GRUPPE 3: D. Holzgang, A. Ladner, M. Pleus, C. Bachmann, S. Lohmann Es existiert die Hypothese, dass Sportler, die Schutzausrüstung tragen, ein höheres Risiko eingehen, so dass der protektive Effekt der Ausrüstung aufgehoben wird (Risikokompensation). Diskutieren Sie am Beispiel des Helmtragens im Schneesport (Ski, Snowboard), ob bzw. in welchem Umfang hier Risikokompensation auftritt. 1. Einleitung 1 In den letzten Jahren ist der Anteil an helmtragenden Skifahrern stark angestiegen. 2003 lag der Anteil noch bei 23% , 2 während 2011/12 bereits 81.5% der Schneesportler einen Helm trugen . Im gleichen Zeitraum wurde festgestellt, dass 3 die Kopfverletzungen zurückgingen . Jedoch hat das Tragen eines Helmes keinen Einfluss auf die Anzahl Todesfälle auf 4 der Piste . Auf Grund dieser Beobachtungen ist die Frage einer Risikokompensation in Schneesport berechtigt. 2. Literaturrecherche In der Literatur existieren widersprüchliche Meinungen zum Einfluss des Helmtragens auf die Risikobereitschaft im Schneesport. Einerseits berichten verschiedene Studien, dass keine Risikokompensation durch das Helmtragen 1,2 1 auftritt oder bemerken gar, dass der Helm ein Indikator eines vorsichtigeren Fahrstils darstellt . Andererseits 3,4 existieren Quellen, welche besagen, dass das Gegenteil der Fall ist . 1 Wichtig anzumerken ist, dass die Resultate in allen Studien von Fragebögen bzw. Interviews stammen. Scott et al. und 2 Ruedl et al. erhoben durch mündliche Befragungen auf der Piste und Sessellift ihre Daten. Hingegen wurden in den 3 4 Studien von Thomson et al. und Ruzic et al. Fragebögen angewendet. 1 Scott et al. entkräftigen die Risikokompensationstheorie im Schneesport, da ihre Studie bestätigt, dass Helmtragen nicht mit einer höheren Risikobereitschaft in Verbindung steht. Die Autoren zeigten, dass Helmträger grundsätzlich vorsichtiger und langsamer auf den Pisten unterwegs sind. Des Weiteren kamen sie zu dem Schluss, dass das Helmtragen generell mit einer Risikoreduktion in Verbindung gebracht werden kann, da Helmträger dieser Studie auch in anderen Sportarten (Fahrrad) die Entscheidung einen Helm zu tragen treffen. 2 Als zweiter Beleg gegen die Risikokompensation im Schneesport dient das Paper von Ruedl et al. , welches die Risikobereitschaft von verunfallten Schneesportlern untersuchte. Die Autoren fanden keine signifikanten Anzeichen zur Bestätigung der Hypothese. Der Einfluss des Helmtragens auf die Risikobereitschaft war insbesondere im Vergleich zu anderen Faktoren (Alter, Geschlecht, Nationalität und Können) nicht signifikant. 4 5 Hingegen berichten Ruzic et al. von einem höheren Risikoindex (RI) bei Helmträgern (RI = 12,5) im Vergleich zu Schneesportlern, die keinen Helm tragen (RI = 12,0). Besonders deutlich wurde dieser Unterschied bei gelegentlichen Helmträgern (RI = 13,7). Dies könnte bedeuten, dass gelegentliche Helmträger den Helm bewusst für riskantere Vorhaben aufsetzen, z.B. bei Carving oder Off-‐Piste Fahrten. Zu bemerken ist die Tatsache, dass diese Studie nicht auf Selbsteinschätzung der Risikobereitschaft beruht, sondern die Risikobereitschaft indirekt durch Fragebögen aus Angaben zu Skifahr-‐ und Gruppenverhalten abgeleitet wurde. 3 Auch laut Thomson et al. zeigte sich nach einer statistischen Regressionsanalyse ein Unterschied zwischen Helmträgern und Nichthelmträgern in Bezug auf ihre Risikobereitschaft, was sich auch in einer erhöhten Verletzungswahrscheinlichkeit äusserte. Die Autoren begründen den Unterschied ihrer Ergebnisse im Vergleich zu anderen Studien mit der Anwendung gründlicherer statistischer Methoden sowie breiteren Auswahlmöglichkeiten bei Fragebögen. Die Dichotomie vorhergegangener Studien, also dass jeweils nur „schnell“ oder „langsam“, „risikobereit“ oder „nicht risikobereit“ angekreuzt werden konnte, soll zu fehlenden Informationen führen. 5 Risikoindex: 6 = tief; 21 = hoch 1 GRUPPE 3: D. Holzgang, A. Ladner, M. Pleus, C. Bachmann, S. Lohmann 3. Diskussion Aus der oben erwähnten Literaturrecherche ergeben sich gegensätzliche Resultate bezüglich der Risikokompensation. Es ist schwierig die jeweiligen Studien zu vergleichen, da verschiedene Gruppen (Verunfallte/Fahrende) zu ihrer Risikobereitschaft befragt wurden. Zusätzlich wurden die Resultate durch unterschiedliche Befragungsmethoden (direkt/indirekt) ermittelt. Des Weiteren gibt es Unterschiede zwischen den statistischen Auswertungsmethoden und 1,4 der Unterteilung von Teilgruppen. Während einige Studien nach Geschlecht und Alter differenzieren, gehen andere 2,3 noch einen Schritt weiter und gehen unter anderem auf Bildung, Fahrfähigkeit und Herausforderungslust ein . Auch das Herkunftsland der Skifahrer ist über die Untersuchungen hinweg nicht einheitlich. Ein letzter Kritikpunkt für die Vergleichbarkeit der Studien ist, dass sich der Schneesport in der untersuchten Zeitspanne (2003-‐2012) extrem weiterentwickelt hat und die Voraussetzungen sich somit grundlegend verändert haben. Insbesondere der starke Anstieg des Anteils an Helmträgern im Schneesport könnte unserer Meinung nach einen großen Einfluss auf die Beweggründe einen Helm zu tragen gehabt haben. Während bei einer geringen Quote an Skifahrern mit Helm die Hemmschwelle diesen aufzusetzen wesentlich höher war, ist das Helmtragen mittlerweile so verbreitet, dass dieses unabhängig von Alter, Risikobereitschaft, Können, etc. praktiziert wird. Unserer Meinung nach konnte die Literaturrecherche kein eindeutiges Ergebnis im Hinblick auf die Risikokompensation durch das Helmtragen liefern. Vor allem konnten wir feststellen, dass der Einfluss des Helmtragens auf die Risikobereitschaft gegenüber anderen Faktoren wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Fahrfähigkeiten und Bildung relativ gering war. 3,4 Selbst die Studien , die einen Einfluss des Helmtragens auf die Risikobereitschaft aufzeigen konnten, betonen, dass diese erhöhte Risikobereitschaft in keiner Weise die Vorteile und Schutzwirkung eines Helmes aufwiegen kann. Somit sollte weiterhin für das Tragen eines Helmes geworben werden, um den Anteil der Helmträger weiter zu erhöhen. Gleichzeitig sollte dem Glauben, dass eine erhöhte Risikobereitschaft durch den Helm als Argument gegen diesen dient entgegen gewirkt werden. Ausserdem glauben wir, dass es wichtig ist, weiterhin über die positiven Auswirkungen eines Helmes aufzuklären. Ein Helm kann keinen allumfassenden Schutz gewähren und dies sollte dem Kunden bewusst sein. Auch ein Helm schützt nicht vor Beinbruch. 4. Quellenverzeichnis 1. 2. 3. 4. Michael D Scott, David B Buller, Peter A Andersen, Barbara J Walkosz, Jennifer H Voeks, Mark B Dignan, Gary R Cutter Testing the risk compensation hypothesis for safety helmets in alpine skiing and snowboarding. Injury Prevention 13 (2007) 173-‐177 G. Ruedl, M. Burtscher, M. Wolf, L. Ledochowski, R. Bauer, K.-‐P. Benedetto, M. Kopp Are self-‐reported risk-‐taking behavior and helmet use associated with injury causes among skiers and snowboarders? Scand. J. Med. Sci. Sports 25 (2015) 125-‐130 Cynthia J. Thomson, Scott R.Carlson Increased patterns of risky behaviours among helmet wearers in skiing and snowboarding. Accident Analysis and Prevention 75 (2015) 179-‐183 Lana Ruzic, MD, PhD; Anton Tudor, MD, PhD Risk-‐taking Behavior in Skiing Among Helmet Wearers and Nonwearers. Wilderness & Environmental Medicine 22 (2011) 291-‐296 2
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