Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 1 Den Dingen Gestalt und Farbe geben Lebenslinien des Grafikdesigners und Illustrators Werner Hölzl EDITION TANDEM Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 3 Inhalt Vorwort 5 Kindheit und Lehre 7 Die Sammlung von Erfahrungen 15 Sprung in die Selbstständigkeit 31 Zeit des großen Aufschwungs 62 Das neue Atelier 76 Die fünf Salzburger Landesausstellungen 79 Die Lebenswende 100 Besondere Passionen 110 Der Lieferinger Kultur-Wanderweg 140 Von Sarajewo zu Jedermanns Totentanz 153 Kelten reloaded 165 Wie war es in jener PreMacÄra? 185 3 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 4 In ganz besonderer Weise ist das Buch meinen geliebten Kindern Max, Konstanze, Ella und Simon gewidmet. Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 5 Vorwort Gleich zu Beginn meiner Geschichten – besser gesagt, einer Plauderei ohne literarischen Anspruch, wofür man mir manche entdeckte Fehler nachsehen möchte – will ich meinem Freund und Verleger Volker Toth danken. Zum Gartenfest anlässlich meines 70. Geburtstages hat er mich mit einem Buch mit leeren Seiten überrascht, einem unter Büchermachern bezeichneten Blindband. Auf dem Titel prangte mein Schriftzug mit den Zeilen „Lebens- und Werkbilder“, ergänzt mit dem innenseitigen Aufruf: Ohne Fleiß bleibt‘s weiß! Damit verbunden war der Gedanke, dass ich möglichst innerhalb Jahresfrist die Geschichten meines bewegten und bunten Arbeitslebens zusammenstelle. Nun, es ist allemal leichter, einen das berufliche Können äußerst fordernden Auftrag zu erfüllen, als sich durch die von massiven Selbstzweifeln begleitete Aufgabe zu quälen. Besonders, wenn ich gleich zu Beginn einen privaten Humus aufbereite, den ich als tragend erachte. Denn es hat doch jede, bzw. jeder von uns als junger Spross begonnen, um sich auf eigene Weise zu entwickeln. Doch bevor sich nun die geneigten Leserinnen und Leser in den reich illustrierten Inhalt stürzen, möchte ich der Landesstelle für Kulturelle Sonderprojekte für die Unterstützung dieses verwirklichten Projekts recht herzlich danken. Denn ein großer Abschnitt ist den Gestaltungsarbeiten an den ersten fünf Salzburger Landesausstellungen gewidmet – einem freudvollen Dienst an meiner Heimat Salzburg. 5 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 7 Kindheit und Lehre Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn Kinder ihre regen Fantasien zu Papier bringen, oftmals ein wahres Feuerwerk an Kreativität. Mit großer Freude erlebte ich das bei meinen Töchtern und Söhnen und sehe es weiterhin an meinen Enkelkindern. Doch schon als Schüler zielstrebig den Willen auszurichten, ein mitgegebenes Talent in einem künftigen Beruf einzusetzen, ist vielleicht ungewöhnlicher. Von dieser frühen zeichnerischen Leidenschaft profitierten auch meine Mitschüler in der Volks- und Hauptschule St. Andrä in der Salzburger Hubert-Sattler-Gasse/Haydnstraße. Daher wurde ich von den üblichen Rangeleien in Bubenklassen herausgehalten, in denen es vordergründig darum ging, wer der Stärkste in der Klasse sei. Ansonsten hieß es gleich: „Vabiagts dem Werner net de Händ, sunst kånn a uns nix mehr zeichna!“ Ebenso war ich von Ballspielen jeglicher Art ausgeschlossen. Zwar ging es dabei nicht um meine Hände – aber aufgrund meiner Ungeschicktheit und trägen Reaktionen bekam ich hart geschossene Bälle meist ins Gesicht gedroschen. Nach Meinung meines Großvaters, der in seiner Jugend ein überaus draufgängerischer Kerl war, sei ich halt so ein richtiger Schauer, dem sogar die Hühner die Butter vom Brot pecken, ohne darauf zu reagieren. Aber darüber hinaus war ich mit meinen Schulfreunden in unbekümmerter Weise unterwegs. Gleich streunenden Hunden erlebten wir eine Art von Freiheit, die längst durch zahllose Reglementierungen unmöglich geworden ist. So erkundeten wir sämtliche Bombenruinen im Stadtviertel, von denen es bis in die 1950er-Jahre ja noch zahlreiche gab. Daher war das weite Gebiet von Schallmoos, wo ich im Haus Lasserstraße 10 aufgewachsen bin, von der Linzergasse bis ins Umfeld des Hauptbahnhofs ein einziger Abenteuerspielplatz, und der Kapuzinerberg Austragungsort wilder Räuber- und Indianerspiele. Echte Brutalität spielte sich jedoch in den Familien der vaterlosen Halbwaisen ab – in Zwangsgemeinschaften mit oft kriegstraumatisierten Stiefvätern, die in den seltensten Fällen gute Beispiele abgaben. Häufig wurden diese Kinder als störender Nachwuchs des im Krieg umgekommenen Vorgängers angesehen und in niederträchtigster Weise behandelt – in der Tierwelt werden fremde Junge oft gleich umgebracht. Aber selbst bei den jungen Müttern, die in diesen neuen Beziehungen den Beginn eines neuen Lebensglücks sahen, kam es vielfach vor, dass die zuvor geliebten Sprösslinge ins Abseits geschoben wurden. Und das bekam auch ich während meiner Schulzeit deutlich zu spüren. Die zuvor erlebte mütterliche Herzenswärme verkümmerte, eine wiederholt so sehr gewünschte Anerkennung oder Lob für gute Schulleistungen wurde mir nicht entgegengebracht. 7 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 8 Doch in dieser weitgehend farblosen Nachkriegszeit begeisterte mich die satte Buntheit von Comic-Heften, wie Batman, Dick Tracy oder Superman. Diese wurden mir von amerikanischen Soldaten geschenkt, die in der im Haus befindlichen Glaserei Reparaturen an ihren Fahrzeugen abwarteten. Fasziniert vertiefte ich mich in diesen Bildgeschichten, wenn mir auch der Text in den Spruchblasen vorerst unverständlich blieb. Wenn aber meine durchwegs mit Literaturklassikern aufgewachsene Mutter derartige Hefte in meinen Schulsachen entdeckte, zuckte sie förmlich aus, schlug mir diesen ihrer Ansicht nach elenden Schund um die Ohren und verbrannte ihn. Und weil vorhin von Farbigkeit die Rede war, so ist mir die erste Kinovorstellung im Turnsaal der Plainschule, die ich als Fünfjähriger zusammen mit meiner Mutter erleben durfte, in Erinnerung geblieben. Es war jedenfalls in der Zeit, bevor sie den Stiefvater heiratete. In diesem Film wurde das vergnügliche, unbeschwerte Treiben auf einer amerikanischen Farm gezeigt – Jahre später hätte man diesen als unsägliches Propagandamachwerk bezeichnet – und dessen ohnehin berauschende Buntheit wurde von aktionsreichen Mickey-Mouse- und Donald-Duck-Abenteuern gekrönt. Die Amerikaner brachten aber nicht nur leuchtende Farben in den grauen Nachkriegsalltag, sondern auch neue Gerüche und Geschmacksgefühle. Unvergesslich die dicksämige Kondensmilch, die Erdnussbutter, die LifeSaver-Zuckerln und diverse Kaugummis. Darunter galt der aufblasbare, rosafarbene Bazooka-Bubble-Gum auch als begehrtes Tauschobjekt. Einfach wunderbar schmeckten die köstlichen Hershey-Schokoladen, sowie die süßliche Trockenmilch. Gierig schaufelte ich dieses Pulver in den Mund, das gleich am Gaumen festpappte, um es mit Fingern herunterzukletzeln. Und darüber hinaus gab es den wohl wunderbarsten Kakao der Welt. Zusammen mit einer dicken Scheibe Rosinenmilchbrot wurden damit nicht nur die Kleinen im evangelischen Kindergarten verwöhnt. Gleich von der ersten Volksschulklasse an, zog es mich an den Wochenenden sowie auch in den Ferien, zu meinen geliebten Großeltern, den Eltern meines im Krieg gefallenen Vaters. In ihrem kleinen Häuschen in Hallwang-Tiefenbach, nächst den Teichen der Fischzucht des Simon Krieg und unweit der Fischach gelegen, konnte ich, umgeben von Hunden, Katzen, Hühnern und Schweinen, den Luxus eines eigenen Zimmers genießen. Es war mein Schneckenhaus, in das ich mich zurückzog, um alles, was mir an Lesbarem in die Hände fiel, zu verschlingen – von Abenteuerbüchern bis Zeitungen. Gleich einem Schwamm saugte ich alles auf, um früh zu erfahren, wie sehr damit Fantasie und Gedankenwelt erweitert werden. Der in späteren Jahren aufgekommene Slogan „Lesen ist Abenteuer im Kopf“, ist mir daher mehr als treffend in Erinnerung geblieben. Seltsamerweise mochte ich keine dieser vielfach beliebten Romane von Karl May. Weit mehr bewegten mich die Schicksale der Akteure in Melvilles „Moby Dick“, James F. Coopers „Der letzte Mohikaner“ oder in den klassischen Götter- und Heldensagen, aber auch die der liebenswerten Charaktere in den Romanen von Erich Kästner – Winnetou und seine 8 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 9 Gefährten ließen mich hingegen kalt. Völlig vereinnahmt wurde ich aber von Harold R. Fosters unvergleichlich illustrierten Geschichten über den Dschungelhelden Tarzan und den nicht minder großartigen Bildern zu den Abenteuern des Prinzen Eisenherz, die darüber hinaus inspirierende Zeichenvorlagen waren. Jahrzehnte später, im Jahr 2007, besuchte ich mit meinem Enkel Leon eine famos aufbereitete Comicausstellung im MdM am Mönchsberg. Dabei konnte ich einige der in den 1930er Jahren entstandenen Tarzanund Eisenherz-Originale bestaunen, verfolgte die flott gesetzten Pinselstriche und erinnerte ich mich an eine Schilderung aus Hal Fosters Leben. In Ermangelung eines ruhigen Arbeitsplatzes zog er sich meist in eine zugige, kalte Scheune zurück, wo er seine Zeichnungen schnell und diszipliniert auf Papier brachte. Gegensätzlich dazu vermute ich, dass klösterliche Schreibstuben im frühen Mittelalter ordentlich beheizt waren. Denn mit klammen Händen hätten vor Kälte bibbernde Mönche wohl kaum herausragende Meisterwerke der Buchkunst schaffen können. Doch auch in meinem Atelier, das bis 2004 lediglich von einem kleinen Kachelofen beheizt wurde, ließen Kunden und Besucher oftmals ihre Mäntel oder Jacken an. Und so verliefen in kalten Jahreszeiten Besprechungen entsprechend kurz. 1958: Das Häuschen meiner Großeltern in Hallwang-Tiefenbach; Federzeichnung. Die mir von meinem Zeichenlehrer vermittelte Beachtung der Perspektive konnte ich dabei einbringen. 9 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 10 1951: Als 7-Jähriger, der Liebhaber eines Leghorn-Huhnes. Gerne denke ich immer wieder an die glückliche Kindheit bei meinen Großeltern. Ganz gleich, was die beiden auch unternahmen oder taten, mit großer Freude war ich immer dabei. Auch wenn wir – was in den 1950er-Jahren ja allgemein üblich war – weite Strecken zu Fuß zurücklegten, wie allmonatliche Wallfahrten nach Maria Plain, Besuche bei Opas Verwandten in Eugendorf und Bergheim, oder die langen Märsche nach Mattsee zu Omas Bruder. Eine Fahrt auf dessen selbstgebautem Segelschiff wurde dann zum Höhepunkt dieser Ausflüge. Des Weiteren wanderten wir mit einem Leiterwagerl zu Einkäufen nach Seekirchen, aber auch zu einer entlegenen Mühle, um Brot, Mehl und Hühnerfutter zu holen oder zur Hallwanger Dorfkrämerei. Dazu musste man sich allerdings viel Zeit nehmen, denn nachdem der penible Krämer am liebsten alles mit einer Apothekerwaage abwogen hätte, dauerten Einkäufe entsprechend lang. Andererseits erfuhr man sämtliche dörfliche Neuigkeiten. Hingegen hörte man in den Wirtshäusern immer wieder die heroischen Taten von Kriegsheimkehrern. Aber nachdem mein Vater „Für Führer, Volk und Vaterland den Heldentod starb“, wie es in jenen Zeiten auf den Trauerparten stand, jedoch wie vorstellbar auf elende Weise umgekommen ist, war mein Interesse an derartigen Geschichten eher gering. Gerne begleitete ich den Großvater beim Fischen an der Fischach – bachaufwärts bis Eugendorf und in der Gegenrichtung hinunter zum idyllisch gelegenen Missionshaus Maria Sorg in Lengfelden. Und wenn nicht unsere Tiere zu versorgen waren, irgendetwas im Garten oder ums Haus zu machen war, haben Opa und ich gelesen – die Oma fand kaum Zeit dazu und ließ sich lieber erzählen. Oder wir saßen gemeinsam in der Küche vor dem Radioapparat. Dieser stand unter dem Kruzifix im Herrgottswinkel, auf einer mit Klöppelspitzen verzierten Ablage, umgeben von Erinnerungsbildern der im Krieg gefallenen Söhne. In Blickrichtung zum Empfangsgerät lauschten wir gespannt den Hörspielen. Sonntags nach der Kirche folgten wir den heiteren Geschichten im „Frühschoppen beim Reslwirt“ und der allerorts beliebten Wunschsendung „Ein Gruß an Dich“. Doch abends zog ich mich zurück in mein Zimmer, um Musik auf AFN (American Forces Network) Munich, die Station of the Stars auf Radio Luxemburg oder „Tanzmusik auf Bestellung“ auf Radio Salzburg zu hören. Anfangs über Ohrstöpsel eines arg rauschenden Detektorgerätes – was den Hörgenuss nicht sonderlich beeinträchtigte – und später aus einem Transistorradio. Im Gegensatz dazu waren die Wochentage nur schwer zu ertragen. Denn der mich abgrundtief hassende Stiefvater und meine sich völlig gewandelt habende Mutter, die ihm stets um des Friedens willen alles zu recht tun wollte, machten mir das Dasein recht freudlos. Meine Mutter, die noch dazu meist alleine für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen musste, hatte selbst oft unerträgliche Erniedrigungen zu erleiden, was ich allerdings erst viel später begriff. Und ich rechne es meinem um sechs Jahre jüngeren Bruder Harald noch heute im höchsten Maße an, 10 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 11 dass er unsere Mutter mehrmals inständig darum gebeten hat, sich von seinem Vater scheiden zu lassen. So hielt ich bis zu den Wochenenden trotzig durch zahllose Streitereien und Demütigungen durch. Unter anderem wurde ich von „Vati“ abends in den düsteren Keller geschickt – sehr wohl wissend um die furchtbare Panik die ich jedes Mal zu erleiden hatte. In immer wiederkehrenden Albträumen wurde ich von dort aus über die Stiegen hetzend von einem Unhold verfolgt oder sah in der Waschküche meine Mutter, weißhaarig und von dichten Spinnweben umgeben, wie aufgebahrt auf einer Holzpritsche liegen. Dazu gab es Ohrfeigen und Schläge aus nichtigen Gründen, oftmaliges Knien auf kantigen Holzscheiteln – um dann in der Küche auf einem durchgelegenen Diwan zu liegen. Kaum eingeschlafen, wurde ich des Öfteren durch Marschmusik aus dem Radio aufgerissen, zu der der von einer Wirtshaustour heimkehrende Stiefvater auf den Tisch trommelte. Wiederholt hielt er dann meiner Mutter lautstark vor, wann sie mich denn nun endlich in ein Erziehungsheim bringe, denn erst dann könnte ihr gemeinsames Glück vollkommen werden. Aber es gab auch viele freudvolle Zeiten bei Freunden und Verwandten. Vor allem bei der Familie meines Onkels Karl Berlinger, der mir zu meinem 15. Geburtstag einen Schmincke-Aquarellfarbkasten schenkte, den ich heute noch verwende – sowie bei der immer wieder Trost spendenden Großmutter mütterlicherseits. Und wenn ich einige dieser Erlebnisse verkürzt niederschreibe, so bin ich mir dennoch voll bewusst, dass ich damit nicht alleine stand. Denn nach wie vor erleiden zahllose Kinder und Heranwachsende wesentlich Schlimmeres. Andererseits wurden mir gerade diese Erfahrungen zur starken Triebfeder einer frühen Selbstständigkeit und Loslösung von Zuhause, und dem entsprechend strengte ich mich in der Schule besonders an. Außer in Mathematik und Chemie bekam ich daher immer gute Noten. In diesem Zusammenhang schreibe ich von der reichlich überzogenen Reaktion meines Chemielehrers, als ich ihm eingestand, mich auf eine entscheidende Prüfung „nur so halb“ vorbereitet zu haben. Geifernd schrie er mich darauf hin an, dass ich wohl das ganze Leben alles „nur so halb“ zu machen gedenke – und so wurde mir dieser Ausruf zum prägenden Schlüsselsatz, so dass ich später keine Arbeit aus der Hand geben mochte, von der ich nicht überzeugt war, sie zur Gänze und bestens erfüllt zu haben. Und dennoch plagten mich so manches Mal selbstkritische Zweifel. 1958: In der 4. Klasse der Hauptschule St. Andrä schnitt ich diese Postkartenansicht des Schlosses Schönbühel in der Wachau aus Linol. Als es um die Frage meiner beruflichen Ausbildung ging, hätte es der Großvater gerne gesehen, dass ich wie er und sein Neffe Karl Bachinger – in dem ich eine Art Vaterersatz sah – zur Bundesbahn ginge. Eine gewisse Begeisterung dafür wurde ja in meiner Kindheit geweckt. So zieht es mich auch heute noch zu Zügen und an den mit zahllosen Erinnerungen verbundenen Hauptbahnhof. Doch mein Deutsch- und Zeichenlehrer hat mich in meinem früh erfolgten Vorsatz bestärkt. Dabei legte er mir nahe, nach Schulabschluss eine Lehre in einem grafischen Gewerbe zu 11 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 12 Bei der Durchsicht des umfangreichen Archivs des Fotografen Johann Barth im Jahr 1986 habe ich ihn gebeten, mir von diesem Bild einen Abzug zu machen. Es weckte Erinnerungen an meine Jugend. Die Aufnahme entstand im Spätsommer 1959, als Herr Barth eine Gruppe von jungen Leuten ins Visier nahm, die sich vor dem Stadtkinogebäude – dem heutigen „republic“ – versammelten. Auch ich stand oft vor diesem stadtbekannten Haus, in dem mein Lehrbetrieb, das Atelier für Gebrauchsgrafik „Die Drei“, untergebracht war. Am Parkplatz stehen einige der heißen Puch MS 50 Mopeds, und links im Hintergrund ist der Eingang ins Gasthaus „Zur goldenen Sonne“, über dem ich neun Jahre später mein erstes Atelier einrichtete. Im Herbst 1960 wurde von den Schülern der 3. Klasse der Berufsschule des Grafischen Gewerbes ein Kalender produziert. Dazu durfte ich unterschiedliche Berufsbilder zeichnen – hier eine Schneiderei – und meine Mitschüler schnitten Farbflächen aus Linol. Von den Zeichnungen wurden Klischees gefertigt und nacheinander die Linolschnitte eingepasst und gedruckt. Seltsamerweise machte ich den meisten Figuren dünne Steckerlbeine ... absolvieren, um eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker an der Höheren Grafischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Wien mit Diplom abzuschließen. In Folge eines Berufseignungstests wäre ich dabei Schriftsetzer in der Salzburger Druckerei geworden, als sich kurzfristig die ideale Konstellation ergab, in einem Grafikatelier als Siebdruckerlehrling aufgenommen zu werden. Mein rühriger Lehrer und Mentor hat, als ehemaliger Kriegskamerad des künftigen Lehrherrn Ludwig Steffny, diesem einen entsprechenden Hinweis gegeben. Daher wurde ich gleich nach Schulende, am 1. Juli 1958, im angesehenen Atelier für Gebrauchsgraphik „Die Drei“, im damaligen Stadtkinohaus, wo sich längst das allseits bekannte „republic“ befindet, aufgenommen. Und damit kam ich zu einem neuen Vornamen. Denn ein schon zuvor eingetretener gleichnamiger Volontär rannte, wenn der Chef einen von uns rief, hinaus in dessen Büro. Da schrie ihn dieser an, er hätte doch den kleinen Werner gemeint. Und so kam entweder der eine oder der andere – oder gar keiner. Kurz darauf zuckte der zu Zornesausbrüchen neigende Lehrherr aus und schrie auf mich ein, ich möge doch als der Jüngere einen deutlich unterscheidbaren Namen annehmen, entweder Otto oder Willi! Und so wurde aus mir ein Willi – ein Name, der sich im Freundesund Bekanntenkreis vielfach bis heute einprägte. Auch meine Enkelinnen nennen mich Willi-Opi. Lediglich mein Bruder Harald mag diesen Namen überhaupt nicht, denkt, ich wäre eine gespaltene Persönlichkeit, so eine Art „Dr. Jekyll or Mr. Hyde“. An der Rückseite des anfangs der 1950er-Jahre erbauten Stadtkinogebäudes, auf dem Areal des zerbombten Salzburger Museums Carolino Augusteum, ragten noch Ruinenmauern und Schutthügel auf. Vor der Wiedererrichtung des 1967 eröffneten Museums befand sich dort in einem schmalen hohen Schluff, unmittelbar hinter der Abgrenzung zur 12 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 13 riesigen Cinemascope-Projektionsfläche, das Atelier des Filmplakatmalers Max Leidinger. Während der 1930er Jahre war er in den großen UFAStudios in Berlin Babelsberg unbestrittener Meister seines Faches. Nach meinen Arbeitszeiten bekam ich manchmal Gelegenheit, ihm über die Schulter zu schauen. Besonders dann, wenn er an der Gestaltung von haushohen „Billboards“ arbeitete, die an der Frontseite des Stadtkinos auf Großproduktionen aufmerksam machten, und ich ihm zur Hand gehen konnte. Da kam ich oft aus dem Staunen nicht heraus, wie er packende Szenen aus „Die zehn Gebote“, „Ben Hur“ oder „Krieg und Frieden“ auf riesigen Leinwänden lediglich kurz mit Kohlestiften anriss, um sie flink und eindrucksvoll auszuarbeiten. In der Barockzeit wäre er sicher einer jener begnadeten Künstler gewesen, die Kirchen und Dome mit üppigen Fresken ausgestattet hätte – mit apokalyptischen Höllenfahrten und von knackigen Putti begleitete Himmelfahrten. Am Beginn meiner Lehrzeit wurde ich in Hallwang von einem Witzbold gefragt, was ich denn da einmal werde – und voll Stolz entgegnete ich: „Ein Grafiker!“ Listig grinsend stellte er die weitere Frage: „Jå – wås tuast denn åftnd, wånn da de Kråh (Krähen) davofliagn?“ Aber als Vierzehnjähriger bekam ich schon mit, was mit den beiden letzten Silben der Berufsbezeichnung gemeint sei. Später beantwortete ich derartige Fragen damit, dass ich in einer Druckerei arbeite – was ja in gewisser Weise auch stimmte. „Aha – då wos de Zeidunga druckan! Jå, då wiast jå amoi a gaunz a Gscheida“. Meine Ausbildung wurde von den beiden Grafikern und Malern Josef Prem und Ludwig Steffny, sowie von Helmut Donat, einem hervorragenden Kalligraphen und Schriftenmaler, nachhaltig geprägt. Peppo Prem war ein brillanter vielseitiger Illustrator und weitum bewunderter Künstler. Seine von leichter Hand geradezu hingezauberten Aquarelle und ausdrucksstarken Tier- und Porträtstudien waren hochbegehrt. Andererseits ... was sich schon zwei Jahre später merklich änderte, nachdem mir der Maler und Grafiker Josef Prem den regelmäßigen Besuch von Abend-AktZeichenkursen angeraten hat. Sie fanden in der damaligen Staatsgewerbeschule am Rudolfskai statt – heute ein Teil der Uni Salzburg. In gnadenloser Weise korrigierte Sepp Prem die ihm vorgelegten Blätter. Damit lernte ich, im wahrsten Sinn, die Augen zu öffnen. Darunter eine Kugelschreiberskizze von Zeichenprofessor Rudolf Dimai, der an manchen Abenden selbst den Stift zur Hand nahm. Mein erstes 1-Bogen-Plakat (59,4 x 84 cm) 13 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 14 hatte er die Gabe, nicht nur mich des Öfteren in Verlegenheit zu bringen. So etwa gleich nach meiner ersten Woche im Atelier, als er von einem Kurzurlaub zurückkehrte, polternd die Tür aufriss, mich bemerkte, anstarrte und rief: „Wås måchst denn du då!“ und ich verdattert stotterte: „Grafiker möcht’ i werd'n“. Und mit geradezu hervorquellenden Augen schrie er mich an: „Wås – a Grafiker! Ob des wås wiad!“ Erst Jahre später erzählte ich ihm, wie sehr er mich damals in Panikstimmung versetzte. Worauf er begütigend meinte, ich hätte ja trotzdem meinen Weg gemacht. Das frühere Vorhaben, nach der Gesellenprüfung zur weiteren Ausbildung nach Wien zu gehen, ließ ich fallen und bin weiterhin bei „Die Drei“ geblieben. Vielleicht auch verbunden mit dem Gefühl von Dankbarkeit. Mein Kollege Volker Uiberreither, der gelegentlich im Atelier im Stadtkinohaus praktizierte und selbst Absolvent der Meisterklasse an der „Graphischen“ war, hat mich in diesem Entschluss bestärkt. Nachdem er sein Studium letztlich als wenig praxisnah bezeichnete, riet er mir, einige Jahre in verschiedenen Ateliers und Werbeagenturen zu assistieren. Damit kam ich zur Einsicht, dass ein mitgegebenes Talent möglichst früh geschmiedet und geformt werden muss. Denn erst das Erfahren und Erlernen vielseitigster Arbeitstechniken, unter immer wieder neuen und geänderten Umständen, der vorbehaltlosen Annahme von oft schwierigen Aufgaben und Herausforderungen, sowie sich von Rückschlägen nicht irritieren oder gar beugen lassen – bilden die breit angelegte Basis zu einem Sprung in die Selbstständigkeit. Arbeiten aus meiner Lehrzeit: Ein Kleinplakat und der Titel zu einem Flugblatt. 1963, nach dem Umzug des Atelier „Die Drei“ in die Imbergstraße: Mit Kollegin Nada Ofner-Kiš, einer vormaligen Zeichnerin in einem Zagreber Trickfilmstudio. Mit meinem jüngeren Kollegen, Knut „Bibi“ Elsenwenger, am Siebdrucktisch. Bibi macht darauf einen eher introvertierten Eindruck. Aber als begnadeter Schlagzeuger der damals weitum bekannten Gruppe „Tornados“ war er ein echter Wirbelwind. 14 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 15 Die Sammlung von Erfahrungen Nach etwa einem halben Jahr zog es mich für beinah sechs Monate weg von Salzburg – als Volontär bei „European Displays“, einem führenden Großstudio für Grafik- und Produktdesign in Athen. Mit Griechenland verbanden mich schöne Erinnerungen, die ich vier Jahre zuvor auf einer mehrwöchigen Rundfahrt per Autostopp mit einer Wandervogel-Jugendgruppe erfahren durfte. Kurz vor Antritt der großen Fahrt machte ich die Bekanntschaft mit einem Astrologen. Nach Erstellung meines Horoskops – Zwilling, mit Aszendent Skorpion – gab er mir den Rat mit auf die Reise, beim Baden im Meer Vorsicht walten zu lassen, denn er sehe Verletzungsgefahr. Nun, bei den vielfachen und weiten Wanderungen – denn allzu viele Autos waren im Griechenland der 1950er Jahre nicht auf den Straßen – lief ich mir eine ordentliche Blase am rechten Fuß. Endlich erstmals im Leben am Meer, hielt ich gleich meine Beine zur Kühlung ins nicht gerade saubere Hafengewässer von Piräus und infizierte dabei die Wunde. Schon am übernächsten Tag war das entzündete Bein bis zum Knie herauf geschwollen, sodass ich nach einer mühsamen Begehung der Ausgrabungen von Mykene von einem mitleidigen Bauern auf dessen Eselkarre ins nächst gelegene Krankenhaus von Argos verbracht wurde. In einer von Palmen umgebenen, idyllisch gelegenen Heilstätte, wurde ich liebevoll umsorgt und innerhalb von drei Tagen kuriert. Die Symptome einer Blutvergiftung kannte ich ja aufgrund einer drei Jahre zuvor erlittenen an der rechten Hand, die beinah fatale Folgen gehabt hätte. Als mir der Arm bis zur Schulter hinauf geradezu exorbitant anschwoll, riet ein auf Kinder losgelassener Mediziner, der sich anscheinend zuvor als gefühlloser Feldscher durch den Krieg brachte, zur radikalen Amputation. Aber der unermüdlichen Fürsorge meiner naturheilkundigen Großmütter habe ich es zu verdanken, dass sie mit immer wieder heiß aufgelegten Leinsamenumschlägen die Entzündung innerhalb weniger Tage Zwei Seiten aus einem Album, das ich kurz nach einer 4-wöchigen Fahrt durch Griechenland mit einer Wandervogel-Jugendgruppe im Sommer 1959 anlegte. Nach Fotos gezeichnet und gemalt, eines der Meteora-Klöster und eine kleine Ansicht des Löwentores in Mykene. Darunter die verzerrte Impression meines kurzen Spitalaufenthalts aufgrund einer Blutvergiftung. Ich zeichnete mich darauf viel zu groß, denn ich bin erst im Alter von 16 Jahren auf das heutige Maß gewachsen. 15 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 16 zum Abklingen brachten. Mit Schaudern denke ich daran, was ich wohl ohne rechten Arm gemacht hätte – Grafiker wäre ich höchst wahrscheinlich nicht geworden. Ende der 1960er Jahre erstellte mir der Astrologe von damals ein ausführliches Lebensbild. Seinen Berechnungen zufolge würde ich zwei Mal heiraten, bekäme vier Kinder – und trotz manch schlechter Bekanntschaften, die meinen Lebensweg kreuzen – in meinem Beruf große Erfüllung finden, und mit 70, wie er betonte, durch meine Arbeit sogar „berühmt“ werden – was natürlich höchst relativ zu sehen ist. Allerdings über das „Nachher“ habe ich als junger Mensch, dem dieses Alter ja noch weit entfernt lag, nicht gefragt – wahrscheinlich auch nicht wissen wollen. Anfangs April 1963 fuhr ich kurz entschlossen und weitgehend unvorbereitet los. Von Salzburg nach Athen war man in jener Zeit mit dem Zug 42 Stunden unterwegs. Gleich nach Ankunft wanderte ich zum Büro des österreichischen Handelsdelegierten. Eigentlich wollte ich ja zur Botschaft, aber die Handelsdelegation lag der Station am nächsten. Dort habe ich vorgesprochen und gebeten, mir bei der Suche nach einer mir adäquaten Stelle behilflich zu sein. Nachdem die Bevölkerung des Landes schon damals hohe Arbeitslosigkeit zu ertragen hatte, konnte mir lediglich ein niedrig honoriertes Volontariat geboten werden, was innerhalb kurzer Zeit durch den liebenswürdigen Herrn Handelsdelegierten ermöglicht wurde. Zwischenzeitlich durfte ich mich in seinem kleinen Stück Österreich erfrischen, bekam von seiner gütigen Frau ein Wiener Schnitzel zu essen und die Gelegenheit, mich um ein günstiges Quartier zu kümmern – vorerst in einer nahe liegenden, etwas heruntergekommenen Jugendherberge. Bereits um fünf Uhr nachmittags saß ich als Filmretuscheur – einer mir von der Lehrzeit her geläufigen Tätigkeit – in der Reproabteilung einer modern ausgestatteten Druckerei. Eigentlich gefiel es mir dort recht gut. Aber schon nach drei Tagen bekam ich die mir insgeheim gewünschte Stelle in einem Grafikstudio, da der Bruder des Druckereibesitzers Chef des Großstudios „European Displays“ war. Während des obligaten Einstandes bei einem Glas Ouzo, starkem Greek Coffee und dem Rauchen einer weit gehaltvolleren Zigarette Papastratos ohne Filter, schwanden mir zwar kurz die Sinne – ich bekam aber daraufhin meinen Arbeitsplatz zugewiesen, gleich gegenüber dem Leiter der Grafik, Herrn Vakis Papadandonakis. Und nachdem der mir später zum kollegialen Freund gewordene Vizechef unbedingt Deutsch lernen wollte, gab es ergänzend zu unseren Englischkenntnissen keinerlei Kommunikationsprobleme. Zu meinen Haupttätigkeiten zählten Fotoretuschen, meist mittels Luftpinsel, die Ausarbeitung von Illustrationen für Bauanleitungen – man denke dabei an IKEA – sowie Reinzeichnungen zu Logos und Schriftzügen, selbstverständlich in Griechisch – von Alpha bis Omega. Vakis blätterte da z. B. in einem amerikanischen Magazin, suchte eine dem Auftrag entsprechende Schrift, um mir die Ausarbeitung der Reinzeichnung eines 16 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 17 gewünschten Schriftzuges zu übertragen. Wie war ich da meinem Meister Helmut Donat dankbar, der mir nicht nur die solide handwerkliche Basis zu derartigen Arbeiten vermittelt hat, sondern darüber hinaus das richtige Gespür für subtile Schriftgestaltung. Nach etwa zwei Wochen in der elenden Jugendherberge – noch dazu schwer belästigt von blutsaugenden Wanzen – überkam mich ein unverhofftes Glück. Auf Zimmersuche im Büro der zentralen Touristenpolizei am Omoniaplatz wies der mit einem Mal süffisant lächelnde Beamte auf eine soeben eintretende, mir schier den Atem raubende damenhafte Erscheinung. Seiner guten Vermittlung zufolge nahm sie immer wieder Gäste in ihrem Appartement auf. Die rotblonde, etwas anämisch wirkende und wunderbar „kuhäugige Göttin“ entsprach dem Schönheitsideal des klassischen Altertums. Nicht nur ihren dunklen, von langen hellen Wimpern umflorten Augen und ihren lasziv verlangenden Blicken war ich geradezu verfallen. Wenn sie mir auch an Jahren beinah doppelt voraus war, entstand kurz darauf eine ganz besondere Liebesbeziehung. Und diese konnten wir vor ihrem längst versprochenen Mann, der im fernen Süden des Peloponnes beschäftigt war, geheimhalten. Er kam lediglich an den Wochenenden und manchmal lud er mich zu einem gemeinsamen Essen ein. Eine besondere Wertschätzung meiner Mitarbeit im Studio erfuhr ich durch die Akzeptanz der Entwürfe zur künstlerischen Außengestaltung des griechischen Pavillons zur Weltausstellung 1964 in New York. Es war ein das gesamte Gebäude umlaufender breiter Fries im Stil attischer Keramikmalerei, mit Szenen aus der griechischen Mythologie, die mir durch die als Schüler begeistert gelesenen klassischen Heldensagen nicht unbekannt waren. Bedauerlicher Weise sind davon keine Entwürfe oder Fotos erhalten geblieben. Bei der Vielzahl interessanter Arbeiten verschob ich immer wieder einen Aufstieg zur unweit gelegenen Akropolis. Aber an manchen Wochenenden war ich mit Kollegen über Land unterwegs, sah höchst interessante Plätze und erlebte Dinge, die vom Tourismus weitgehend unentdeckt waren. Doch das turbulente Alltagsleben in der Großstadt wurde oftmals von Streiks geprägt. War man da mittags bei derartigen Aktionen unterwegs, musste man sich vor aufgebrachten Demonstranten und der einschreitenden Polizei in Hauseingänge flüchten, um nicht dazwischen zu geraten. Denn unterschiedlich zum geflügelten Sprichwort „Mad dogs and Englishmen go out in the midday sun“, war ich gerade an glutheißen Mittagsstunden unterwegs zu meinem Quartier, um dort einem erquickenden Schlaf nachzugehen. Denn im Gegensatz zu Touristen hätte man die üblichen Arbeitszeiten von 9 bis 13 Uhr sowie von 17 bis 21, meist jedoch bis 22 Uhr, und den folgenden Ausgängen zum Essen oder ins Kino, kaum ausgehalten. In diesen strikt eingehaltenen Ruhezeiten war es auch höchst unstatthaft jemanden zu besuchen. Da wurde selbst der nette Herr Handelsdelegierte ziemlich ungehalten, als ich ihn anfangs einmal mit der Frage störte, ob für mich Post da wäre. 17 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 18 Titelgrafik zum Prospekt der Vorankündigung der Teilnahme des Königreichs Griechenland an der Weltausstellung 1964–65 in New York. Auf der rechten Seite: Vier der 1963 erstellten Motive aus der 12-teiligen Kartenserie „The Twelve Olympians“. 18 Sozusagen nebenberuflich zeichnete und malte ich Karikaturen griechischer Götter. Daraus entstand die Bildkartenserie „The Twelve Olympians“. Nach meiner Rückkehr nach Salzburg wurden sie gedruckt und in der Folge im ganzen Land verbreitet. An jedem Straßenkiosk und Souvenirladen von Saloniki bis Kreta wurden meine Götterkarten zum Verkauf geboten – jedes Mal ein höchst erfreulicher Anblick, wenn ich in den Jahren bis 1972 öfters ins Land kam. Jedoch keineswegs erfreulich für mein Bankkonto. Denn in mehr als einfältiger Weise habe ich den Versprechungen des schlitzohrigen Verlegers vertraut und keinen Nutzungsvertrag abgeschlossen, in dem meine Anteile an einem Verkaufserfolg schriftlich fixiert worden wären. Letztlich musste mir der im Grunde ja liebenswürdige alte Herr Verleger doch entgegenkommen. Als im Laufe der Zeit einige der Motive für Werbezwecke kopiert und zur Dekoration an Wänden mancher Tavernen gemalt wurden, beabsichtigte er von den Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 19 19 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 20 Wirten Nutzungsrechte einzuklagen. Dazu wünschte er von mir als Urheber eine beglaubigte Bestätigung für die Überlassung des Copyrights. Doch aufgrund meines vorgebrachten Sachverhalts und eines notariellen Schreibens erreichte der noch akkreditierte und erneut hilfsbereite Handelsdelegierte per Gerichtsbeschluss das Zugeständnis des Verlegers, die Karten des Weiteren nicht mehr zu verbreiten und die Zahlung einer Abfindung von 20.000 Schilling – im Jahr 1969 eine ganze Menge an Drachmen. Als mir der Verleger kurz danach in deutsch-englischem Mischmasch ein erneutes gerichtliches Vorgehen gegen einen Tavernenwirt auf Rhodos schilderte, tat er mir ja wieder leid – ein Zitat daraus: „Der Wirt took me by the neck und ich flog schwebend über stufen, and was blessed all over“. So wurde er schwebend nicht nur überall gesegnet, sondern war eher, wie vorstellbar, von schmerzhaften Blessuren bedeckt. Am 21. April 1968 erlebten die Griechen eine schwere Zäsur. Aufgrund jahrelanger politischer Zerwürfnisse übernahm eine Gruppe von Obristen die staatliche Führung, wies die Königsfamilie außer Landes und erklärte zahllose Landsleute zu Volksfeinden. Das Büro von „European Displays“ wurde geschlossen, nachdem sich die Agenturleitung weigerte für die Militärjunta zu arbeiten. Sämtliche Mitarbeiter landeten auf der Straße und einer meiner Kollegen wurde sogar auf der berüchtigten Verbannungsinsel Jaros interniert. Und Freund Vakis konnte seine Familie lediglich mit der Gestaltung volkskundlicher Reliefs durchbringen, mit denen er Hotels und Touristikbetriebe ausstaffierte. Doch zurück zum Herbst 1963 und der Riesenchance mit einem Arbeitsteam der Agentur in New York vor Ort die Entwürfe an dem inzwischen errichteten Pavillon umzusetzen – und die Agentur dem nicht nachkommen wollte. Denn auf derart einfache Weise in den damals vielgepriesenen „Goldenen Westen“ zu gelangen, sprengte meine Vorstellungen. Denn für mich war dieser Schritt vom kleinen überschaubaren Salzburg in die Großstadt Athen schon ein überaus bedeutsamer. Und so bin ich innerhalb weniger Tage zurück nach Salzburg. Zum Abschied übergab mir die göttliche Artemis noch den Bildband eines Athener Illustrators mit dem bezeichnenden Titel „OΔOΣ ONEIPΩN“ (Weg der Träume), in den sie die Widmung schrieb: „With the wish, to meet you in another life“. Und sollte es ein derartiges geben, so würde ich dort mit offenen Armen empfangen. In der folgenden Woche, am 1. Oktober, hätte ich ja ohnehin meinen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer antreten müssen. Denn bei späterer Rückkehr wäre ich sicher an der Grenze abgefangen und den Militärbehörden übergeben worden. Aufgrund meiner Unsportlichkeit seit Schulzeiten war die sechswöchige Grundausbildung entsprechend hart und mühsam. Und so hing ich während der Dienstzeit in einer Artillerieeinheit in der Siezenheimer Schwarzenberg-Kaserne immer wieder wehmütigen Auswanderungsgedanken nach. Der zuvor so plötzlich verwirklichbar gewesene amerikanische Traum war nicht verflogen. Eigent- 20 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 21 lich wurde dieser schon in meiner Lehrzeit geweckt, als mir die Bibliothek des Amerikahauses in der Münzgasse zu einer Art Wohnzimmer wurde. Wenn ich nicht gerade Aktzeichenkurse in der ehemaligen HTL am Rudolfskai besuchte, verbrachte ich dort so manche Abende und schmökerte in aufliegenden Magazinen und Zeitschriften. Insbesondere war ich von den brillanten Illustrationen des Großmeisters Norman Rockwell angetan, die auf den Titelseiten der „Saturday Evening Post“ prangten. Und darüber hinaus lernte ich so manche Werke der amerikanischen Literatur zu schätzen. Aufgrund dieser starken proamerikanischen Einstellung hat mich daher das Attentat auf Präsident John F. Kennedy überaus getroffen. Ich habe noch die Szene vor mir, als ich am späten Abend des 22. November 1963 mit dem Bus zur Kaserne unterwegs war, bei der Haltestelle Aiglhof plötzlich ein Mann beim Fahrer hereinsprang und entsetzt schrie: „An Kennedy haums daschossn!“ – sich umdrehte und weglief. Mein Bundesheerkollege Otto Urban war ebenfalls beseelt von der Idee nach Amerika auszuwandern. Nachdem wir nach der Grundausbildung einen Kurs in einer Artillerie-Feuerleitstaffel belegten, spielten wir mit den Gedanken uns als Vermessungsgehilfen bei einer amerikanischen Ölförderfirma zu bewerben. Um künftigen Strapazen gewachsen zu sein, meldeten wir uns zu einem dreiwöchigen Ausbilderlehrgang – zwar in Ermangelung von Wüstenbedingungen – so doch im Schnee auf der Glasenbacher Fageralm, im tiefwinterlichen Hochfilzen und der hochalpinen Axamer Lizum. Nach erfolgreichem Abschluss vermittelten wir Jungmännergruppen militärische Basiskenntnisse – und zwar in freundschaftlicher, kameradschaftlicher Weise – im Gegensatz zu der oft stumpfsinnigen und geradezu menschenver-achtenden Ausbildung, die wir zuvor zu erdulden hatten. Aufgrund meiner beruflichen Vorbildung bekam ich den zusätzlichen Auftrag, für den theoretischen Unterricht Lehr- und Schautafeln zu erstellen. Und weil in der Kaserne nicht die rechten Arbeitsbedingungen vorzufinden waren, erlaubte man mir im früheren Lehrbetrieb zu arbeiten. So wurde ich wiederholt vormittags mit einem Jeep in die Stadt zum Atelier „Die Drei“ chauffiert und nachmittags zur Standeskontrolle zurückgebracht. Dazu ein ergänzendes Gschichterl: Im Fasching 1964, am noblen Technikerball im alten Salzburger Kongresshaus, erhielt ich die unverhoffte Gelegenheit zu einer Begegnung mit dem damaligen Oberbefehlshaber der Heeresgruppe West, Generalmajor Zdenko von Paumgarten. Als einfacher Kanonier, lediglich dekoriert mit einem geflochtenen Pfeiferlschnürl an der linken Schulter, das mich als erfolgreicher Absolvent eines Ausbilderkurses auswies, in einer von meiner Großmutter tadellos zurecht geschneiderten Ausgehuniform (wäre nach §9 der ADV unter Beschädigung von Heeresgut strafbar gewesen) – war ich ihm aufgefallen und von einer Ordonanz an seinen Tisch beordert worden. Dabei nutzte ich die Gelegenheit, nicht nur von meiner Arbeit an den Lehrtafeln zu berichten, sondern ihn zu bitten – nachdem ich ein zauberhaftes Mädchen kennenlernte – meine Ausgangserlaubnis Eines meiner Wehrpass-Bilder – ausgeschnitten und „ergänzt“. Das Dokument zu einer besonderen militärischen Begegnung. 21 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 22 Abbildungen rechts oben: Vorschläge bzw. Ausarbeitungen von Sternzeichen-Motiven für einen Glückwunschkartenverlag. Auf Anregung des Bruders einer amerikanischen Freundin, damals Coach eines American Football Teams der USArmy, zeichnete ich diese turbulente Massenszene. Fast ein Suchbild – einer der Spieler ist sogar im Ballbesitz, der Referee wird regelwidrig festgehalten. 22 bis zur Tagwache zu verlängern. Das Gespräch hatte zur Folge, dass er sich zu einer Besichtigung der Einheit ansagte, was dort allgemein enorme Unruhe verursachte – außer bei dem mich fördernden Leutnant Gerhard Fasching, dem stellvertretenden Batteriekommandanten. Die Bemühungen des Generalmajors, sich im Verteidigungsministerium für die Verwendung der Illustrationen in einem bevorstehenden Neudruck der Dienstvorschriften einzusetzen, gingen letztlich nicht durch. Andererseits hätte ich mir eine Laufbahn als uniformierter, oder gar beamteter Grafiker, nicht vorstellen können. Freund Otto Urban blieb für drei weitere Monate im Dienst, um seine Kenntnisse als Landvermesser zu vertiefen. Ich wurde zuvor schon im Atelier „Die Drei“ dringend gebraucht und so verkaufte ich Otto meinen Puch DS 50 Mopedroller, mit dem er leichter in die Kaserne kommen konnte. Zwischenzeitlich korrespondierte Otto mit diversen Ölfirmen und bekam schließlich die Zusage einer amerikanischen Firma, die im arabischen Raum bohrte. Unmittelbar nach Abschluss seiner Dienstzeit, Ende August 1964, fuhr er mit der Absicht sich persönlich vorzustellen, aber auch getrieben von unstillbarer Abenteuerlust, mit dem Moped los. Im syrischen Aleppo fand seine Mission jedoch ihr jähes Ende. Das aufgrund eines Vorderradgabelbruchs havarierte „Pucherl“, ließ Otto nach Salzburg transportieren, erwarb kurz darauf einen VW-Käfer, mit dem er einige Wochen später tödlich verunglückte. Damit starb auch meine Sehnsucht nach Amerika, die andererseits auch aufgrund meiner innigen Beziehung zu den Großeltern immer wieder zurückgehalten wurde. Denn Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 23 mich so weit entfernt zu wissen, hätte nicht nur ihnen das Herz gebrochen – war ich doch der einzige Nachkomme ihrer verstorbenen bzw. gefallenen fünf Kinder. Des Weiteren wurde mein glänzendes Amerikabild durch das zunehmende Kriegsengagement der US-Administration in Vietnam arg angekratzt. Besonders als Gerüchte kursierten, dass junge Einwanderer bei der Registrierung zu befürchten hätten, nach einer Schnellausbildung an die südostasiatische Front geschickt zu werden. Der Wunsch ins vormalige Land der Träume zu kommen, ist daraufhin völlig verkümmert. Ich war daher niemals in New York und auch nicht in Pocatello, Idaho, von wo einst ein geliebtes Mädchen herkam, dessen Bruder Spielerstar eines führenden Footballteams der US-Air-Force war. Meine erste Frau Heide, die als Puppenspielerin des Salzburger Marionettentheaters dieses weite Land auf zahlreichen Tourneen auf ihre Weise erleben durfte, sowie mein weitgereister Bruder Harald, der mit seiner Frau mehrmals monatelang Nordamerika durchkreuzte und mit einem Campingbus sogar die Welt umrundete, brachten mir das Land zwar nahe, aber dorthin zog es mich nie mehr. In den folgenden Monaten verfolgte ich verschiedentlichste berufliche Ziele. Nach einigen abschlägigen Kontakten zu Glückwunschkartenverlagen und Firmen absolvierte ich Kurzvolontariate bei Werbeagenturen in Düsseldorf und Hamburg. In dem dort ansässigen Tabakwerk Reemtsma präsentierte ich ganzseitige Inserate für deren Marke Peter Stuyvesant, die mit dem Slogan „Der Duft der großen weiten Welt“ warb. 1965: Über einige realistische Darstellungen von wagemutigen Entdeckern und Pionieren versuchte ich den Marketingleuten bei Reemtsma in Hamburg den Duft der großen, weiten Welt schmackhaft zu machen. Wie z. B. mit dem Afrikaforscher Georg Schweinfurth, dem Alpinisten Hermann Buhl ... 23 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 24 ... und den britischen Weltumsegler James Cook. Sie vertrauten jedoch alleine dem Geschmack der Raucher der über lange Zeit beliebten Zigarettenmarke. Die griechischen Götter ließen mich auch danach nicht ruhen: Zwei weitere Versionen des Götterboten Hermes – rechts als Motiv zu Anzeigen und Plakaten für die damalige griechische Luftlinie Olympic Airways. 24 Nach anfänglich gezeigtem Interesse für meine Weltentdecker bekam ich jedoch nach einigen Tagen einen abschlägigen Bescheid. Im Frühjahr 1965 legte ich, anlässlich eines Kurzaufenthaltes in Athen, in der Zentrale der griechischen Luftlinie Olympic Airways, Entwürfe zu einer Anzeigenserie vor, die letztlich ebenfalls nicht akzeptiert wurden. Doch darüber hinaus bewarb ich mich erneut bei „European Displays“. Dieses Mal mit der Absicht gemeinsam mit meinem Kollegen Elmar Prack, einem wunderbaren und vielseitigen Lebenskünstler, aufgenommen zu werden. Dabei hätte ich sogar eine offizielle Arbeitserlaubnis bekommen können. Doch kurz vor der Abreise im Juni bekam Elmar beinah psychotische Bedenken, wie gesundheitlich beeinträchtigend sich die hohen Temperaturen in Griechenland auf ihn auswirken könnten. So blieb ich höchst widerwillig in Salzburg. Daraufhin gründeten wir eine Ateliergemeinschaft und nannten sie „Alpha“, als kleine Reminiszenz an unser verfahrenes Vorhaben. Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 25 25 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 26 Angeregt durch beeindruckende Illustrationen im amerikanischen Männermagazin „Esquire“, versuchte ich mich als Modezeichner ... 26 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 27 ... die schließlich zu Aufträgen für das Salzburger Modehaus Thalhammer führten. Und dem entsprechend kleidete ich mich auch. 27 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 28 Anfangs bezogen wir einen Nebenraum in der Steuerberatungskanzlei seines Vaters im Mozartkinohaus in der Kaigasse, um kurz darauf in einen Neubau, im Innenhof des Hauses Mirabellplatz 10, zu übersiedeln. Am Arbeitstisch, in dem gemeinsam mit Elmar Prack geführten Atelier, im Hinterhofgebäude am Mirabellplatz 10. Unser Atelier wurde zum beliebten Treffpunkt unserer Freunde und Ausgangspunkt zahlloser Lokaltouren. Im Sommer ging es besonders hoch her, denn da kamen auch Elmars frühere Schauspiel- und Sängerstudienkollegen aus Wien zu ihren Engagements bei den Salzburger Festspielen. Manche dieser etwas exzessiven Abende endeten in unseren Stammlokalen, wie im „Weißen Kreuz“ in der Herrengasse oder im „Salzachkeller“ des Österreichischen Hofes. Eines späten Abends landeten wir in der alten Wachstube der Polizeidirektion in der Churfürststraße – aufgrund zweier abgerissener Hortensienblütendolden aus Blumentrögen, die wir entgegen kommenden jungen Damen hätten überreichen wollen. Ein uns dabei beobachtender Zivilpolizist, dem Elmar noch dazu die vorgewiesene Dienstmarke aus der Hand schlug, führte uns folglich recht energisch zur Wache ab. Nach einer etwa einstündigen Festhaltung wurden „die depperten Intelligenzler“ entlassen – obwohl sich Elmar despektierlich darüber aufpudelte, dass es im Wachzimmer gar arg stinke. Umschlag zu einem Rezeptheftchen für Wiberg-Gewürze, wofür wir auch Etiketten für Streugläser und Gewürzbeutel ausarbeiten. Darunter Entwürfe zu Anzeigen für ein Salzburger Autohaus. Elmar schnitt dazu in Linol ein Pferdchen, das mehrmals aufgedruckt wurde, um in eindrucksvoller Weise die hohe PS-Stärke eines Austin Cooper S zu demonstrieren. Aufgrund relativ weniger, aber dennoch interessanter und herausfordernder Aufträge, die meist im Café Bazar durch Elmars geschickte Aquisitionskünste von bekannten Firmen wie Mirabell Süßwaren und Wiberg Gewürze zustande kamen, arbeitete ich in unserem Studio lediglich in den frühen Abendstunden. Denn untertags war ich freier Mitarbeiter im Atelier meines verehrten Kollegen, des Grafik- und Produktdesigners Prof. Rudolf Ferch. In dieser überaus erfahrungsreichen Zeit arbeitete ich gemeinsam mit Rudis Schwager, dem Fotografen Alfons Graf Coreth, an den Ausarbeitungen von Rudis Entwürfen und Gestaltungen zu Skidesigns, 28 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 03.06.15 01:32 Seite 29 Katalogen und Prospekten für Fischer und Kästle Ski, sowie zu Etiketten und Werbemitteln für die Österreichische Brau AG und die Brauerei Zipf. Zur Präsentation neuer Etiketten wurden da nicht wie üblich zwei Varianten auf Flaschen geklebt, sondern gleich sämtliche Flaschen einer ZwanzigerKiste ausstaffiert. Von einem ausgereiften Entwurf wurde die Reinzeichnung ausgearbeitet, mit farbgetrennten Filmen im Siebdruck eine volle Ausstattung erstellt, teils von Hand effektvoll ausgeschmückt und als kleine Gesamtkunstwerke dem staunenden Vorstand präsentiert. Darüber hinaus fertigten wir, gemeinsam mit dem Kollegen Georg Altenburg, in akribischer Weise Modelle für Messestände, aber auch höchst beeindruckende zu aufwändigen Architekturprojekten. Daran mitzuwirken war für mich besonders erfahrungsreich, nachdem meine in der Kindheit gebastelten Vogelhäuschen immer gleich zusammenfielen und Flugdrachen selbst bei günstigsten Winden nie aufstiegen. Doch zu Beginn des Jahres 1968 stellte uns Rudi vor die Entscheidung, entweder am Aufbau eines Grafik- und Werbestudios bei Fischer Ski in Ried mitzuwirken oder uns selbstständig zu machen. Alfi, der sich bis Mitte der 1950er Jahre in Waizenkirchen, im nördlichen Innviertel, auf dem Besitz seiner Eltern als Gemüsebauer seinen Unterhalt verdiente, wollte alleine schon aus familiären Gründen nicht zurück aufs Land. Mit der Zusicherung, anfangs weiterhin Aufträge von Fischer und Kästle zu erhalten, entschieden wir uns für die Selbstständigkeit. 1967: Mein erster Buchumschlag entstand für den Salzburger BerglandVerlag im Kiesel-Gebäude. Ausgehend von den Etruskern, begann sich ein Bogen an Gestaltungen für die Archäologie zu spannen, der mit den Kelten bis in die jüngere Zeit führt. Eine der vielen Ausarbeitungen für den Kollegen Rudi Ferch. 29 Hölzl_Lebenslinien_Kern:Hölzl 05.06.15 15:53 Seite 30 30
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