Fenster und Türen in Sonderbauten

Rosenheimer Fenstertage 2015
Knut Junge
Fenster und Türen in Sonderbauten
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Dipl.-Ing. (FH) Knut Junge
ift Rosenheim
Fenster und Türen in Sonderbauten
Planung und Umsetzung spezieller Anforderungen am
Beispiel von Schulbauten
1
Einleitung
Was macht ein Gebäude besonders? Die Bauordnung versteht unter Sonderbauten Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung. Konkretisiert wird dies in der Musterbauordnung und den jeweiligen Landesbauordnungen durch eine Liste mit unterschiedlichen Gebäudearten. Typische Vertreter sind: Hochhäuser, Versammlungsstätten, Krankenhäuser
und eben auch Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen. Für einige dieser ca. 20
gelisteten Sonderbauten existieren gesonderte Verordnungen, wie z. B: die Versammlungsstättenverordnung, Beherbergungsstättenverordnung und die Muster-Schulbau-Richtlinie.
Bild 1 Typische Fenster- und Türelemente in Schulgebäuden (Quelle: ift Rosenheim)
Gemeinsam ist diesen Verordnungen, dass sie üblicherweise – wenn überhaupt – nur rudimentäre Angaben zu Anforderungen an Fenster und Türen geben und oft nur in Bezug auf
Abschlüsse im Zuge von Rettungswegen. Dem Planer werden somit kaum Anhaltspunkte
zu notwendigen Eigenschaften dieser Elemente gegeben. Mit anderen Worten: Es besteht
kein Bezug zu den Klassifizierungen, wie sie in der Produktnorm EN 14351-1 in Hülle und
Fülle angeboten werden.
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Dies ist ebenso ärgerlich wie schade, da – wie im Fall der Schulbauten – der Benutzerkreis
bekannt ist und somit auf die speziellen Bedürfnisse und Belastungen eingegangen werden
kann. D.h. durch Wahl geeigneter Konstruktionen kann möglichen Problemen bereits in der
Planungsphase wirksam begegnet werden. Die gebaute Wirklichkeit indes ist eine andere,
was sich in einem deutlichen Anstieg von Reklamationen und Schäden rund um Fenster
und Türen in Schulen zeigt. Im Folgenden sollen Gedankenanstöße gegeben werden, was
bei der Planung und Ausführung zu beachten ist.
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Typische Problemkreise
Zur Festlegung geeigneter Konstruktionen ist es notwendig, die zu erwartenden Belastungen zu kennen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass in Schulen eine sehr „robuste Nutzung“ von Fenstern und Türen herrscht. Die hohen Belastungen gehen dabei üblicherweise nicht von den Personen aus, die dort ihrem Beruf nachgehen, sondern von den
„Besuchern“ – also den Schülern und Studenten im Kinder- und Jugendalter. Je nach
Schulart kann die Ausprägung der Belastung deutlich variieren. Sie ist zudem abhängig
von der Art und Nutzung der Räume. Zu nennen sind:




Aufenthalts- und Unterrichtsräume (Schüler, auch unbeaufsichtigt)
Fachräume wie Physik, Chemie, Musik etc. (i.d.R. beaufsichtigt)
Räume in Sporthallen
Verwaltungs- und sonstige Räume
Aufgrund der teilweise extrem häufigen Nutzung und der durch die Bedienung von Kindern und Jugendlichen nicht zu vermeidenden Fehlbedienung/dem Missbrauch (Stichwort: Leibungsschlag) treten häufig Probleme in Bezug auf die mechanische Festigkeit
auf. Weitere typische Themen, Mängel und Schäden rund um Fenster und Türen in Schulen können wie folgt zusammengefasst werden (dabei stehen vor allem die in Unterrichtsräumen verbauten Elemente im Fokus):
‒ Mechanische Schäden und Qualität der Beschlagsmechanik:
‒ Bedienungskräfte und Dauerfunktion
‒ Tragfähige Sicherheitsvorrichtungen und Nutzungssicherheit
‒ Raumklima (Fensterthemen wie Sonnenschutz, Blendung, Lüftung …)
‒ Barrierefreiheit
‒ Schallschutz
‒ Sicherheit bei „Amoklauf“, erweiterter Suizid (Türen)
Um diesen Themen wirksam zu begegnen, werden in einer Vielzahl von Regelwerken
Vorgaben getroffen.
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Anforderungen
Aussagen zur baulichen Ausführung von Schulgebäuden sind in verschiedenen Regelwerken enthalten. Spezieller sind die GUV-V S1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) [1] und DIN 58125) [2] zur Ausbildung von Fenstern und Verglasungen zu nennen. Hier werden Schutzziele formuliert und dazu konstruktive Leitsätze beschrieben. Tabelle 1 zeigt auszugsweise derartige Anforderungen bzw. Schutzziele. Daraus wird deutlich, dass für Schulen – im Gegensatz zu anderen Sonderbauten – vergleichsweise konkrete Konstruktionsvorgaben existieren.
Tabelle 1
Element
Fenster
Wesentliche Schutzziele und konstruktive Leitsätze gem. GUV-V S1 und DIN 58125
Schutzziel
Fenster müssen so gestaltet
sein, dass sie beim Öffnen und
Schließen sowie in geöffnetem
Zustand Schülerinnen und
Schüler nicht gefährden.
Konstruktive Umsetzung
gem. GUV-V S1 und DIN 58125: 2002-07
Dies wird erreicht z. B. durch
 gegen Herabfallen gesicherte Kipp- und Schwingflügel
 Öffnungsbegrenzung bei Schwingflügeln
 Sperrsicherungen an Dreh-Kipp-Beschlägen
 Vorrichtungen an Schiebefenstern, durch die der
Schließvorgang so abgebremst wird, dass Personen
nicht eingeklemmt werden können
ANMERKUNG: Die vollständige Lüftungsfunktion muss
jedoch bei Bedarf sichergestellt werden.
Türen
Türen zu Räumen müssen so
angeordnet sein, dass Schülerinnen und Schüler durch nach
außen aufschlagende Türflügel
nicht gefährdet werden.
Dies wird erreicht, wenn z. B.
 die Türen in die Räume aufschlagen
 die Türen zurückversetzt in Nischen angeordnet sind;
nach außen aufschlagende Türen dürfen in der Endstellung, einschließlich Türgriff, maximal 20 cm in den
Fluchtweg hineinragen
 die Türen am Ende von Fluren angeordnet sind
ANMERKUNG Die notwendige Fluchtwegbreite darf
nicht eingeengt werden.
Beschläge
Griffe, Hebel und Schlösser
müssen so beschaffen und
angeordnet sein, dass durch
bestimmungsgemäßen Gebrauch
Gefährdungen für Schülerinnen
und Schüler vermieden werden.
Die sichere Beschaffenheit und Anordnung von
Beschlägen wird erreicht, wenn z. B.
 Griffe und Hebel gerundet sind und mit einem Abstand
von mindesten 2,5 cm zur Gegenschließkante angeordnet sind
 Hebel für Panikbeschläge seitlich drehbar oder als
Wippe ausgebildet sind
 Hebel für Oberlichtflügel zurückversetzt in der Fensternische oder über 2,00 m Höhe ab Oberkante Standfläche angeordnet sind
 Griffe und Hebel von einem sicheren Standort betätigt
werden können
Hinweis: Anforderungen an Fenster und Türen in Sporthallen sind nicht Gegenstand dieser Tabelle.
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Tipps für die Umsetzung
Tabelle 1 gibt Hinweise zur konstruktiven Umsetzung der formulierten Schutzzeile, die im
Wesentlichen auf die Nutzungssicherheit ausgerichtet sind. Allgemein gilt: Je besser der
Benutzerkreis bekannt ist, desto besser können Fenster und Türen darauf abgestimmt
werden. Bei reinen Grundschulen (Stichworte Bedienhöhe und -kraft) oder Förderschulen
für kognitiv eingeschränkte Schüler (Stichwort einfache, gleichartige, wiedererkennbare
Bedienung) ist dies gut möglich. Es kann auf die speziellen Anforderungen Rücksicht genommen werden:
Nachstehend sind stichpunktartig einige allgemeine Hinweise für Fenster und Türen in
Schulen aufgeführt:




einfache Konstruktionen mit robusten Ausführungsdetails
geeignete Öffnungsarten
großformatige Flügel mit hohem Eigengewicht vermeiden
große mechanische Festigkeit (hohe Dauerfunktions- und mechanische
Festigkeitsklasssen), ggf. Einsatz von zertifizierter Beschlagstechnik für
Dreh/Drehkippbeschläge von Fenster/Fenstertüren gemäß QM 328
 Einsatz von Festverglasungen, wo möglich
Eine regelmäßige Kontrolle, Pflege und Wartung ist dennoch unerlässlich, um schwerwiegende Nutzungseinschränkungen und Gefahren abzuwenden. Dazu ist die Einbeziehung
und Einweisung des Hausmeisters vor Ort ein wichtiger Baustein.
5
Ausblick
Für Sonderbauten wie Schulen gibt es eine ganze Reihe von Regelwerken mit Schutzzielen. Dennoch helfen diese bei der Ausschreibung und Festlegung von Eigenschaften dem
Planer selten weiter. Es fehlt der Bezug zu den in der Produktnorm EN 14351-1 definierten Leistungsklassen. Diese Lücke sollen die neuen „Rosenheimer Richtlinien“ für Sonderbauten nun schließen. Sukzessive werden in dieser Richtlinien-Reihe wesentliche Zusammenhänge zwischen Gestaltung, Ausstattung und Ausführung von Fenstern und Türen und den besonderen Nutzungsumständen sowie der erforderlichen Wartung und Pflege aufgezeigt.
Für Schulbauten ist das Ergebnis eine anwendungsbezogene Richtlinie [3] mit Aussagen
zur notwendigen Qualität der einzusetzenden Fenster mit Klassifizierungen/Werten gemäß den Leistungseigenschaften der Produktnorm. Damit wird den am Bau Beteiligten
eine Orientierungshilfe zu Erstellung eindeutiger Ausschreibungstexte an die Hand gegeben.
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Literatur
[1] GUV-Vorschrift 81
Unfallverhütungsvorschrift Schulen
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV)
Berlin
[2] DIN58125 : 2002-07
Schulbau – Bautechnische Anforderungen zur Verhütung von Unfällen
Beuth Verlag GmbH, Berlin
[3] ift-Richtlinie FE 16/1
Einsatzempfehlung für Fenster in Schulbauten
ift Rosenheim, September 2015
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