Die Wirkung der Sozialen Arbeit – ein Dialog Heiko Kleve & Frank Früchtel in: Sozialmagazin, 36. Jg. 1/2011, S. 32 - 37 Wirkung ist seit geraumer Zeit Thema sozialarbeiterischer Reflexionen. Immer nachdrücklicher wird gefragt und aufwendig gemessen, ob und wie „nachhaltig“ Interventionen wirken. Dazu gibt es inzwischen groß angelegte Forschungsprojekte (z.B. www.wirkungsorientierte-jugendhilfe.de). Aber wie können wir uns das Konstrukt „Wirkung“ in der Praxis, die von hoher Komplexität gekennzeichnet ist, überhaupt vorstellen? Das ist die Frage unseres Beitrages, dessen Dialogform unseren Thesen entspricht, verstehen wir doch Wirksamkeit als etwas evolutionär Dialogisches – als etwas, das nicht einseitig und technologisch, sondern nur durch kommunikative Wechselwirkungen und gekonnte Variationen vollbracht werden kann. Heiko Kleve Es ist in der Sozialen Arbeit unwahrscheinlich, zielgerichtet vorherbestimmte Wirkungen zu erzielen. Der Arbeitsalltag beweist uns täglich die Richtigkeit der bekannten „Weisheit“, dass es erstens anders kommt und zweitens als erwartet. Frank Früchtel Aber es ist auch auffällig, dass wir uns auf das Unwahrscheinliche so regelmäßig verlassen können. Erfahrene Sozialarbeiter schätzen unübersichtliche Situationen erstaunlich oft und schnell gut ein und intervenieren wirksam. Gespräche mit Adressaten verlaufen öfter positiv als negativ, Familienräte bewirken fast immer eine kindeswohlfördernde Wendung, Jugendarbeiter wissen, welches Konzert welche Jugendliche anzieht. H.K. Wichtig ist zunächst, dass die Unwahrscheinlichkeit von intendierten Wirkungen mit dem Grad der Komplexität, die das zu beeinflussende Phänomen aufweist, sinkt oder steigt. Je weniger voneinander abhängige Variablen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass diese Variablen kontrollierbar sind und umgekehrt. Auch das Beobachten von Wirkungen ist eine solche Variable. So beeinflusst das Beobachten das, was es beobachtet. Dazu ein Beispiel: Allein die Tatsache, dass organisierte Fußballfans der Polizei im Stadion mitgeteilt haben, dass sie Rechtsanwälte dabei haben, die das Verhalten der Polizei beobachten und einschätzen sollen, ob es eskalierend oder deeskalierend war, verändert das Verhalten der Polizei. F.F. Die Polizisten erwarten, von den Anwälten in die Pfanne gehauen zu werden und verhalten sich dementsprechend vorbildlich. Gleichermaßen ist dies ein Beispiel dafür, wie beabsichtigte Wirkung zu erzielen ist. Es passiert, 1 was die Fans bezwecken wollten: entweder verständnisvolle oder ertappte Staatsautorität. Das Entscheidende war das Finden des richtigen „Hebels“. H.K. Es müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein, damit eine solche Wirkung, wie sie die organisierten Fußballfans bezwecken, tatsächlich realisiert wird: Erstens, die Polizei will etwas vermeiden, was Rechtsanwälte bewirken können, etwa ein rechtliches Vorgehen. Zweitens, die Fußballfans müssen sich in das, was die Polizei präferiert oder vermeiden möchte, einfühlen können. Drittens, müssen wir in einem Staat leben, in dem auch die Polizei rechtlich und öffentlich kontrollierbar ist. Viertens, die Polizei muss sich einfühlen können in das, was die organisierten Fußballfans präferieren, wie sie also bei diesen „gut“ ankommen kann und was diese eher vermeiden wollen. Die Beteiligten müssen also vergangene Beobachtungen auswerten und prognostizieren können, was die jeweils anderen von ihnen erwarten. Und greifen auf eine soziale Erwartungsstruktur zurück, die sich in der Vergangenheit etabliert hat. Genau diese Struktur ermöglicht scheinbar triviale Wirkungen. Aber sobald eine der genannten Bedingungen sich verändert, kann sich auch diese Wirkung verändern. F.F. Das ist der interessante Punkt, der meist bei sozialarbeiterischen Interventionen erreicht ist. Wenn Alltagsroutine oder „Erwartungsstruktur“ nicht mehr reibungslos funktionieren. Empathie, Analyse und Prognose sind zwar hilfreiche Werkzeuge, brauchen an solchen Punkten aber einen geweiteten Spielraum, der aus Innovation, Verschiedenheit und Ausprobieren entsteht. Erst durch Erfahrung unterschiedlicher Umgangsvarianten mit der Polizei konnte man beobachten, wie sich einige der unzähligen Variablen verhalten. Dabei braucht man ständig neue Innovationen, um Effekte zu verbessern und auf das zu reagieren, was sich die Polizisten ausdenken. Situationen bleiben nicht stabil, was gerade noch gewirkt hat, wirkt bald schon nicht mehr (so). Interessant ist, wie man zu solchen Innovationen kommt und das Ausprobieren vom Image des Rumwurstelns befreit, denn in diesem experimentellen Handeln steckt – ähnlich übrigens wie in den Naturwissenschaften – das wirksame Potential, nicht in den ausgearbeiteten Plänen, sondern in der Fähigkeit, sie variantenreich zu verbessern. H.K. Die Soziale Arbeit kennt doch diesbezüglich die Schleife: Handeln Æ Beobachtung Æ Reflexion der Wirkungen Æ Anpassen der Handlung. Das ist kein „Rumwursteln“, sondern systematisches, professionelles Agieren. Allerdings liegt hinter diesem Prozess noch „professionelle Intuition“, ein „Gespür für passende Gelegenheiten“, die möglich machen, was ansonsten eher unwahrscheinlich wäre. F.F. Die theoretisch sinnvolle Schleife von Handeln und Beobachten wird aber in weiten Teilen der Sozialen Arbeit nicht umgesetzt. In der administrativ geprägten Sozialarbeit geht man eher davon aus, dass eine Fachkraft von vornherein „richtig“ handelt. Die gängigen Hilfeplanungen haben deswegen auch einen Halbjahresturnus. Man nimmt an, dass sich Interventionen nur in langen Rhythmen ändern müssen, faktisch also relativ stabil bleiben können. 2 Das „Rumwursteln“, das ich für ausgesprochen wirksam halte, tut nicht das Richtige, sondern sucht nach dem Richtigen, von dem man annimmt, dass es immer nur eine Zeit lang richtig sein kann. Deswegen geschieht dieses systematisch experimentelle Handeln in wesentlich kleineren Zeitabständen und lässt schnellere und mehr Veränderungen, bis hin zu Kehrtwendungen zu. Sogar das gleichzeitige Verfolgen widersprüchlicher Strategien gehört zu dieser Wirkungskonzeption. Wir sind uns einig, dass Sozialarbeit das Unwahrscheinliche wahrscheinlich macht, wenn sie gut ist. Der Diskurs der „Wirkungsorientierung“ würde jetzt behaupten, genau das soll erreicht werden, indem man herausfindet, was erfolgreich ist und dieses dann generalisiert, genauso wie wir das im Alltag auch tun und dort funktioniert es ja oft. Das war die Inspiration zu meiner Ausgangsfrage: Was ist falsch an diesem doch sehr plausiblen und von der Alltagsempirie bestätigten Konzept? Du hast dann aufgezeigt, dass es nicht so einfach ist und wir die Dinge nur so einfach sehen. Ich stimme dem zu. Aber dann müsste es eine prinzipielle Differenz zwischen unseren täglichen Alltagsproblemen geben, die wir lösen und denen, mit denen wir uns als Sozialarbeiter herumschlagen. Diese Differenz resultiert aus Makroeinflussfaktoren. H.K. Ja, ich denke auch, dass eine Differenz zwischen unseren gängigen Alltagsproblemen und jenen, mit denen wir in der Sozialen Arbeit zu tun haben, beobachtet werden kann. Ein Grund für diese Differenz können die „Makrofaktoren“ sein. Einen anderen Grund erwähnte ich bereits: die Komplexität. Wann werden Menschen zu Adressaten Sozialer Arbeit? Doch häufig dann, wenn andere Professionen nicht mehr oder noch nicht tätig werden können. Wir haben es doch häufig mit Personen zu tun, die bereits viele unterschiedliche Professionen (etwa Ärzte, Psychologen, Juristen etc.) kennen gelernt haben, weil sie eben von zahlreichen unterschiedlichen Problemen betroffen sind. In der Familienhilfe hatte ich zumeist mit Familien zu tun, in denen die Eltern Schwierigkeiten mit ihren Kindern hatten, die Kinder waren in unterschiedlichen Weisen (etwa in der Schule oder der Kindertagesstätte) auffällig. Diese Auffälligkeiten konnten aber auch als Symptome interpretiert werden von „tieferliegenden“ Themen wie etwa Ängste und Depressionen der Eltern, Arbeitslosigkeit und Alkoholabhängigkeit der Eltern, Geldknappheit und Schulden, soziale Isolation etc. Die Probleme traten zumeist kumuliert auf. Aus meiner Sicht ist diese Kumulation von unterschiedlichen Problemen eine Differenz zu unserem klassischen Alltag. Der Alltag der Klienten Sozialer Arbeit ist einer, der von der Komplexität sozialer Probleme und ihrer wechselseitigen Verstrickung gekennzeichnet ist. Genau dies macht die Wahrscheinlichkeit, dass sozialarbeiterische Interventionen glücken, so unsicher. F.F. Die vermeintliche Problemkumulation, von der du sprichst, kenne ich aus meiner Zeit im Jugendamt. Dort haben wir dann den Einfluss der „Makrofaktoren“ analysiert, indem wir die Sozialdaten aller Familien mit Hilfen zur Erziehung in eine multiple Regression einbezogen haben und feststellen mussten, fast alle so genannten „Multi“-Problemfamilien kein akzeptables Einkommen hatten. Das sind Faktoren, die übrigens auch die Ärzte, Psychologen oder Juristen nicht beeinflussen können. Aber ich gebe dir 3 natürlich recht, dass es in den Familien auch „komplexer“ als im „Mainstreamleben“ aussieht. Dennoch stecken in unseren Aussagen zwei verschiedenen Begründungen dafür, warum man nicht wirklich wirksam sein kann. Ich sage, dass man es deswegen nicht kann, weil Soziale Arbeit oft nicht die richtigen Mittel zur Verfügung hat und du sagst, dass sie gar nicht wissen kann, was die richtigen Mittel sind. H.K. Ich sage nicht, dass die Sozialarbeit „gar nicht wissen kann, was die richtigen Mittel sind“. Im Gegenteil: Soziale Arbeit hat alles, was sie braucht und weiß eigentlich auch alles, was sie wissen muss, um hinsichtlich ihrer Wirkung eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit zu erreichen – jedoch ohne die Möglichkeit zu haben, Wirkung im Sinne technischer Steuerung trivialer Systeme linear erzeugen zu können. Aber in dieser Hinsicht ist sie in guter Gesellschaft, denn das kann kein System, das sich mit der Beeinflussung psychischer oder sozialer Prozessen beschäftigt, wie wir etwa an der Politik sehen. Aber was weiß nun die Sozialarbeit und wie kann sie dieses Wissen praktisch umsetzen, um die Wahrscheinlichkeit ihres Erfolgs zu steigern? Dazu möchte ich zunächst eine Antwort vorschlagen: Soziale Arbeit weiß, dass sie es mit gegenseitigen Beobachtungsverhältnissen zu tun hat, dass also diejenigen, mit denen sie arbeitet, eigenständig und selbstbestimmt beobachten, also beschreiben, erklären und bewerten können, was sie erleben und wie sie handeln. F.F. Ich möchte dich bitten zu konkretisieren, was du mit „Wahrscheinlichkeit“ meinst. Steckt darin ein frequentistisches Konzept: Man kann zwar nicht gewiss sagen, ob diesmal diese Interventionen klappen wird, aber sie klappt in 80 Prozent der ähnlich gelagerten Fälle. Diesen Wahrscheinlichkeitsbegriff verwenden ja die naturwissenschaftlichen und technischen Professionen und er findet auch im Bundesmodellprogramm „Wirkungsorientierung“ Anwendung. Ich stehe ihm skeptisch gegenüber, weil er spezifische Normalziele voraussetzt, auf die Interventionen zielen und weil er die Berechtigung Sozialer Arbeit von den darauf bezogenen Wirkungen abhängig macht und außerdem zu einer Standardisierung der „erlaubten“, weil statistisch gesehen wahrscheinlich erfolgreichen Interventionen führt. Eigenständigkeit und Selbstbestimmung sind aus prinzipiellen Gründen, auch wenn dadurch nichts bewirkt würde, eine zentrale sozialarbeiterische Größe. H.K. „Wahrscheinlichkeit“ sehe ich in diesem Zusammenhang tatsächlich statistisch: Wenn Sozialarbeiter die Eigensinnigkeit und Selbstbestimmung von Adressaten in ihren methodischen und ergebnisbezogenen Aktivitäten beachten, dann haben Sie damit einen entscheidenden Faktor realisiert, der sie erfolgreicher macht im Vergleich zu einer Arbeitsweise, die die Eigensinnigkeit und Selbstbestimmung der Nutzer methodisch vernachlässigt. Diese These ist spätestens seit Carl Rogers bekannt. Er hat festgestellt und methodisch ausgearbeitet, dass der maßgebliche Faktor für effektive Beratung die Realisierung einer professionellen Beziehung ist, in welcher der Klient eingeladen und dabei unterstützt wird, das zu artikulieren, was ihn emotional 4 und kognitiv bewegt, um letztlich dabei gehört zu werden, was er tatsächlich will. Die Gestaltung dieses methodischen Prozesses setzt allerdings Professionelle voraus, die sich selbst zurück nehmen können, die eine Gelassenheit hinsichtlich der möglichen Ziele entwickeln und eine Haltung des Nichtwissens hinsichtlich der Problemlösungen einnehmen. Die Frage ist also letztlich nicht, was die Professionellen tun können, um ihre Erfolge zu steigern, sondern wie sie so agieren können, dass die Nutzer sich tatsächlich eingeladen fühlen, das zu artikulieren, was sie umtreibt und was sie also wollen. Um eine Formulierung von dir aufzunehmen: Es geht nicht darum, Adressaten zu motivieren, sondern sie zu Selbstexplorationen einzuladen, in denen sie das äußern oder erst herausfinden können, was bereits als Motivation verstanden werden kann. Die Menschen sind bereits motiviert, wir müssen mit ihnen nur herausfinden in welchen Hinsichten sie dies sind. Komplizierter wird diese Arbeit in Zwangskontexten, also wenn die Adressaten nichts wollen außer von den Professionellen in Ruhe gelassen zu werden, aber die Professionellen aus rechtlichen oder ethischen Gründen genau dies nicht gewähren können. Aber auch dann kann der Wille, „in Ruhe gelassen zu werden“ bzw. die Professionellen wieder los werden, Ausgangspunkt einer konstruktiven Arbeit sein. F.F. Ich halte den Willen zwar für einen wesentlichen Wirkfaktor, aber deswegen, weil er wirkt, würde ich ihm nicht zentral stellen, sondern deswegen, weil es ihn gibt. Die produktive Kraft entsteht nicht nur daraus, dass sich Sozialarbeiter und Adressat wegen ihrer guten Arbeitsbeziehung einig sind, sondern daraus, dass Adressaten über dieselben Möglichkeiten wie Fachkräfte verfügen, ihren Willen zu verfolgen oder andere davon zu überzeugen. Die Erkenntnis „Wille steigert Wirkung“ kann vereinnahmend auf den Willen wirken, wenn man sie zur Methode macht. Der Wille, im Sinne von Selbstbestimmung, sollte nicht nur „Wirkfaktor“, sondern primär „Recht“ sein. Ein weiterer Wirkfaktor ist Beweglichkeit der professionellen Intervention, die Fähigkeit schnell und unkompliziert auf Veränderungen der Situation des Adressaten reagieren zu können und zwar im Denken der Fachkräfte genauso wie in ihren Angebotsformen. H.K. Weiterhin sollten wir beachten, dass wir in unserem Handeln beobachtet werden, dass Interventionen von den Adressaten beobachtet und bewertet werden, was wiederum von den Sozialarbeitern beobachtet und bewertet werden kann und so fort. Solche gegenseitigen Beobachtungsverhältnisse können konstruktiv und freilich auch destruktiv werden. All dies zu beachten, kann freilich ethisch gerahmt werden. Aber es ist mehr als ein ethisches Postulat: Es ist basale Realität! Freilich könnte es auch sein, dass Sozialarbeiter, die die Eigensinnigkeit der Adressaten leugnen, die ihnen etwas vorschreiben wollen, die immer schon wissen, was das Richtige und Passende für die Nutzer ist, sehr wirksam sind – in dem Sinne, dass sich die Klienten von diesen Sozialarbeiterinnen kraftvoll abstoßen können, dass sie gerade in der Konfrontation mit der Starrheit von sozialarbeiterischen Überzeugungen die Flexibilität ihrer eigenen 5 Handlungsmöglichkeiten entdecken. Genau dies macht dann wieder deutlich, dass Erfolg nicht mit Sicherheit intendiert werden kann. Tom Andersen hat drei Formen von Interventionen unterschieden: „Angemessen gewöhnlich“ sind Interventionen, wenn sie für die Adressaten keinen Unterschied zu den bisherigen Erfahrungen machen. „Unangemessen ungewöhnlich“ sind Interventionen, wenn sie die Klienten eher verprellen. „Angemessen ungewöhnliche“ Interventionen konfrontieren mit etwas Neuem, das herausfordert. Unsere Aufgabe ist, solche angemessen ungewöhnlichen Formen zu finden. Und dafür ist das erforderlich, was du „Flexibilität“ nennst. Was heute angemessen ungewöhnlich ist, wird irgendwann angemessen gewöhnlich, denn die Wiederholung ist der Feind der Überraschungen. Insofern müssten wir Experten sein für die Produktion von Überraschungen, für die Konstruktion von Unterschieden. F.F. Sozialarbeiter sind daneben auch „Experten für die Produktion von Möglichkeiten“, die neue Optionen, Kontakte, Beziehungen, neues Wissen, neue Zugänge bieten. Es handelt sich dabei aus meiner Sicht um mehr als ein psychologisches Konzept, nämlich um eine reale Erweiterung des Möglichkeitsspielraumes von Adressaten durch soziales Kapital (im Bourdieuschen Sinne). Wenn sich die Intervention nur auf Fachkraft, ihr Hilfesystem und einen Adressaten stützt, so kommen nur deren Kompetenzen und Ressourcen zum Zuge. Wenn es der Fachkraft gelingt, den Kreis zu erweitern, entstehen mehr Lösungsoptionen, etwa durch die Mobilisierung von Netzwerken, durch das Verlinken von Leuten in gleicher Lebenssituation (Beispiel: Selbsthilfegruppe), oder durch das Verlinken von Leuten in sehr verschiedener Lebenssituation (Beispiel: Mentorengruppe). Ich kenne eine Sozialarbeiterin, die eine Art Datenbank vieler ihrer „Ex-Adressaten“ pflegt. Immer wenn jemand eine Wohnung sucht, zieht sie Berater aus dieser Datenbank zu Rate, mit einer enorm hohen Erfolgsquote, weil diese Berater ein viel differenzierteres Wissen über den relevanten Sektor des Wohnungsmarktes haben als sie selbst und weil es für sie eine selbst- und sozialwertwirksame Gelegenheit zum Helfen ist. Wirksamkeit resultiert auch aus der Anzahl potentieller Links, die ein Sozialarbeiter herstellen kann. Das ist abhängig davon, wen man kennt, wen man kennen lernt und wie ausgeprägt der Möglichkeitssinn ist, was zueinander passen könnte und natürlich auch von dem bereits genannten Experimentieren, das einen hohen Grad institutioneller Flexibilität braucht. Jetzt haben wir als wirksame Kräfte herausgearbeitet: 1. den Willen, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen; 2. die Fähigkeit der Profis, ihre Interventionen beobachten und daraus Konsequenzen ziehen zu können; 3. die Fähigkeit, Unterschiede zu produzieren, die überraschend sind; 4. das Potenzial an Verbindungen, die Soziale Arbeit herstellen kann; 5. die Fähigkeit von Organisationen und den sie formenden Regelungen, Flexibilität und Experimentieren zuzulassen. 6 H.K. Heinz von Foersters ethischer Imperativ „Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst“ bzw. Peter Fuchs Minimalethik „Steigere Alternativität!“ gilt also keineswegs nur für die Interaktion, sondern zugleich für die Organisation und die gesellschaftliche Ebene. Einen Aspekt möchte ich noch ergänzen: 6. Wirksamkeit in der Sozialen Arbeit ist kein Zustand, sondern ein Prozess, fast könnten wir sagen: eine permanente Revolution. 7
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