Ass.-Prof. Mag. Dr. Farsam Salimi Anfängerpflichtübung aus Strafrecht WS 2015/16 Lösungsskizze Fall 1 (Lösung nach dem StGB idF ab 1.1.2016) Prüfung des B wegen des Erstickens der X wegen § 75 StGB Indem B der X so lange einen Polster ins Gesicht drückt, bis diese erstickt, tötet er diese. Der Tod der X ist dem Handeln des B ohne weiteres zurechenbar. Er handelt dabei vorsätzlich, da er den Tod der X (Erfolg) dabei zumindest ernsthaft für möglich hält und sich auch damit abfindet (Eventualvorsatz). Es gibt keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe. → B ist strafbar gemäß § 75 StGB. Prüfung des A wegen Bestimmung zum Mord an X durch B wegen § 12 2.F iVm § 75 StGB A bittet B, die X umzubringen, womit er in B den Handlungsentschluss zur Tötung der X weckt (A setzt damit eine Bestimmungshandlung). A hat dabei Vorsatz auf die Bestimmung sowie auf die Vollendung des Tötungsdeliktes durch B. B betätigt in weiterer Folge den Handlungsentschluss und tötet die X. Es gibt auf für A keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe. → A ist strafbar gemäß § 12 2.F iVm § 75 StGB. Prüfung des B wegen Einschlagens des Fensters gem § 109 Abs 3 StGB: Indem B das Fenster einschlägt, um sodann in die Villa einzusteigen, verschafft er sich unter Einsatz von (Sach-)Gewalt unbefugt Zutritt zum Haus der X, wobei er beabsichtigt, die dort befindliche X im Schlaf zu töten. Zu prüfen ist § 109 Abs 3 StGB. (Da Abs 3 einen eigenen Deliktstypus darstellt, schließt er die Anwendung des Abs 1 aus.) Die Villa der X ist ihre Wohnstätte und somit durch das Hausrecht vor unbefugtem Zutritt geschützt. Das Einschlagen des Fensters stellt Gewalt gegen eine Sache dar, welche für § 109 StGB ausreichend ist. Zur Erfüllung des Tatbestandes muss auch eine Person in den geschützten Räumlichkeiten anwesend sein, was ebenfalls gegeben ist. B dringt vorsätzlich in das Haus ein. Der Vorsatz des B bezieht sich auch insbesondere darauf, dass X sich im Haus befindet, da er diese ja im Schlaf töten möchte, also Gewalt gegen sie üben will. Auch gibt es keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe. → B ist strafbar gemäß § 109 Abs 3 StGB. Ass.-Prof. Mag. Dr. Farsam Salimi Anfängerpflichtübung aus Strafrecht WS 2015/16 Prüfung des B wegen Einschlagens des Fensters gem § 125 StGB: Zu denken wäre auch an eine Sachbeschädigung. B schlägt mit einem Stein die Fensterscheibe des Hauses ein. Es handelt sich hierbei um das Fenster der X, somit um eine für B fremde Sache, welche durch das einschlagen beschädigt wird. B hat Vorsatz auf die Beschädigung des Fensters. Laut Sachverhalt hält er den Eintritt des Schadens ernsthaft für möglich und findet sich damit ab (Eventualvorsatz). Es liegen keine Anzeichen für Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vor. → B ist strafbar gemäß § 125 StGB. Die Sachbeschädigung ist vom Unrechtsgehalt des Hausfriedensbruchs schon abgedeckt, es handelt sich um eine (typische) Begleittat, sodass die Sachbeschädigung dem B nicht gesondert anzulasten ist. Prüfung des A wegen Verletzung des B am Auge wegen § 85 Abs 1 Z 1 StGB Durch den Schlag des A wurde B am Körper verletzt, und zwar so schwer, dass dieser in weiterer Folge auf dem linken Auge erblindet. Der Verlust der Sehkraft fällt unter § 85 Abs 1 Z 1. Die Zurechenbarkeit ist unproblematisch. A hat bei dem Schlag vorsätzlich hinsichtlich der Körperverletzung gehandelt, da er den Eintritt einer Körperverletzung des B zumindest ernsthaft für möglich gehalten und sich auch damit abgefunden hat. Der Vorsatz des A geht wohl über eine bloße Misshandlung des B gem § 83 Abs 2 StGB hinaus, sodass § 85 Abs 2 erfüllt ist. Hinsichtlich des Eintritts der schweren Dauerfolge muss A zumindest fahrlässig gehandelt haben, Vorsatz explizit auf die schwere Dauerfolge ist nicht notwendig (vgl § 85 Abs 2). Durch die Erfüllung des Grunddeliktes verstößt A auch gegen die zur Vermeidung der schweren Dauerfolge gebotene Sorgfalt, da eine Erblindung wohl zu den objektiv voraussehbaren Folgen gehört, wenn man jemandem anderen eine (zerbrechliche) Vase ins Gesicht schlägt. Es gibt keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe. → A ist strafbar gemäß § 85 Abs 1 Z 1 StGB. Variante: Prüfung des A wegen der Herbeiführung des Todes des B gemäß § 86 Abs 2 StGB Nach dem Sachverhalt kann A kein Tötungsvorsatz angelastet werden, sodass § 75 StGB ausscheidet. Zu prüfen ist daher eine von A verursachte Körperverletzung mit Todesfolge des B. Ass.-Prof. Mag. Dr. Farsam Salimi Anfängerpflichtübung aus Strafrecht WS 2015/16 Die Prüfung erfolgt wie zuvor: A verletzt den B vorsätzlich am Körper und hat Verletzungsvorsatz, doch verursacht A diesmal den Tod. Somit ist § 86 Abs 2 StGB erfüllt. Auch hinsichtlich der Todesfolge ist fahrlässiges Handeln des A für eine Zurechnung ausreichend. Indem A den B vorsätzlich am Körper verletzt, handelt er auch objektiv sorgfaltswidrig hinsichtlich des Todeserfolges. Es liegt nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass bei einem solchen Handeln die Halsschlagader verletzt wird und das Opfer verblutet. Aus diesem Grund soll man auch niemandem eine Vase ins Gesicht schlagen. Auch der Risikozusammenhang ist problemlos erfüllt. Es gibt keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe. → A ist strafbar gemäß § 86 Abs 2 StGB.
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