Pflanze BAUERNBLATT l 19. September 2015 ■ Gelbverzwergungsvirus kann Wintergetreide schaden Zuflug der Blattläuse kontrollieren! Aufgrunddesungewöhnlichwarmen und sonnigen Wetters im September und Oktober im Vorjahr konnten sich die Getreideblattläuse in Ausfallgetreide und Mais sowie auf Grünlandflächen mit Gräsern oder Schilf massenhaft vermehren. In Teilen Schleswig-Holsteins kam es daraufhin zu einemsehrstarkenZuflugvonBlattläusen in das früh gedrillte WintergetreidemitnachfolgenderheblichenGelbverzwergungsvirusinfektionen in denbetroffenenBeständen.Solltenin diesemHerbstähnlicheBedingungen vorherrschen, kann ein stärkerer Virusbefall durch eine Minimierung der Risikofaktoren, genaue Bestandeskontrollen und gegebenenfalls gezielte Bekämpfungsmaßnahmen verhindertwerden.Wachsamkeitistalso gefragt. Zum besseren Verständnis wird hier zunächst die Biologie der Viruserkrankung näher beleuchtet. Das Bei milder Herbstwitterung sollte im Wintergetreide auf den Zuflug geflügelter Blattläuse geachtet werden. Standard Abdriftminderung 50 % 75 % 90 % Bemerkungen/Auflagen (fett = bußgeldbewehrt) Abstand in m zu Oberflächengewässern Randstreifen in m bei > 2 % Hangneigung 0,3 Stand: 8.7.2015 Bienenschutz Abstand zu Saumbiotopen (NT-Auflagen) 3 Indikationen Herbst maximale Anwendung in der Kultur bzw. je Jahr Wirkstoffe und -gehalte in g/ml pro l/kg maximale Anwendung in dieser Indikation Präparate (Auswahl) maximal zugelassene Aufwandmenge in l bzw. kg/ha Tabelle: Insektizide in Getreide im Herbst – Auflagen – Erläuterungen siehe Seite 30 Irac-Wirkort-Gruppe 28 Pyrethroide Bulldock beta-Cyfluthrin 25 Blattläuse 1x 1x B2 103 15 10 5 5 Virusvektoren Herbst ab ES 12 Decis forte Deltamethrin 100 3 0,075 Blattläuse 2x 2x B2 103 nz. nz. nz. 15 NG405 Virusvektoren Herbst ab ES 11-29 Blattläuse B4 Fastac SC Super alphaNW 701 2x 2x 3 0,125 nz. 20 10 5 109 Contact / IRO Cypermethrin 100 Virusvektoren Herbst NN 410** (10 m) Jaguar lambdaBlattläuse B4/ Cyhalothrin 100 3 0,075 Virusvektoren Herbst ab ES 12 nz. 20 10 5 108 T+=sehr 1x 1x giftig in Wintergerste, -weizen, -hafer NN 410** Kaiso Sorbie/Hunter lambda3 0,15 Blattläuse B4/ 5 5 108 VV603 1x 1x 20 10 Cyhalothrin 50 Virusvektoren Herbst ab ES 12 NN 410** Karate Zeon lambdaBlattläuse 2x B4/ 5 108 Cyhalothrin 100 3 0,075 Virusvektoren Herbst ab ES 12 2x nz. 10 5 Fritfliege ES 11-13 2x NN 410** 10 5 103 NW706 Sumicidin Alpha EC Esfenvalerat 50 3 0,2 Blattläuse 2x 3x B2 nz. 15 (20m) Virusvektoren Herbst ab ES 12-49 Trafo WG / lambda3 0,15 Blattläuse 2x B4/ 5 5 108 Lambda WG Cyhalothrin 50 Virusvektoren Herbst ab ES 12 2x 20 10 NN 410** Fritfliege ES 11-13 2x Shock Down* lambda3 0,1 Blattläuse 2x 2x B2 15 10 5 5 108 Cyhalothrin 50 Virusvektoren Herbst ES 12-25 Mavrik tau-Fluvalinat 240 Blattläuse 1x 1x B4/ 15 10 5 5 101 3 0,25 Virusvektoren Herbst NN 410** nz. = nicht zugelassen; * nur Weizen; ** NN 410 = Das Mittel wird als schädigend für Populationen von Bestäuberinsekten eingestuft. Anwendungen des Mittels in die Blüte sollten vermieden werden oder insbes. zum Schutz von Wildbienen in den Abendstunden erfolgen. Diese Tabelle ersetzt nicht die genaue Beachtung der Gebrauchsanleitung! ■ BAUERNBLATT l 19. September 2015 Das Ausfallgetreide kann als grüne Brücke für Getreideblattläuse dienen und sollte frühzeitig beseitigt werden. Gelbverzwergungsvirus der Gerste (BYDV/CYDV) ist eine der bedeutendsten Viruserkrankungen des Getreides und wird ausschließlich durch Getreideblattläuse übertragen. Genau genommen ist das Gelbverzwergungsvirus ein Komplex aus verschiedenen Virusstämmen, die jeweils besonders effektiv von bestimmten Blattlausarten übertragen werden. Die Symptome sind zum Beispiel in der Wintergerste Vergilben und Zwergwuchs durch Verstopfung der Leitungsbahnen. Als Virusüberträger kommen vor allem die drei Getreideblattlausarten in Frage: Die Große Getreideblattlaus (Sitobion avenae), die Haferblattlaus (Rhopalosiphum padi) und die Bleiche Getreideblattlaus (Metopolophium dirhodum). „Grüne Brücken“ beachten Die Getreideblattläuse können das Gelbverzwergungsvirus von verschiedenen anderen Pflanzen auf die Getreidekulturen übertragen, das Virus hat mehr als 100 Wirtspflanzen. Einige von diesen beherbergen das Gelbverzwergungsvirus dauerhaft und dienen somit als Virusreservoir, beispielsweise mehrjährige Gräser oder auch Schilf. Ausfallgetreide und Mais dienen hingegen als Zwischen- wirte und werden auch als „Grüne Brücke“ zum Getreide bezeichnet. Entscheidend ist der Blattlauszuflug Die Blattlausentwicklung im Winterweizen war in diesem Sommer überwiegend schwach, was jedoch nicht zur Sorglosigkeit bezüglich der Virusinfektionsgefahr in den Herbstsaaten führen darf. Bei warmer Witterung können sich im Spätsommer größere Blattlauskolonien im Ausfallgetreide, im Mais, im Schilf, im Dauergrünland oder an Gräsern im Zwischenfruchtanbau aufbauen, sofern natürliche Gegenspieler wie Marienkäfer, Schwebfliegen, Florfliegen oder Blattlausschlupfwespen dem nicht ausreichend entgegenwirken. Wenn die Nahrungsqualität ihrer bisherigen Wirtspflanzen im Herbst nachlässt, suchen sich die Getreideblattläuse neue Nahrungsquellen. Junge Gersten- und Weizenpflanzen sind für die geflügelten Stadien in dieser Phase besonders attraktiv. Von ihren bisherigen Wirtspflanzen kommend, fliegen die Blattläuse bei warmer und windstiller Witterung in die Getreidebestände und können dort das Gelbverzwergungsvirus übertragen. Bleibt das Wetter anschließend mild, können sich die Blattläuse in den Getreidebestän- 30 Pflanze den vermehren und das Virus dort verbreiten. Lediglich bei einer Kombination dieser Faktoren, stärkerer Blattlauszuflug und anhaltend warme Witterung, kann es wie zuletzt im Herbst/Winter 2014/2015 vor allem im früh gesäten Wintergetreide zu massiven Virusinfektionen kommen. Bei eher kühlfeuchter Witterung im Herbst und einem frühen Wintereinbruch ist dagegen kaum mit Problemen durch BYDV im Wintergetreide zu rechnen. Maßnahmen gegen den Virusbefall Eine Kombination aus vorsorglichen Maßnahmen, intensiver Schaderregerüberwachung und gezielten Insektizideinsätzen kann das Risiko größerer Ertragsausfälle durch das Gelbverzwergungsvirus erheblich reduzieren. ● Das wichtigste Werkzeug zur Eindämmung der Risikofaktoren ist eine Verlagerung der Saatzeit nach hinten. Je später gedrillt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass virusbeladene Blattläuse in die ANZEIGE auflaufenden Bestände fliegen, die jungen Getreidepflanzen infizieren und sich dort vermehren. Frühsaaten vor dem 20. September sind besonders gefährdet und sollten unbedingt vermieden werden. ● Im Zuge der Feldhygiene sollte das Ausfallgetreide gewissenhaft beseitigt werden, da es den Blattläusen neben dem Mais als wichtigste „grüne Brücke“ für die Übertragung des Gelbverzwergungsvirus in das Wintergetreide dienen kann. ● Zur Einschätzung der Gefährdungssituation eines Getreideschlages sollten direkt benachbarte Flächen auf Läusebefall kontrolliert werden, sofern sie als Befallsreservoir für Getreideblattläuse dienen können. Hierzu zählen neben dem Ausfallgetreide auch Mais-, Schilf- und Dauergrünlandflächen sowie Zwischenfruchtmischungen mit Gräseranteilen. BAUERNBLATT l 19. September 2015 ■ ● Sofern die Herbstwitterung mild ist, sind Kontrollen auf den Zuflug von Blattläusen in die aufgelaufenen Getreidebestände unbedingt erforderlich, insbesondere nach warmen und windarmen Phasen. ● Bei einem stärkeren Blattlausauftreten – der Bekämpfungsrichtwert liegt in Schleswig-Holstein bei 10 % befallener Pflanzen – sollte insbesondere bei früheren Aussaatterminen rechtzeitig ein Insektizid eingesetzt werden. Hierfür sind im Wintergetreide derzeit lediglich Präparate mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Pyrethroide zugelassen, die gerade bei wärmerer Witterung nur wenige Tage wirksam sind und ein hohes Resistenzrisiko aufweisen. Daher sollten Insektizidanwendungen gegen Blattläuse als Virusvektoren nur gezielt und nicht als prophylaktische Zumischung bei Herbizid- oder Düngungsmaßnahmen erfolgen. Eingesetzt werden können zum Beispiel folgende Insektizide: Bulldock, Decis forte, Fastac SC Super Contact, IRO, Jaguar, Kaiso Sorbie, Karate Zeon, Lambda WG, Mavrik, Sumicidin Alpha EC, Trafo WG. Informationen über Insektizide im Internet: Laufend aktualisierte Übersichtstabellen zu den Abstandsauflagen und sonstigen Anwendungsbestimmungen der Insektizide sind auf den Internetseiten der Landwirtschaftskammer unter www.lksh.de über den folgenden Pfad zu finden: Startseite > Schnell zum Ziel: Pflanzenschutzdienst > Pflanzenschutzinfos zu den Kulturen > einzelne Kultur anklicken (zum Beispiel Weizen) > Pflanzenschutz unter „Insektizide“. Erläuterungen zur Tabelle Getreide, Insektizide, Herbst-Auflagen rot/fett = bußgeldbewehrt NG405 Keine Anwendung dränierten Flächen. auf NT101 Die Anwendung des Mittels muss in einer Breite von mindestens 20 m zu angrenzenden Flächen (ausgenommen landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen, Straßen, Wege und Plätze) mit einem verlustmindernden Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“ vom 14. Oktober 1993 (Bundesanzeiger Nummer 205, S. 9780) in der jeweils geltenden Fassung mindestens in die Abdriftminderungsklasse 50 % eingetragen ist. Bei der Anwendung des Mittels ist der Einsatz verlustmindernder Technik nicht erforderlich, wenn die Anwendung mit tragbaren Pflanzenschutzgeräten erfolgt oder angrenzende Flächen (zum Beispiel Feldraine, Hecken, Gehölzinseln) weniger als 3 m breit sind oder die Anwendung des Mittels in einem Gebiet erfolgt, das von der Biologischen Bundesanstalt im „Verzeichnis der regionalisierten Kleinstrukturanteile“ vom 7. Februar 2002 (Bundesanzeiger Nummer 70a vom 13. April 2002) in der jeweils geltenden Fassung als Agrarlandschaft mit einem ausreichenden Anteil an Kleinstrukturen ausgewiesen worden ist. NT103 ... mindestens in die Abdriftminderungsklasse 90 % ... (siehe Text NT 101) NT108 Bei der Anwendung des Mittels muss ein Abstand von mindestens 5 m zu angrenzenden Flächen (ausgenommen landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen, Straßen, Wege und Plätze) eingehalten werden. Zusätzlich muss die Anwendung in einer darauffolgenden Breite von mindestens 20 m mit einem verlustmindernden Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“ vom 14. Oktober 1993 (Bundesanzeiger Nummer 205, S. 9780) in der jeweils geltenden Fassung mindestens in die Abdriftminderungsklasse 75 % eingetragen ist. Bei der Anwendung des Mittels ist weder der Einsatz verlustmindernder Technik noch die Einhaltung eines Abstandes von mindestens 5 m erforderlich, wenn die Anwendung mit tragbaren Pflanzenschutzgeräten erfolgt oder angrenzende Flächen (zum Beispiel Feldraine, Hecken, Gehölzinseln) weniger als 3 m breit sind. Bei der Anwendung des Mittels ist ferner die Einhaltung eines Abstandes von mindestens 5 m nicht erforderlich, wenn die Anwendung des Mittels in einem Gebiet erfolgt, das von der Biologischen Bundesanstalt im „Verzeichnis der regionalisierten Kleinstrukturanteile“ vom 7. Februar 2002 (Bundesanzeiger Nummer 70a vom 13. April 2002) in der jeweils geltenden Fassung als Agrarlandschaft mit einem ausreichenden Anteil an Kleinstrukturen ausgewiesen worden ist oder angrenzende Flächen (zum Beispiel Feldraine, Hecken, Gehölzinseln) nachweislich auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Flächen angelegt worden sind. sern – ausgenommen nur gelegentlich Wasser führende, aber einschließlich periodisch Wasser führender – muss ein mit einer geschlossenen Pflanzendecke bewachsener Randstreifen vorhanden sein. Dessen Schutzfunktion darf durch den Einsatz von Arbeitsgeräten nicht beeinträchtigt werden. Er muss eine Mindestbreite von 10 m haben. Dieser Randstreifen ist nicht erforderlich, wenn: – ausreichende Auffangsysteme für das abgeschwemmte Wasser beziehungsweise den abgeschwemmten Boden vorhanden sind, die nicht in ein Oberflächengewässer münden beziehungsweise mit der Kanalisation verbunden sind oder – die Anwendung im Mulch- oder Direktsaatverfahren erfolgt. NW706 Zwischen behandelten Flächen mit einer Hangneigung von über 2 % und Oberflächengewässern – ausgenommen nur gelegentlich Wasser führende, aber einschließlich periodisch Wasser führender – muss ein mit einer geschlossenen Pflanzendecke bewachsener Randstreifen vorhanden sein. Dessen Schutzfunktion darf durch den Einsatz von Arbeitsgeräten nicht beeinträchtigt werden. Er muss eine Mindestbreite von 20 m haben. Dieser Randstreifen ist nicht erforderlich, wenn: – ausreichende Auffangsysteme für das abgeschwemmte Wasser beziehungsweise den abgeschwemmten Boden vorhanden sind, die nicht in ein Oberflächengewässer münden, NT109 ... mindestens in die Ab- beziehungsweise mit der Kanalisadriftminderungsklasse 90 % ... tion verbunden sind oder – die An(siehe Text NT 108) wendung im Mulch- oder Direktsaatverfahren erfolgt. NW701 Zwischen behandelten Flächen mit einer Hangneigung von VV603 Keine Verwendung behanüber 2 % und Oberflächengewäs- delter Pflanzen als Grünfutter. Pflanze ■ BAUERNBLATT l 19. September 2015 FAZIT Die Gefährdung der jungen Getreidebestände durch das Gelbverzwergungsvirus der Gerste hängt entscheidend von der Stärke des Blattlauszuflugs im Herbst ab, denn ohne diese Virusvektoren kann es nicht zu BYDV-Infektionen kommen. Ein höherer Vorbefall mit Blattläusen in benachbartem Ausfallgetreide, Grünland, Mais oder anderen Flächen mit Gräsern oder Schilf verstärkt dabei den Befallsdruck im jungen Wintergetreide erheblich. Bei wärmerer Herbstwitterung können allerdings mit BYDV belastete Getreideblattläuse problemlos auch aus weiterer Entfernung zufliegen. Die Witterung steuert neben dem Zuflug auch die weitere Blattlausentwicklung und die damit zusammenhängende sekundäre Ausbreitung des GelbverAuf einigen sehr früh gedrillten Gerstenflächen zeigten sich bereits im vergangenen November starke Symptomausprägungen des BYDV, für dieses Jahr bleibt die Entwicklung abzuwarten. Fotos: Dr. Gert Petersen Dr. Gert Petersen Landwirtschaftskammer zwergungsvirus im Bestand. Besonders gefährdet sind Frühsaaten, da sie warmen Temperaturen normalerweise länger ausgesetzt sind als Spätsaaten und die Läuse bei einem frühen Zuflug mehr Zeit zur Vermehrung haben. Zur Vermeidung größerer Ertragsverluste sollten daher frühe Drilltermine gemieden und Ausfallgetreide beseitigt werden, Befallskontrollen auf benachbarten Flächen sowie im Bestand selbst stattfinden sowie im Bedarfsfall gezielte Insektizideinsätze erfolgen. Der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer unterstützt die Landwirte bei der Entscheidungsfindung mit gezielten Probenahmen auf repräsentativen Schlägen an gefährdeten Standorten und anschließenden diagnostischen Untersuchungen. Tel.: 0 43 31-94 53-387 [email protected] 31
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