58/2015 BGH vom 01.07.2015 zum ordnungsgemäßen

Mitteilungen der Juristischen Zentrale
VERTRAGSANWÄLTE
Nr. 58/2015
30.09.2015 AD
BGH vom 01.07.2015 zum ordnungsgemäßen Nacherfüllungsverlangen im
Kaufrecht – Prozessuales Verspätungsrecht, § 531 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 3 ZPO
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen eines Sachmängelhaftungsprozesses hat der Bundesgerichtshof für den Anwalt
wesentliche Praxisfragen behandelt, die zur Minimierung des Haftungsrisikos beitragen:
-
Rechtswirksame Formulierung des Nacherfüllungsverlangens
Anforderungen an die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung durch den
Verkäufer
Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz
Die haftungsträchtigen Weichen, die im kaufvertraglichen Sachmängelhaftungsrecht zum
Verlust der Sekundärrechte des § 437 Nr. 2 und 3 BGB (Minderung, Rücktritt, Schadenersatz, Ersatz vergeblicher Aufwendungen) führen können, werden bereits dann gestellt, wenn
der Anwalt für seinen Mandanten gegenüber dem Verkäufer die Beseitigung von Mängeln
gem. § 439 Abs. 1 BGB (Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung) geltend macht.
Der BGH hat am 01.07.2015 hierzu entschieden, dass die Obliegenheit des Käufers, vor
der Geltendmachung der in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte ein Nacherfüllungsverlangen an den Verkäufer zu richten, sich nicht nur auf eine mündliche oder
schriftliche Aufforderung (hier durch den Anwalt) zur Nacherfüllung beschränkt, sondern
auch die Bereitschaft des Käufers umfassen muss, dem Verkäufer die Kaufsache zur
Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen.
Des Weiteren hat der BGH in seiner Entscheidung festgestellt, dass neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO auch noch in der Berufungsinstanz trotz Nachlässigkeit der Partei (hier des Anwalts) i. S. v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO
zuzulassen sind, wenn die fehlerhafte Rechtsansicht bzw. Prozessleitung (§ 139 ZPO) des
erstinstanzlichen Gerichts zumindest mitursächlich war für die Verlagerung des Parteivorbringens in das Berufungsverfahren (BGH, Urteil vom 01.07.2015, Az.: VIII ZR 226/14).
Die Urteilsgründe sind aber auch lesenswert im Hinblick auf die (u. U. rücktrittsrettende) Frage nach der ausnahmsweisen Entbehrlichkeit eines ordnungsgemäßen Nacherfüllungsverlangens vor Erklärung des Rücktritts (hier verneint), weil der Verkäufer die Mangelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert hat, §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
2
Sachverhalt:
Im Mai 2012 erwarb der Kläger mit schriftlichem Vertrag von dem beklagten Händler einen
gebrauchten, erstmals im Januar 2000 zum Straßenverkehr zugelassenen Pkw zum Preis
von 4.990,00 Euro. Anfang September 2012 trat an dem Fahrzeug ein Motorschaden auf. Mit
Anwaltsschreiben vom 25.09.2012 ließ der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum
08.10.2012 auffordern, „dem Grund nach zu erklären, dass Sie eine Nachbesserung vornehmen werden“.
Der Beklagte stellte mit Antwortschreiben vom 08.10.2012 – unter Berufung auf einen beigefügten, am 22.05.2012 eingeholten „DEKRA SIEGEL Bericht“ – ein Vorhandensein der gerügten Mängel zum Zeitpunkt der Übergabe in Abrede und führte ergänzend aus: „Darüber
hinaus möchten wir Sie darauf hinweisen, dass Ihr Mandant eine einjährige Garantie über
die W.-GmbH abgeschlossen hat.“ Mit Anwaltsschreiben vom 24.10.2012 ließ der Kläger den
Rücktritt vom Kaufvertrag erklären.
Erstinstanzlich hatte das LG Berlin (Urteil vom 25.03.2013, Az.: 18 O 591/12, n. v.) Termin
zur mündlichen Verhandlung anberaumt und in seiner Ladungsverfügung darauf hingewiesen, dass die Klage „im Übrigen auch weitgehend unschlüssig sein dürfte“. Der Beklagte, der
vor dem Termin nicht mehr fristgerecht erwiderte, war in der mündlichen Verhandlung „in die
berühmte Säumnis geflohen“.
Daraufhin beantragte der Kläger den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten.
Die Klage wurde jedoch vom Landgericht durch unechtes Versäumnisurteil wegen Unschlüssigkeit abgewiesen.
Hiergegen legte der Kläger Berufung ein, mit der er seinen Klageantrag (unter teilweiser Änderung seines bisherigen Begehrens) weiterverfolgte.
In der Berufungserwiderung bestritt der Beklagte erstmalig das Vorhandensein eines
Mangels mit der Behauptung, dass von ihm nicht zu vertretender Verschleiß die Ursache für
den Motorschaden gewesen sei.
Das Berufungsgericht (KG, Urteil vom 13.06.2014, Az.: 21 U 83/13, BeckRS 2015, 12822)
gab der Klage weitestgehend statt.
Nach dem allein maßgeblichen Vortrag des Klägers, so das KG, lag ein zum Rücktritt berechtigender Mangel vor. Der erstmalige Vortrag des Beklagten war hierbei als neues Verteidigungsvorbringen in der Berufungsinstanz nicht zugelassen worden, da nach Auffassung des Kammergerichts der in erster Instanz gänzlich unterbliebene Sachvortrag als eine
Nachlässigkeit der Partei i. S .v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO anzusehen sei. Eine Zulassung des Beklagtenvorbringens, gestützt auf die Vorschrift des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
aufgrund eines Fehlers des Landgerichts, lehnte das KG mit der Begründung ab, dass die
Rechtsansicht des Landgerichts den erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten, der auf das
Klagevorbringen überhaupt nicht erwidert hatte, nicht beeinflusst hätte.
Das Berufungsgericht gestand dem Beklagten im Übrigen zwar zu, dass ein ausreichendes
Nachbesserungsverlangen klägerseits nicht vorgelegen hätte, jedoch sei eine Fristsetzung
vorliegend nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung seitens des Händlers entbehrlich gewesen.
3
Entscheidung des BGH:
Auf die vom Kammergericht zugelassene Revision des Beklagten hob der Bundesgerichtshof
das Berufungsurteil – soweit es zum Nachteil des Beklagten ergangen war – auf und wies
die Berufung des Klägers insgesamt zurück.
Zulassung neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz trotz Nachlässigkeit des
Rechtsanwalts – § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO vs. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO:
Prozessual stellt der BGH fest, dass der erstmals im Berufungsverfahren erfolgte Sachvortrag des Beklagten zwar ein neues Verteidigungsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO darstellt. Allerdings, so der BGH, war vom Berufungsgericht rechtsfehlerhaft der Anwendungsbereich des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO verkannt worden, der neues Vorbringen auch dann
noch zulässt, wenn eine Partei erstinstanzlichen Sachvortrag infolge von Nachlässigkeit
i. S. v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO unterlassen hatte.
Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist neues Vorbringen grundsätzlich zuzulassen, wenn es
einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen
oder für unerheblich gehalten worden ist.
Der VIII. Zivilsenat sah diese Voraussetzung als erfüllt an, da das Landgericht Berlin erstinstanzlich die Klage unabhängig von der Frage, ob ein zum Rücktritt berechtigender
Sachmangel aufgetreten ist und ob der Rücktritt wirksam ausgeübt worden ist, für unschlüssig bzw. unzulässig gehalten hatte.
Auch die für die Anwendung des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO weiterhin aufgrund der
Rechtsansicht des Gerichts des ersten Rechtszugs erforderliche, zumindest mitursächliche
Verlagerung des Parteivorbringens in die Berufungsinstanz war nach Auffassung des BGH
gegeben, weil das Landgericht durch den Erlass des „unechten Versäumnisurteils“ dem Beklagten die von diesem erkennbar angestrebte Möglichkeit genommen hatte, durch „Flucht in
die Säumnis“ sein bis dahin fehlendes Vorbringen in der Einspruchsschrift (§ 340 ZPO) und
damit noch vor Abschluss der ersten Instanz nachzuholen.
Nur wenn das erstinstanzliche Gericht das vom Kläger beantragte (echte) Versäumnisurteil
gegen den Beklagten erlassen hätte (§ 331 Abs. 1 und 2 ZPO), hätte der Beklagte durch
rechtzeitigen Einspruch (§ 338 bis 340 ZPO) die Einführung seines Sachvortrages (Bestreiten des Vorliegens eines Mangels) in der ersten Instanz sicherstellen können.
Das Berufungsgericht hätte somit das Vorliegen eines Sachmangels nicht allein auf Grundlage des Klägervortrags bejahen dürfen, sondern hätte berücksichtigen müssen, dass durch
den Beklagten das vom Kläger behauptete Auftreten eines Sachmangels innerhalb von
sechs Monaten nach Gefahrübergang wirksam bestritten wurde.
Weiterführender Hinweis:
Wenn ein Fall des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO vorliegt, wird es für den verfahrensfehlerfreien Verlauf des Verfahrens regelmäßig erforderlich sein, dass das Berufungsgericht auf der
Grundlage seiner Rechtsauffassung einen entsprechenden Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO
erteilt, um den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
4
Den ergänzenden Vortrag der Parteien muss das Gericht beachten, um seiner Hinweispflicht
gerecht zu werden (BGH, Urteil vom 26.07.2007, Az.: VII ZR 262/05, NJW-RR 2007, 1612).
Nacherfüllungsverlangen muss auch die Bereitschaft der Zurverfügungstellung der
Kaufsache für den Verkäufer enthalten:
Der BGH geht zunächst (noch) mit dem Berufungsgericht davon aus, dass die alleinige Aufforderung des klägerischen Anwalts an den Beklagten „bis zum 08.10.2012 dem Grunde
nach zu erklären, dass Sie eine Nachbesserung vornehmen werden.“, nicht den Anforderungen der §§ 323 Abs. 1, 439 Abs. 1 BGB für ein entsprechendes Nacherfüllungsverlangen
genügt. Dies ist aber grundsätzlich Voraussetzung, damit der Käufer sein Recht zum Rücktritt vom Vertrag nach § 437 Nr. 2 BGB i. V. m. §§ 440, 323 BGB ausüben kann.
Hierbei betont der BGH, dass sich die Obliegenheit des Käufers, vor der Geltendmachung
der in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte ein Nacherfüllungsverlangen an den Verkäufer zu richten, nicht nur auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur
Nacherfüllung beschränkt.
Vielmehr muss das Nacherfüllungsverlangen zudem die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der monierten Mängel für eine
entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen; nur so kann der Verkäufer beurteilen, ob die gerügten Mängel vorhanden sind und bei Gefahrübergang vorgelegen haben
(so bereits BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 96/12, DAR 2013, S. 263 ff. = ADAJURDok. Nr. 100996 und BGH, Urteil vom 10.03.2010, Az.: VIII ZR 310/08, DAR 2010, S. 328 ff.
= ADAJUR-Dok. Nr. 87311).
Daher ist der Verkäufer nur unter diesen Voraussetzungen überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet.
Strenge Anforderungen an den Entbehrlichkeitstatbestand des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner
(Verkäufer):
Der VIII. Zivilsenat ließ dem Berufungsgericht jedoch nicht durchgehen, dass das KG eine
Nacherfüllungsaufforderung unter Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB für entbehrlich gehalten und damit den Rücktritt des Klägers dann doch noch für begründet angesehen
hatte.
Das Kammergericht hatte eine ernsthafte und endgültige Nacherfüllungsverweigerung des
Beklagten bereits aus dem Grund bejaht, weil der Beklagte in seinem Schreiben vom
08.10.2012 auf die Aufforderung des Klägers, die Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären, geantwortet hatte, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe keine Mängel aufgewiesen habe.
Gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung bzw. ein gesetzeskonformes Nacherfüllungsverlangen ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Schuldner (Verkäufer) die Leistung
ernsthaft und endgültig verweigert.
5
Der BGH macht hierbei (zum wiederholten Male) deutlich, dass an das Vorliegen einer
ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB,
§ 281 Abs. 2 HS. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen sind.
Eine Erfüllungsverweigerung liegt nämlich nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich
und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 96/12, Rn. 22, DAR 2013,
S. 263 ff. = ADAJUR-Dok. Nr. 100996; BGH, Urteil vom 13.07.2011, Az.: VIII ZR 215/10, Rn.
24, DAR 2011, S. 635 ff. = ADAJUR-Dok. Nr. 94220; BGH, Urteil vom 29.06.2011, Az.: VIII
ZR 202/10, Rn. 14, DAR 2011, S. 521 ff. = ADAJUR-Dok. Nr. 93866; BGH, Urteil vom
21.12.2005, Az.: VIII ZR 49/05, Rn. 25 m. w. N, DAR 2006, S. 259 ff. = ADAJUR-Dok. Nr.
66738).
In dem bloßen Bestreiten von Mängeln kann danach nicht ohne Weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände
hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der
Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es
damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer (ordnungsgemäßen) Nacherfüllungsaufforderung werde umstimmen lassen.
Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen des „kategorisch letzten Wortes“ hatte das
Berufungsgericht die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt, da der beklagte Verkäufer eine Nacherfüllung gerade nicht ausdrücklich abgelehnt hatte.
Vielmehr hatte der Verkäufer unter Verweis auf einen eingeholten DEKRA-Zustandsbericht
einen von ihm zu vertretenden Sachmangel lediglich in Abrede gestellt. Weiterhin hatte der
Beklagte – auch dies hätte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen – den Kläger auch
darauf hingewiesen, dass dieser bei der W. GmbH eine einjährige Garantie abgeschlossen
habe.
Der BGH stellt klar, dass im Rahmen einer erforderlichen Gesamtbetrachtung das Schreiben des Beklagten vom 08.10.2012 nicht allein dahin verstanden werden kann, dass der
Beklagte, dem mit Anwaltsschreiben vom 25.09.2012 lediglich mitgeteilt worden war, das
Fahrzeug sei mit einem Motorschaden liegengeblieben, eine Nacherfüllung endgültig verweigerte.
Vielmehr erweckt es bei objektiver und verständiger Betrachtung den Eindruck, dass der
Beklagte den Kläger zunächst auf eine Geltendmachung von Garantieansprüchen verweisen, nicht aber, dass er bereits eine abschließende Entscheidung über das Nacherfüllungsverlangen treffen wollte.
Zu Gunsten des Verkäufers hatte der BGH zudem insbesondere berücksichtigt, dass der
Motorschaden dem Beklagten nicht näher beschrieben worden und ihm das Fahrzeug auch
nicht zur Überprüfung zur Verfügung gestellt worden war.
6
Fazit und weiterführende Hinweise:
Materiell-rechtlich bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum ordnungsgemäßen Nacherfüllungsverlangen (§ 439 Abs. 1 BGB) und den strengen Anforderungen an die
§ 323 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 281 Abs. 2 HS. 1 BGB (vgl. § 437 Nr. 3 BGB).
Die Entscheidung beleuchtet prägnant die Haftungsrisiken für Rechtsanwälte in Zusammenhang mit einem fehlerhaften Nacherfüllungsverlangen bei der Geltendmachung des Primäranspruchs aus § 439 Abs. 1 BGB für den Mandanten.
Ein weiteres rechtliches Minenfeld, das der Anwalt beim Nacherfüllungsverlangen betritt, ist
die Frage nach dem Erfüllungsort der Nacherfüllung (§ 269 Abs. 1 BGB).
Es stellt sich hierbei nämlich die Frage, ob der Verkäufer die Nacherfüllung am Wohnsitz
(oder am Betriebssitz im B2B-Bereich) des Käufers zu erbringen hat, und der Käufer damit
die Abholung und anschließende Rückverbringung seines Fahrzeuges verlangen kann, oder
ob der Käufer das mangelhafte Fahrzeug auf eigene Gefahr dem Verkäufer zur Fehlerbehebung vorzuführen hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen nicht nur
die Bereitschaft des Käufers voraus, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr muss dem Verkäufer am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zu einer
solchen Untersuchung gegeben werden, bevor der Verkäufer überhaupt verpflichtet ist,
sich mit dem Nacherfüllungsverlangen des Käufers auseinanderzusetzen (BGH, Urteil vom
19.12.2012, Az.: VIII ZR 96/12, Rn. 24, DAR 2013, S. 263 ff. = ADAJUR-Dok. Nr. 100996).
Der Erfüllungsort für die Nacherfüllung wird dabei regelmäßig am Betriebssitz des Verkäufers anzusiedeln sein. In seiner Grundsatzentscheidung vom 13.04.2011 (BGH, Urteil vom
13.04.2011, Az.: VIII ZR 220/10, DAR 2011, S. 388 ff. = ADAJUR-Dok. Nr. 93287; bestätigt
in BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 96/12, Rn. 24, DAR 2013, S. 263 ff. = ADAJURDok. Nr. 100996) hat der BGH händlerfreundlich festgestellt, dass dann, wenn die ansonsten maßgeblichen vertraglichen Abreden über den Erfüllungsort fehlen und auch die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, keine abschließenden Erkenntnisse zulassen, der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzunehmen ist, an welchem der
Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte (§ 269 Abs. 2 BGB).
Wir erlauben uns in diesem Zusammenhang auf die VA-Mitteilung Nr. Nr. 25/2011 hinzuweisen, die die Entscheidung des BGH vom 13.04.2011 kritisch vor dem Hintergrund der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – VerbrGK-RiL (Richtlinie 1999/44/EG) beleuchtet.
Danach darf die Nachbesserung beim Verbrauchsgüterkauf (B2C-Bereich) gemäß Art. 3
Abs. 3 VerbrGK-RiL zu keinen erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher führen.
Die von den Neu- und Gebrauchtwagenhändlern häufig verwendeten und von Händlerverbänden (ZDK, VDA, VDIK) unverbindlich empfohlenen Neu- und Gebrauchtwagenbedingungen enthalten keine Regelungen zum Erfüllungsort der Nacherfüllung.
7
Die Juristische Zentrale hat für ADAC Mitglieder Musterformulare zum Nacherfüllungsverlangen beim Neu- und Gebrauchtwagenkauf erstellt, die Sie im RechtsService für Vertragsanwälte finden. Die Musterschreiben entsprechen den Erfordernissen, die der BGH an
ein taugliches Nacherfüllungsverlangen stellt. In den Formularen wird ausdrücklich die Bereitschaft des Käufers erklärt, das mängelbehaftete Fahrzeug dem Verkäufer zur Verfügung
zu stellen. Es ist nach unserer Auffassung nicht erforderlich, bereits in den Musterformularen
explizit auf den Betriebs- bzw. Wohnsitz des Verkäufers (oder doch den des Käufers bei „erheblichen Unannehmlichkeiten“) Bezug zu nehmen, da die generelle Bereitschaftserklärung
in ihrer Formulierung auch den „richtigen“ Erfüllungsort für die Nacherfüllung (immanent)
umfasst, ohne diesen konkret zu benennen. Virulent wird diese Frage vielmehr erst dann,
wenn der Verkäufer vom Käufer fordert, ihm die Kaufsache für eine Untersuchung zur Prüfung der erhobenen Mangelrügen zur Verfügung zu stellen.
Abschließend dürfen wir noch auf den instruktiven Beitrag von Eggert zu diesem Thema
(inkl. Praxistipps) in VA 2015, S. 149 ff. hinweisen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leitung Juristische Zentrale