Ackerbau Gerste: Ramularia & Co. sicher kontrollieren Kontrollen auch nach der Behandlung geben Aufschluss zur Wirksamkeit der Maßnahmen und erlauben eine Einschätzung zum Auftreten von Ramularia. Welche Fungizidstrategie bietet kostengünstig Schutz? Wie ist die neue Wirkstoffklasse einzustufen? Hermann Hanhart, Landwirtschaftskammer NRW, informiert. V iele der weitverbreitet angebauten Wintergerste-Sorten haben eine gute Krankheitstoleranz. Hier ist mit Fungizidkosten von etwa 40 €/ha eine sichere Kontrolle möglich. Besonders zu beachten ist aber immer die Anfälligkeit gegenüber Netzflecken. Nur wenige Sorten wie z. B. Ketos und Pelican sind extrem anfällig. Bei anhaltender Infektionswitterung sind aber auch die Sorten Lomerit, Hobbit und Zoom stärker gefährdet. Ramularia-Befall nimmt zu Bedingt durch die Witterung und den Anbau der anfälligeren, zweizeiligen Sorten tritt Ramularia in Süddeutschland re- 78 top agrar 4/2011 gelmäßig auf. In den nördlichen Anbauregionen muss mit jahresspezifisch unterschiedlichem Ramulariabefall gerechnet werden. Stärkerer Befall tritt oft in Jahren mit strahlungsreicher Witterung im April/Mai und wiederholt intensiver Strahlung zur Abreife der Gerste auf. Daneben sind intensive Tauphasen für die Ausbreitung der Krankheit erforderlich. Bedingt durch ein oft feuchteres Kleinklima ist auf den besseren Standorten mit höherem Befall zu rechnen. Eine Prognose zum Auftreten der Krankheit ist jedoch kaum möglich. Deshalb sollte die Fungizidstrategie breit wirksam ausgerichtet werden, inklusiv einer sicheren Kontrolle von Ramularia. In unseren letztjährigen Fungizidver- suchen zeigten sich interessante Ergebnisse insbesondere zur Kontrolle von Ramularia. In drei von sechs Versuchen trat Ramularia 14 Tage vor der natürlichen Abreife mit einem Endbefall von über 50 % auf. Weitere Krankheiten spielten keine Rolle, so dass augenscheinlich auch in den Kontrollparzellen sehr lange ein relativ gesunder Bestand vorzufinden war. Erst spät nach Mitte Juni entwickelte sich innerhalb einer Woche ein starker Befall mit Ramularia. Interessante Versuche Mit einer Fungizidbehandlung in EC 49 (siehe Übersicht 1) konnte die Krankheit mehr oder weniger unter Kontrolle gebracht werden. Die neue Fungizidkombination aus Aviator Xpro + Fandango erreichte genauso wie Credo + Gladio sehr hohe Wirkungsgrade von über 90 %. Trotzdem war die Ertragsleis- Übersicht 1: Wirkung und Mehrertrag von Einfachbehandlungen Übersicht 2: Doppelbehandlungen zeigen deutliche Vorteile Sorte: Naomie Sorte: Naomie 5,3 dt/ha 6,3 dt/ha 3,0 dt/ha 90,7% Aviator 0,65 + Fandango 0,65 EC 49 Input 0,65 + Fandango 0,65 EC 49 86,0% 6,0 dt/ha 1,9 dt/ha 74,2 % Cirkon 0,8 EC 32 3,1 dt/ha Aviator + Fand. je 0,5 EC 49 1 Tag länger Assimilation 92,9% Champion 0,75 + Diamant 0,75 EC 49 5,5 dt/ha 1,8 dt/ha 62,1% EC 32 Input 0,5 5,2 dt/ha Aviator + Fand. je 0,5 EC 49 2 Tage länger Assimilation 96,1% Credo 1,5 + Gladio 0,4 EC 49 Aviator 0,5 + Fandango 0,5 1,5 dt/ha 94,2 % 8 dt/ha 10,4 dt/ha 82,3% 5,5 dt/ha 12 dt/ha EC 32 Input Xpro 0,6 6,4 dt/ha Aviator + Fand. je 0,5 EC 49 3 Tage länger Assimilation 96,1% 2,1 dt/ha 94,9 % Mehrertrag wirtschaftlicher Mehrertrag Ramularia-Befall am 22. Juni = 50% Ertrag in Unbehandelt = 78,5 dt/ha Mehrertrag wirtschaftlicher Mehrertrag Ramularia-Befall am 22. Juni = 50% Die Varianten brachten trotz der Unterschiede im Wirkungsgrad annähernd gleiche Erträge. tung mit 6 dt/ha Mehrertrag nicht besser als die von Champion + Diamant. Diese Kombination kontrollierte die Ramularia jedoch nur mit 62 % Wirkungsgrad. Obwohl neben Ramularia kaum weitere Krankheiten auftraten, wurden mit einer Doppelbehandlung deutlich höhere Mehrerträge erzielt (siehe Übersicht 2). Die Vorlage von Input Xpro mit 0,6 l/ha in EC 32 verbesserte den Mehrertrag nochmals um 6 dt/ha. Dieser Mehrertrag resultiert aus einer noch effektiveren Be- EC 49 Ertrag in Unbehandelt = 78,5 dt/ha Erst mit Doppelbehandlungen konnten deutliche Mehrerträge aufgrund der längeren Assimilation erzielt werden. kämpfung der Ramularia. Letztendlich konnte der Blattapparat um ca. drei Tage länger grün gehalten werden, so dass aufgrund der verlängerten Assimilationphase höhere Erträge möglich wurden. Zusammenfassend darf hieraus abgeleitet werden, dass bei stärkerem Ramulariadruck nur mit einer Vorlage in EC 32 und der Verwendung Ramularia-wirk- samer Produkte maximale Mehrerträge zu erreichen sind. Obwohl zu diesem frühen Zeitpunkt Ramulariabefall augen- scheinlich nicht zu erkennen ist, reguliert das Fungizid die Konstitution der Gerste und verlangsamt die Ramularia-Epidemie. Strategien für 2011 In der Wintergerste sollten möglichst zwei Überfahrten im Frühjahr eingeplant werden. In der Regel kann in der Phase EC 31 bis 33, ausgerichtet auf optimale Einsatzbedingungen für den Wachstums- Übersicht 3: Fungizid-Empfehlungen für Wintergerste Wirkungsdauer gegen Mehltau Netzflecken In Kombination mit Wachstumsregler 31 22.4. 32 Ramularia Spritztermin Aviator Xpro + Fandango je 0,5 – 0,65 Champion + Diamant je 0,4 + Credo 1,0 (Resistenzmanagement) Input Xpro 0,75 + Credo 1,0 Gladio 0,5 + Amistar Opti 1,5 (Resistenzmanagement) wenig bis stärkerer Befall Input Xpro 0,4 – 0,75 Input 0,4 – 0,75 Input 0,4 + Cirkon 0,6 EC 15.4. Rhyncho 37 3.5. 39 10.5. 51 14.5. 20.5. 71 6.6. 75 25.6. Auf guten Standorten sind – je nach Auftreten der hauptsächlich vorkommenden Krankheiten – zwei Behandlungen mit angepassten Aufwandmengen wirtschaftlich. top agrar 4/2011 79 Ackerbau regler, gleichzeitig eine erste Fungizidmaßnahme erfolgen. Nur bei hohem Krankheitsdruck (z. B. bei starkem Mehltaubefall) muss die Terminwahl für den Fungizideinsatz optimiert werden. Wenn früh Befall auftritt, können ideal Fungizide in Kombination mit Wachstumsreglern eingesetzt werden. Auch bei geringem Befall sind Prothioconazol-haltige Produkte im Vorteil, da schon die frühe Behandlung Einfluss auf die RamulariaEpidemie hat, wie die Versuche gezeigt haben. Dementsprechend sind vorzugsweise Input oder Input Xpro mit am Befallsdruck angepassten Aufwandmengen von 0,4 bis 0,8 l/ha angeraten. Noch höhere Aufwandmengen sind nicht mehr wirtschaftlich und bringen auch keine längere Dauerwirkung, weil neu zuwachsende Blätter sowieso nicht geschützt sind. Sofern erhebliche Mehltauprobleme auftreten, ist Gladio ab 0,4 l/ha, bei anhaltender Infektionswitterung ergänzt mit 0,15 l/ha Vegas zu favorisieren. Darüberhinaus können noch einige weitere Fungizide bzw. Fungizidkombinationen in der Gerste sinnvoll eingesetzt werden. In der Übersicht 4 sind geeignete Fungizide und Kombinationen aufgeführt und detailliert mit kurativer und protektiver Wirkung bewertet. Wo Ramularia bis jetzt keine Bedeutung hatte (häufig leichte Sandstandorte), beschränkt sich eine frühe Behandlung in sehr gesunden Beständen, bei z. B. anhaltend trockener Witterung im April, auf Doppelanwen dungen mit Ramulariawirksamen Produkten gewährleisten eine lang anhaltende Assimilation mit hohen Mehrerträgen den alleinigen Einsatz von Wachstumsreglern in längeren Sorten und/oder dichten Beständen. Kombinationen mit Spurennährstoffen von z. B. 5 kg/ha Epso Combitop bringen wirtschaftliche Mehrerträge aufgrund der vitaleren Bestände. Abschlussbehandlung muss sein Auf die Abschlussbehandlung sollten Sie in der Wintergerste nie verzichten. Der Termin ist optimal ab EC 39 an Niederschlägen oder auch an Tauphasen aus- zurichten. Intensive, lang anhaltende Tauphasen begünstigen Zwergrost und Netzflecken. Nach wirksamer Vorbehandlung kann die Abschlussbehandlung häufig bis EC 49/51 hinausgezögert werden, so dass dann kombiniert mit der Fungizidbehandlung noch eine angepasste Wachstumsreglermaßnahme (falls nötig) möglich ist. Zur Abschlussbehandlung sollten Sie nur Fungizide bzw. Fungizidkombinationen mit breiter Wirkung inklusiv einer sicheren Ramulariawirkung einsetzen. Die benötigte Aufwandmenge orientiert sich Übersicht 4: Heilende und vorbeugende Wirkung der Fungizide Präparat Menge l/ha Blattbehandlungen Gladio Input Cirkon Gladio + Vegas Input + Cirkon Input Xpro Input Xpro 0,3 0,4 0,8 0,4 + 0,15 0,4 + 0,6 0,5 0,75 Mehltau Rhynchosporium Netzflecken Zwergrost 33 39 39 40 – – 45 46 46 – 47 50 50 – 9 – 2 4 – 28 Die Angaben für Ramularia kennzeichnen die fungizide Potenz der Präparate 80 top agrar 4/2011 €/ha 12 15 16 20 28 – – Abschlussbehandlungen Amistar Opti + Achat 1,25 + 0,4 Fandango 1,0 Input + Fandango 0,5 + 0,5 Input 1,0 Aviator Xpro + Fandango 0,5 + 0,5 Input Xpro 1,25 Champ. + Diam. + Credo 0,4 + 0,4 + 1,0 Acanto + Input 0,6 + 0,6 Credo + Gladio 1,5 + 0,4 Credo 1,0 + Input Xpro 1,0 + 0,75 Credo + Input 1,25 + 0,6 Champion + Diamant 0,8 + 0,8 Amistar Opti + Gladio 1,8 + 0,5 Aviator Xpro + Fandango 0,65 + 0,65 Wirkungsdauer kurativ und protektiv in Tagen Ramularia 4 – 1 4 – 32 8 – 2 5 – 30 Die Kenntnis über die Wirkungspotenz der Gersten fungizide ist unabdingbar für einen gezielten Einsatz der Präparate. Grafiken: Driemer, Orb auch deutlich reduzierte Aufwandmengen. Daneben sind vor allem bei geringem Krankheitsdruck aber auch andere, bisher bewährte Fungizidkombinationen weiterhin einsetzbar. In den Versuchen des letzten Jahres konnte Chlorthalonil seine sehr gute Wirksamkeit auf Ramularia bestätigen. Wirkstoffe wechseln! Ramularia befällt zur Abreife zunächst die Fahnenblätter und danach die unteren Blattetagen. Fotos: Hanhart an den Resistenzeigenschaften der angebauten Sorte und vor allem am Befall auf den Blättern. Die neue Kombination aus Aviator Xpro plus Fandango ist vom Leistungspotenzial unschlagbar. Bei geringem Krankheitsdruck spiegelt sich die Leis- tung aber nicht in höheren Mehrerträgen wider. Entsprechend ist die Aufwandmenge dem Befall anzupassen. Bei Einfachbehandlungen sind Aufwandmengen von jeweils 0,65 l/ha maximal notwendig. Wenn vorbehandelt wurde, reichen in der Regel Grundsätzlich ist wohl auch bei Ramularia eine Resistenzgefahr bei mehrfachem Einsatz von Carboxamidprodukten möglich. Ein Resistenzmanagement mit wechselnden Wirkstoffen als Spritzfolge und/oder Fungizidkombinationen, die an verschieden Wirkorten in der Pilzzelle angreifen, dürften daher sinnvoll sein. So erreicht man z. B. durch die Zu mischung von Credo zum Champion plus Diamant eine sehr breit wirksame Kombination mit exzellenter Ramulariawirkung. Nach der Vorlage von Input Xpro in EC 32 kann z. B. auch mit Gladio plus Amistar Opti zur Abschlussbehandlung auf einen zweifachen Carboxamideinsatz verzichtet werden. top agrar 4/2011 81
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