Dieser Erfahrungsbericht handelt von meinem 5-monatigen Aufenthalt in Istanbul an der Yildiz Teknik Universität im Jahr 2012/2013 als Politikstudent. Ich werde dabei zuerst auf die Vorbereitung des Auslandssemesters und die Kurse eingehen. Im Anschluss präsentiere ich meine Erfahrungen an der Universität und in Istanbul. 1.: Vorbereitung Die Vorbereitung lief im Rahmen des ERASMUS-Programms, insofern waren die Formalitäten vorgegeben. Informationen über die Universität einzuholen gestaltete sich anfangs ziemlich schwierig, da die englische Internetseite und die des dortigen International Office ziemlich konfus sind. Man findet viele unterschiedliche Angaben, Pläne und Kalender für ERASMUS-Studenten von vor einigen Semestern. Sobald sich die Yildiz Universität aber direkt gemeldet hat (irgendwann nach der Annahme des ERASMUS Platzes) geht alles sehr schnell und unkompliziert. Dies lag vor allem an der effizienten Koordinatorin Cigdem Nas der Yildiz Universität für die sozialwissenschaftlichen Fachbereiche (International Relations, Administrative Studies, etc.). Jede Nachfrage wurde nach spätestens 48 Stunden, meist schon am gleichen Tag oder nächsten Morgen, beantwortet. Zudem ist sie sehr akkurat und wenn man in Zeitnot ist oder in sonstigen Problemen wegen den Formalitäten steckt, hilft sie sofort weiter. Die Yildiz Universität verlangt im Voraus noch eine zusätzliche Bewerbung, jedoch handelt es sich dabei nur um Dinge wie Informationsbogen, Learning Agreement, etc.; eine weitere Auswahl findet hier nicht mehr statt, sofern die Dokumente fristgemäß ausgefüllt und im System der Yildiz Universität (man bekommt einen Account) hochgeladen werden. 2.: Die Kurse Die Kurse wählt man anschließend aus dem Kursangebot, um sein Learning Agreement (vorläufiges) zu erstellen; die korrekte Seite wird einem via Mail zugeschickt, da auf der Yildiz Internetpräsenz noch diverse andere Pläne existieren. Die eigentlichen Kurse wählte ich dann zu Beginn des Semesters, da die Hälfte aller Kurse geändert wurden (fanden nicht statt, wurden ersetzt, etc.). Die CP Anzahl wurde bei praktisch jedem Kurs geändert. Dies stellt kein Problem dar, die vorgegebene CP Anzahl kann trotzdem erreicht werden, man sollte sich eben nur nicht auf die ersten Angaben (vor dem eigentlichen Semesterbeginn) verlassen. Das generelle Angebot an englischen Kursen für Politikstudenten ist an der Yildiz Universität nicht stark ausgeprägt, es reicht jedoch. Die meisten Kurse waren sehr interessant; Standartkurse wie „Comparative Government“, „Political Theory“, etc. decken sich zum größten Teil mit unserem Angebot an der Universität Bremen, die spezielleren Kurse und Seminare hinsichtlich der Region des Nahen und Mittleren Ostens sind jedoch äußerst interessant und sehr intrinsisch. An dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, dass man auch immer in die Kurse auf Türkisch gehen kann und den/die Dozent/in fragen kann, ob er/sie ERASMUS Studenten zulässt und mit Literatur auf Englisch versorgt. Dies hat bei zwei Kursen funktioniert. Etwas später im Semester gab es dann auch zwei TürkischSprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene, die sehr zu empfehlen sind (um wenigstens Floskeln, Smalltalk, etc. zu beherrschen), sofern man nicht schon vorher einen Kurs in Deutschland gemacht hat. Englisch ist in Istanbul nämlich nicht so sehr verbreitet wie es zunächst den Anschein hat. Die Anmeldung zu den Kursen funktioniert sehr unkompliziert. Es gibt dafür weder ein Online-System noch irgendwelche Listen o.ä. In der ersten Woche besucht man alle Kurse (die Liste der existierenden Kurse wurde vorher via Mail verschickt), die einen interessieren, am besten auch noch einige mehr. Dies ist völlig unverbindlich und nach einer (oder auch zwei) Wochen gibt man dann der Koordinatorin Bescheid welche Kurse man nun schlussendlich wählen möchte. 3.: Wohnungssituation und die Stadt Die Yildiz Universität liegt glücklicherweise sehr zentral in Anbetracht der weit über 14 Millionen Einwohner Metropole Istanbul. Sie liegt im Stadtteil Besiktas (sprich: Beschiktasch), welches ein beliebtes Studentenviertel ist. Es liegt nahe an der Innenstadt mit dem Taksimplatz (nicht Altstadt), sowie nah am Bosporus. Von hier aus lassen sich viele Ziele recht schnell für Istanbuler Verhältnisse erreichen. Der Verkehr kann in der Millionenstadt nämlich enorm sein, sodass eine 15 Minuten Fahrt mit dem Bus im Extremfall 1 Stunde dauern kann. Man sollte also auf jeden Fall versuchen zentral, am besten in oder nahe Besiktas zu wohnen. Die Wohnungssuche gestaltet sich jedoch ziemlich schwierig. Während die Menschen in Istanbul generell sehr großzügig und gastfreundlich sind, ist dies bei der Wohnungssituation eher anders herum. Ich habe kaum einen ERASMUS Studenten getroffen, der (so wie ich) nicht zu viel gezahlt hat. Das Problem ist, dass fast alle Vermieter oder WG-Besitzer in Istanbul das so handhaben, es sind also kaum Alternativen gegeben. Kommilitonen, die einen fairen Preis bezahlt haben, waren leider die Ausnahme. Während man (z.B. in Besiktas) für eine 3er-WG mit normal großem Zimmer nicht mehr als 400-600 Lira (bei einer schönen Wohnung) zahlen sollte, wird von Ausländern in der Regel über 700-800 Lira verlangt. Meist lässt sich dies auch nicht vermeiden. Ich weise so explizit auf diesen Sachverhalt hin, da viele meiner Kommilitonen Probleme mit der Wohnsituation hatten und dies den Aufenthalt sehr trüben kann. Man sollte also auf jeden Fall mindestens eine Woche vor Beginn des Semesters für die Wohnungssuche einplanen und sich nicht nur auf Craigslist umschauen. Sollte sich nach den ersten Wochen zeigen, dass es in der WG nicht (mehr) wie vereinbart läuft, sollte man dies schnell monieren und auch flexibel bleiben, um eventuell eine andere Wohnung zu suchen. Die Studentenwohnheime sind nicht zu empfehlen. Sie sind überteuert, meist mit geteiltem Zimmer, nicht zentral und zudem oft hässlich und schmutzig. Außerdem gibt es eine Security, die darauf achtet, wann man zurück kommt, wen man mitbringt etc. Dies würde ich selbst im Notfall nicht empfehlen – dann noch lieber in ein Hostel. Hostels sind auch generell in Istanbul sehr zu empfehlen. Für Hostel-Verhältnisse sind sie in der Regel Ziemlich sauber, meist zentral und auch recht günstig (z.B. das Hostel Stray Cat direkt unter dem Taksim Platz; circa 8-12€ pro Nacht). Dies bietet sich als Basis für die ersten ein bis zwei Wochen an, bis man eine Wohnung gefunden hat. Die Mitarbeiter sind meist auch sehr nett und hilfsbereit. Bis auf diese unangenehme Ausnahme mit der Wohnsituation sind die Menschen in Istanbul sehr nett und einladend. Die Stadt lässt sich in diesem kurzen Bericht leider nicht erfassen. Sie ist einzigartig schön, nur an den chaotischen Verkehr muss man sich gewöhnen (und immer genug Zeit einplanen, falls es Stau gibt). Wer mit Großstädten zurecht kommt, wird die Stadt lieben! 4.: Formalitäten Zu Beginn ist einiges an Formalitäten zu erledigen. Neben diversen Dokumenten bei der Yildiz Universität und Steuernummer (für die Studentenkarte der Universität), muss man auch eine Residence Permit als Ausländer einholen, damit man die gesamte Zeit in der Türkei bleiben darf. Schon im Vorfeld muss hierfür in Deutschland ein spezielles Visum für Studenten geholt werden. Gerüchten zufolge wird das ganze Prozedere bald abgeschafft oder geändert, ob das stimmt weiß ich nicht. Bei uns musste man jedenfalls noch zum Polizeiamt gehen, dass einer (chaotischen) Festung gleicht. Ich selbst hatte Glück mit der Aufenthaltsgenehmigung, andere mussten aber mehrere Male hinfahren, oft vergebens, bis es geklappt hat. Vor allem bei dieser Sache ist die Bürokratie recht verwirrend und die Polizisten sprechen nicht immer Englisch. Die Residence Permit (sofern diese für Auslandsstudenten immer noch Pflicht ist) sollte also frühzeitig angegangen werden. Zuerst muss man auf der Internetseite einen Termin ausmachen, dann folgen die Besuche. Manche Leute haben absurderweise erst einen Termin für den Zeitraum nach ihrem eigentlichen Aufenthalt bekommen, weil alle anderen vergeben waren (ja, über mehrere Monate hinweg waren alle Termine im Amt vergeben). Daher weise ich hier noch einmal darauf hin. Aufgrund der ganzen Probleme letztes Semester ist aber damit zu rechnen, dass sich die Lage mit der Aufenthaltsgenehmigung in Zukunft bessern wird. Von der Universität bekommt man ein Schreiben mit welchem man die Museumskarte und die vergünstigte Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel bekommt (diese wird mit Geld aufgeladen und im Bus/vor der Tram/Ü-Bahn an einem Automaten entwertet; bei den Studentenkarten wird nur die Hälfte des Normalpreises abgebucht). 5.: Die Universität Der Campus der Yildiz Universität ist überschaubar, sehr schön und zudem recht grün. Es handelt sich hierbei (also bei Politikstudenten) um den Hauptcampus in Besiktas; der zweite Campus ist ziemlich weit entfernt. Es gibt eine Mensa die gut und zudem äußerst günstig ist. Vor den Eingängen des Campus sind Drehkreuze mit Security, die sicherstellen, dass nur Studenten mit Studentenausweis das Gelände betreten. Die Bibliotheken sind klein, man findet aber meist einen Platz. Internet gibt es auf dem Campus, da ich mein Notebook aber praktisch nie mit hatte, weiß ich nicht, wie sich das freischalten lässt. Die meisten Kurse finden im Gebäude für Sozialwissenschaften statt (ein Lageplan der Universität wird auch via Mail verschickt, respektive der Link). So etwas wie c.t. gab es bei uns nicht, alle Kurse fingen s.t. an. Manche Dozenten sahen das liberaler, andere nicht. An dieser Stelle sollte ich zudem darauf hinweisen, dass es (wie an den meisten Universitäten in der Türkei) eine Anwesenheitspflicht für jeden Kurs gibt. Auch hier hängt die Handhabung vom jeweiligen Dozenten ab. Manchen ist es egal, andere geben jede Sitzung eine Liste herum. Vermehrtes Fehlen führt zu einer geringen Minderung der Endnote, im Extremfall aber auch zum Nicht-Bestehen des Kurses. Allgemein wurde die Anwesenheitspflicht nicht allzu ernst genommen, man sollte sich trotzdem darauf einstellen. Die Einführungsveranstaltungen hielten sich in Grenzen und waren nicht sonderlich informationsreich. Dies stellte allerdings kein Problem dar, da fast alles schon zuvor via Mail oder zu Beginn bei den Formalitäten im International Office der Yildiz Universität geklärt wurde. Und bei weiteren Fragen und Problemen war die Koordinatorin Cigdem Nas immer eine gute Ansprechpartnerin.
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