Experimentelle Untersuchung der dynamischen Masse einer sitzenden Versuchsperson bei Schwingungen in der X-Richtung zur Bildung eines Modells G. Fleury, INRS, Institut National de Recherche et de Sécurité, Centre de Lorraine. Kurzfassung Eine auf einem Fahrersitz sitzende Versuchsperson wird Schwingungen in der X-Richtung ausgesetzt. Die X-Komponenten der Beschleunigungen und der Kräfte werden erfaßt, um die dynamische Masse der Person nachzurechnen. Die Einflüsse des Fahrersitzes und der Anfangshaltung der Versuchsperson auf die dynamische Masse werden untersucht. Fünf Sitzkonfigurationen werden untersucht: (a) Flache, unverformbare Sitzfläche; (b) Flache, unverformbare Sitzfläche mit Schaumstoff bezogen; (c) Fahrersitz ohne Rückenlehne bei desaktivierter Längshorizontalfederung; (d) Fahrersitz mit Rückenlehne bei desaktivierter Längshorizontalfederung; (e) Fahrersitz mit Rückenlehne bei aktiver Längshorizontalfederung. Es werden drei Anfangshaltungen der Versuchsperson untersucht. Ihre Füße können auf dem schwingenden Boden oder auf einer Fußstütze ruhen. Ihre Hände ruhen auf dem Schoß oder halten das Lenkrad fest. Die Messergebnisse werden zur Erarbeitung eines Modells des sitzenden Mensch für X-orientierte Schwingungen ausgewertet. Abstract One seated subject was exposed to random vibration along the fore-and-aft axis. Acceleration and force in the X-direction were recorded to calculate his apparent mass and to investigate the effect of body posture and seat configuration on apparent mass. Five seat configurations were tested: flat rigid seat surface, flat rigid seat surface covered with 20 mm foam, driver seat cushion without backrest and Suspension, driver seat cushion with backrest and no suspension, driver seat with backrest and suspension. Three postures were also investigated, feet either directly supported on the shaker or on a footrest fixed to the seat. Hands were located on tights or on steering wheel. Backrest, initial position of the upper body, hands position are relevant parameters, to be taken into account for the development of a numerical model of a subject exposed to whole-body random vibration in the fore-and-aft direction. 1. Einleitung Während der Führung von Fahrzeugen wie zum Beispiel Lastwagen oder Gabelstaplern, wird der sitzende Fahrer Ganzkörperschwingungen ausgesetzt. Sie sind für den Fahrer unangenehm und stören ihn in seinen Bewegungen zur Führung der Maschine. Zur Beschreibung der Ganzkörperschwingungen wird als Bezugssystem ein auf den sitzenden Menschen bezogenes Koordinatensystem eingeführt. Die X-Achse entspricht der Rücken-zuBrust-Richtung, die Y-Achse der Richtung von rechter zu linker Schulter und die Z-Achse der Richtung vom Gesäß zum Kopf. Eine der Funktionalitäten eines Fahrersitzes besteht aus der Verminderung der Ganzkörperschwingungen. Die meisten Sitze werden mit senkrecht eingebauter Federung versehen und verringern dadurch hauptsächlich die Z-Komponente der Schwingungserregung. Bei einigen Fahrzeugen wird der sitzende Fahrer waagerechten Schwingungen ausgesetzt, die ihn ebenfalls bei seiner Tätigkeit stören. Die Vor- und Rückwärtsbewegung eines Radladers beim Laden erzeugt X-orientierte Schwingungen. Lokomotivführer werden mit Y-orientierten Schwingungen belastet. Schiffe oder Baustellenfahrzeuge, wie Radlader, können in bestimmten Dienstbedingungen zum Stampfen gebracht werden. Daraus ergeben sich Ganzkörperschwingungen des Fahrers, deren X-Komponente nicht zu vernachlässigen ist. Im Vergleich zu senkrechten Ganzkörperschwingungen sind die mechanischen Phänomene bezüglich der waagerechten Ganzkörperschwingungen wenig untersucht worden. Es steht keine Versuchsmethode zur Überprüfung der Wirksamkeit eines Fahrersitzes in den horizontalen Schwingungsrichtungen zur Verfügung. Konstruktionsregeln waagerechter Federungssysteme fehlen. Numerische Werkzeuge zur Optimierung geeigneter technischer Lösungen sind nicht vorhanden. Infolgedessen werden Fahrersitze zur Zeit selten mit waagerechten, schwingungsisolierenden Systemen versehen. Im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms VIBSEAT arbeiten Sitzhersteller, Universitäten und staatliche Ämter für Arbeitschutz zusammen zur Entwicklung technischer Lösungen, die horizontale Ganzkörperschwingungen vermindern. Das Programm VIBSEAT ist in fünf Arbeitsgruppen organisiert. Die erste Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Erfassung der in der Praxis auftretenden Schwingungsexpositionen. Die zweite Gruppe untersucht die subjektiv empfundenen Wirkungen von Ganzkörperschwingungen. Die dritte Arbeitsgruppe führt an Versuchspersonen mechanische Laborversuche durch, um objektive Meßdaten zu gewinnen. Die vierte Arbeitsgruppe erarbeitet eine Versuchsmethode. Ziel der fünften Arbeitsgruppe ist die Entwicklung numerischer Werkzeuge zur Optimierung schwingungsisolierender Systeme in den horizontalen Schwingungsrichtungen. Das INRS nimmt insbesondere an der dritten und fünften Projektgruppe teil, um ein Modell des sitzenden Menschen für die X-Schwingungsrichtung zu entwickeln. Dieses Modell soll die relevanten mechanischen Phänomene nach bilden können. Zur Gewinnung der Modellparameter wird der Fahrersitz eines Radladers mit X-orientierten Schwingungen beansprucht. Die horizontale Federung besteht aus einer Feder und einem Dämpfer. Reibungen finden in der Führungsschiene statt. Zur Ermittlung der Federsteifigkeit, der Dämpfungs- und Reibungskonstante werden Komponentenversuche durchgeführt, wobei jeweils die an eine Masse gekoppelte Komponente mit horizontalen Schwingungen erregt wird. Die Modellvalidierung des sitzenden Menschen erfordert die Sammlung zahlreicher experimenteller Messwerte und deren Analyse. Dieser Artikel stellt in einem ersten Teil die in der Literatur vorhandenen Informationen vor. Im zweiten Teil, werden die am INRS selbstdurchgeführten Experimente vorgestellt. Die Messergebnisse werden ausgewertet. 2. Literaturauswertung Das mechanische Verhalten des auf einem Fahrersitz sitzenden Menschen hängt stark von der Erregung, vom Sitz und von der Anfangshaltung der Person ab. In allen Studien bleibt die Haltung der Versuchsperson während der Versuche unverändert und bestimmt deswegen die Wechselwirkungen zwischen Fahrer und Maschine. Zahlreiche Arbeiten, wie zum Beispiel [9], [10], behandeln diese Thematik für den Fall vertikaler Vibrationen. Die Grundlagen können an horizontale Forschungsarbeiten untersuchen Schwingungen angepaßt werden. Andere hauptsächlich das Verhalten des auf einem Fahrersitz sitzenden Menschen für waagerechte Schwingungen. • Der Schwingungstyp Die veröffentlichten Studien zeigen, dass zur Untersuchung horizontaler Ganzkörperschwingungen, verschiedene Beanspruchungstypen eingesetzt werden: weißes Rauschen in [4], [5], [6]; harmonische Schwingungen in [1], [2] und [10] and Signal der Klasse 3 bezüglich der Norm DIN IN ISO 7096 für [11]. Wenn die sitzende Versuchsperson mit harmonischen Schwingungen in der X-Achse beansprucht wird, steigt der Impedanzbetrag sowie die Frequenz maximaler Impedanz der Versuchsperson mit zunehmender Schwingungsamplitude [2]. Wenn die sitzende Versuchsperson mit weißem Rauschen beansprucht wird, zeigt Holmund [10], daß die Impedanzwerte mit steigender Schwingungsstärke abnehmen. • Die Rückenlehne Zur Ermittlung der mechanischen Kennwerte des sitzenden Menschen in den horizontalen Schwingungsrichtungen werden die meisten Laborversuche mit starren Fahrersitzen durchgeführt [1], [4], [5], [6], [11]. Einige Studien, [1] und [10], beschränken sich auf den Fall eines Fahrersitzes ohne Rückenlehne. Andere Arbeiten, [4], [5], [6] und [11] untersuchen, welchen Einfluß die Rückenlehne auf das mechanische Verhalten des sitzenden Menschen hat. Fairley [4] beobachtet, daß wenn die Versuchsperson sich nicht an eine Rückenlehne anlehnt, ihre dynamische Masse zwei Eigenfrequenzen aufweist. Die niedrige Eigenfrequenz ergibt sich aus der Pendelbewegung des Versuchspersonenoberkörpers. Aus der Xorientierten Hin- und Herverschiebung des Gesäßes auf der Sitzfläche resultiert die höhere Eigenfrequenz. Wenn sich die Versuchsperson anlehnt, verschwindet das Oberkörperschaukeln. Wenn sich die Versuchsperson an einer Rückenlehne anlehnt, werden X- und ZKraftkomponenten von Sitzflächen zum Gesäß und X-Kraftkomponente von der Rückenlehne zum Rücken übertragen [6]. • Die Fußstütze Der Einfluß einer Fußstütze wird in [5], [6] und [11] untersucht. Wenn die Füße frei hängen, weist der Verlauf der dynamischen Masse ein zusätzliches Maximum auf [6]. Wenn die Füße auf einer mit der Sitzbasis mitbewegten Fußstütze ruhen, hängt die Kontaktfläche zwischen dem Sitzpolster und den Oberschenkeln von der Höhe der Fußstütze ab. Der Einfluß minimaler, mittlerer und maximaler Kontaktfläche wird untersucht. Aber solange die Füße auf der mit dem Sitz mitbewegten Fußstütze ruhen, weisen die Meßwerte der dynamischen Masse in den drei Fällen keine deutlichen Unterschiede auf [6]. • Modelle des sitzenden Menschen für horizontale Schwingungen Unterschiedliche numerische Modelle der dynamischen Masse oder der Impedanz eines auf einem Fahrersitz sitzenden Menschen wurden für horizontale Schwingungen entwickelt. Mansfield [7] schlägt sechs eindimensionale Modelle mit zwei oder drei Freiheitsgraden vor. Die Bestimmung der Modellparameter Masse, Federsteifigkeit und Dämpfungskonstante ergibt sich aus der Minimierung der Abweichungen zwischen Meßwerten und Simulationsergebnissen. J. Kinne, [11], paßt ein Zweimassenmodell an Impedanzkurven des sitzenden Menschen für die horizontalen Richtungen an. Zur Bildung des Modells wird angenommen, dass das Verhalten des sitzenden Menschen in X- und Y-Richtung nicht gekoppelt ist. Nawayseh [3] beschreibt das Verhalten des sitzenden Menschen für vertikale Schwingungen mit einem Zweimassenmodell im Sagitallschnitt der Versuchsperson. Die zwei Körper werden anhand eines Y-orientierten Zapfen miteinander verbunden. Die X-orientierte Verschiebung des unteren Körpers und die Drehung des oberen Körpers um den Zapfen sind die zwei Freiheitsgrade des Modells. Das Modell sagt die ausgeübten Kräfte in den Xund Z-Richtungen voraus. 3. Versuchsdurchführung • Die Versuchsanlage Der Schwingungserreger besteht aus einem horizontalen und einem vertikalen hydraulischen Kolben. Mit den entsprechenden hydraulischen Pumpen kann eine horizontale Kraft von bis zu maximal 10 kN im Frequenzbereich [0-20 Hz] ausgeübt werden. Die Eingangsbeschleunigungen, deren Verteilung weißem Rauschen bei 20 Hz entspricht, werden von einem Magnetband gelesen, zweimal integriert, verstärkt und an den horizontalen Kolben übertragen. Die getesteten Schwingungsstärken betragen 0,44 und 1,2 ms-2. Zwei Kraft- und zwei Beschleunigungsaufnehmer messen die X-Komponente der Kräfte und der Beschleunigungen vor und nach der Schwingungsisolierung [Abb. 1]. Der untere Kraftaufnehmer verbindet einen mit dem Schwingungserreger befestigten Sockel mit einer Aluminiumplatte. Auf dieser wird die Federungsbasis festgeschraubt. Auf dem beweglichen Teil der Federung wird eine zweite starre Aluminiumplatte befestigt. Zwischen dieser Platte und dem Fahrersitz erfaßt der obere Kraftaufnehmer die an den sitzenden Menschen übertragenen Kräfte. Die zwei Beschleunigungsaufnehmer sind auf jeweils einen Kraftaufnehmer montiert. Abbildung 1: Versuchsanlage Anhand der Software LMS werden die Messdaten der vier Kanäle erfasst. Die Beschleunigungs- und Kraftspektren werden vor und nach der Federung erfasst. Mit Hilfe dieser Spektren werden die Real- und Imaginärteile der Übertragungsfunktion zwischen Kraft und Beschleunigung berechnet. Jede Versuchsserie beginnt mit einem Leerversuch ohne Versuchsperson. Die Real- und Imaginärteile der Übertragungsfunktion aus dem Leerversuch werden von den Real- beziehungsweise Imaginärteilen der Übertragungsversuche mit den Versuchspersonen subtrahiert. Aus der Differenz ergeben sich Betrag und Phasenwinkel der dynamische Masse des sitzenden Menschen. Die Frequenzen über 8 Hz werden nicht berücksichtigt. Die Versuchsaufnahme erfolgt mit einer Frequenzauflösung von 0,0625 Hz, während 20 Zyklen, was einer Versuchsdauer von 5 Min. und 20 Sek. entspricht. • Der Fahrersitz Während der ersten Versuchsreihe sitzt die Versuchsperson auf einer flachen, starren Aluminiumplatte. Für die zweite Versuchsreihe wird die Aluminiumplatte mit einem 20 mm dicken Polster bedeckt. Die anderen Versuchsreihen werden mit demselben Fahrersitz durchgeführt. Zur Versuchsvorbereitung werden die Komponenten des Fahrersitzes zerlegt. Das Sitzpolster inklusive Rückenlehne, und die Längshorizontalfederung werden in die Versuchsanlage eingebaut. Die Rückenlehne kann von vertikal bis horizontal allmählich gekippt werden. Wenn die Rückenlehne horizontal ist (Konfiguration ohne Rückenlehne), überträgt sie keine Kraft mehr vom Erreger zur Versuchsperson. Wenn die Rückenlehne benutzt wird (Konfiguration mit Rückenlehne), wird sie von der Vertikalen ausgehend um 8 Grad nach hinten gekippt. Die Längshorizontalfederung kann nach Wunsch desaktiviert oder aktiviert werden. Fünf Sitzkonfigurationen werden untersucht: - Flache und starre Sitzfläche ohne Rückenlehne - mit 20 mm Schaumstoff bedeckte, flache Sitzfläche ohne Rückenlehne - Fahrersitz ohne Rückenlehne bei desaktivierter Federung - Fahrersitz mit Rückenlehne bei desaktivierter Federung - Fahrersitz mit Rückenlehne bei aktiver Federung • Die Versuchsperson Alle Versuche werden mit einer männlichen Versuchsperson durchgeführt, deren Gewicht 88 kg beträgt. Die sitzende Masse der Versuchsperson beträgt 65 kg. Zur Ermittlung dieser Masse sitzt die Versuchsperson auf einer Waage, die sich auf dem Fahrersitz befindet. Die Füße der Versuchsperson ruhen während der Messung auf dem Boden. Jeder Versuch wird systematisch verdoppelt. • Die Anfangshaltung der sitzenden Versuchsperson Die Versuche werden mit unterschiedlichen Anfangshaltungen durchgeführt. Die Hände ruhen auf dem Schoß oder halten das Lenkrad fest. In diesem Fall setzt sich die Versuchsperson zuerst in die Mitte der Sitzfläche. Dann legt sie ihre Hände vorne auf das Lenkrad, nebeneinander im Sagittalschnitt und streckt zur Positionierung ihres Oberkörpers ihre Arme aus. Während des Versuchs bleiben die Arme ausgestreckt und starr. Wenn die Hände auf dem Schoß ruhen und die Rückenlehne eingesetzt wird, lehnt sich die Versuchsperson an die Rückenlehne an. Wenn die Hände auf dem Schoß ruhen und die Rückenlehne bis zur Horizontalen gekippt ist, versucht die Versuchsperson, ihren Rücken senkrecht zu halten. Die Füße ruhen auf dem schwingenden Boden des Schwingungserregers oder auf einer mit dem beweglichen Teil der Längshorizontalfederung befestigten Fußstütze. In beiden Fällen sind die Unterschenkel senkrecht, beide Füße werden symmetrisch bezüglich des Sagittalschnitts gestellt und parallel zur X-Richtung orientiert. Die Anwendung der Fußstütze ändert nicht die Fersenposition. Wenn die Füße auf dem mitbewegten Boden des Schwingungserregers abgestützt werden, wird ein Teil der Kraft von Erreger zu Mensch durch die Füße übertragen. Dieser Teil der übertragenen Kraft verschwindet, wenn die Füße auf der Fußstütze ruhen. Es werden drei Anfangshaltungen der Versuchsperson untersucht: - Füße auf der Fußstütze und Hände auf dem Schoß - Füße auf dem schwingenden Boden und Hände auf dem Schoß - Füße auf dem schwingenden Boden und Hände auf dem Lenkrad Für jede Fahrersitzkonfiguration wird jede Anfangshaltung der Versuchsperson untersucht. Außer der ersten Versuchsreihe, werden die Ergebnisse der 14 anderen Versuchsreihen in Abbildungen 2 und 3 dargestellt. 3. Ergebnisse und Analyse • Einfluß der Frequenz Unabhängig von der Fahrersitzkonfiguration und Anfangshaltung der Versuchsperson zeigen alle Kurven der dynamischen Masse denselben Verlauf [Abb. 2]. Im Bereich der Frequenzen unterhalb 1 Hz, bleibt die dynamische Masse beinahe konstant. Für Frequenzen oberhalb 1 Hz, nimmt die dynamische Masse mit steigender Frequenz zu, erreicht ein Maximum zwischen 2 und 5 Hz und sinkt dann bis zu Werten unterhalb 20 kg. Zur Analyse der Meßkurven werden drei Meßwerte ausgewählt: - Die dynamische Masse für 0,7 Hz - Die Frequenz maximaler dynamischer Masse - Die maximale dynamische Masse Zur Untersuchung des Frequenzeinflusses auf das dynamische Verhalten des sitzenden Menschen, werden zusätzliche Versuche durchgeführt. Die Schwingungsanregung ist harmonisch und für jede untersuchte Frequenz beträgt die Schwingungsstärke 1,2 ms-2. Vor dem Versuchsanfang legt die Versuchsperson ihre Hände auf den Schoß und setzt ihre Füße auf den Boden des Schwingungserregers. Die Rückenlehne des Fahrersitzes wird bis zur Horizontalen nach unten gekippt und die Längshorizontalfederung wird desaktiviert. Die Bewegungen der sitzenden Versuchsperson werden während der Versuche gefilmt. Die Videos der Versuche bei 0,7 Hz zeigen eine Pendelbewegung des Oberkörpers der Versuchsperson um eine Y-orientierte Achse. Diese Bewegung verschwindet, wenn die Frequenz auf 2,25 Hz erhöht wird. Infolgedessen hängen die Meßwerte der dynamischen Masse im Bereich niedriger Frequenzen und besonders für 0,7 Hz von dieser Pendelbewegung ab. Dies bestätigt die Beobachtungen von Fairley [4]. Die Videos der Versuche bei 2,25 Hz zeigen eine Hin - und Hertranslationsbewegung des Gesäßes und der Oberschenkel relativ zur Sitzfläche. Die Bewegungen des Gesäßes und der Oberschenkel einerseits und des Fahrersitzes anderseits sind in entgegengesetzter Phase. Die untersuchte Frequenz, 2,25 Hz, ist die Frequenz des Maximums der dynamischen Masse, die aus der Frequenzanalyse resultiert. Es wird davon ausgegangen, daß das Maximum der dynamischen Masse sich aus dieser Translationsbewegung ergibt. Dies bestätigt, was Fairley annimmt [4]. • Einfluß der Schwingungsstärke In Abbildung 9 werden die Meßwerte der dynamischen Masse bezüglich der RMS-Werte 0,44 und 1,2 ms-2, dargestellt. Vor dem Versuchsanfang legt die Versuchsperson ihre Hände auf den Schoß und setzt ihre Füße auf den Boden des Schwingungserregers. Die Rückenlehne des Fahrersitzes wird bis zur Horizontalen nach unten gekippt und die Längshorizontalfederung wird desaktiviert. Die Kurven zeigen, daß mit abnehmender Schwingungsstärke, die dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz zunimmt. Das Maximum der dynamischen Masse hängt nicht von der Schwingungsstärke ab. • Einfluß der Füße Mit der Benutzung der Fußstütze nehmen die vom Fahrersitz zum Mensch übertragenen Kräfte zu. Daraus ergibt sich unabhängig von der Sitzkonfiguration eine Zunahme der dynamischen Masse von circa 10 kg. Dies gilt für den Bereich niedriger Frequenzen [Abb. 4], sowie im Resonanzbereich [Abb. 6]. Die Phasenwinkel hängen nicht von der untersuchten Fußhaltung ab. Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, daß der Einfluß der Füße auf die dynamische Masse der einer zur Versuchsperson beigefügten Masse ähnlich ist. • Einfluß der Hände Wenn die Versuchsperson das Lenkrad festhält, verschwinden die bei niedrigen Frequenzen auftretenden Pendelbewegungen ihres Oberkörpers. Daraus ergeben sich niedrigere Werte der dynamischen Masse für 0,7 Hz beim Festhalten des Lenkrads als beim Ruhen der Hände auf dem Schoß. Dies gilt für alle Sitzkonfigurationen [Abb. 4]. Das Maximum der dynamischen Masse und die entsprechende Frequenz hängen nicht von der untersuchten Position der Hände ab [Abb. 5 und 6]. • Einfluß der Sitzfläche Die Meßwerte der dynamischen Masse hängen nicht von der eingesetzten Sitzfläche ab. Es ist zu beobachten, daß bei der Anwendung des Fahrersitzes die Kräfte auf der Sitzfläche besser verteilt werden als bei der Anwendung der flachen, starren Platte. Infolgedessen nimmt mit der Benutzung des Fahrersitzes das Maximum der dynamischen Masse leicht zu. • Einfluß der Rückenlehne Die Meßkurven der dynamischen Masse hängen erheblich von der Benutzung der Rückenlehne ab. Mit der Anlehnung der Versuchsperson steigt die dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz um ca. 0,5 Hz. Zur Klärung dieses Anstiegs wird angenommen, daß die Kontaktkräfte zwischen dem Fahrersitz und dem Menschen mit Hilfe einer X-orientierten Feder übertragen werden. Wenn die Versuchsperson sich nicht an eine Rückenlehne anlehnt, trägt die Sitzfläche die gesamten, horizontalen Kräfte vom Erreger zum Menschen. Dies entspricht einer bestimmten Steifigkeit. Wenn die Versuchsperson sich an die Rückenlehne anlehnt, leisten nicht nur die Sitzfläche sondern auch die Kontaktfläche zwischen Rücken und Rückenlehne einen Beitrag dazu, die Xorientierten Kräfte vom Fahrersitz zum Menschen zu übertragen. Infolgedessen wird die Steifigkeit der angenommenen Feder erhöht. Daraus ergibt sich bei der Anwendung der Rückenlehne ein Anstieg der Resonanzfrequenz. Mit der Anwendung der Rückenlehne werden die Meßwerte der dynamischen Masse erheblich erhöht. Dies gilt für alle untersuchten Frequenzen. Die der Benutzung der Rückenlehne entsprechende Zunahme der dynamischen Masse bei 0,7 Hz beträgt je nach Anfangshaltung der Versuchsperson 10 bis 25 kg [Abb. 4]. Das Maximum der dynamischen Masse kann mit der Anwendung der Rückenlehne verdoppelt werden [Abb. 6]. Infolgedessen wird angenommen, daß die von der Rückenlehne übertragenen Kräfte im Vergleich zu den von der Sitzfläche übertragenen Kräfte nicht zu vernachlässigen sind. Die auf das Maximum der dynamischen Masse bezogene experimentelle Streuung steigt ebenfalls mit der Benutzung der Rückenlehne [Abb. 6]. Zur Klärung dieser hohen Streuung der Ergebnisse, wurden zusätzliche Versuche durchgeführt, wobei der Abstand zwischen dem Fahrersitz und der Lenkradsäule variiert wird. Die Versuchsperson lehnt sich an die Rückenlehne an, legt ihre Hände auf das Lenkrad und setzt ihre Füße auf den schwingenden Boden. Die Längshorizontalfederung wird desaktiviert. Die Versuchsperson sitzt ständig an derselben Stelle auf der Sitzfläche. Sie legt ihre Hände ständig an dieselbe Stelle des Lenkrads, ihre Arme werden systematisch ausgestreckt und bleiben starr. Infolgedessen hängen die Anfangsposition des Versuchspersonenoberkörpers und die daraus resultierende Kontaktfläche zwischen Rücken und Rückenlehne vom eingestellten Abstand zwischen Fahrersitz und Lenkradsäule ab. Die Abbildung [7] zeigt die Meßkurven der dynamischen Masse für die Abstände 100, 150, 200 und 250 mm. Die dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz hängt nicht von diesem Abstand ab. Bezüglich der Meßwerte der dynamischen Masse sind zwei Kurvenfamilien zu unterscheiden. Die erste Kurvenfamilie, deren Maximum 220 kg beträgt, resultiert aus den Versuchen für Abstände von 100 und 150 mm. Für diese Abstandeinstellungen lehnt sich die Versuchsperson über eine Kontaktfläche vom unteren Rücken- bis zum Schulterblätterbereich an. Die zweite Kurvenfamilie, deren Maximum ca. 135 kg beträgt, resultiert aus den Versuchen für Abstände von 200 und 250 mm. Für diese Abstandeinstellungen lehnt sich die Versuchsperson nur im unteren Rückenbereich an. Infolgedessen sind die über die Rückenlehne übertragenen horizontalen Kräfte kleiner. • Einfluß der Längshorizontalfederung Wenn die Längshorizontalfederung aktiv ist, wird ein Teil der Schwingungserregung nicht auf die Versuchsperson übertragen. Die Spektrenanalyse der Beschleunigungen vor und hinter der Federung zeigt, daß das Signal bei Frequenzen, die kleiner als 1,5 Hz sind, vollständig übertragen wird. Bei Frequenzen, die höher als 1,5 Hz sind, neigt die Federung dazu, ein Drittel der Schwingungsstärke zu übertragen. Infolgedessen ändert die Federungsanwendung nicht die 0,7 Hz entsprechende dynamische Masse [Abb. 4]. Mit ihrer Benutzung nimmt aber die dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz um ca. 0,5 Hz zu [Abb. 5]. Die Spektrumsanalyse der Beschleunigungen hinter der Federung zeigt, daß im Resonanzbereich, die Schwingungsstärke von 1,2 ms-2 auf 0,44 ms-2 reduziert wird. Bei der Untersuchung des Einflusses der Schwingungsstärke ergibt sich, daß mit abnehmender Schwingungsstärke die dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz zunimmt [Abb. 9]. Dies erklärt die Abnahme der dem Maximum der dynamischen Masse entsprechende Frequenz bei der Benutzung der Längshorizontalfederung. Die zusammengestellten Beobachtungen bei der Untersuchung des Einflusses der Rückenlehne gelten auch wenn die Längshorizontalfederung aktiv ist [Abb. 9]. 5. Zusammenfassung Ziel dieser experimentellen Studie ist die Untersuchung des mechanischen Verhaltens des auf einem Fahrersitz sitzenden Menschen für X-orientierte Schwingungen. Die Meßdaten sowie die zusammengestellten Beobachtungen dienen zur Erarbeitung eines Modells des auf einem Fahrersitz sitzenden Menschen für X-orientierte Schwingungen. Zur Beschreibung des mechanischen Verhaltens des Menschen dient die dynamische Masse. Die Analyse der experimentellen Versuchsergebnisse führt zu folgenden Schlussfolgerungen: - Die Rückenlehne und die Längshorizontalfederung sind Sitzkomponenten, die in das Modell einbezogen werden sollten. Die Rückenlehne überträgt an den sitzenden Menschen X-Kraftkomponenten, deren Stärke von der anfänglichen Kontaktfläche zwischen dem Rücken der sitzenden Person und der Rückenlehne abhängt. Je nach Anfangshaltung der Person, sind drei Kontaktflächentypen zu berücksichtigen: (a) Kontaktfläche vom unteren Rückenbereich bis zum Schulterblätterbereich; (b) Kontaktfläche im unteren Rückenbereich; (c) keine Kontaktfläche. Wenn die Längshorizontalfederung aktiv ist, wird ein Teil der Schwingungen nicht an die Versuchsperson übertragen, nimmt das Maximum des dynamischen Masse ab und nimmt die entsprechende Frequenz zu. Das Modell des sitzenden Menschen soll die Anfangshaltung des Fahrers und seine Wechselwirkungen mit dem Fahrzeug berücksichtigen. Bei X-orientierten Schwingungserregungen treten zwei Eigenbewegungen der sitzenden Menschen auf. Im Bereich niedriger Frequenzen (kleiner als 1 Hz), ist eine Pendelbewegung des Oberkörpers der Versuchsperson zu beobachten. Im Bereich der Resonanz tritt eine Hin - und Hertranslationsbewegung des Gesäßes und der Oberschenkel relativ zur Sitzfläche auf. Diese Bewegung ist in entgegengesetzter Phase zur Bewegung des Fahrersitzes. Wenn die Versuchsperson das Lenkrad festhält, verschwindet die Pendelbewegung ihres Oberkörpers. Der Einfluß der Füße auf die dynamische Masse ist der einer zur Versuchsperson beigefügten Masse ähnlich. 6. Danksagung Diese Arbeit wurde in Teilen von der europäischen Kommission im Rahmen des fünften Rahmenprogramms im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung unterstützt. (EU Contract N° GR3D-CT-2002-00827 / Vibseat consortium). 7. Literaturverzeichnis [1] Riedel S., Winkler A. (1997). 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Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 956, ISBN 3-89701-833-0. Füße auf der Fußstütze Hände auf dem Schoß Füße auf schwingendem Füße auf schwingendem Boden Boden, Hände auf dem Schoß Hände auf dem Lenkrad Flache Sitzfläche -----------Flache Sitzfläche & 20 mm Schaum stoff -------------- Fahrersitz -----------Fahrersitz & Rückenlehne -----------Fahrersitz & Rückenlehne & Federung Abb. 2: Betrag der dynamischen Masse der Versuchsperson Y_Min = 0 Kg, Y_Max = 250 Kg, Freq_Min = 0,1 Hz, Freq_Max = 10 Hz. Füße auf der Fußstütze Hände auf dem Schoß Füße auf schwingendem Füße auf schwingendem Boden Boden, Hände auf dem Schoß Hände auf dem Lenkrad Flache Sitzfläche -----------Flache Sitzfläche & 20 mm Schaum stoff -------------- Fahrersitz -----------Fahrersitz & Rückenlehne -----------Fahrersitz & Rückenlehne & Federung Abb. 3: Phasenwinkel der dynamischen Masse Y_Min = 0°, Y_Max = 180 °, Freq_Min = 0,1 Hz, Freq_Max = 10 Hz. 120 Füße auf der Fußstütze Füße auf dem schwingenden Grund Betrag der dynamischen Masse [kg] 100 Hände auf dem Lenkrad 80 60 40 20 0 flache Sitzfläche flache Sitzfläche & 20 mm Schaumstoff Fahrersitz Fahrersitz & Rückenlehne Fahrersitz & Rückenlehne & Federung Abb. 4: Dynamische Masse für 0,7 Hz 6 Füße auf der Fußstütze Füße auf dem schwingenden Grund 5 Frequenz [Hz] Hände auf dem Lenkrad 4 3 2 1 0 flache Sitzfläche flache Sitzfläche & 20 mm Schaumstoff Fahrersitz Fahrersitz & Rückenlehne Fahrersitz & Rückenlehne & Federung Abb. 5: Resonanzfrequenz Maximum der dynamischen Masse [kg] 300 250 Füße auf der Fußstütze Füße auf dem schwingenden Grund Hände auf dem Lenkrad 200 150 100 50 0 flache Sitzfläche flache Sitzfläche & 20 mm Schaumstoff Fahrersitz Fahrersitz & Rückenlehne Abb. 6: Maximale dynamische Masse Fahrersitz & Rückenlehne & Federung Betrag der dynamischen Masse [kg] 300 100 mm 100 mm 150 mm 150 mm 200 mm 200 mm 250 mm 250 mm 250 200 150 100 50 0 0.1 1 Frequenz [Hz] 10 Abb. 7: Betrag der dynamischen Masse. Einfluß des Abstandes Fahrersitz/Lenkrad. Die Versuchsperson lehnt sich an die Rückenlehne an und die Horizontalfederung wird desaktiviert. Betrag der dynamischen Masse [kg] 300 100 mm 100 mm 150 mm 150 mm 200 mm 200 mm 250 mm 250 mm 250 200 150 100 50 0 0.1 1 Frequenz [Hz] 10 Abb. 8: Betrag der dynamischen Masse. Einfluß des Abstandes Fahrersitz/Lenkrad. Die Versuchsperson lehnt sich an die Rückenlehne an und die Horizontalfederung ist aktiv. 300 Betrag der dynamischen Masse [kg] Rms 1.2 ms-2 250 Rms 1.2 ms-2 Rms 0.44 ms-2 200 Rms 0.44 ms-2 150 100 50 0 0.1 1 Frequenz [Hz] 10 Abb.9 : Betrag der dynamischen Masse. Einfluß der Schwingungsstärke. Die Versuchsperson lehnt sich an die Rückenlehne an und die Horizontalfederung wird desaktiviert.
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