TU Dortmund Fakultät für Mathematik Lehrstuhl IV Stochastische Analysis WS 2015/2016, Blatt 9 Woerner/Mentemeier Übungen Abgabetermin: Mittwoch, 6.01.2016, 8:30 Uhr, Briefkasten 28 THEMEN: Diskrete Finanzmathematik I, Martingaldarstellungssatz Aufgabe 34 (3 Punkte) Es sei T ∈ und (Dn )n=1,...,T eine Folge von u.i.v. Zufallsvariablen mit Werten in {−1, 1}. Es sei P(D1 = 1) = p für ein p ∈ (0, 1). Ein stochastischer Prozess (Xn )n=0,...,T heißt binäres Modell, falls X0 = x0 ∈ und zu jedem 1 ≤ n ≤ T eine Funktion f : n−1 × {0, 1} → existiert mit N R R R Xn = fn (X1 , . . . Xn−1 , Dn ). Es bezeichne Fn die von X1 , . . . , Xn erzeugte σ-Algebra. (i) Zeigen Sie, dass im Allgemeinen Fn 6= σ(D1 , . . . , Dn ). (ii) Es sei V eine FT -messbare Zufallsvariable. Zeigen Sie, dass ein vorhersagbarer Prozess (Hn )n∈N und ein V0 ∈ existiert, so dass R V = V0 + T X Hk (Xk − Xk−1 ). k=1 Tipp: Definieren Sie einen Prozess (Vn )n=0,...,T mit VT = V und Vn = Vn−1 + Hn (Xn − Xn−1 ) für geeignetes Hn . Beginnen Sie mit n = T und definieren sie sukzessive Vn−1 und Hn ; unterscheiden Sie dabei die Fälle Dn = 1 und Dn = −1. Ein Finanzmarktmodell in diskreter Zeit N Es seien m, T ∈ und P0 (k), P1 (k), . . . , Pm (k) stochastische Prozesse auf (Ω, F, P) in diskreter Zeit (k = 0, 1, . . . T ), welche die Preise verschiedener Anlagemöglichkeiten modellieren, wobei wie üblich P0 (k) = (1 + r)k für ein r ≥ 0 die risikofreie Anlage beschreibt. Es bezeichne Fk die kanonische Filtration von P . Eine Handelsstrategie ϕ ist ein m+1 -wertiger stochastischer Prozess in diskreter Zeit, so dass ϕ(k) Fk -messbar ist für jedes k. Hierbei beschreibt ϕj (k) die zum Zeitpunkt k gehaltenen Anteile der j-ten Anlagemöglichkeit. Der Wert der Anlagestrategie wird durch den Vermögensprozess R X(k) = m X ϕj (k)Pj (k) = D E ϕ(k), P (k) j=0 beschrieben, ein Startkapital von X(0) = x entspricht ϕ(0) = (x, 0, . . . , 0)> . http://www.mathematik.uni-dortmund.de/lsiv/2015Winter/StochAna Zu den Zeitpunkten k = 1, . . . , T werden die Preise „geupdatet“, anschließend können Käufe und Verkäufe getätigt werden. Eine Handelsstrategie ϕ heisst selbstfinanzierend, wenn gilt: X(k) = m X ϕj (k)Pj (k) = j=0 m X ϕj (k − 1)Pj (k) ∀k = 1, . . . , T − 1, (1) j=0 d.h. die ab dem Zeitpunkt k gehaltenen Anteile wurden zu den Preisen im Zeitpunkt k gekauft und komplett durch das dann vorhandene Vermögen finanziert, welches vollständig investiert wurde und sich aus den ab dem Zeitpunkt (k − 1) gehaltenen Anteilen bildet. Aufgabe 35 (4 Punkte) (i) Interpretieren Sie die Bedingung, dass ϕ(k) Fk -messbar sei. (ii) Eine Anlagestrategie ϕ mit Startkapital x ist selbstfinanzierend genau dann, wenn X(0) = x und X(t) = x + t D X ϕ(k − 1), P (k) − P (k − 1) E ∀t = 0, . . . , T. k=1 (iii) Ist (P (k))k=0,...,T ein Martingal, so ist (X(k))k=0,...,T ebenfalls ein Martingal. (iv) Es sei m = 1 und (P0 , P1 ) sei durch ein binäres Modell gegeben (vgl. Aufgabe 34). Zeigen Sie, dass zu jeder FT -messbaren Zufallsvariable V eine selbstfinanzierende Handelsstrategie ϕ mit geeignetem Startkapital X(0) existiert, so dass V = X(T ), wobei X(k) den Vermögensprozess zu ϕ bezeichnet. Tipp: Aus Aufgabe 34 erhalten sie für V̂ := (1 + r)−T V die Darstellung V̂ = V0 + T X Hk (P̂1 (k) − P̂1 (k − 1)). k=1 Zeigen Sie, dass durch die Definition ϕ0 (k) := V̂k − ϕ1 (k)P̂1 (k), ϕ1 (k) := Hk+1 , k = 0, . . . , T − 1 eine selbstfinanzierende Anlagestrategie definiert wird, deren Wert zum Zeitpunkt T gerade V beträgt. Hierbei sei V̂k = V0 + Pk j=1 Hj P̂1 (j) − P̂1 (j − 1) . Diskontiertes Preismodell und Arbitrage Sei P wie oben, dann bezeichnen wir als diskontiertes Preismodell den Prozess ! Pb (k) P1 (k) Pm (k) P0 (k) = 1, ,..., . P0 (k) P0 (k) P0 (k) := Eine selbstfinanzierende Anlagestrategie ϕ mit Vermögensprozess X heisst Arbitragemöglichkeit, falls X(0) ≤ 0 und X(T ) ≥ 0 f.s. sowie P(X(T ) > 0) > 0. Ist ein zu P äquivalentes Maß auf (Ω, F), so dass (Pb (k))k=0,...,T ein Martingal bildet bzgl. , so heisst ein äquivalentes Martingalmaß. Q Q Q Aufgabe 36 (5 Punkte) (i) Für eine Anlagestrategie ϕ gilt: (a) ϕ ist selbstfinanzierend bzgl. P ⇔ ϕ ist selbstfinanzierend bzgl. Pb . (b) ϕ ist Arbitragemöglichkeit bzgl. P ⇔ ϕ ist Arbitragemöglichkeit bzgl. Pb . (ii) Warum kann (P (k))k=0,...,T im Allgemeinen kein Martingal bilden? Q (iii) Existiert ein äquivalentes Martingalmaß , so existiert keine Arbitragemöglichkeit im diskontierten Preismodell (und damit auch nicht im originalen Modell). Q (iv) Es existiere ein äquivalentes Martingalmaß . Seien ϕ, θ zwei selbstfinanzierende Handelsstrategien mit Vermögensprozessen Xϕ bzw. Xθ . Gilt Xϕ (T ) = Xθ (T ), so folgt bereits Xϕ (k) = Xθ (k) Q-f.s. (und damit auch P-f.s.) ∀k = 0, . . . , T. Tipp: Aufgabe 35 (c). Mit mehr Aufwand lässt sich auch zeigen, dass Arbitragefreiheit die Existenz eines äquivalenten Martingalmaßes impliziert. Derivate und Vollständigkeit Eine FT -messbare, nichtnegative Zufallsvariable B heißt Derivat mit Fälligkeit T . Es bezeichne X+ die Menge aller Derivate mit Fälligkeit T . B ∈ X+ heißt reproduzierbar (engl. attainable), falls eine selbstfinanzierende Anlagestrategie ϕ existiert mit Xϕ (T ) = hϕ(T ), P (T )i = B. Ein Marktmodell heisst vollständig, falls jedes B ∈ X+ reproduzierbar ist. Preisberechnung mit Duplikationsmethode Ansatz: Finde eine selbstfinanzierende Anlagestrategie ϕ, deren Wert zum Endzeitpunkt, also Xϕ (T ), gerade dem Wert des Derivates entspricht, d.h. Xϕ (T ) = B. Dann nehme Xϕ (0) als Preis für dieses Derivat. Aufgabe 37 (3 Punkte) Das Marktmodell sei arbitragefrei, es existiere also ein äquivalentes Martingalmaß Q. (i) Zeigen Sie, dass der mittels der Duplikationsmethode bestimmte Preis eindeutig bestimmt ist. Tipp: Aufgabe 36. (ii) Es gelte zusätzlich F = FT . Zeigen Sie: Ist das Modell vollständig, so existiert genau ein äquivalentes Martingalmaß ( ist also eindeutig bestimmt.) Tipp: Duplikationsmethode. Q Auch hier lässt sich mit zusätzlichem Aufwand die Umkehrung zeigen. Für endliche Marktmodelle mit FT = F gilt also: Das Modell ist vollständig und arbitragefrei ⇔ es existiert genau ein äquivalentes Martingalmaß. Aufgabe 38 (5 Punkte) Für T > 0 sei (Bt )0≤t≤T standard Brownsche Bewegung mit kanonischer Filtration Ft . Ist Y eine FT -messbare, integrierbare Zufallsvariable, so ist h Mt := E Y |Ft i 0 ≤ t ≤ T, (2) ein Martingal bzgl. (Ft )0≤t≤T . (i) Zeigen Sie: Ist E|Y |2 < ∞, so ist E|Mt |2 < ∞ für alle t ∈ [0, T ]. (3) (ii) Es sei (Mt )0≤t≤T ein Martingal bzgl. Ft (kanonische Filtration von B), für dass (3) gilt. Nach dem Martingaldarstellungssatz existiert ein progressiv messbarer Prozess (g(t))0≤t≤T , so dass Mt = E[M0 ] + Z t 0 g(s)dBs P-f.s. für alle t ∈ [0, T ]. Bestimmen Sie g, wenn Mt gemäß (2) aus folgenden Zufallsvariablen gebildet wird: (a) Y = BT2 , und (b) Y = exp(σBT ). Tipp: Nutzen Sie, dass exp(σBt − 21 σ 2 t) ein Martingal ist. Wir wünschen Ihnen fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr 2016! Jeannette Woerner und Sebastian Mentemeier
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