Betrifft: Die 24-Stunden-Kita

Betrifft: Die 24-Stunden-Kita
Das neue Förderprogramm des Bundesfamilienministeriums
Matthias Bergediek
Anfang Juli ließ Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig verlauten, dass sie das Konzept von 24Stunden-Kitas unterstütze und in den kommenden Jahren deren Ausbau mit 100 Millionen Euro
fördern werde. Kita-Träger könnten im Rahmen des Interessebekundungsverfahrens ihren
voraussichtlichen Förderbedarf bereits ab diesem Herbst anmelden.
Was bisher in Deutschland nur ganz vereinzelt angeboten wird, soll es nach dem Willen der Ministerin
künftig bundesweit in größerem Umfang geben: Betreuungszeiten rund um die Uhr. Damit sollen vor
allem solche Eltern unterstützt werden, die im Spät- oder Schichtdienst arbeiten und auf die Betreuung
ihrer Kinder in den Abend- und Nachtstunden angewiesen sind.
Maximale Obergrenzen bleiben
Konkret soll es jedoch nicht darum gehen, dass ein Kind insgesamt länger oder sogar rund um die Uhr
in der Kita betreut wird, sondern flexibler, d. h. zu anderen Zeiten. Bisherige Obergrenzen von acht bis
zehn Stunden sollen also auch mit den neuen Betreuungsangeboten nicht überschritten werden. Das
Horror-Szenario einer quasi sozialistisch verordneten Endlosbetreuung von Kindern, das von den
Gegnern an die Wand gemalt wird, entbehrt also bei genauerem Hinsehen einer ernsthaften
Grundlage. Dennoch werden 24-Stunden-Einrichtungen kontrollieren müssen, dass Eltern das neue
Angebot nicht dazu nutzen, ihr Kind bequem und über den wirklichen Bedarf hinaus in der Kita
betreuen zu lassen.
Das Vorhaben des Ministeriums
Vorgesehen ist, dass im Zeitraum 2016 bis 2018 vom Bundesfamilienministerium insgesamt 300
Projekte zum Ausbau von 24-Stunden-Angeboten finanziell gefördert werden. Das Geld hierfür
stammt aus zusätzlichen Investitionsmitteln des Bundes. Schon jetzt scheint das Interesse
ausgesprochen groß zu sein, wie zahlreiche Anfragen belegen. An eine flächendeckende Versorgung
ist allerdings nicht gedacht, sondern nur an zusätzliche Angebote. Immerhin gibt es auch erste
Beispiele dafür, dass 24-Stunden-Kitas mit Übernachtungsbetrieb nicht „funktionieren“ wie etwa eine
Einrichtung in Berlin, weil sich das Angebot nach Angaben des Trägers finanziell nicht gerechnet
habe. Hinzu kommt, dass sich die Arbeitszeiten der Kita-Fachkräfte, die meistens selbst Familie
haben, nicht ohne Weiteres entsprechend organisieren lassen werden.
Zweifellos will die Familienministerin mit ihrem Vorstoß einen zusätzlichen Beitrag zur besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Doch werfen ihr Kritiker vor, die Bedürfnisse der Familien
und vor allem der Kinder allzu unkritisch den Interessen der Wirtschaft unterzuordnen. Fachlicher
Konsens dürfte wohl darüber bestehen, dass sich nicht die Kinder dem Arbeitsmarkt anzupassen
haben, sondern umgekehrt. Insofern haben also Kinder gleichermaßen Anspruch auf eine
entsprechende Lobby für ihre Interessen. Zudem darf ein Angebot von 24-Stunden-Kitas nicht dazu
führen, dass sich der Druck auf Familien erhöht, dieses auf jeden Fall zu nutzen.
Der größere Kontext
Ganz offensichtlich aber trägt die Bundesfamilienministerin mit ihrem neuen Förderprogramm in erster
Linie den faktischen Gegebenheiten Rechnung, um so den betroffenen Eltern Erleichterung zu
verschaffen. Andererseits arbeitet Manuela Schwesig schon seit Längerem daran, in puncto
Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch die Arbeitgeber stärker in die Pflicht zu nehmen. Vor allem
im Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ setzt sich ihr Ministerium zusammen mit den
Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und dem DGB dafür ein, familienbewusste Personalpolitik
zu praktizieren und Familienfreundlichkeit zum Markenzeichen der deutschen Wirtschaft zu machen.
Angesichts des schon länger prognostizierten Fachkräftemangels, der Deutschland in den
kommenden Jahren und Jahrzehnten drohe, ist das Engagement der Arbeitgeber in diesem Bereich
deshalb auch nicht uneigennützig.
Breite Unterstützung
Dass sich anfänglich angemeldete pädagogische Bedenken bislang in dieser Form nicht erfüllt haben,
zeigen die Erfahrungen, die schon bestehende 24-Stunden-Kitas bereits mit ihrem
Betreuungsangebot gemacht haben. So erhält die Familienministerin Rückendeckung für ihre Pläne
nicht nur von der eigenen Partei, sondern auch vom Koalitionspartner CDU, zumal
„Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen“ im gemeinsamen Koalitionsvertrag als Ziel
formuliert ist. Einzig die Schwesterpartei CSU kann sich mit dem Vorhaben aktuell (noch) nicht
anfreunden.
Weitere Informationen:
www.komba-nrw.de
www.erfolgsfaktor-familie.de
www.idea.de
www.kath.net
Erschienen in: ‚kindergarten heute’, Ausgabe 9/2015, S. 24-25.
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright © Verlag Herder, Freiburg.
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