Controlling im Bauhandwerk Nicht kontrollieren, sondern steuern Weil die wenigsten Kennzahlen sich für einen Handwerksbetrieb eignen, muss der Chef sich sein eigenes System aufbauen. In wenigen Schritten kann er so ein umfassendes Controllingsystem aufbauen und seinen Betrieb damit steuern. Den Start macht der Deckungsbeitrag. Spätestens seit die Banken für ihre Kreditvergabe die Regeln nach Basel II anwenden, ist der Begriff „Controlling“ auch in den Bauhandwerksbetrieben bekannt geworden. Kredite werden nicht nur davon abhängig gemacht, dass Sicherheiten vorhanden sind. Es müssen auch bestimmte Faktoren stimmen, etwa dass der Betrieb über ein funktionierendes Controllingsystem verfügt. Handwerksmeister müssen sich von einem Vorurteil lösen: Der Begriff „Controlling“ wird immer viel zu eng mit „Kontrolle“ gleichgesetzt. Außerdem besteht zu den verschiedenen Kennzahlen eines Controllingsystems kein Bezug. „Was sagt mir denn eine Umsatzrendite von sieben Prozent?“ oder „Wie soll ich denn meine Eigenkapitalquote verbessern? sind typische Fragen, die in diesem Zusammenhang auftauchen. Controllingsysteme dienen dazu, den Betrieb zu steuern. Aber: Die herkömmlichen Systeme eignen sich für Handwerksmeister in der Regel nicht, weil sie nicht den Bedürfnissen des Betriebes angepasst sind. Neben der Frage, was die verschiedenen Kennzahlen bedeuten und wie sie verbessert werden können, kommt im Handwerksbetrieb auch die Frage, wer sie erstellen und analysieren soll. Es handelt sich sowohl um ein qualitatives als auch quantitatives Problem. Also muss ein Weg her, der die Anforderungen und die Bedingungen des Handwerksbetriebes berücksichtigt. Dabei sind zwei Punkte wichtig: Die Kennzahlen müssen aus dem Tagesgeschäft kommen und auch und im Tagesgeschäft eingesetzt werden. Dann sind sie verständlich für den Handwerksmeister – und die Steuerung des Betriebes erfolgt „quasi nebenbei“. Ein Beispiel: Das wichtigste „Erfolgsgeheimnis“ im Bauhandwerksbetrieb besteht darin, dass er möglichst viele Stunden an seine Kunden verkauft und dabei einen so hohen Deckungsbeitrag erwirtschaftet, dass seine Kosten voll gedeckt sind und noch ein Gewinn dazu kommt. Wie setzen wir das in einem Controllingsystem um? Dazu wollen wir zunächst die Elemente eines Controllingsystems betrachten: Mithilfe einer Planung, die die Ausgangslage des Betriebes und die Möglichkeiten des Marktes in Einklang zu bringen hat, werden Kennzahlen geschaffen, die dazu dienen, im Laufe des Jahres zu erkennen, ob und wie der Betrieb sein gestecktes Ziel erreicht. Erkennen wir dabei Abweichungen, müssen wir die Ursache dazu ergründen können, um danach zu entscheiden, was zu tun ist, um negative Abweichungen zu korrigieren oder positive Abweichungen zu verstärken. Haben wir erkannt, was zu tun ist, müssen wir das auch umsetzen. Anschließend müssen wir kontrollieren, ob die beabsichtigte Reaktion auch erfolgt. Und damit beginnt wieder der Kreislauf von vo rne. Übersetzen wir diesen Ablauf: In der Planung stellen wir fest, wie viele Stunden der Betrieb im Jahr verkaufen kann (das ist die Kapazität) und welche Kosten dabei anfallen. Die Kosten trennen wir dabei in solche, die nur dann anfallen, wenn wir Leistung erbringen (variable Kosten) und solche, die auch dann anfallen, wenn wir keine Leistung erbringen (fixe Kosten). Teilen wir die fixen Kosten durch die Kapazität, dann erhalten wir einen Betrag, den wir je Stunde mindestens zusätzlich zu den variablen Kosten erwirtschaften müssen. Den Betrag nennen wir „Mindestdeckungsbeitrag je Stunde“. Das ist die erste und wichtigste Kennzahl in unserem Controllingsystem. Mit ihr vergleichen wir den erreichten Deckungsbeitrag je Stunde bei allen Projekten in jedem Stadium, also vom Angebot bis zur Nachkalkulation und sehen, ob und wie viel es dazu beiträgt, das gesteckte Ziel zu erreichen. Dachdeckermeister Gerhard Grube aus Golm bei Potsdam nutzt diese Kennzahl bereits seit 1995. Zum damaligen Zeitpunkt war er der Meinung, dass er damit erst richtig verstanden hätte, was „Kalkulieren“ bedeutet. Heute weiß er auch, dass er schon damals den ersten Schritt zu einem umfassenden Controllingsystem getan hat. Da die Vergleichszahl „Mindestdeckungsbeitrag je Stunde“ das Ergebnis einer Planungsrechnung ist, muss das Controllingsystem natürlich auch beobachten, ob die Bedingungen, die für die Planung angenommen wurden, in der Realität auch eingehalten werden, damit im Bedarfsfalle gegengesteuert werden kann. Eine Kennzahl alleine reicht also für die zielgerichtete Steuerung des Betriebes nicht aus. Bleiben wir aber in der zeitlichen Reihenfolge, die ein Projekt „im Laufe seines Lebens“ durchläuft, nämlich der Angebotsphase. Die Kennzahl des Mindestdeckungsbeitrags kann und sollte noch verfeinert werden. Da nämlich einerseits unterschiedliche Leistungen auch zwangsläufig unterschiedliche Deckungsbeiträge erbringen und andererseits die gleiche Leistung in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preise verkauft werden können, wäre es nicht sinnvoll, diese Tatsache bei der Gestaltung des Cont rollingsystems außer Acht zu lassen. Differenzierter Mindestdeckungsbeitrag Der Mindestdeckungsbeitrag je Stunde ist also der Betrag je Stunde, den jeder Betrieb erwirtschaften muss, um seine vollen Kosten zu decken. Diese Kennzahl zeigt im Vergleich sofort an, welches konkrete Projekt geeignet war, zum Erfolg des Betriebes beizutragen. In dieser Kennzahl wird also ein Projekt an den Bedürfnissen des Betriebes gemessen. Bekommen wir einen Auftrag, bei dem der Mindestdeckungsbeitrag je Stunde erreicht oder gar überschritten wird, heißt das, dass der Markt (zumindest bei diesem einen Auftrag) bereit ist, die Bedingungen des Betriebes zu akzeptieren. Bevor wir diesen Gedanken weiter verfolgen, sollten wir uns aber ein wenig mit dem Prinzip der Deckungsbeitragsrechnung beschäftigen, damit wir die folgenden Ausführungen richtig einordnen können. Betrachten wir dazu zunächst unsere Methode, mit der wir üblicherweise unsere Verkaufspreise berechnen. Dazu nutzen wir die Zuschlagskalkulation. Auf die für eine Leistung erforderlichen Einzelkosten berechnen wir prozentuale Zuschläge, um damit unsere Gemeinkosten abzudecken und um Risiko und Gewinn im Verkaufspreis zu berücksichtigen. Daher kommt die Bezeichnung „Zuschlagskalkulation“. Die Deckungsbeitragsrechnung geht nun den umgekehrten Weg: Sie zieht vom Verkaufspreis alle Einzelkosten ab, um den Deckungsbeitrag zu erhalten. Inhaltlich sind also beide Rechnungsarten gleich, nur die Vorgehensweise ist entgegengesetzt. Die Zuschlagskalkulation geht von den Einzelkosten aus. Durch Prozentzuschläge darauf werden die Beträge berechnet, die zur Deckung der Gemeinkosten und zur Gewinnerwirtschaftung dienen sollen. Die Summe davon ist der Verkaufspreis. Die Deckungsbeitragsrechnung geht vom Verkaufspreis aus, zieht davon die Einzelkosten ab und erhält den Deckungsbeitrag. Weil die Deckungsbeitragsrechnung, wie wir gesehen haben, vom Verkaufspreis ausgeht, wird übrigens ganz deutlich, dass sie nicht geeignet sein kann, den Verkaufspreis selbst zu berechnen. Sie kann lediglich als Kontrollrechnung dienen. Kommen wir zurück zum Mindestdeckungsbeitrag je Stunde: Diesen berechnen wir ja, indem wir die Summe des Deckungsbeitrags eines Projektes durch die Stunden teilen, die für das Projekt kalkuliert sind. (Achtung: Genau wie wir die Planungsdaten, die zum Mindestdeckungsbeitrag je Stunde geführt haben, im Auge behalten müssen, müssen wir auch die im Projekt kalkulierten Stunden genau verfolgen, damit unsere Rechnung aufgeht.) Denken wir jetzt wieder an die Zuschlagskalkulation: Je mehr Material in einer Leistung steckt, desto höher ist der Materialanteil je Stunde. Weil wir auf das Material in aller Regel den gleichen Zuschlagssatz berechnen, wird auch der Zuschlagsbetrag je Stunde auf das Material, also der Deckungsbeitrag je Stunde, höher. So weit, so klar. Aber was bedeutet das für unser Controllingsystem? Müssen wir nicht den Materialanteil (und den Fremdleistungs- und Geräteanteil vielleicht auch?) am Projekt berücksichtigen, wenn wir den Deckungsbeitrag je Stunde eines Projektes wirklich richtig einschätzen wollen? Das ist nicht nur ratsam, sondern zwingend, weil sonst die Vergleichbarkeit nicht wirklich gegeben wäre. Wie aber soll das berücksichtigt werden, ohne dass das Controllingsystem doch wieder zu einem betriebswirtschaftlichen Buch mit sieben Siegeln wird? Dazu ist eigentlich nur ein kleiner Trick erforderlich. Mit einem Variator, der bei jedem Projekt individuell berechnet wird, wird der „einfache“ Mindestdeckungsbeitrag zum differenzierten Mindestdeckungsbeitrag umgerechnet. Wenn wir wegen der unterschiedlichen Materialanteile den Mindestdeckungsbeitrag bei jedem Projekt differenziert berechnen, betrachten wir immer noch nur die Frage, ob der Markt bereit ist, die Bedingungen des Betriebes zu akzeptieren. Ein Controllingsystem für Baubetriebe sollte aber auch die Frage berücksichtigen, dass unterschiedliche Märkte, also unterschiedliche Kunden- oder Zielgruppen, bereit sind, für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise zu zahlen. Mit diesem Aspekt des Controllingsystems für Baubetriebe wollen wir uns in der nächsten Folge beschäftigen. Der Zieldeckungsbeitrag Als eine wichtige Kennzahl innerhalb eines Controllingsystems für das Bauhandwerk haben wir den Deckungsbeitrag je Stunde kennen gelernt. Während wir aber bisher nur den Aspekt berücksichtigt haben, welchen Deckungsbeitrag der Betrieb benötigt (Mindestdeckungsbeitrag und differenzierter Mindestdeckungsbeitrag), um seine Kosten zu decken, geht es jetzt darum, warum dieser Gesichtspunkt allein nicht ausreicht und wie wir die weiteren Informationen dazu bekommen können. Zwei Bemerkungen vorab: 1. Ein Betrieb kann seine Preise festlegen, wie er es für richtig befindet. Keiner kann ihm dabei Vorschriften machen. Die Frage ist lediglich, ab die Kunden bereit sind, den geforderten Preis zu zahlen. 2. Jeder weiß, dass unterschiedliche Kundengruppen bereit sind, für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise zu zahlen. Ein typisches Beispiel sind so genannte Zweitmarken, beispielsweise bei Waschmittel oder bei Lebensmittel. Während im Supermarkt ein Beutel Tütensuppe der Marke X oder Y vielleicht 2,20 Euro kostet, wird der gleiche Inhalt beim Discounter in einer anderen Verpackung und einem anderen Namen für 1,65 Euro angeboten. Wozu dieser Unterschied und warum verkauft der Hersteller die gleiche Ware zu unterschiedlichen Preisen? Der Discounter hat sein Geschäft auf die Kunden ausgerichtet, die nur geringe Preise bezahlen wollen oder können. Für den Hersteller der Tütensuppe bedeutet der zusätzliche Verkauf seiner Produkte über den Discounter zusätzliche Deckung von Fixkosten, selbst wenn er einen geringeren Preis für das gleiche Produkt erhält. Ist dieser Überlegung auch auf das Bauhandwerk übertragbar? Mit Sicherheit, selbst wenn das auf den ersten Blick nicht so scheint. Dazu ein Beispiel: Ein Mauererbetrieb mit 20 Mitarbeitern hat zwei unterschiedliche Zielgruppen. Die erste sind Bauherren von Einfamilienhäusern, die andere sind Wohnungsbaugesellschaften. Bei seiner Kalkulation eines Einfamilienhauses kalkuliert er jede Stunde mit beispielsweise 40,50 Euro, von den Wohnungsbaugesellschaften bekommt er dagegen je Stunde nur 35,50 Euro. Ursprünglich hat das den Bauunternehmer natürlich geärgert, bis er erkannte, dass dies für ihn eine Chance ist. Bietet er den Wohnungsbaugesellschaften in einem Jahresvertrag für Renovierungs- und Umbauarbeiten die geringeren Stundensätze an, so erhält er regelmäßig ohne einzelne Auftragsverhandlungen zusätzliche, kleinere Aufträge, um die er sich nicht großartig zu kümmern braucht. Das verursacht weniger Gemeinkosten, deshalb kann der Preis auch geringer sein. Das war die anfängliche Überlegung. Inzwischen, nachdem er sich mit dem Gedanken des Deckungsbeitrags beschäftigt, sieht er das auch unter einer anderen Perspektive: Da die Lohnkosten je Stunde in beiden Fällen gleich sind, schließlich schickt er die gleichen Mitarbeiter einmal zum privaten Bauherrn, ein andermal zur Wohnungsbaugesellschaft, ist der geringere Deckungsbeitrag beim Wohnungsbauunternehmen ein willkommenes Zubrot, der seine Auslastung verbessert und seinen Gewinn erheblich erhöht. Das zeigt das folgende Beispiel. Seine Mitarbeiter kann er im Privatkundenbereich mit 28.000 Stunden einsetzen. Je Stunde erzielt er einen Deckungsbeitrag von 15,50 Euro, das sind insgesamt 434.000,00 Euro. Zieht er davon seine 400.000,00 Euro Gemeinkosten ab, so hat er ein Ergebnis von 34.000,00 Euro. Kann er zusätzlich 10 Prozent Mehrstunden, das sind 2.800 Stunden, zu einem Deckungsbeitrag von nur 10,50 Euro verkaufen, dann bringen die ihm 29.400,00 Euro Mehrergebnis. Das bedeutet also, dass er mit einer um 10 Prozent erhöhten Auslastung sein Ergebnis um 86 Prozent verbessert. Diesen Effekt kann jeder Bauhandwerker nutzen, wenn er seine Denkweise auf die Deckungsbeitragsrechnung umstellt. Wenn er wissen will, in welcher Zielgruppe er welchen Deckungsbeitrag erwirtschaftet, braucht er dazu nur seine Angebote entsprechend zu analysieren, etwa mit einer Excel-Tabelle oder einer Access-Datenbank. Dazu erfasst er den Auftragswert, die Netto-Material- und Netto-Fremdleistungskosten und die Lohnstunden für jedes Projekt. Zusätzlich ordnet er das Angebot einer Zielgruppe zu. Wenn ein Angebot entschieden ist, trägt er das noch ein. Der Zeitaufwand je Angebot beträgt für diese Arbeit maximal zwei Minuten. Die Auswertung geht noch schneller, dann weiß er genau, in welcher Zielgruppe er welchen Deckungsbeitrag bekommen kann. Dann kann er sein Marketing gezielt darauf einstellen, seine Grundauslastung durch hochwertige Aufträge zu erreichen und wie der Maurermeister mit einem geringen Mehraufwand einen zusätzlichen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften, der sein Gesamtergebnis merklich verbessert. Innerhalb seines Controllingsystems benutzt er jetzt zusätzlich zu dem Mindestdeckungsbeitrag je Stunde den Zieldeckungsbeitrag je Zielgruppe, damit er bei seinen Angeboten auch den Faktor Marktpreis systematisch berücksichtigen kann. In der weiteren Folge der Controllingreihe werden wir uns mit dem Controllinginstrument „Angebotsanalyse“, darum handelt es sich bei der Exceltabelle oder bei der Access-Datenbank nämlich, näher beschäftigen. Dabei werden wir sehen, wie hier Daten aus dem Tagesgeschäft dazu genutzt werden, als Steuerungsinstrument für das Tagesgeschäft zu dienen – womit eine wesentliche Anforderung an ein Controllingsystem im Bauhandwerk erfüllt wird. Heinz-Otto Mohr Der Autor ist Unternehmensberater in Saarwelling. Weitere Infos/Kontakt: Heinz-Otto Mohr, Syst-Orga GmbH, Käuersbachstraße 8, 66793 Saarwellingen, Tel. 06838/596, Fax 06838/81174, www.syst-orga.de
© Copyright 2024 ExpyDoc