Ausgabe 27/2015 06.11.2015 „Die Sicherheitsbehörden müssen gestärkt werden“ Justiz im Dialog: Sorge vor rechter Gewalt und islamistischem Terror Berlin. "Als wir das Thema Freiheit und Sicherheit vor einem Jahr festgelegt haben, war noch nicht absehbar, welche Aktualität es heute haben würde." Der DRBVorsitzende Christoph Frank (Bild links) eröffnete am Donnerstagabend in Berlin die Abschlussveranstaltung der DRB-Reihe "Justiz im Dialog" 2015 mit dem Titel "Rechtsstaat in Gefahr – Freiheit und Sicherheit in Zeiten terroristischer Bedrohung". Frank betonte, wer als Flüchtling nach Deutschland komme, erwarte hier einen Rechtsstaat. Diese Erwartung gelte es einzulösen – es gelte aber auch, den Rechtsstaat durchzusetzen, wenn Flüchtlinge strafbare Handlungen begingen. Auf dem Podium diskutierten Thomas Beck, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Dr. Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPDBundestagsfraktion, Wolf Walther vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie der Terrorismusexperte Dr. Guido Steinberg. Die Moderation übernahm Gudula Geuther vom Deutschlandradio. Rund 80 Gäste aus Justiz, Politik und Medien kamen in die Mendelssohn-Remise am Gendarmenmarkt. Geuther nannte zu Beginn der Debatte aktuelle Zahlen des Bundeskriminalamtes: "Allein in diesem Jahr gab es mehr als 600 Angriffe auf Flüchtlingsheime – das sind mehr als dreimal so viele wie im Vorjahr." Wolf Walther, Dr. Eva Högl, Gudula Geuther, Thomas Beck und Dr. Guido Steinberg (v.l.n.r.) Gibt es damit in Deutschland einen neuen Rechtsterrorismus? Dazu müsse man sich verdeutlichen, was Terrorismus sei, erklärte Steinberg, nämlich "kommunikative Gewalt" – Gewalt, die sich nicht nur gegen die Opfer selbst richte, sondern zugleich dazu diene, "eine politische Botschaft an die Gesellschaft abzusetzen". Ob man in Deutschland schon von Rechtsterrorismus sprechen muss, blieb zwar letztlich offen. Einig waren sich die Experten aber darin, dass Sicherheitsbehörden und Justiz entschieden vorgehen müssten. "Jede strafbare Handlung, die nicht geahndet wird, ist eine Ermutigung für andere Täter", warnte Beck. Und Högl forderte: "Die Staatsanwaltschaften und der Verfassungsschutz müssen bei den Aktivitäten von Pegida gründlich hinschauen." Einig waren sich die Experten auch, dass neben rechter Gewalt vor allem der islamistische Terror eine große Gefahr darstelle - nicht nur durch den IS, sondern nach wie vor auch durch alQuaida, andere dschihadistische Gruppen und Einzeltäter, betonten Beck (Bild rechts) und Steinberg. Dass sich unter den Flüchtlingen auch islamistische Terroristen befänden, sei dagegen zwar nicht auszuschließen, aber zurzeit auch nicht besonders wahrscheinlich, erklärte Walther. Eher bestehe die Gefahr, dass etwa unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland von salafistischen Gruppen radikalisiert würden. "Das Problem ist die Früherkennung", warnte Steinberg. "Da sind unsere Behörden viel zu schwach." Die Nachrichtendienste müssten gestärkt werden. Högl befand, notwendig seien mehr Personal bei den Sicherheitsbehörden, ein besserer Informationsaustausch, aber auch eine starke parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste. Walther erklärte, um Radikalisierung aufzuhalten, komme es oft auf die Angehörigen an – „sie will die Beratungsstelle Deradikalisierung des BAMF unterstützen". Beck betonte auch den Präventionscharakter des Strafrechts im Bereich der Terrorismusabwehr: "Die Bevölkerung erwartet von uns, dass wir einschreiten, bevor ein Anschlag passiert." "Und wo bleibt die Freiheit?", lautete eine Frage aus dem Publikum angesichts von so viel Einigkeit auf dem Podium. Steinberg hatte eine Antwort schon zu Beginn der Veranstaltung gegeben: "Ich denke, in Deutschland ist die Sicherheit bedroht, nicht die Freiheit – jedenfalls nicht durch deutsche Behörden." Redaktion: Annelie Kaufmann, Claudia Keller, Sven Rebehn Mitarbeit: Konstantin Hoffmann Fotos: Andrea Vollmer Newsletter Archiv © Deutscher Richterbund Deutscher Richterbund e.V. Kronenstraße 73 10117 Berlin Tel. 030-20 61 25-0 Fax 030-20 61 25-25 [email protected] www.drb.de
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