Propädeutik Einführung TÄ D. Goerigk Medizinische Tierklinik, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig Propädeutik: Einführung in eine Wissenschaft Klinische Diagnostik: “Lehre von der Erkennung und Benennung von Krankheiten” Bücher: Baumgartner, W. u.a. Klinische Propädeutik der inneren Krankheiten der Haus- und Heimtiere. Paray-Verlag Berlin, Rosenberger, G. u.a. Die klinische Untersuchung des Rindes. Verlag Paul Paray, Berlin u. Hamburg 3. Auflage 1 Aufgaben der klinischen Diagnostik: Diagnose- und Prognosestellung Erkennung latent erkrankter Tiere (Screening) Gesundheitsüberwachung in Herden oder bei Einzeltieren Bestätigung der Gesundheit oder von Garantieanforderungen: (Ankaufssuntersuchung; “Lebendbeschau”) 1. Untersuchungsmethodik: Anamnese („anamnesis“ = Erinnerung) klinische Untersuchung → klinischer Untersuchungsgang: topografisch organbezogen labordiagnostisch apparativ Symptom(e): krankhafte Veränderung(en), Krankheitszeichen objektive (meßbar, morphologische Veränderungen) (funktionelle, zeitweilige) subjektive örtliche allgemeine beständige Leit-/ Hauptsymptome typische pathognomonische 2 Syndrom: = Symptomenkomplex typisch bezüglich zeitlichem Auftreten und Kombination „Fettmobilisationssyndrom“ → logische Verknüpfung aller Erscheinungen, Symptome und Laborbefunde → Differentialdiagnose(n) → DIAGNOSE 3 2. Diagnose: „diagnoscein“ = durchschauen grundsätzliche diagnostische Wege: Mustererkennung diagnosis per deductionem Ausschluß diagnosis per exclusionem Therapieerfolg diagnosis ex juvantibus ”juvare” helfen Verdachts-/ Arbeitsdiagnose endgültige Diagnose Einzeltierdiagnose Herdendiagnose Fehldiagnose Erkrankung = dynamisch Diagnose = statisch Diagnosestellung/ diagnostischer Prozess: 1. Sichtung und Zusammenfassung aller wesentlichen Daten aus: Anamnese, klinischer Untersuchung, Labordaten u.a. physiologisch oder pathologisch ? Zusammenfassung aller krankhaften Befunde Problemliste 4 2. Zuordnung der Befunde: anatomisch wo? ätiologisch warum? funktionell Auswirkungen? 3. vorläufige Diagnose/ Verdachtsdiagnose → Prognose → hoheitliche Maßnahmen → Therapie Prüfen: klinisch plausible Zusammenhänge Widersprüche → Differentiadiagnose 4. weitere differentialdiagnostische Fragen: zu welcher Krankheit passen die Befunde am besten? ”lehrbuchmäßige Übereinstimmung”? 5. Prüfung des hypothetischen Bildes Folgerichtigkeit → Bestätigung Nichtübereinstimmung → Überdenken, Modifikation 6. Abklärung: Verlauf der Krankheit therapeutisches Ansprechen Verlaufskontrolle → endgültige Diagnose 7. Prognose 8. Epikrise 5 3. Prognose: = Einschätzung des weiteren Krankheitsverlaufes Heilungsmöglichkeit Dauer und Intensität Behandlungskosten Mögliche Komplikationen/ Beeinträchtigung des Wertes Wahrscheinlicher Ausgang = Exitus: Heilung (Restitutio ad integrum) Leiden Tod (Exitus letalis) Prognose: prognosis quo ad prognosis quo ad prognosis quo ad prognosis quo ad vitam functionem restitutionem valetudinem bona, dubia, mala, infausta, certa, incerta, pessima Benennen der Krankheiten und Symptome: morphologisch ätiologisch symptomatisch funktionell pathogenetisch Autoren Volkssprache Patientennamen pathologisch-anatomisch kausal ! Enteritis - “Durchfall“ z.B. Herzinsuffizienz z.B. Belastung z.B. John’sche Krankheit z.B. Kalbefieber z.B. “Elso”-Hacke 6 Inhalt der endgültigen Diagnose: WAS? WO? WANN? WIE LANGE? WARUM? WELCHE? Hufrehe: Art der Erkrankung Sitz der Erkrankung Dauer der Erkrankung Ätiologie & Pathogenese Kennzeichnung der Erkrankung “Pododermatitis aseptica acuta diffusa equorum” 4. Epikrise: endgültige Diagnose + Therapie Gesamteinschätzung mit Empfehlungen für den Besitzer Differentialdiagnose: verschiedene in Betracht zu ziehende Erkrankungen bestimmter Symptome und Befunde bislang keine definitive diagnostische Entscheidung Aufgrund Arbeitsdiagnose: bewusste vorläufige Diagnosestellung und evtl. Therapieeinleitung Absicherung der Diagnose durch Verlauf und Zusatzuntersuchungen Ausschluss möglicher anderweitiger Erkrankungen Fehldiagnose: unrichtige Bezeichnung einer Erkrankung Therapie des Patienten verschlechterte Prognose für Patienten falsche 7 Situation des Klinikers: symptomarmer Krankheitsverlauf bes. anfangs atypische Verlaufsformen geläufiger Krankheiten spärliche Symptome – falsche Interpretation psychosomatische Störungen (crowding disease) falsche Beurteilung der Befunde Verwirrung, schwereres Erkennen der Krankheit ↑ Bedeutung der gründlichen Anamnese und klinischen Untersuchung! neue technische Möglichkeiten Ursachen von Fehldiagnosen: Ignoranz ungenügende Untersuchung: schlechte Gewohnheiten schlechte Möglichkeiten ungeeignete Patienten schlechte Technik Fehler in der Urteilsbildung: mangelndes konstruktives Denken Kenntnisse Rechthaberei, Eigenliebe, Eitelkeit falsche logische Schlüsse notorischer Optimismus mangelnde deshalb: Daten präzise erheben wichten eigene Erfahrung nutzen Lehrmeinung kennen adäquat 8 Diagnose - täglich überprüfen - in Frage stellen - neu bestätigen denn: “Nichts Nichts haftet besser in unserer Erinnerung und führt damit zu sorgfä sorgfältigeren diagnostischen Überlegungen, als die Konfrontation mit den eigenen Unzulä Unzulänglichkeiten:” nglichkeiten:” Krankheit: = Gesamtheit der Antwortreaktionen auf die Einwirkung eines schädigenden Agens, wobei die Anpassungsreaktion herabgesetzt wird Krankheitscharakteristika: funktionelle/ strukturelle Schädigungen ablaufende Regenerations- und Gesundungsprozesse Störung der Wechselbeziehungen mit der Umwelt Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bzw. Minderung des wirtschaftlichen Wertes gleichzeitig Ätiologie: Lehre von den: Ursachen und Bedingungen der Entstehung von Krankheiten und pathologischen Prozessen 9 Pathogenese: = Lehre von der Krankheitsentstehung → Aufdecken der Wege und Mechanismen der Entwicklung, Verlaufes und des Ausgangs der Krankheit des Kausalfaktor: Charakter: stark pathogen „normaler“ Reize apathogener Reiz bei verändertem Organismus (Faktorenkrankheiten) fehlen Wirken: kurzzeitig dauerhaft mit entscheidender Rolle wird aber schwächer gering, aber Kumulation/ Sensibilisierung dauerhaft- Krankheitsstadien: Stadium Dauer LatenzStadium h-a (“verborgen” verborgen”) Charakteristika → klinisch nicht sichtbar „Inkubationszeit“ (Viren, Bakterien) „Präpatenzperiode“ (Parasiten) 10 Stadium Dauer LatenzStadium h-a (“verborgen” verborgen”) Prodromal- 1 - d stadium („vorauslauvorauslaufend“ fend“) Stadium LatenzStadium (“verborgen” verborgen”) Prodromalstadium („vorauslaufend“ vorauslaufend“) klinische Manifestation („ausgebildetes Stadium“ Stadium“) Charakteristika → klinisch nicht sichtbar „Inkubationszeit“ (Viren, Bakterien) „Präpatenzperiode“ (Parasiten) → erste wahrnehmbare Veränderungen: unspezifisch, uncharakteristisch: “Allgemeinbefinden ist gestört” Dauer Charakteristika h - a → klinisch nicht sichtbar „Inkubationszeit“ (Viren, Bakterien) „Präpatenzperiode“ (Parasiten) 1 - d → erste wahrnehmbare Veränderungen: unspezifisch, uncharakteristisch: “Allgemeinbefinden ist gestört” varia- grundlegende Krankheitserscheibel nungen sind voll ausgeprägt: - allgemeine, - spezifische Symptome Dauer und Charakter des Krankheitsverlaufes: Dauer perakut 0 - 2 „apoplek- Tage tisch“ Charakter Beispiele extrem starke Einwirkung: ohne wesentliche Symptome Exitus letalis Enterotoxämie Sw/Sf/Rd Herztod Sw weißer Rotlauf (Septikämie) 11 perakut „apoplektisch“ akut Dauer Charakter Beispiele 0-2 Tage extrem starke Einwirkung: ohne wesentliche Symptome Exitus letalis Enterotoxämie Sw/Sf/Rd Herztod Sw weißer Rotlauf (Septikämie) 2 - 14 Tage intensive Symptome, stürmischer Verlauf, Symptome spez./unspezifisch Kolik Pf, Stoffwechselstörungen (Tetanie, GP) viele Infektionskrankheiten (MKS, Rotlauf) Allergien, Hufrehe Dauer Charakter Beispiele 0-2 Tage extrem starke Einwirkung: ohne wesentliche Symptome Exitus letalis Enterotoxämie Sw/Sf/Rd Herztod Sw weißer Rotlauf (Septikämie) 2 - 14 Tage intensive Symptome, stürmischer Verlauf, Symptome spez./unspezifisch Kolik Pf,Stoffwechselstörungen (Tetanie, GP) viele Infektionskrankheiten (MKS, Rotlauf) Allergien Hufrehe 2–4 chen weniger stürmischer Verlauf: Symptome schwächer bis unspezifisch Stoffwechselstörungen (Ketose) Rotlauf (Urtikaria), Dauer Charakter Beispiele 0-2 Tage extrem starke Einwirkung: ohne wesentliche Symptome Exitus letalis Enterotoxämie Sw/Sf/Rd Herztod Sw weißer Rotlauf (Septikämie) 2 - 14 Tage intensive Symptome, stürmischer Verlauf, Symptome spez./unspezifisch Kolik Pf,Stoffwechselstörungen (Tetanie, GP) viele Infektionskrankheiten (MKS, Rotlauf) Allergien Hufrehe 2–4 Wochen weniger stürmischer Verlauf: Symptome schwächer bis unspezifische Stoffwechselstörungen (Ketose) Rotlauf (Urtikaria) >4 Wochen i.d.R. bei schwachen Krankheitsursachen: allmähliche Entwicklung weniger ausgeprägter Symptome an Organen, trotzdem erhebliche destruktive Veränderungen Paratuberkulose, Brucellose, Lungenadenomatose, Diabetes, Rachitis/ Osteomalzie, Osteoporose „zugespitzt“ perakut „apoplektisch“ akut „zugespitzt“ subakut Wo- perakut „apoplektisch“ akut „zugespitzt“ subakut ChroChronisch „Zeit“ 12 Abweichungen vom typischen Krankheitsverlauf: abortiv abortus = abgekü abgekürzt abortiv abortus = abgekü abgekürzt intermitintermittierend Charakteristik Beispiele Krh. entwickelt sich nicht vollkommen, bes. bei Infektionskrank- geht vorher in Heilung über heiten Charakteristik Beispiele Krh. entwickelt sich nicht vollkommen, bes. bei Infektionskrank- geht vorher in Heilung über heiten zeitweilige Besserung/ Infektiöse Anämie der Verschlechterung; Einhufer; Malaria pathologischer Prozess bleibt abortiv abortus = abgekü abgekürzt intermitintermittierend Charakteristik Beispiele Krh. entwickelt sich nicht vollkommen, bes. bei Infektionskrank- geht vorher in Heilung über heiten zeitweilige Besserung/ Infektiöse Anämie der Verschlechterung; Einhufer; Malaria pathologischer Prozess bleibt Rezidiv „Rückfall“ ckfall“ Wiederholung des Krankheitsbildes, intermittierendes Hinken, erneuter pathol. Prozess nach Phase thrombotisch-embolische der Gesundung Kolik 13 abortiv abortus = abgekü abgekürzt intermitintermittierend Charakteristik Beispiele Krh. entwickelt sich nicht vollkommen, bes. bei Infektionskrank- geht vorher in Heilung über heiten zeitweilige Besserung/ Infektiöse Anämie der Verschlechterung; Einhufer; Malaria pathologischer Prozess bleibt Rezidiv „Rückfall“ ckfall“ ReinfekReinfektion abortiv abortus = abgekü abgekürzt intermitintermittierend Wiederholung des Krankheitsbildes, intermittierendes Hinken, erneuter pathol. Prozess nach Phase thrombotisch-embolische der Gesundung Kolik erneute Infektion nach überstandener Grippe Krankheit; Klinik z.T. völlig anders Charakteristik Beispiele Krh. entwickelt sich nicht vollkommen, bes. bei Infektionskrank- geht vorher in Heilung über heiten zeitweilige Besserung/ Infektiöse Anämie der Verschlechterung; Einhufer; Malaria pathologischer Prozess bleibt Rezidiv „Rückfall“ ckfall“ Reinfektion Wiederholung des Krankheitsbildes, intermittierendes Hinken, erneuter pathol. Prozess nach Phase thrombotisch-embolische der Gesundung Kolik, Ketose erneute Infektion nach überstandener Grippe Krankheit; Klinik z.T. völlig anders KomplikaKomplikation Entwicklung schwerer Krankheit aus Obstipatio – Enteritis - Ausgang (Exitus) der Krankheit: Gesundung Klinisch, morphologisch, biologisch, Wiederherstellung der gestörten Funktion und Leistung Restitutio ad integrum: Zustand neuer Qualität -vollstä vollständig -unvollstä unvollständig Residualerscheinungen bleiben zurück 14 Gesundung Klinisch, morphologisch, biologisch, Wiederherstellung der gestörten Funktion und Leistung Restitutio ad integrum: Zustand neuer Qualität -vollstä vollständig -unvollstä unvollständig Residualerscheinungen bleiben zurück Rückkehr der Krankheit Leiden Gesundung Übergang in eine chronische Form mit bleibenden Veränderungen (z.B. Zirrhose) Klinisch, morphologisch, biologisch, Wiederherstellung der gestörten Funktion und Leistung Restitutio ad integrum: Zustand neuer Qualität -vollstä vollständig -unvollstä unvollständig Residualerscheinungen bleiben zurück Rückkehr der Krankheit Leiden Übergang in eine chronische Form mit bleibenden Veränderungen (z.B. Zirrhose) Tod – Exitus Unfähigkeit zur Selbstregelung und letalis Selbsterhaltung, gekennzeichnet durch das Aufhören von Atmung (mors per asphyxiam) oder Herztätigkeit (mors per syncopem) - physiologischer Tod - pathologischer Tod (Apoplexie) Phasen des Sterbens: Phase Charakterisitik prä präagonaler Zustand TerminalTerminalpause → Hypoxie und Azidose; Umschalten von aerob auf anaerob; gestörte Atem- und Herzfunktion Atemstillstand: sec bis 3-4 min; völlig anaerob; Blutdruckabfall, ZNS- und Reflexstörungen Agonie höhere Hirnteile sterben ab: - Bewusstseinsverlust, Erregung, Unruhe; - Paralyse der Muskulatur (Kot -, Harnabsatz), - Lähmung des Hirnstammes Klinischer/ äußere Lebenszeichen fehlen, aber noch Klinischer/ relativer Tod Stoffumsatz, Kammerflimmern, Hirnveränderungen reversibel, ca 3 min biologischer/ irreversible ZNS-Veränderungen wahrer Tod 15 16
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