Auf den Spuren jüdischen Wirkens in der Kreisstadt

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Auf den Spuren jüdischen Wirkens in der
Kreisstadt
Annaberg-Buchholzer
Schüler haben sich mit dem
Thema Juden und
Nationalsozialismus
beschäftigt und eine spezielle
Stadtführung organisiert.
Ihre Erkenntnis: Das war
einst alles gar nicht weit weg.
Von Lothar Müller
erschienen am 11.11.2015
Julia Schwarz (mit blauer Jacke) und Anne Haarig zeigen Schülern und
Lehrern die Spuren des jüdischen Lebens in Annaberg-Buchholz.
Annaberg-Buchholz. Was ist vom jüdischen
Leben in Annaberg-Buchholz noch zu sehen?
Foto: Sebastian Paul
Das ist eine der Fragen, mit der sich
Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse
aus dem Berufsschulzentrum für Ernährung, Technik und Wirtschaft des Erzgebirgskreises in AnnabergBuchholz in den vergangenen Monaten im Rahmen des Themas Holocaust beschäftigt haben. Dabei wurde
bei einer Projektarbeit auch umfangreich und sehr akribisch auf die Spuren jüdischen Wirkens in Annaberg
eingegangen. Das Projekt endete am Montag, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, mit einer knapp
anderthalbstündigen Stadtführung durch die Altstadt. Anne Haarig und Julia Schwarz, die sich für den
Rundgang mit 20 Teilnehmern verantwortlich zeigten, verwiesen an der Museumsgasse 1, auf die erste
interessante Wirkungsstätte.
Hier befand sich einst die Posamentenfabrik von Isaac Chanange. Interessant: Bis 1909 gab es in Annaberg
40 jüdische Unternehmen, was 35 Prozent der gesamten Posamentenunternehmen entsprach. Nächste
Station war die Adresse Schulberg 3, wo sich von 1903 bis 1925 der erste Betsaal befand. Weitere
Stationen: Kleine Kirchgasse 21: Dort wohnte Familie Stern. Ende 1939 wurde sie aus Annaberg vertrieben
in ein Judenhaus nach Chemnitz. Nur der Sohn überlebt den Holocaust. Buchholzer Straße: In Höhe
Nummer 5 fand sich die Posamentenfabrik der Firma Max Cohn. Sie wurde 1939 aufgelöst. Hier befand sich
im Hinterhaus der Nummer 17 ab 1925 der 2. Betsaal der jüdischen Gemeinde. Er wurde ab 1935/36 wegen
der Verfolgung durch die Nazis nicht mehr genutzt. Im Zuge der Pogromnacht wurde der Betsaal verwüstet.
Hausnummer 16 war Sitz der Posamentenfabrik Türk und Karger, gegründet 1888. Aufgelöst wurde sie
1938/39. Auf der Buchholzer Straße 30 befand sich das Manufakturgeschäft der Firma Leopold Jacoby. Es
wurde 1938 verkauft.
Johannisgasse: An der Hausnummer 3 war wiederum eine Posamentenfabrik, die der Firma Max Nordon.
Aufgelöst wurde sie nach 1933. An Buchholzer Straße 32/Johannisgasse 1 befand sich mit dem Kaufhaus
Arnold Frank das damals größte Kaufhaus des Erzgebirges, das sogar über einen Fahrstuhl verfügte.
Scheibnerstraße: Am jetzigen Standort des Parkhauses war das spätere Wohnhaus von Heinrich Chanange,
dem Sohn von Isaac Chanange, dem Begründer der jüdischen Gemeinde von Annaberg. Dieser wiederum
wohnte im Töpferweg 5.
Hotel Wilder Mann: Hier wurde ab 1900 der Verein für jüdische Geschichte und Literatur gegründet. Bis
1934 fanden laufend kulturelle Veranstaltungen für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde statt.
Jüdischer Friedhof: Dieser befand sich an der Chemnitzer Straße gegenüber des heutigen
Erzgebirgsklinikums. 1905 erfolgte die erste Beisetzung. Zur Pogromnacht wurde die Friedhofshalle
gesprengt, Grabsteine umgestürzt und zerschlagen. 1940 wurde der Friedhof eingeebnet. Ebenso erfolgte
eine Exhumierung der Leichen nach Chemnitz.
Die Geschichte des Wirkens der Juden ist untrennbar mit ihrem meist sehr bewegten und schrecklichen
Schicksal verbunden. Gleichzeitig stehe ihre Geschichte mit der des Nationalsozialismus in Annaberg in
Verbindung, machte Anna Haarig bei ihrer Führung deutlich. Hatte die jüdische Gemeinde 1907 147
Mitglieder, lebten 1939 nur noch 16 Juden in Annaberg.
Ein thematischer Stadtrundgang, der zum Nachdenken anregte. Und Anne Haarig fasste das Thema passend
zusammen. "Man denkt immer, das Thema Juden und Nationalsozialismus war weit weg und so etwas gab
es hier nicht. Doch man sieht, dass es näher ist, als man vielleicht dachte."
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