Sidra Wajeze, 9. Kislew 5776 20.11.2015 18.45 Ma’ariw leSchabbat 21.11.2015 10.00 Schacharit leSchabbat Steinhaufen und Friedensmahlzeit „Und Ja’akow sprach zu seinen Brüdern: Lest Steine auf! Und sie nahmen Steine und errichteten einen Steinhaufen und hielten dort auf dem Steinhaufen ein Mahl. Und Lawan nannte ihn Jegar-Sahaduta, Ja’akow aber nannte ihn Gal’ed (Bereschit 32, 46-47). Diese Verse aus der dieswöchigen Sidra Wajeze, beschreiben einen friedlichen Abschluss eines komplizierten Konfliktes. Die Zutaten dieses Konfliktes sind Erbschaft, Besitz, Familienverhältnisse und Glauben. Ja’akow, verheiratet mit den Töchtern Lea und Rachel, ist der Schwiegersohn von Lawan. Überdies ist Lawan der Bruder von Ja’akows Mutter Riwka und somit Ja’akows Onkel. Zudem stand Ja’akow zwanzig Jahre als Hirte im Arbeitsverhältnis zu seinem Onkel. Ja’akow und Lawan belügen und betrügen einander. Anders wie übereingekommen, bekommt Ja’akow nicht Rachel sondern Lea zur Frau. Lawan seinerseits ändert Ja’akows Lohn je nach Laune. Als Ja’akow sich dann nach vielen Jahren von Lawan lösen will und die zwei ein Abkommen darüber machen, welche Tiere Ja’akow, wenn es so weit ist, als Lohn für seine treue Arbeit mitnehmen darf, manipuliert Ja’akow die Fortpflanzung der Tiere zu seinem Vorteil. Lawans Brüder entdecken den Betrug, worauf Ja’akow sich mitten in der Nacht mit Frauen, Kindern, Gut und Habe wegschleicht. Rachel stiehlt die Götzen ihres Vaters und versteckt sie in ihren Satteltaschen. Lawan setzt Ja’akow nach, holt ihn ein und macht ihm bittere Vorwürfe. Warum er sich wegschleiche ohne dass er, Lawan, sich von seinen Töchtern verabschieden konnte. Warum er seine Götter gestohlen habe? Nach heftiger Streiterei beruhigen sie sich und entscheiden friedsam auseinander zu gehen. Ja’akow geht mit seiner Familie, seiner Herde und seinem Glauben nach Westen. Lawan, mit Allem was ihm gehört, nach Osten. Um die friedliche Trennung zu feiern, richten Ja’akow und Lawan einen Steinhaufen auf und essen eine Friedensmahlzeit. Aussergewöhnlich ist die Tatsache, dass die Tora die Beschreibung dieses Steinhaufens auf Aramäisch Jegar Sahaduta, Lawans Sprache, und auf Hebräisch, Gal’ed, Ja’akows Sprache, wiedergibt. Ja’akow und Lawan schaffen es trotz massiver Unterschiede in Mentalität, Herkunft, Sprache und Glaube und trotz aller Spannungen und Animositäten, einen Steinhaufen zu errichten, der als Zeugnis ihrer Übereinstimmung gelten soll und die Toleranz ihrer Kulturen symbolisiert. Nach den Terroranschlägen in Paris, nach allen Bombardements auf Syrien und Irak, bei so viel Vorrat an Selbstmord Attentätern und abertausenden Nigerianern, die durch Boko Haram terrorisiert und ermordet werden, ist es schwierig uns vorzustellen, dass die ‚Ja’kows‘ und ‚Lawans‘ dieser Konflikte einen Steinhaufen als Zeichen für den Frieden errichten und eine Friedensmahlzeit essen. Wir dürfen die Hoffnung aber auf keinen Fall verlieren. Schabbat schalom, Rabbiner Ruven Bar Ephraim
© Copyright 2024 ExpyDoc