HANDARBEIT WOHNTRÄUME MIT PATINA Aufmöbeln im Shabby-Stil Oberflächen mit Kratzern, abgeplatzte Farbanstriche, Lieblingsstücke mit Gebrauchsspuren – alles in hellen Naturtönen: Unvollkommenheit macht den Charakter der angesagten Shabby-Einrichtung aus. Im niedersächsischen Hude zeigt uns Claudia Behrendt, wie das künstliche Altern gelingt Ein ausgedientes Möbelstück, etwas Schleifpapier, Grundierung und Farbe: Shabby-Möbel lassen sich mit wenig Material und Aufwand selbst herstellen F In den ehemaligen Stallungen von Hof Mümken, einem Anwesen mit weitläufiger Gartenanlage, befindet sich die Werkstatt von Claudia Behrendt reude am Gestalten – das hatte Claudia Behrendt schon immer. Und es sind vor allem die gröberen Arbeiten, welche die sympathische Niedersächsin besonders gerne ausführt. Hämmern, schleifen, pinseln – das ist ihre Welt. G enau dies hat immer den perfek ten Ausgleich zu ihrer beruflichen Tätigkeit als Zahnarzthelferin g eboten, die von filigraner Detailarbeit geprägt ist. Lange Zeit war der begeisterten Handwerkerin die Beschäftigung mit Möbeln, Farben, Stoffen und Deko-Elementen in ihrer Freizeit genug. Dann traf sie einen beherzten Entschluss: Nach 20 Jahren Arztpraxisalltag sollte ein Fernstudium der Architektur und Raumgestaltung das Hobby zum Beruf machen. „Auch wenn mir das Entwerfen und Planen, das im Studium im Vordergrund stand, großen Spaß gemacht hat, merkte ich schnell, dass ich eher der praktische Typ bin“, resümiert die kreative Norddeutsche. In ihrer Werkstatt weckt sie seitdem alte Möbel aus dem Dornröschenschlaf und verleiht ihnen den edel-nostalgischen Shabby-Charme. Harmonische Gegensätze Einerseits etwas Antikes, das den Zauber einer längst vergangenen Zeit ausstrahlt, andererseits Liebes Land 02/2015 23 HANDARBEIT Einrichtung im Shabby-Chic-Stil: alte Möbel mit hellem Anstrich kombiniert mit modernen Elementen wie der Deckenleuchte 1 2 1 Der Stuhl wird zunächst mit Schmirgelpapier angeschliffen, damit die Oberfläche anraut und die späteren Anstriche haften bleiben 2 Nachdem eine Haftgrundierung zweifach aufgetragen wurde, kann die Farbschicht aufgepinselt werden 3 Mit Schmirgelpapier und Messer werden an den Stuhlkanten die shabby-typischen Gebrauchsspuren eingearbeitet 4 Die Patinalasur, die die Oberfläche leicht brüchig werden lässt, verstärkt den antiken Effekt; im Anschluss kann der Stuhl versiegelt werden 3 4 eine farbliche Frische, die eine gewisse Leichtigkeit vermittelt – das ist, was Liebhaber des ShabbyChics so mögen. Auch Claudia Behrendt schätzt diese spezielle Mischung aus Alt und Neu, aus Flohmarktstücken und modernem Design, aus schlichter Eleganz und verspielten Details: „Weiß ist eindeutig die Farbe, die bei uns zu Hause überwiegt. Mit farblichen Akzenten wie einem rustikalen Holzschrank, farbigen DekoAccessoires oder einem bunten Blumenstrauß versuche ich einen Gegenpol zu schaffen.“ Die Liebe zum Detail ist dabei ein wesentliches Element. „Ich habe oft bestimmte Phasen. Momentan gefallen mir große Sheriffsterne sehr gut, mit denen ich die Lehnen unserer Esszimmerstühle verziert habe. Passendes Zubehör wie zum Beispiel Sternservietten auf dem Tisch mussten das Ganze dann natürlich ergänzen.“ Den Trend nutzen Über das anhaltende Interesse an dem beliebten Shabby-Stil freut sich auch die Möbelindus trie. Vom kleinen Deko-Objekt bis hin zum Großmöbel bietet der HandelEinrichtungen mit den gewolltenMacken und Schrammen teilweise sehr hochpreisig an. Doch gerade bei diesem Stil kann man auf professionell hergestellte Designerstücke bestens verzich ten. Schließlich ist es das Unperfekte, das den Reiz ausmacht. Garderoben, Kommoden, Regale, Schränke – Claudia Behrendt hat schon unzähligen ausrangierten Möbelstücken, die ihre beste Zeit vermeintlich hinter sich hatten, 24 Liebes Land 02/2015 Liebes Land 02/2015 25 HANDARBEIT den angesagten Anstrich verpasst. In regelmäßig stattfindenden Kursen gibt sie ihr Fachwissen, aber auch ihre praktischen Erfahrungen an interessierte Do-it-yourself-Handwerker weiter. „In jedem Seminar gehe ich mit den Teilnehmern kleine Projekte an, wie das Vergolden eines Gipsornaments oder das Altern eines Bilderrahmens. Es ist mir wichtig, dass die Leute gleich Hand anlegen, ein E rfolgserlebnis haben und am Ende ihre selbst bearbeiteten Stücke mitnehmen können“, so die ideenreiche Wohnexpertin. Gebrauchtes wird antik Hat man die Vorgehensweise der künstlichen Möbelveralterung verstanden, lässt sich das Prinzip auf jedes Holzmöbel übertragen. Am Anfang eines jeden Projekts steht die exakte Vorbereitung. Claudia Behrendt bearbeitet das Werkstück mit grobem Schleifpapier, fegt Staub mit einemBesen weg. Nach zweimaligem Grundieren mit einem weißen Haftmittel ist ein Zwischenschliff mit Schmirgelpapier notwendig – stark gewachste Möbel reibt sie vorab mit reinem Alkohol ab, um die oberste Schicht zu entfernen. Dann folgt der Farbanstrich in antikem Weiß. Die typischen Gebrauchsspuren entstehen, indem sie mit einem Stück Schleifpapier oder der stumpfen Seite einer Messerklinge dort Farbe wieder abträgt, wo die Gebrauchsspuren sein sollen. Mit einem Tuch entfernt sie Überreste und pinselt dann eine spezielle ShabbyLasur auf, welche sie aus Leinölfirnis, Terpentinersatz und Info TRENDSTIL SHABBY-CHIC Ähnlich wie bei einer hübschen Jeans machen auch im ShabbyChic-Stil nicht Perfektion und Vollkommenheit das Besondere aus. Es sind vielmehr offensichtliche Abnutzungsspuren, blasse Farben und grobe Naturmaterialien ausschlaggebend für den speziellen Charme. Die britische Innenarchitektin und Stylistin Rachel Ashwell, die Ende der 1980er-Jahre in Kalifornien die Schönheit des Unvollkommenen salonfähig machte, gilt als Erfinderin des edlen Flohmarktstils. Ihre Idee: Altes und Neues, Elegantes und Trödel harmonisch miteinander zu kombinieren. UNTEN LINKS Liebe zum Detail: Ein Fensterladen in klassischen Shabby-Weiß wurde mit einer antik anmutenden Gipsapplikation edel verziert UNTEN RECHTS Mit hauchdünner Schlagmetallfolie, einem preiswerten Blattgoldersatz, gelingt die Vergoldung solcher Gipsornamente Unikat aus zwei alten Nachttischen: Der helle Antikanstrich und die Abstellfläche aus Treibhölzern machen die Kommode zum Blickfang im Eingangsbereich Liebes Land 02/2015 27 HANDARBEIT Pastellige Farben, die aus 95 Prozent Kreideanteil, Naturpig menten sowie Wasser bestehen, zählen zu den Hauptmaterialien beim Herrichten der Möbelstücke. In der Werkstatt stehen sie deshalb stets griffbereit im Regal Nach dem gleichen Prinzip wie bei der Stuhlbearbeitung hat die Shabby-Chic-Expertin auch andere Kleinmöbel aufgewertet. Sie empfiehlt, weiße Möbel mit farblichen Deko-Accessoires oder Holzelementen zu kombinieren Leinölfarben selbst angesetzt hat. Diese bildet später die gewünschte Patina. Eine abschließende Schutzschicht versiegelt den Anstrich, der nach dem Trocknen mit einem Rosshaartuch aufpoliert wird. Immer auf der Suche Beim Sperrmüll, auf Trödelmärkten oder in Antikläden – Claudia Behrendt hält ständig Ausschau nach einzigartigen Stücken, die sie in ihrer Werkstatt aufmöbeln kann. Am Strand ist sie kürzlich auf grob gemasertes Treibholz gestoßen, das ihr Herz erobert hat. „Jetzt zieren die beiden Bretter die Ablagefläche einer Kommode, die im Eingangsbereich unseres Hauses steht“, erzählt die Möbelexpertin. Aus zwei alten Nachttischen hat sie das Unikat gebaut. So hat ein jedes Shabby-Stück seine eigene Geschichte – und gerade diese Einzigartigkeit macht auch die große Faszination am handwerklichen Gestalten aus. Constanze Zapp Fotos: Stephanie Schweigert KONTAKT Shabby-Chic-Werkstatt Hof Mümken, Maibuscher Str. 10 27798 Hude, Tel. 0160/360 78 92 www.shabby-chic-workshop.de Wohnlichkeit in der Werkstatt: Ihren Arbeitsplatz hat Claudia Behrendt mit Shabby-Chic-Unikaten gemütlich ausgestattet Liebes Land 02/2015 29
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