handwerk Schneeräumkommando und Futterdienst. Hermann Grubert lehnt die Leiter an das prächtige zweistöckige Bauernhaus von Familie Fink und Co, wenn er den Schnee von der Veranda fegen und Körner und Nüsschen in die gute Stube streuen will. Unerreichbar für die Katzen im Revier. D achschindeln zuschneiden, Blockhauswände hochziehen, Baluster schnörkeln, Balkone konstruieren, Kastenfenster einpassen, Türstürze absetzen, Fußböden schleifen: Hermann Grubert macht sich eine Heidenarbeit für die Besucher seiner Höfe, Almen und Hütten. Denen ist das aber völlig egal, um nicht zu sagen: piepegal. Sie scheren sich nicht darum, ob Hermann Grubert einen Monat oder nur einen Tag an ihren Häuschen werkelt. Hauptsache, es ist genug Futter drinnen. Tja, diese Vögel, kein Sinn für diese Architektur, nur piepsen, flattern, futtern. Spatz, Blaumeise, Buchfink und Rotkehlchen geht es erst mal ums Überleben. Da sind sie ähnlich wie andere Zweibeiner. Mit fenstern und Balkon Die Menschen schätzen seine Werke umso mehr. Nichts ist mit Ruhestand, der 66-jährige ehemalige Möbelschreiner steht jeden Tag von früh bis spät in seiner Werkstatt in Dietramszell in Oberbayern und schafft trotzdem kaum die vielen Bestellungen. Seine Almhütten, Bauernhöfe und kleinen Landhäuser aus Lärchenholz, auf hohenPfosten montiert, zieren Vorgärten von den Alpen bis hinauf zur Nordsee. Zufrieden schmunzelt der hagere Mann in seinen Bart, seine blauen Augen leuchten unter dem mit Anhänglichkeit abgetragenen Filzhut. „Was soll ich sonst machen?“, fragt er. „Den Affenkasten schalt ich nicht an. Außer für Fußball, da schau ich schon gerne, aber das mag die Frau halt nicht.“ Er schmirgelt einen Baluster für ein Balkongeländer schmeichelnd glatt. Ein ganzer Stapel liegt noch vor ihm. Vierkantleisten auf der Kreissäge in Fünf-Zentimeter-Abschnitte gesägt, aus allen Seiten mit der Fräseeinen Halbkreis herausgebissen: Davon braucht er eine Menge. Jedes seiner Vogelhäuser hat mindestens eine Balus- ➻ 124 Servus Landhaus Vogerl, bezugsfertig, beste Lage Da wird man fast ein bisschen neidisch auf alle, die hier reinkommen, in das Bauernhaus von Hermann Grubert. Er schreinert Vogelhäuser zu Hause im oberbayerischen Linden. Text & Fotos: angelika jakob Servus 125 Senkrechte Pfettenbretter gehören bei einem traditionellen Bauernhaus einfach dazu. Hermann Grubert pinselt Holzleim auf, um Giebel und Deckbretter fest mit dem Häuserl zu verbinden. Da kann der Föhn kommen und rütteln. 9 sein elternhaus war eng und niedrig. da soll es familie Spatz heute besser haben. 9 trade, entweder am Balkon oder als Begrenzung der Terrasse. Sein eigenes, silbergrau verwittertes Vogelhaus hat sogar drei Balkone, der oberste heißt ausgerechnet Katzenbalkon, weil sich dort – in echten Bauernhäusern natürlich – müde Katzen von der Jagd ausgeruht haben. Im Speicher bewahrten die Bauern früher das Korn und die Mäuse auf. „Das Bauernhaus, nach dem ich das Vogelhaus gebaut habe, steht hier im Ort“, sagt Hermann Grubert. „Ich brauch nicht einmal schauen, ich weiß ja, wie die Häuser hier aussehen und kann jedes in klein nachbauen. Das mach ich nach G’fühl. Ich fang einfach mit der Bodenplatte an.“ Die Balken für seine kleinen Blockhäuser hobelt er an allen vier Kanten, sie sind also auch innen glatt. „Ja, die Balken stehen doch etwas über, da, wo sie über Eck verkantet sind. Da würde man das dann doch von außen sehen, wenn die nicht abgehobelt wären. Das gehört sich so.“ Sogar Balkonblumen, Kastenfenster mit gläsernen Fensterscheiben und karierte Vorhänge spendiert ihnen der Baumeister. Spax-Schraubenköpfe verkleidet er mit Holzpfropfen: „Ein Spax hat an einem Bauernhaus nichts zu suchen“, sagt der Bau leiter, und wo er recht hat, hat er recht. im Hexenhäuschen Hermann Grubert ist in einem dreihundert Jahre alten Bauernhaus aufgewachsen. Es war lange nicht so groß, wie der Bau, den er seinen Wildvögeln hingestellt hat. Jedenfalls, wenn man ihn sich maßstabsgetreu vergrößert vorstellt. „Mein Vater und ich konnten da drin kaum gerade stehen, so niedrig waren die Räume“, erinnert sich Grubert. „Überhaupt haben wir Kinder und die Großeltern in der Küche gewohnt, dahinter war gleich der Kuhstall. Plumpsklo draußen vor der Tür.“ Balken für Balken haben die Gruberts das denkmalgeschützte Hexenhäuschen abgetragen und eingelagert. An derselben Stelle steht nun sein geräumiges Wohnhaus mit der Werkstatt. Dass er auf den riesi- ➻ 126 Servus Oben: Meister und Nachwuchs. Michael Jaud, 11, macht einen Schnupperkurs. Kastenfenster kann er schon einsetzen. Mitte: Stabile Fensterläden montiert der Meister selbst. Unten: Hermann Grubert hebt das Blockhaus an, so kann er das Deckbrett am Giebel einpassen. Wo früher Kühe muhten, stehen jetzt die Muster häuser. Baumeister Hermann Grubert mit seinen Werken, abgeschaut in der bayerischen Heimat. gen Maschinen irgendwann mal winzige Dachrinnen fräsen und Schindeln und Fensterlädchen schleifen wird, hätte er sich nicht träumen lassen. Spielerisch veranlagt war er schon als Bub. Da ist er immer zum Sägewerk ins Nachbardorf gelaufen und hat sich Abfallholz schenken lassen. Hampelmänner basteln und schnitzen, das hat ihm Spaß gemacht. So viel wie Fußballspielen, mindestens. Klar, dass er Möbelschreiner wurde. Und natürlich hat er auch eine typische Schreinerhand. Er hält den Zeigefinger der Linken in die Höhe, die Hälfte fehlt: „Des war amoi a Kreissäg, als Lehrbua“, sagt er lapidar. Der Mittelfinger: „Eine Fräse.“ Der Ringfinger: „Noch amal a Kreissäg und eine Hobelmaschine.“ Er lacht. „Erst merkst nichts, dann gehst im Kreis.“ Mit Kleinkram wollte sich der Meister eigentlich nicht abgeben. „Na, mach I ned“, wehrte er die Anfrage eines Nachbarn nach einem Futterhäuschen ab. Dann begann der Vogelhauswunsch in ihm zu rumoren: 128 Servus 9 was tun die vögel dafür? sie geben mal ein konzert. Mit zugabe. 9 arum eigentlich nicht? Hast doch Zeit? W Und schon begann er zu sägen und zu schleifen und zu bohren. Dass Hermann Grubert etwas ganz Besonderes abliefern würde, hätte man sich denken können. An ein großes kleines Bauerhaus mit zwei Balkonen arbeitet er schon einen Monat hin. der sucht mir die schönsten Brettln raus. Lärchenholz, ohne Ast, gerade gewachsen und mit stehenden Adern. Was anderes verarbeite ich nicht, das würde sich draußen verziehen. Dann fang ich an.“ Vielleicht baut der große Hermann Grubert auch einmal Balken für Balken das Haus wieder auf, in dem der kleine Hermann seine Kindheit verbracht hat. Aber zuerst baut er für Finken, Wacholderdrosseln, Rotkehlchen, Zaunkönige. Viele Vögel sind ja selbst große Baumeister, Zimmerleute und Maurer – wie kunstvoll die ihr Nest hinzaubern! Vielleicht staunen sie ein bisschen über den Baumeister mit Bart und Säge. Auf jeden Fall hat er sich ein fröhliches Ständchen verdient. 3 aus lärchenholz, ohne ast „Reich werd ich leider überhaupt nicht“, sagt Hermann Grubert. „Ich arbeite, wie ich lustig bin. Keiner schreibt mir etwas vor. Zuerst geh ich g’mütlich Holz holen im Nachbarort beim Saliter, den kenn ich und ✽ Vogelhäuser Hermann Grubert Baiernrainer Weg 2, 83623 Linden Tel.: 08027/613, www.hermann-grubert.de Tipp: Siehe auch „10 Goldene Regeln zum Vogelfüttern“, Seite 46
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