. Im Jahre 1913
genügte er seiner aktiven Wehrdienstpflicht und war anschließend von 1914 bis 1918 Soldat....
Weiter heißt es:
„Der Angeklagte ist mithin überführt, nach einem feindlichen Luftangriff im Schadengebiet
2 Büchsen mit Konserven und einen Koffer entwendet zu haben. Wer sich an solchen Gütern vergreift, ist einem Plünderer gleichzuachten, der sich im freigemachten Gebiet an der
zurückgelassenen Habe der Evakuierten vergreift. Nach der allgemeinen Rechtssprechung
der deutschen Gerichte und nach dem gesunden Volksempfinden ist deshalb ein Plündern
unmittelbar nach feindlichen Luftangriffen als ein Verbrechen nach § 1 der VO gegen Volksschädlinge zu werten.
Der Angeklagte war daher auf Grund dieser Vorschrift mit der allein in Betracht kommenden
Strafe, nämlich der Todesstrafe zu bestrafen. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte
vermindert zurechnungsfähig oder zurechnungsunfähig wäre, ist nicht gegeben. Weder aus
der Art seines Auftretens in der Verhandlung ist auf einen geistigen Defekt zu schließen,
noch aus der Behauptung, daß er mit den Nerven zu tun habe. Eine Untersuchung des Angeklagten auf seinen Geisteszustand war deshalb nicht notwendig.
Die Entscheidung beruht im übrigen auf § 465 StGB, § STPO.
(Siegel) gez. Feldmann
Dr. Zuber
Dr. Gerlach
In dieser Weise könnte fortgefahren werden, Stadt um Stadt, und dabei sind diese Aufstellungen noch nicht einmal vollständig.
Es wird häufig in der Öffentlichkeit darüber gesprochen, daß selbst das westliche Ausland
und auch die Völker der NATO-Verbündeten ihr Mißtrauen gegenüber der Bundesrepublik
nicht überwinden können. Nein, die Völker, die während des zweiten Weltkrieges so grausam gepeinigt wurden, werden ihr Mißtrauen nicht überwinden, es sei denn, daß bei uns die
Kräfte überwunden werden, die dieses Mißtrauen durch ihre Tätigkeit für das Naziregime
19
mitverschuldet haben. Dazu gehören natürlich nicht nur die Richter, denn die Belasteten von
gestern haben „unser ganzes gesellschaftliches Leben unterminiert“. Ja, das hatte der Herr
Oberstaatsanwalt Dr. Schneider von den Kommunisten gesagt, es trifft aber haargenau auf
die Nazigrößen zu. Gehen wir von der Justiz zur Polizei und beginnen wir wieder mit der
Einstellung des Herrn Oberstaatsanwalts Dr. Johannes Schneider zu diesen, von ihm selbst
aufgeworfenen Fragen.
Görings Vertrauter
als stellv. Kripo-Chef in Dortmund
Aufschlußreich dafür, welche Freiheit Dr. Schneider retten will, scheint mir auch der Skandal
um den ehemaligen SS-Sturmbannführer, Kriminalrat Dr. Braschwitz, zu sein.
Dr. Braschwitz war in der Weimarer Republik Leiter der politischen Polizei in Berlin. Als die
Nazis den Reichstagsbrand benutzten, um ihre politischen Gegner als Brandstifter zu beschuldigen, zog Göring den Dr. Braschwitz als Leiter einer Sonderkommission zur Aufspürung der Brandstifter heran. Da Göring den Reichstag selbst hatte in Brand stecken lassen,
um einen Vorwand für die Verfolgung der Nazigegner zu bekommen, konnte der Ausschuß,
dem Dr. Braschwitz Vorstand, objektiv nur die Aufgabe haben, die Spuren der wirklichen Täter zu verwischen. Als Belohnung für seine Arbeit, als Vertrauter Görings, rückte Braschwitz
dann schnell in der Himmler-Zentrale, im Reichs- Sicherheits-Hauptamt auf, und zwar als
Sachbearbeiter für die Bekämpfung des Kommunismus.
Dieser Dr. Braschwitz tauchte im Jahre 1957 als Entlastungszeuge in einem KZ-Prozeß in
Düsseldorf auf, und zwar zur Entlastung eines anderen Gestapo- Sonderkommissars. Herr
Dr. Braschwitz bescheinigte dem Gestapo-Kommissar Brandt, welcher die Hauptverantwortung für die Erschießung von 27 Häftlingen im KZ-Sachsenhausen trägt, daß er immer ein
korrekter Beamter gewesen sei.
Das schrecklichste an dieser Sache aber war, daß dieser Dr. Braschwitz, der nun plötzlich in
der Öffentlichkeit auftauchte, still und leise in der Arbeiterstadt Dortmund zum stellvertretenden Leiter der Kriminalpolizei aufgerückt war.
Als ein ehemaliger Häftling gegen Dr. Braschwitz Strafanzeige wegen Mißhandlung stellte - er war von Dr. Braschwitz, damals Kriminalrat in Berlin, bei der Vernehmung grausam
mißhandelt worden - stellte Dr. Schneider, Oberstaatsanwalt in Dortmund, Mitglied, des
Ausschusses „Rettet die Freiheit“, kurzerhand das Verfahren. wegen „Verjährung“ ein. Ob
dieser Dr. Braschwitz mit dem ehemaligen Kriminalrat in Berlin identisch sei, so meinte Dr.
Schneider, interessiere nicht.
Der ehemalige Vertraute Görings und Sachbearbeiter des Referats „Kommunismus“ im
RSHA darf also, nach der Meinung des Oberstaatsanwalts Dr. Schneider, stellvertretender
Leiter der Kripo in Dortmund sein.
Ohne Zweifel gehört Dr. Braschwitz zu den sogenannten „Schreibtischmördern“. Als Leiter
der Reichstagsbrandkommission leistete er Göring Hilfe bei der Verfolgung der Kommunisten und Sozialdemokraten und trägt somit auch eine Mitverantwortung für die vielen Morde
und Folterungen in den SS- und SA-Kasernen unmittelbar nach dem Reichstagsbrand.
Als Sachbearbeiter im Referat „Bekämpfung des Kommunismus“ entschied er mit über die
20
Verfolgung der Hitlergegner, über ihre Behandlung in den KZ‘s und vor den Gerichten.
Dr. Braschwitz wurde zwar beurlaubt, aber wo wird er erneut bei der Polizei auftauchen und
seine „Erfahrungen“ anbieten? Daß der Fall Dr. Braschwitz kein Einzelfall ist, zeigt auch die
Existenz eines Herrn Zirpins als Leiter der Kripo im Bezirk Hannover. Zirpins gehörte auch
zu der Sonderkommission Görings, die die Aufgabe hatte, die Spuren der wahren Reichstagsbrandstifter zu vertuschen. Wenn der „Spiegel“ vor einigen Monaten beweisen wollte,
daß die Nazis gar nicht die Brandstifter waren, mag er sich von diesen Braschwitz, Zirpins
u. a. beraten lassen haben.
Nein, „Ehemalige“ bei der Kripo, das ist keine Einzelerscheinung. Görings Vertrauter, der
SS-Sturmbannführer seit 1943, Dr. Braschwitz, wurde bei der Dortmunder Kriminalpolizei
beurlaubt und ein anderer SS-Sturmbannführer, nämlich Dr. Menke, kam, aber nicht als
Stellvertreter, sondern direkt als Leiter der Kripo nach Dortmund.
Das Korps der SS-Sturmbannführer
Seit einigen Monaten führen demokratische Kräfte in der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen einen beharrlichen Kampf gegen die Unterwanderung der Polizei durch ehemalige
SS-Offiziere. Erschwert wird diesen demokratischen Polizeibeamten dieser Kampf dadurch,
daß bekanntlich alle Entnazifizierungsakten offiziell vernichtet und diesbezügliche Unterlagen aus den Personalakten entfernt wurden.
Das Mitteilungsblatt „Polizei“, herausgegeben von der Bezirksfachabteilung der Polizei in
der ÖTV Nordrhein-Westfalen, veröffentlichte in ihren Ausgaben von September - Oktober
1959 und Februar 1960 einige Tatsachen über die Unterwanderung der Kripo durch die SS,
die jeden freiheitlichen Bürger mit Sorgen erfüllen müssen. Man stelle sich einmal vor: in
vielen großen Städten Nordrhein-Westfalens sind SS-Sturmbannführer als Hüter der demokratischen Gesetzlichkeit, als Leiter der Kriminalpolizei, eingesetzt.
Darüber hinaus gibt es nicht nur eine große Anzahl ehemaliger SS-Führer als Abteilungsleiter und Mitarbeiter bei der Kripo in den Städten, sondern auch im Landeskriminalamt.
in den wichtigsten Städten des Landes Nordrhein-Westfalen sehen wir folgendes erschrekkende Bild bei der Kripo:
1. Leiter der Kripo in Aachen, Braunschmidt, ehern. SS-Sturmbannführer im RSHA
2. Leiter der Kripo in Duisburg, Lindner, ehern. SS-Hauptsturmführer
3. sein Stellvertreter, Hans Joachim Hochgräbe, ehern. SS-Sturmbannführer, war seit 1940
im RSHA in Abt. V tätig,
4. Leiter der Kripo in Düsseldorf, Dr. Wehner, ehern. SS-Sturmbannführer, im April 1931
schon in der SA, ab 1940 im RSHA, Amt V, als Kriminalrat tätig. Er leitete 1939 eine
Sonderkommission, welche die angeblich von Polen in Bromberg verübten Greuel untersuchen sollte,
5. Leiter der Kripo in Gelsenkirchen, Dr. Schulze, ehern. SS-Sturmbannführer,
6. Leiter der Kripo in Essen, Dr. Eweler, ehern. SS-Sturmbannführer (seit 1941)
7. sein Stellvertreter, Dr. Keunecke, ehern. SS-Sturmbannführer, 1942 Kommandeur des
SD in Schitomir und Nikolajew,
8. Leiter der Kripo in Krefeld, Dr. Bartmann, ehm. SS-Sturmbannführer,
21
9. Leiter der Kripo in Opladen, Erich Preckel, ehern. SS-Sturmbannführer, kam schon 1934
zur Gestapo, erst in Kiel und später nach Düsseldorf,
10. Leiter der Kripo in Leverkusen, Franz Settels, ehern. SS-Sturmbannführer, SD-Hauptamt
im RSHA, seit 1934 bei der Gestapo,
11. Leiter der Kripo in Dortmund, Dr. Menke, ehem. SS-Sturmbannführer, SD-Hauptamt
(RSHA),
12. Leiter der Kripo in Köln, Karl Kiehne, ehem. SS-Sturmbannführer (RSHA),
13. sein Stellvertreter, Walter Hucko, ehem. SS-Sturmbannführer,
14. Leiter der Kripo in Bonn, ehem. SS-Sturmbannführer, seit 1938 bei der Gestapo,
15. Leiter der Kripo in Mönchen-Gladbach, Junge, ehem. SS-Sturmbannführer,
16. Leiter der Kripo in Mülheim-Ruhr, ehem. SS-Hauptsturmführer,
17. Stellvertr. Leiter der Kripo in Wuppertal, Auer, ehem. SS-Sturmbannführer,
18. Gruppenleiter bei der Kripo in Essen, Tholen, ehem. SS-Sturmbannführer,
19. Leitender Kriminaldirektor im Landes-Innenministerium, Fritz Weber, ehem. SS-Sturmbannführer (SD-Hauptamt), NSDAP seit 1933, Mitgl.-Nr. 2210976, 1933 war er Chef der
SS-HiIfspolizei und Schutzhaftabteilung,
20. Sachbearbeiter im Landes-Innenministerium, Schulze-Isenbeck, ehem. SS-Hauptsturmführer,
21. Gruppenleiter im Landeskriminalamt, Beuys, ehem. SS-Sturmbannführer,
22. Leiter des 14. K. im Landeskriminalamt bis Februar 1959, Botte, früher Gestapo.
Um welche SS-Führer es sich bei dieser Protestaktion der Gewerkschaft ÖTV u. a. handelt,
sei an einigen Beispielen deutlich gemacht.
Der SS-Hauptsturmführer Günter Hellving und jetzige Kriminalhauptkommissar und Leiter
der Kripo in Mülheim-Ruhr, war im März 1945 als Chef der Kripo in Bottrop an der Erschießung von 5 Fremdarbeitern beteiligt, indem er den Befehl zur Erschießung vom Reichssicherheitshauptamt weitergab und selbst zwei seiner Leute bestimmte, an der Erschießung
teilzunehmen. Ein englisches Gericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis. Wegen
Beihilfe zum Mord, bzw. Totschlag vorbestraft und doch Leiter der Kripo, das ist kaum zu
glauben. In solch ein Amt käme nie ein Mensch, welcher kommunistischer Sympathien verdächtig wäre, aber für SS-Führer sind solche Stellen wie geschaffen, selbst wenn sie erwiesenermaßen Blut an ihren Händen haben.
Das Muster eines prinzipienlosen Karrieristen finden wir auch in dem Leiter der Kripo in
Köln, den jetzigen Kriminalrat und ehemaligen SS-Sturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt, Dr. Kiehne. Kiehne kam 1927 zur Schutzpolizei und will dann, weil - wie er sagt
- „für Nichtangehörige und Gegner der Systemparteien“ schlechte Beförderungsmöglichkeiten bestanden hätten, zur Kripo übergewechselt sein. 1932 gründete er in Dortmund, wo
er tätig war, die Nazi-Beamtenabteilung bei der Polizei, eine illegale Nazi-Zersetzungsorganisation. Mit Recht schreibt das Mitteilungsblatt der ÖTV-Gewerkschaft („Polizei“) in der
Oktober-Ausgabe:
„...Kiehne hat also schon im Jahre 1932 seinen Treueid als Polizeibeamter zur
Weimarer Republik gebrochen und anhand der o. a. Beispiele seines charakterlichen Verhaltens sich nicht nur die Wiedereinstellung in die Polizei, sondern auch
gleichzeitig seine Beförderungen und Ernennungen nach 1950 unter falschen
Voraussetzungen erworben, weil sie unter unwahren Angaben erfolgten“.
Die Stadt Köln scheint überhaupt ein Dorado für ehemalige SS-Führer zu sein, wo ne-
22
ben der Quantität auch die entsprechende Qualität zu finden ist.
In Köln sieht die Spitze der Kriminalpolizei etwa so aus:
Leiter der Kripo und stellvertr. Leiter, die schon genannten ehemaligen SS-Sturmbannführer Kiehne und Hucko.
Weiter sind dort im Dienst:
23. Kriminalhauptkommissar Peine, ehem. SS-Hauptsturmführer,
24. Kriminalhauptkommissar Schmidt, ehem. SS-Hauptsturmführer,
25. Kriminalhauptkommissar Cornely, ehem. SS-Hauptsturmführer,
26. Kriminalhauptkommissar Lawrenz, ehem. SS-Hauptsturmführer,
27. Kriminalhauptkommissar Lipps, ehem. SS-Hauptsturmführer,
28. Kriminaloberkommissar, (KOK) Klapper, ehem. SS-Hauptsturmführer,
29. Kriminalkommissar Eschweiler, ehem. SS-Hauptsturmführer,
30. Kriminalkommissar Geissler, ehem. SS-Sturmbannführer,
Geissler war Gestapochef in Berlin und bezieht das Gehalt eines Kriminaldirektors.
Bei der weiblichen Kriminalpolizei in Köln, als Kriminal-Obermeisterin, eine schwer belastete
KZ-Aufseherin von Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen, welche nach eigenem Eingeständnis weibliche Häftlinge vergiftet hat.
Ein anderes Beispiel aus Köln haben wir in dem genannten Kriminalhauptkommissar Fritz Cornely,
ehemaliger SS-Hauptsturmführer.
Cornely kam als SS-Obersturmführer im November 1943 als Leiter einer Sonderkommission des Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) in das berüchtigte Konzentrationslager Sachsenhausen-Oranienburg bei Berlin, im Lager wurden Schuhe und andere Lederwaren der
in Auschwitz und Lublin vergasten Juden in einem besonders Isolierten Arbeitskommando
aufgetrennt und nach Gold, Schmuck und Devisen durchsucht.
Damit die Himmler-Zentrale in den vollen Genuß des Raubes kommen konnte, wurde Cornely nach
Sachsenhausen geschickt, um die „kleinen Schakale am Wege“ daran zu hindern, an der Beute teilzunehmen. Gab es doch SS-Leute und auch kriminelle Häftlinge, die versuchten, mit dem Gut der
ermordeten, soweit sie es an die Seite schaffen konnten, Handel zu treiben.
SS-Obersturmführer Cornely baute sich einen Spitzelapparat aus Berufsverbrechern auf und wollte der Korruption mit den korruptesten Elementen zu Leibe gehen. Da den V-Leuten des Cornely
Vergünstigungen in Form von besserem Essen und besserer Arbeit, ja sogar Entlassung aus dem
Lager versprochen wurden, denunzierten sie bei der Sonderkommission wahllos ihre Mitgefangenen und auch SS-Leute, die mit den Häftlingen, mit denen sie am Arbeitsplatz zusammenkamen,
freundschaftlichen Umgang pflegten. Der V-Mann-Führer des Cornely, ein mehrfach kriminell vorbestrafter Häftling namens Janke, war Leiter der Strafkompanie und bekam alle Vollmachten zur
Erpressung von Geständnissen. Die Opfer des Cornely mußten über verschiedene Straßenarten,
Lehm, Kopfsteinpflaster, Schotter und dergl. mehr, die im Lager zu diesem Zweck angelegt waren,
in viel zu kleinen Schuhen täglich einen Marsch von 35 km machen, wobei Janke jedem bis zu 30
kg Gepäck aufladen konnte. Cornely schrieb 1944 selbst an das Reichssicherheitshauptamt, daß
durch die Behandlung von Janke gewöhnlich schon nach 1-2 Tagen ein Geständnis herbeigeführt
würde.
Bei diesen Gepäckmärschen und bei den Mißhandlungen durch den Cornely- Beauftragten Janke sind Häftlinge elendig zu Grunde gegangen. Monatelang trieb die Sonderkommission mit ihren gewalttätigen V-Leuten diese
grausamen Untersuchungen. Die Cornely-V-Leute, mit der Rückendeckung
23
der Sonderkommission, begannen ihren Kampf um die Stellungen, die von den politischen
Häftlingen im Lager besetzt waren. Janke beschuldigte diese der geheimen politischen Tätigkeit und Cornely nahm die Anschuldigungen seiner V-Leute bedenkenlos entgegen und
erstattete Anzeige bei Himmler, obwohl er wissen mußte, daß auf solch eine Anschuldigung
nur der Tod folgen konnte.
Die Sonderkommission wurde dann durch eine Abteilung der Gestapo erweitert, welche
103 Häftlinge nach monatelangen, für die Opfer höchst qualvollen „Untersuchungen“ in das
Vernichtungslager Mauthausen schickte.
27 weitere Häftlinge, darunter eine Gruppe ehemaliger deutscher Reichstagsabgeordneter, wurde am 11. Oktober 1944 erschossen.
In einem Bericht an das RKPA vom 30. 6.1944 z. Hd. des SS-Obersturmbannführers Dr.
Filbert, schreibt SS-Obersturmführer Cornely u. a.:
„...Daß ich Häftlingen gegenüber behauptet habe, sie würden aufgehängt, mag
sinngemäß stimmen. Es handelt sich hier aber um drei Häftlinge, denen gegenüber ich nach Abschluß der Verhandlungen erklärt habe, ich würde gegen sie
im Hinblick auf den Umfang ihrer Verfehlungen beim Reichsführer SS Exekution
beantragen. Die Sache geht in Ordnung, und ich muß jegliche unsachgemäße
Kritik in dieser Äußerung als unangebracht ablehnen ...“
Und dieser Fritz Cornely, von Himmler selbst mit Sondervollmachten nach Oranienburg geschickt, der mächtiger war als der Lagerkommandant, darf heute in einer großen Stadt in
Nordrhein-Westfalen Kriminalhauptkommissar sein.
Darf ein Kripo-Chef die Unwahrheit sagen?
Der heutige stellvertr. Leiter der Kriminalpolizei in Essen war z. B. als Leiter des Landeskriminalamtes vorgesehen. Um diesen Posten zu bekommen, leugnete Dr. Keunecke seine
Zugehörigkeit zur SS und SA und wäre an die Spitze des Landeskriminalamtes gerückt,
wenn nicht die wachsamen Demokraten bei der Polizei handfeste Beweise über die Unwahrhaftigkeit des Dr. Keunecke auf den Tisch gelegt hätten. Trotzdem wird Keunecke für
würdig befunden, in solch einer großen Stadt wie Essen eine einflußreiche Stellung bei der
Polizei zu bekleiden.
Wie weit ist es schon mit unserem demokratischen Staat bergab gegangen, wenn SS-Führer, die nachweislich die Weimarer Republik durch Zersetzung der Polizei untergraben haben, heute zu „Verteidigern der Freiheit und des Rechtsstaates“ berufen werden.
Wie hoch ist die Moral unseres demokratischen Staates anzuschlagen, wenn einem SSFührer bewiesen werden kann, daß er vor seiner Vorgesetzten Behörde bewußt die Unwahrheit gesagt hat, um eine hohe Stellung zu erhalten, trotzdem aber im Dienst als einflußreicher Kriminalbeamter bleiben darf?
Allein schon die Tatsache, daß SS-Sturmbannführer aus dem Reichssicherheitshauptamt,
jener berüchtigten Himmler-Zentrale, wie z. B. Dr. Braschwitz und Dr. Kiehne, heute wieder
Verwendung finden, Verwendung finden in der Polizei, zur Verteidigung unserer Freiheit und
zum Schutze der rechtsstaatlichen Ordnung, macht das ganze Geschrei von Verteidigung
der Freiheit gegen den Kommunismus zu einem Possenspiel, wenn man den guten und
ehrlichen Willen bei den Kreuzrittern der Freiheit voraussetzt.
Objektiv, ob bewußt oder unbewußt, ist der Feldzug gegen den Kommunismus, der sich wild
24
gebärdende Anti-Kommunismus, nur der Schleier, hinter dem sich die Renazifizierung, die
Machtübernahme auf kaltem Wege durch die Schuldigen und Mitschuldigen von gestern,
durch SS-Führer und Hitlergenerale, durch NS-Richter und Wehrwirtschaftsführer, vollzieht.
Dieses Rezept ist durchaus nicht neu, denn Hitler machte schon durch sein Geschrei über
die kommunistische Gefahr die bürgerlich-demokratische 0pposition in der Weimarer Republik wehrlos und mundtod und die bürgerlichen Parteien stimmten, eingeschüchtert, dem
Ermächtigungsgesetz Hitlers zu und traten freiwillig von der politischen Bühne ab.
Genau wie heute gab es damals Demokraten, die bedenkenlos dem Abbau der Demokratie
zustimmten, weil sie fürchteten, daß ihre Ablehnung sie in die Nähe der Kommunisten, und
zwar aus der Nazisicht heraus, bringen würde. Selbst dort, wo demokratische Funktionäre
glaubten, durch Zugeständnisse das Wohlwollen der Nazis erkaufen zu können, erlebten
sie einen elendigen Schiffbruch. Der Verfasser war im Jahre 1933 Zeuge, als der Vorsitzende einer preußischen Landtagsfraktion von den Nazis grausam geschlagen, ausrief: „Was
schlagt ihr mich, ich habe doch immer gegen die Kommunisten gekämpft.“ Er fand aber
keine Gnade. In einem anderen Lager wurde er später zu Tode gequält.
Jeder Demokrat, der es mit der Verteidigung unserer Freiheit ernst meint, sollte die Lehren
der Weimarer Republik beherzigen. Wer mit den Feinden der Demokratie in das antikommunistische Geheul einstimmt, rettet nicht die Freiheit, sondern richtet sie zugrunde. Antikommunismus ist genauso eine Äußerung des Faschismus wie der Antisemitismus, und
unvereinbar mit den Begriffen der klassischen Demokratie.
Die stillschweigende Machtergreifung der SS-Führer, ihr Eindringen in die leitenden Stellen
der Polizei in Nordrhein-Westfalen, ist kein isolierter Vorgang in der Bundesrepublik.
Mit der Belassung der Herren von Kohle, Stahl und Chemie in ihren wirtschaftlichen Machtstellungen unmittelbar nach der Befreiung von der Nazi-Gewaltherrschaft 1945 war dieser
Weg bereits gesetzmäßig eingeschlagen worden, vorausgesetzt, daß die demokratischen,
gesunden Kräfte unseres Volkes nicht wachsam genug und einig in der Abwehr dieser Gefahr sind, um den Zyklus Aufrüstung - Krieg - Ruin, zu durchbrechen. Die Herren der Monopole, die aus dem Zweiten Weltkrieg trotz des Massenelends und der vielen Millionen Toten
und Verkrüppelten reicher denn je hervorgegangen sind, mußten sich nach Sicherung ihrer
Positionen, der Demokratie gegenüber Machtinstrumente schaffen. Die „Bedrohung aus
dem Osten“ wurde aus der Hitler‘schen Mottenkiste hervorgezerrt. Hatten die verantwortlichen Männer der CDU noch Ende der 40er Jahre jede Wiederaufrüstung abgelehnt, und
damit allen friedliebenden Menschen aus dem Herzen gesprochen, so begann 1951 und
1952 eine systematische ideologische Vorbereitung auf die Aufrüstung in der Bundesrepublik. „Wir werden aus dem Osten bedroht“, damit begründeten die Nazis die Aufrüstung und
die ungeheuren Lasten, die sie dem Volk aufbürdeten. „Wir werden aus dem Osten bedroht“,
so lautet auch heute das Geschrei der Politiker der Stärke.
„Wir werden aus dem Osten bedroht“, so rufen heute die Hitler‘schen Wehrwirtschaftsführer,
die gestern noch durch Hitler mit Industriebetrieben in Polen, der Tschechoslowakei und der
Sowjetunion beschenkt wurden.
„Wir werden aus dem Osten bedroht“, rufen auch die ehemaligen Hitler- Generale, die Niederlagenstrategen zweier Weltkriege, und denken an ihre große Zeit, wo sie Tausende Soldaten vom Plantisch aus in den Tod schickten.
Viele Menschen haben nicht vergessen, daß sich die SU nie eine Angriffshandlung gegenüber Deutschland hat zu Schulden kommen lassen. Stets, selbst
25
SS-Sturmbannführer . . . . . .
Porträts von SS-Sturmbannführern
1. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer, Oberfeldrichter und Justitiar Wolfgang Wetzling.
Wetzling gehörte zum Stab der SS-Division z. V. (zur Vergeltung), und war mit dieser Einheit,
welcher der Abschuß der Raketen V 2 unterstand, im März 1945 in Warstein (Sauerland)
stationiert.
Unter dem Vorwand, den Fremdarbeitern eine bessere Unterkunft zu verschaffen, lockte
Wetzling 208 polnische und russische Männer, Frauen und ein kleines Kind, in drei Transporten gegliedert, in einen Lkw. An einer einsamen Stelle im Langebachtal stiegen die ahnungslosen Opfer vom Lkw und marschierten im Gänsemarsch in die Finsternis hinein, von
SS-Leuten begleitet. Plötzlich stürzten sich die Mordbuben auf die Fremdarbeiter, schossen unbarmherzig Männer, Frauen und junge Mädchen nieder. Teilweise gelang die Tötung
durch den ersten Schuß nicht, so daß die am Boden liegenden durch weitere Schüsse „erledigt“ wurden.
Wetzling hatte das Kommando, Wetzling ließ vorher Gruben ausheben und gab einem Dolmetscher den Auftrag, zu erklären, daß die halb Verhungerten bessere Unterkünfte bekommen würden. Planmäßiger, durch nichts begründeter heimtückischer Mord! Wetzling konnte
nur zeitweise als „Mörder unter uns“ untertauchen. Er war erkannt worden und mußte vor
Gericht. Das Hagener Schwurgericht unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Jessnitzer
verurteilte ihn am 17. November 1959 zu lebenslänglich Zuchthaus.
Und dennoch: Seine Tat sei nur aus den Verwirrungen der letzten Tage des
Harmlos in Zivil - aber . . . .
v.l.n.r.
W. Wetzling
Miesel
D.P.A.-Bild
26
sehen Dich an!
Krieges zu verstehen. Er habe nicht unehrenhaft gehandelt, sagte Landgerichtsdirektor Dr. Jessnitzer, darum sei von Ehrverlust abgesehen worden.
Wird der Mörder Wetzling nach Begnadigung wieder ein Amt bekleiden? Gibt es
doch SS-Führer, die wegen Beihilfe zum Mord verurteilt worden sind und heute
Kripo-Chef sein dürfen.
2.
SS-Sturmbannführer Miesel
Dieser SS-Sturmbannführer, Ia bei der Division z. V., saß mit Wetzling auf der
Anklagebank.
Als ihm die Erschießung von 80 Fremdarbeitern, der letzte Transport der 208,
gemeldet wird, fragt er: „Wie, mehr nicht?“
Das Hagener Schwurgericht sprach ihn wegen Mangel an Beweisen frei. Wird er
nun wieder, wie vor dem Prozeß, Leiter eines Krankenhauses oder wechselt er
zur Kripo über?
. . . anders
in Uniform sehen
SS-Sturmbannführer aus
27
in der Zeit, als in Deutschland die blutige Hitlerdiktatur herrschte, versuchte die Sowjetunion
mit Deutschland im Frieden zu leben, weil das im Interesse des deutschen Volkes und der
Völker der Sowjetunion lag.
Viele Menschen haben nicht vergessen, daß die Hitlerarmee mitten im Frieden in die Sowjetunion einbrachen und Millionen deutscher Soldaten selbst sahen, daß es keinerlei Angriffsvorbereitungen der „Russen“ gegen Deutschland gab, wie es die Nazipropagandisten
der Welt vorgelogen hatten.
Und heute soll aus dem Osten Gefahr drohen, wogegen nur eine starke westdeutsche Armee, mit den modernsten Raketen- und Atomwaffen ausgerüstet, Sicherheit geben kann?
Selbst der Einfältigste kann sich vorstellen, daß im Ernstfalle die Bundesrepublik, bei der
heutigen Waffentechnik, einen Krieg keine 48 Stunden überleben würde.
Die beste Sicherheit wäre eine Politik, die auf eine weitere Entspannung und auf eine völlige
Abrüstung ausgerichtet ist.
Wenn vom Boden der Bundesrepublik aus kein Nachbarvolk bedroht wird, können wir in der
Bundesrepublik „frei von Furcht“ leben.
Die Isolierung, in der die Bundesrepublik sich heute wieder befindet, ist nicht durch den
bösen Willen unserer Nachbarn oder durch Mißverständnisse herbeigeführt worden. Unsere
offizielle Politik der „Rettung der europäischen Kultur vor dem Ansturm aus dem Osten“
(Adenauer in Rom) kann von unseren Nachbarn ja nur so ausgelegt werden, als wollte
Deutschland den Weg Hitlers noch einmal gehen, zumal die gleichen Kräfte, die Hitler an
die Macht brachten und seine mörderischen Raubzüge gegen viele Länder Europas finanzierten, organisierten und propagierten, heute wieder wirksam sind.
Mit dem Popanz der „Gefahr aus dem Osten“ wurde der Aufbau der Bundeswehr begründet
und die arbeitslos gewordenen Hitler-Generale bekamen wieder Macht in ihre Hände.
Die politische Macht der Militärs, als bedeutender politischer Faktor, das, was man Militarismus nennt, hat sich in der Vergangenheit in Deutschland über Parlament und Verfassung
immer hinweggesetzt. Eben darin liegt das Wesen des Militarismus, daß er den Willen des
Volkes mißachtet und ihn zertritt. Der Militarismus ist anti-demokratisch und war stets Totengräber der Freiheit. Die Machtübernahme durch die Nazis 1933, wurde nicht durch das
Parlament entschieden, sondern durch den Militarismus herbeigeführt. Erinnert sei nur daran, daß die demokratische Regierung „Braun-Severing“ in Preußen am 20. Juli 1932 durch
einen Putsch der Militärs verjagt wurde, weil Hitler unmöglich eine Diktatur errichten konnte,
wenn in dem größten Staat in Deutschland eine SPD-Regierung an der Macht war.
Mit der zunehmenden Macht des Militarismus in der Bundesrepublik, vollzog sich der Abbau
der demokratischen Freiheiten.
Auf dem Gebiete des Betriebslebens fing es 1952 zaghaft mit dem Betriebsverfassungsgesetz an und heute sind wir schon bei dem „Kasseler Urteil“ des Bundesarbeitsgerichtes
gegen die IG. Metall angelangt.
Auf dem Gebiete der parlamentarisch-demokratischen Ebene wurden die ersten Einschränkungen schon ganz zu Beginn der Existenz unseres neuen demokratischen Staates, der
Bundesrepublik, vorgenommen, nämlich die Einführung der 5 %-Klausel, zunächst in verschiedenen Ländern und später allgemein. Durch diese Beschneidung der demokratischen
Freiheiten wurden ganze Teile der Bevölkerung, manchmal 10, 12 und mehr Prozent aus
dem politischen Leben ausgeschaltet. Gedankenlos oder bewußt wurde das Schlagwort
der Nazis von den „37 Parteien“ wiederholt, und das demokratische Leben der Weimarer
Republik diffamiert. Als wenn die Existenz von 37 Parteien und nicht der Militarismus und
die Herren von Kohle und Stahl mit der von ihnen finanzierten Hitlerpartei den Untergang
28
der Republik herbeigeführt hätten. Mehr und mehr wurden die einzelnen Parteien entweder,
wie das Zentrum, durch Wahlmanipulationen aus dem Parlament ausgebootet oder wie die
KPD, eine der ältesten demokratischen Parteien, die unter Hitler die größten Opfer brachte,
weil sie am entschiedensten der Nazigewaltherrschaft Widerstand leistete, verboten. Andere
kleine Parteien konnten sich nur halten, indem sie Wahlbündnisse eingingen, was ihnen in
Zukunft auch nicht mehr gestattet sein wird. Die Entwicklung soll, so wird in der Öffentlichkeit
agitiert, immer mehr auf ein „Zweiparteiensystem“ zugehen.
Solch eine abwechselnde Herrschaft von nur zwei Parteien, man mag darüber streiten, wieviel das mit Demokratie zu tun hat, mag in Ländern mit starker demokratischer Tradition
Jahrzehnte hindurch möglich sein, aber bei uns, beim Vorhandensein der wirtschaftlichen
Macht der Monopolherren und der Existenz des alle freiheitlichen Regungen erstickenden
Militarismus bleiben diese Auffassungen fromme Wünsche. Die sozialdemokratische Parteiführung sollte sich gut überlegen, ob sie einem weiteren Abbau der parlamentarischen
Freiheiten und der Rechte des Volkes zustimmen kann, ganz zu schweigen von einer Zustimmung zum Schröderschen Notstandsgesetz.
Der Militarismus
ist ein Feind von Freiheit und Demokratie
Der deutsche Militarismus ist ein Feind jeder demokratischen Freiheit und wird auch in Zukunft, wenn man ihm soviel Macht zugesteht, so handeln wie 1920, als er durch eine bewaffnete Aktion die demokratische Ebert-Regierung absetzen wollte oder wie 1932/33, als
er Hitler zur Macht brachte und die wildeste militaristisch-faschistische Diktatur errichtete.
Die SPD darf heute nur so lange mitspielen, wie der Militarismus sie als Feigenblatt nicht
entbehren kann. Er wird sich ihrer entledigen, sobald er glaubt, stark genug zu sein, um
alle Rücksicht zur Erreichung seiner antidemokratischen und revanchistischen Ziele fallen
lassen zu können.
Wie sehr unsere parlamentarische Demokratie schon unter dem Ungeist der Unduldsamkeit
und der Polizeistaatlichkeit auf den Hund gekommen ist, mußten die „Unabhängigen“, von
denen Dr. Schneider in seiner Schrift spricht, am eigenen Leibe erleben.
Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1958 bewarben sich etwa 40 Bürger als unabhängige Kandidaten, d. h. als Kandidaten, die auf keiner der von den Parteien
einzureichenden Listen kandidierten. Das Gesetz sah solche Möglichkeiten vor und eben
davon machten diese Unabhängigen Gebrauch.
Die erste Gruppe dieser „Unabhängigen“ stand im Frühjahr 1959 vor dem Düsseldorfer
Schwurgericht. Sämtliche Angeklagten wurden verurteilt, obwohl in keinem Falle die „Vermutung“ durch Beweise bestätigt werden konnte.
Im Urteil heißt es darum auch (Seite 172 und 173):
„Nach den so getroffenen allgemeinen Feststellungen steht dreierlei außer Frage:
1. Die KPD hatte zu den Landtagswahlen 1958 die Aufstellung eigener,
als „unabhängig“ getarnter Kandidaten geplant und vorbereitet und
sich in ihrer Propaganda für solche Kandidaten eingesetzt.
2. Bei diesen Landtagswahlen waren insgesamt 41 Einzelkandidaten
29
aufgetreten. Dabei handelte es sich ohne Ausnahme um Funktionäre
oder Mitglieder der KPD aus der Zeit vor dem Verbot.
3. Alle Angeklagten sind überzeugte Kommunisten und bekannten sich
noch in der Hauptverhandlung leidenschaftlich zu ihrer Gesinnung.
Schon aufgrund dieser drei Tatsachen liegt der Schluß sehr nahe, daß
alle Angeklagten nicht nur ideologisch, sondern auch organisatorisch
noch mit der illegalen KPD verbunden waren...“
Es sei ausdrücklich festgestellt, daß ehemalige führende Nazis bei allen Wahlen und auf
jeder Ebene kandidiert haben und gewählt wurden, ohne daß ihnen die geringsten Schwierigkeiten gemacht wurden.
Tatsache ist aber, daß bei der Verfolgung der „Unabhängigen“ in Nordrhein- Westfalen 1958
bis 1959 durch Polizei und Staatsanwaltschaften, SS-Leute im Landeskriminalamt und bei
der Kripo in den Städten sowie ehemalige Nazirichter und Staatsanwälte, wie der ehemalige
Kriegsgerichtsrat Luenen und der ehemalige Staatsanwalt beim Sondergericht, Dr. Rebmann, beide in Düsseldorf, mitgewirkt haben.
30
31
„Welche Freiheit
Herr Oberstaatsanwalt meinen Sie?“
Die Freiheit eines SS-Gruppenführers und Nazistaatsrates Wilhelm Meinberg, sich als Kandidat bei den Wahlen zu betätigen und
die Freiheit ehemaliger SS-Sturmbannführer, heute erneut an der Verfolgung von Kommunisten teilnehmen zu dürfen?
Die Freiheit, die ehemaligen Hitler-Generale mit dem Gefährlichsten, den Atom- und Raketenwaffen auszurüsten, damit sie erneut den Frieden bedrohen und unser Volk in den
Abgrund stoßen können und
die Freiheit ehemaliger Nazi-Sonderrichter und Staatsanwälte, jeden unter Anklage zu bringen und ins Gefängnis zu werfen, der gegen den Atom-Rüstungs-Wahnsinn auftritt und Frieden und Verständigung fordert?
Die Freiheit, eine Volksabstimmung über die Atomausrüstung in der Bundesrepublik zu
verbieten und
die Freiheit, trotz Protest der gesamten Dortmunder Bevölkerung, in Dort- mund-Brackel
eine Atom-Raketeneinheit zu stationieren.
Die Freiheit, der Sowjetunion eine aggressive Absicht zu unterschieben und
die Freiheit, das blutige Franco-Regime, dieser Ableger von Hitler und Mussolini, der Welt
und dem deutschen Volk als Verteidiger der westlichen Freiheit zu präsentieren und deutsche militärische Stützpunkte in Spanien zu errichten?
Die Freiheit der Unternehmer, ungeheure Gewinne aus den Knochen der Arbeiter herauszupressen und
die Freiheit, durch Betriebsverfassungsgesetz und Urteil des Kasseler Bundesarbeitsgerichtes, die Rechte der Gewerkschaften einzuschränken?
Die Freiheit, der unter dem Namen HIAG zusammengefaßten SS-Verbände, Demonstrationen und Kundgebungen zu organisieren, und
die Freiheit, die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, die Organisation der überlebenden Opfer der SS, zu verbieten?
Sie sehen, Herr Oberstaatsanwalt Dr. Schneider, mit der „Freiheit“ hat es seine liebe Not.
Wer z. B. diese hier angeführten Freiheiten retten will, darf das nicht offen sagen. Nicht, daß
ihm von seiten der Justiz oder der Polizei etwas in den Weg gelegt würde, o nein, ganz im
Gegenteil.
Aber die einfachen Menschen auf der Straße, im Betrieb und im Büro, die Hausfrauen, die
Bauern und die Lehrer und Studenten an unseren Lehranstalten würden das nicht verstehen, weil diese „Freiheiten“ sich gegen ihre ureigensten Interessen richten.
Eben darum ist auch der Weg des Abbaus der demokratischen Freiheit, der Weg der Restaurierung des Einflusses belasteter Nazis und der Weg der Atomaufrüstung zum Scheitern
verurteilt, weil er im In- und Ausland auf Ablehnung stößt.
Heute sind die Völker, die gestern von den Blitzkrieg-Generalen überrannt wurden, wachsam und stark. Jedes neue Blitzkrieg-Abenteuer bricht denen den Hals, die es ausprobieren
würden.
Aber soweit darf es nicht kommen, soweit wird es nicht kommen, denn die wahren Totengräber unserer Freiheit sind erkannt und vor der ganzen Menschheit gebrandmarkt. Nicht
zuletzt durch ihre eigenen Taten von gestern unter Hitler und ihre Versuche von heute, das
Gestern neu aufleben zu lassen.
Hindern wir die Totengräber unserer Freiheit daran, den deutschen Namen mit noch größerer Schande und die deutsche Erde mit noch fürchterlicheren Trümmern zu bedecken, als
sie es schon einmal getan haben.
32
Das Volk sagt nein zur atomaren Aufrüstung
Kirchenpräsident M. Niemöller und Oberkirchenrat Kloppenburg. bei einer
Mahnwache vor dem Raketengelände in Dortmund.
Fordern wir ohne Furcht, denn unsere Forderungen sind gerächt. Was gerecht ist, findet die
Unterstützung aller ehrlichen Menschen:
Keine Atom- und Raketenwaffen für die alten Hitler-Generale.
Dafür eine Politik der Verständigung und Entspannung.
Unterstützung des Vorschlages der Sowjet-Union auf allgemeine Abrüstung.
Friedliche und freundschaftliche Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn
und friedliche Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen
Demokratischen Republik, zwecks Annäherung beider deutscher Staaten und
Wiedervereinigung.
Entlassung aller belasteten Richter und Staatsanwälte aus den Justizbehörden.
Entfernung aller ehemaligen SS-Führer aus der Polizei und der Verwaltung.
Wiederherstellung der vollen demokratischen Freiheiten in der Bundesrepublik.
33
Die Dortmunder Synagoge wurde 1938 in der „Kristallnacht“ von SS-Leuten in Brand gesteckt.
Keine Gedenktafel mahnt!
34
Dienst der Freiheit
Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst
Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst
Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod
Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst.
LUDWIG UHLAND
35
Rekonstruktion
(c) Reinhard Junge, Bochum, 2015
Aufbereitung: Jan Große Nobis, Münster.
Berichtigung: Seite 19, am Schluß der Abschrift „Die Entscheidung beruht im übrigen auf
§ 32 StGB, § 465 StPO.“
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Heinz Junge, Dortmund-Barop, [1960]
36
37
38