Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Empfehlungen aus soziologischer Perspektive zum Einsatz von Elektroautos in gewerblichen Flotten Im Rahmen des von der EU und dem Land Nordrhein-Westfalen von 2013 bis 2015 geförderten Forschungsprojektes Pfleg!E-mobil wurde der Einsatz von sieben Elektroautos in der Pflegeflotte des DRK OWL aus drei wissenschaftlichen Perspektiven untersucht. Ziel der soziologischen Untersuchung im Projekt war es, die Frage nach der Nutzerfreundlichkeit der E-Fahrzeuge zu beantworten und die Voraussetzungen für das Gelingen des Flotteneinsatzes zu identifizieren. Um Aussagen über den erfolgreichen Einsatz von E-Autos in gewerblichen Flotten im Allgemeinen treffen zu können, wurden auch Nutzer anderer elektrifizierter Flotten in die Untersuchung einbezogen. Aus den gewonnenen Ergebnissen wurden Informationen zusammengestellt, die sich Flottenbetreiber zunutze machen können, um das Elektrifizierungspotential ihrer Flotte einzuschätzen. Im Zentrum der Handreichungen aus soziologischer Perspektive stehen folgende Themen: • In dem Abschnitt „Wodurch zeichnen sich E-Autos aus?“ wird nicht nur behandelt, welche Spezifika E-Autos haben, sondern auch was das für den konkreten Einsatz bedeutet. • In dem Abschnitt „Auswahl der Fahrzeuge“ werden Hinweise dazu gegeben, was beachtet werden muss, damit die Fahrzeuge auf den jeweiligen Einsatzkontext und die Bedürfnisse der Anwender möglichst gut abgestimmt sind. • In dem Abschnitt „Unter welchen Bedingungen gelingt der Einsatz?“ werden einzelne Aspekte behandelt, die den Einsatz von E-Autos in der Flotte erleichtern, aber auch grundsätzlich bestehende Probleme thematisiert. • In einem abschließenden Abschnitt „Was sind derzeit die Anreize für Flottenbetreiber?“ werden Beweggründe dargestellt, die Betreiber gewerblicher Flotten dazu motiviert haben, Elektroautos anzuschaffen. Zusammenfassend können die Ergebnisse der soziologischen Untersuchung wie folgt festgehalten werden: Das ökonomische und auch das ökologische Potential von Elektrofahrzeugen gegenüber vergleichbaren Diesel- und Benzinmodellen kommt vor allem dann zum Tragen, wenn die Elektroautos für Fahrten mit häufigen Standphasen sowie vielen Starts und Stopps eingesetzt werden und eine hohe Fahrleistung erreicht wird. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Elektroautos in gewerblichen Flotten – diese Einschätzung wird allgemein geteilt – besonders aussichtsreich. In der soziologischen Untersuchung hat sich jedoch gezeigt, dass einer hohen Auslastung von Elektroautos in gewerblichen Flotten – die nur möglich ist, wenn die Nutzer energiesparend fahren – gegenwärtig 1 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse noch einige Hindernisse entgegenstehen. Zum einen ist es allgemein so, dass Flottenfahrzeuge häufig nicht sparsam gefahren, sondern eher, wie sich einige Fuhrparkmanager ausdrücken, „getreten“ werden. Daraus resultieren vergleichsweise hohe Verbräuche. Bei Elektroautos hat ein solches Fahrverhalten zur Folge, dass sich die Reichweite um die Hälfte reduziert oder sogar auf ein Drittel schrumpfen kann. Hinzu kommt, dass die Autos noch nicht in jeder Hinsicht anwenderfreundlich und darauf ausgelegt sind, dass jeder Nutzer sie ohne weiteres effizient fahren kann: es kommt beispielsweise zu Bedienfehlern, die sich reichweitenmindernd auswirken, und Flotten-Nutzern, die sich einen energiesparenden Fahrstil aneignen wollen, fällt das nicht immer leicht. Will man EFahrzeuge in der Flotte effizient einsetzen, gilt es daher unter anderem zu prüfen: - ob ein effizienter Fahrstil in dem jeweiligen Kontext möglich ist oder ob beispielsweise der Zeitdruck so hoch ist, dass man eine sparsame Fahrweise nicht durchsetzen kann, - ob die Mitarbeiter in der Lage sind, sich einen anderen Fahrstil anzugewöhnen, - ob die Mitarbeiter dazu bereit sind, effizient zu fahren, wie der „Sparspaß“ geweckt werden kann und wie die Mitarbeiter dazu gebracht werden können, das Unternehmensgut Fuhrparkauto nicht mehr als notwendig zu strapazieren. 2 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Wodurch zeichnen sich E Autos aus? Es ist wichtig – sowohl für die Auswahl geeigneter Fahrzeuge für ein bestimmtes Einsatzgebiet als auch für ein erfolgreiches Fuhrparkmanagement und die optimale Schulung der Fahrer – zentrale Merkmale von Elektroautos und ihre Folgen zu kennen. Vielen Elektromobilisten sind diese Besonderheiten bekannt, jedoch nicht jeder Fuhrparkmanager ist mit der Thematik vertraut. 1) Kennzeichnend für Elektroautos sind das fehlende Motorgeräusch, wenn die Autos betriebsbereit sind, aber stehen, und geringere Fahrgeräusche im Vergleich zu benzin- oder dieselbetriebenen Autos, vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten. Daraus resultiert Folgendes: a. Personen, die noch nie Elektroauto gefahren sind, nehmen zum Teil an, es handele sich nicht „um richtige Autos“ – diese Einschätzung wird jedoch, insbesondere bei neueren Fahrzeugen, meist schon während der ersten Fahrt revidiert. b. Beim Starten gibt es – was zunächst ungewohnt ist – kein Motorgeräusch, bei fast allen E-Autos aber ein akustisches Signal, trotzdem sind einige Fahrer am Anfang verunsichert. c. Radfahrer und Fußgänger nehmen Elektroautos im Verkehr zum Teil erst sehr spät wahr oder kommen sogar zu der Fehleinschätzung, dass ein fahrendes Auto stehe, weil sie es nicht hören. d. Insbesondere zu Beginn des Einsatzes von E-Autos kommt es bei einigen Fahrern aufgrund der geringeren Fahrgeräusche zu Fehleinschätzungen der Geschwindigkeit. 2) Die Elektroautos haben eine begrenzte Reichweite und es muss Standzeit zum Aufladen des Akkus eingeplant werden. Als maximale Reichweite mit vollgeladenem Akku werden meist – je nach Modell – 100 bis 200 Kilometer angegeben. Es handelt sich in etwa um die Distanz, die dem Fahrer eines Benzin- oder Diesel-Fahrzeugs noch zur Verfügung steht, wenn bereits die Reserveanzeige warnt. Zudem ist die Reichweite stark abhängig von dem Fahrstil, der Außentemperatur und dem Betrieb von sogenannten Nebenverbrauchern, wie Heizung oder Klimaanlage. Die Erfahrungen mit dem Einsatz von Elektroautos im Pflegedienst zeigen, dass zum Teil nur ein Drittel der vom Hersteller angegebenen Reichweite tatsächlich zur Verfügung steht. Die noch zur Verfügung stehende Reichweite wird je nach Fahrzeug unterschiedlich geschätzt und dem Fahrer angezeigt. Bei Vollladung wird entweder die maximal erreichbare Kilometerzahl zu Beginn angezeigt, die sich dann während der Fahrt dem aktuellen Verbrauch entsprechend reduziert, oder zu Beginn wird auf der Grundlage der vorangegangenen 3 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Fahrten die voraussichtliche Reichweite hochgerechnet – ein anderer Fahrer kann jedoch, wie sich im Flotteneinsatz gezeigt hat, bedingt durch einen anderen Fahrstil oder die Nutzung anderer Einstellungen zu anderen Verbräuchen kommen. Die Folgen für die Nutzer sind: a. Die begrenzte Reichweite ist, insbesondere wenn sie sich nicht 1:1 mit den gefahrenen Kilometern verändert, zumindest gewöhnungsbedürftig. b. Es besteht die Notwendigkeit, Strecken anders zu planen und die Fahrweise stark anzupassen, wenn die Herstellerangaben bezüglich der Kilometer erreicht werden sollen. c. Das Parken und Laden des E-Fahrzeugs in der Tiefgarage im Winter wie im Sommer ist von Vorteil, um die Batteriekapazität bestmöglich nutzen und eine große Reichweite erzielen zu können. Bei Kälte wird so weniger Energie für das Freibekommen der Scheiben und das Aufwärmen des Innenraums (auf das viele E-Auto-Fahrer, die keine zusätzliche Benzin- oder DieselHeizung haben, zu Gunsten der Reichweite verzichten) benötigt sowie die kältebedingte Minderung der abgebbaren Leistung begrenzt. Im Sommer wird nicht nur der Kühlbedarf während der Fahrt verringert, sondern das Auto in Standzeiten auch vor großer Hitze, welche die Akkus schädigen könnte, geschützt. 3) Charakteristisch für Elektroautos ist ihre ausgesprochen gute Beschleunigung, bedingt dadurch haben sehr viele großen Spaß daran, mit dem E-Fahrzeug zu fahren. Die Dynamik erlaubt es nicht nur, kleinere Lücken im Verkehr zu nutzen, sondern auch sportliche Autos an der Ampel stehen zu lassen. Dass sich durch diese Ampelstarts die Reichweite minimiert, stört – wenn nicht gerade die verbleibende Restreichweite sehr knapp ist – kaum jemanden. 4) Elektrofahrzeuge haben eine automatikähnliche Schaltung, was den Umstieg insbesondere für Fahrer, die bisher keine Automatikwagen gefahren sind, nicht ganz leicht macht. Zudem ist es so, dass nach der Arbeit der eigene PKW mit Schaltgetriebe gefahren werden muss. In den ersten Wochen bedeutet dies für die Nutzer einer E-Flotte oft eine große Umstellung. Einige Fahrer stellt der Wechsel dauerhaft vor eine Herausforderung. 4 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Auswahl der Fahrzeuge (Empfehlungen aus soziologischer Perspektive) Zentral für das Gelingen des Einsatzes ist, dass die Elektro-Fahrzeuge auf die Nutzungsbedingungen der jeweiligen Flotte zugeschnitten sind, zumindest soweit das Angebot auf dem Markt dies ermöglicht. Nur mit E-Autos, die die jeweiligen Anforderungen erfüllen und nutzerfreundlich sind, kann im Flottenbetrieb eine hohe Fahrleistung erreicht werden – eine zentrale Voraussetzung dafür, dass der Einsatz von E-Autos nicht nur Ressourcen und Umwelt schont, sondern auch wirtschaftlich ist. Bei der Auswahl geeigneter Fahrzeuge sind Fahrzeugklasse und Bauart, Reichweite, Klimatisierung sowie weitere Ausstattungsmerkmale zu berücksichtigen. Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben, dass keine in jeder Hinsicht geeigneten und nutzerfreundlichen Elektro-Fahrzeuge zur Verfügung stehen, gilt es zunächst zu identifizieren, um ihnen mithilfe eines guten Fuhrparkmanagements und gezielter Schulungen der Nutzer begegnen zu können. Um passende Elektroautos für eine bestimmte gewerbliche Flotte auswählen zu können, ist es notwendig, im Vorfeld die Anforderungen, denen Fahrzeuge im jeweiligen Einsatzgebiet genügen müssen, in den Blick zu nehmen. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil Elektroautos für die Fahrer nicht nur ungewohnt sind und die Notwendigkeit besteht, sich auf etwas Neues einzustellen, sondern auch weil die Nutzung von E-Autos an sich (noch) einige Herausforderungen birgt. Für den Einsatz im Pflegedienst müssen Fahrzeuge beispielsweise, klein, übersichtlich und wendig sein, damit sie in jede Parklücke passen. Zentral sind zudem Sicherheitsstandards wie Airbag und ESP, da in der ambulanten Pflege nicht wenige, zum Teil schwere, Verkehrsunfälle passieren, schon bedingt durch den erheblichen Zeitdruck und die vielfältigen Anforderungen an die Arbeitskräfte. Um einen reibungslosen Betrieb sicherzustellen, ist es aus diesem Grund wichtig, dass für die eingesetzten Fahrzeuge bei Bedarf Ersatzteile schnell zur Verfügung stehen. Zudem müssen die Autos robust sein und den Belastungen durch häufiges Ein- und Aussteigen sowie unterschiedliche Fahrer standhalten. Da die Fahrzeuge in der Regel keine Klimaanlage haben, fahren die Pflegekräfte im Sommer oft mit offenen Fenstern, die vor jedem Patientenbesuch wieder geschlossen werden müssen, in einer Tour bis zu 20 Mal. Elektrische Fensterheber helfen Zeit zu sparen, ebenso wie eine Zentralverriegelung, die jedoch auch nicht standardmäßig eingesetzt wird. Die Fahrzeuge müssen gut ziehen, damit man zügig voran kommt und auch kleinere Lücken im Verkehr nutzen kann – es hat sich gezeigt, dass im Pflegedienst die Fahrtzeit in der Stadt zum Teil mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von über 40 km/h geplant wird, die natürlich kaum erreicht werden kann. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Pflegekräfte auf das Radio angewiesen sind, um sich per „FlitzerBlitzer“-Nachrichten über die aktuellen Geschwindigkeitskontrollen zu informieren. Auch eine Freisprechanlage würde die Arbeit erleichtern, nicht nur um während der Tour Patienten anrufen zu 5 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse können, wenn es zu Verspätungen kommt, sondern auch um Kollegen über Staus in Kenntnis zu setzen. Damit im Winter keine Zeit verloren geht, um gute Sichtverhältnisse herzustellen, ist es relevant, dass dies mit den Fahrzeugen leicht möglich ist. Zusätzlich ist es im Pflegedienst wichtig, dass die Fahrzeuge über eine gute Heizung verfügen, weil nicht nur die Wohnungen der Klienten oft sehr warm sind, sondern die Pflegekräfte sich auch noch in den feuchtwarmen Badezimmern aufhalten. Die Temperaturunterschiede sind groß und die Gefahr sich zu erkälten ist hoch; eine Heizung, die die Autos aufwärmt und dafür sorgt, dass die Pflegekräfte im Winter immer in ein temperiertes Fahrzeug steigen können, bringt eine erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen und senkt auch den Krankenstand. Bei der Implementierung von E-Fahrzeugen in gewerbliche Flotten ist es nicht nur wichtig, sicherzustellen, dass die E-Autos die Anforderungen erfüllen, sondern es gilt noch weitere Aspekte zu beachten, weil die Elektroautos bestimmte Spezifika mitbringen. Zentral ist, dass die Akkukapazität für die zu fahrenden Strecken ausreicht. Um das sicherzustellen, muss man nicht nur die tägliche Fahrleistung und die vom Hersteller angegebene maximale Reichweite der in Frage kommenden Elektrofahrzeuge kennen, sondern auch möglichst präzise abschätzen, wie weit die Nutzer im Alltag wirklich damit fahren können. Es hat sich gezeigt, dass im Pflegedienst zum Teil nur ein Drittel der vom Hersteller angegebenen Reichweite tatsächlich zur Verfügung steht, in anderen gewerblichen Flotten die Hälfte. Auswirkung darauf, wie weit man mit einem E-Fahrzeug kommt, haben folgende Faktoren: Erheblichen Einfluss hat der Fahrstil: manche Fahrer sind gern sehr sportlich unterwegs, was die Reichweite deutlich reduziert, während andere großen Sparspaß entwickeln und teilweise einen Verbrauch unter den Herstellerangaben erreichen, dies ist aber bei Nutzern gewerblicher Flotten eher selten der Fall. Fahrer, die wie Pflegekräfte ständig unter erheblichem Zeitdruck stehen, benötigen meist mehr Energie. Auswirkungen auf die Reichweite hat auch der Einsatz von Klimaanlage und vor allem Heizung, gerade bei niedrigen Außentemperaturen kann es deshalb schwierig werden, mit der bei Kälte ohnehin geringeren Akkukapazität auszukommen. Die Anforderungen hinsichtlich der Klimatisierung unterscheiden sich jedoch in verschiedenen Nutzungskontexten. Während es bei manchen Tätigkeiten möglich ist, dass die Fahrer sich bei kalten Temperaturen wärmer anziehen und die Heizung sparsam einsetzen, kann es in anderen Fällen– so wie beispielsweise im Pflegedienst – notwendig sein, den Innenraum stärker zu erwärmen. Ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Fahrzeuge warm sind, ohne dass sich die Reichweite im Winter deutlich reduziert, ist eine benzinoder dieselbetriebene Zusatzheizung ratsam. Für die Reichweite ist zudem von Bedeutung, ob ein 6 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Ladeplatz in einer Garage oder besser noch Tiefgarage zur Verfügung steht, andernfalls ist mit einer deutlichen Minderung der Akkukapazität im Winter zu rechnen. Je nach Fahrzeug ist es für die Nutzer mehr oder weniger leicht, jene Einstellungen zu finden, die dazu führen, dass wenig Energie verbraucht wird; hier gibt es noch Verbesserungspotential bei den Fahrzeugen, wie sich in der durchgeführten Untersuchung gezeigt hat. In einigen Fahrzeugen sind Bedienelemente oder beispielsweise graphische Darstellungen des Energieverbrauchs noch nicht anwenderfreundlich und begünstigen daher nicht eine effiziente Nutzung der Akkukapazität. Bei der Auswahl der Fahrzeuge für eine gewerbliche Flotte, in der unterschiedlichste Nutzer auf ein Fahrzeug zugreifen, ist es daher zentral, zu prüfen, ob die Bedienelemente und -anzeigen intuitiv verstehbar sind und energiesparendes Fahren fördern. Defizite sind zwar durch Schulungen ausgleichbar, allerdings müssen diese Schulungen konzipiert und umgesetzt werden und es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Handlungshinweise auch nach einem längeren Zeitraum bei den Nutzern nicht in Vergessenheit geraten. Die serienmäßige Ausstattung vieler Elektroautos wird von Nutzern in gewerblichen Flotten oft als ausgesprochen komfortabel wahrgenommen, gerade wenn ansonsten sehr einfache Modelle eingesetzt werden. Im Flotteneinsatz hat sich gezeigt, dass die Pflegekräfte die E-Autos, wie sie sagen, sehr luxuriös finden und aus diesem Grund viel eher bereit sind, Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen. Beispielsweise setzen mehrere Pflegekräfte ihre Pause dafür ein, das leergefahrene E-Auto gegen ein anderes zu tauschen, nur um weiter die gute Beschleunigung nutzen zu können. Weder Ausfälle beim Laden, die durch Defekte der Fahrzeuge ausgelöst wurden und den Ablauf erheblich gestört haben, noch die Tatsache, dass einige Fahrer es als Belastung erleben, von anderen Verkehrsteilnehmern schlechter wahrgenommen zu werden, hat die Bereitschaft, E-Fahrzeug zu fahren geschmälert. 7 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Unter welchen Bedingungen gelingt der Einsatz? Der Einsatz von E-Fahrzeugen ermöglicht eine umweltfreundliche und emissionsarme Mobilität, schon deshalb ist ihre Etablierung wünschenswert. Die gewerbliche Flotte bietet sich als Einsatzgebiet für Elektrofahrzeuge grundsätzlich an: nicht nur weil vermittelt über die gewerbliche Flotte vielen der Zugang zu dieser Technologie ermöglicht wird – auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen können die Nutzer entscheiden, ob auch für sie privat ein E-Auto eine attraktive Alternative ist – sondern auch weil in den meisten Fällen gewerbliche Wege begrenzt und im Voraus planbar sind, so dass sie auch mit einem Elektroauto gut bewältigt werden können. Zudem können die E-Fahrzeuge meist unproblematisch über Nacht oder während der Standzeiten tagsüber auf dem Betriebshof geladen werden. Für längere Wege stehen in einem größeren Fuhrpark neben den EAutos andere Fahrzeuge zur Verfügung, so dass je nach Bedarf ein Fahrzeug bereitgestellt werden kann. Ein weiterer Vorteil von E-Fahrzeugen ist, dass viele Starts und Stopps für Elektroautos unproblematisch sind, sie können daher sehr gut zur Bewältigung innerstädtischer Wege, vor allem aber auch für gewerbliche Wege mit vielen Zwischenhalten oder sogar Standzeiten eingesetzt werden. Das wirtschaftliche wie auch das ökologische Potential von Elektroautos kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn es gelingt, sie gut auszulasten, in dem Sinne, dass die potentiell zur Verfügung stehende Reichweite bestmöglich ausgeschöpft wird. Gleichzeitig gilt es zu vermeiden, dass es zu Ausfällen kommt oder Touren abgebrochen werden müssen, denn dies ist in der Regel nicht nur mit großem Stress für die Fahrer, sondern auch Nachteilen für Kunden und Klienten sowie zusätzlichem Personalaufwand und teils erheblichen Kosten verbunden. Im Pflegedienst beispielsweise werden in einer Tour bis zu zwanzig Patienten zu festgelegten Zeiten von einer bestimmten Pflegekraft versorgt (Bezugspflege). Falls eine Pflegekraft während der Fahrt feststellt, dass die Reichweite schneller schrumpft als erwartet und es nicht möglich ist, die Tour planmäßig zu beenden, muss sie zunächst zum Standort zurückfahren, um dann mit einem anderen Fahrzeug erneut zu starten. In manchen Fällen kostet dies die Pflegekraft „nur“ ihre Pause, ohne dass sich für die Klienten Veränderungen ergeben; wenn die Fahrt zum Standort jedoch ein großer Umweg ist, kann der Wechsel leicht 45 Minuten oder sogar länger dauern, was nicht nur bei Insulingaben problematisch ist. Da die Pflegekräfte von den Klienten erwartet werden, kommt es zudem zu Unmut oder Angehörige rufen an und bestellen den Pflegedienst ab, wie im untersuchten Zusammenhang vorgekommen. Ausfälle während der Tour verursachen sogar noch größere Probleme; kommt hinzu, dass das liegengebliebene E-Fahrzeug mit einem Abschleppwagen abtransportiert werden muss, um eine Beschädigung der Elektronik zu verhindern, entstehen überdies hohe Kosten. 8 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Vor diesem Hintergrund sind folgende Aspekte zu beachten, um einen erfolgreichen Einsatz von EFahrzeugen zu ermöglichen: 1) Die Elektrifizierung einer gewerblichen Flotte ist leichter zu realisieren, wenn die tägliche Fahrleistung niedrig ist, hier treten seltener Ausfälle und Fahrtabbrüche auf, die Probleme und Kosten verursachen. Effizienter und gleichzeitig umweltfreundlicher ist es jedoch, die Elektrofahrzeuge gut auszulasten, in dem Sinne, dass die maximalen Reichweiten ausgeschöpft werden. Von zentraler Bedeutung dafür ist, dass die Nutzer energiesparend fahren, was eher gelingt, wenn die Fahrer nicht dauerhaft unter Zeitdruck stehen und sich die optimale Bedienung des E-Autos in Ruhe aneignen können. 2) Wenn mit dem E-Fahrzeug größere Distanzen zurückgelegt werden müssen und es sich als nicht günstig erweist, im Winter den Einsatz der Heizung auf ein Minimum zu reduzieren, ist eine zusätzliche Benzin- oder Diesel-Heizung von Vorteil. So sind beispielsweise Caterer, die Schulessen ausliefern, darauf angewiesen, dass die Speisen auch mit Isolierboxen nicht in einem ganz kalten Auto transportiert werden, um die vorgeschriebene Anlieferungswärme einhalten zu können. 3) Für einen reibungslosen Einsatz und eine effektive Nutzung der Batteriekapazität ist es wichtig, die „Tücken“ eines E-Fahrzeugs zu kennen und die Nutzer darauf aufmerksam zu machen. Im Projekt hat sich gezeigt, dass einige Bedienelemente noch nicht so konzipiert sind, dass die Elektroautos maximal nutzerfreundlich sind. So liegen beispielsweise bei einem der eingesetzten Fahrzeuge die Einstellungen „Aus“ und „Auto“ für die Klimatisierung so eng beieinander, dass der Fahrer diese während der Fahrt nicht gut auseinander halten kann. Die Einstellung „Auto“ bewirkt eine Klimatisierung, die die Reichweite negativ beeinflussen kann, meist ohne dass der Fahrer dies bemerkt. Verlust von Reichweite aufgrund von Bedienfehlern, die durch die Konzeption des Armaturenbrettes oder des Bordcomputers begünstigt werden, sind insbesondere beim Einsatz von Elektroautos in Flotten ein Problem, das es auszuräumen gilt – sicher auch durch eine nutzerfreundlichere Gestaltung der Fahrzeuge, möglich ist aber auch, die Fahrer entsprechend zu schulen. In dem während des Projekts durchgeführten Flotteneinsatz hat sich gezeigt, dass der Einbau von Messtechnik in die E-Autos, der erlaubte zu sehen, welche Verbraucher eingeschaltet waren, sehr hilfreich war, um die Ursache von Reichweitenverlusten zu identifizieren, die sich die Fahrer nicht erklären konnten. 9 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse 4) Bei dem Einsatz von Elektroautos ist ein gutes Fuhrparkmanagement, das freundlich zu den Fahrern ist und sich um Probleme kümmert, zentral. In Unternehmen, deren Fuhrparkmanagement den Einsatz der E-Autos plant und betreut und selbst gut abschätzen kann, welcher Fahrer mit welcher angezeigten Reichweite welche Strecke gut bewältigen kann, werden die E-Autos gerne und viel gefahren. Fuhrparkmanager, die Fehler nicht erklären konnten und die Mitarbeiter noch beschimpft haben, Sie seien „zu blöde“, ein E-Auto zu fahren, lösten genau den entgegengesetzten Effekt aus: die Mitarbeiter haben versucht, das Fahren des E-Autos zu vermeiden. 5) Gute Schulungen sind für den Umstieg zentral. Zunächst sollte im Vordergrund stehen, das EAuto möglichst fehlerfrei bedienen zu können; in einer weiteren Schulung, die erfolgen kann, wenn die Fahrer die E-Autos beherrschen, sollte auf Möglichkeiten energiesparenden Fahrens eingegangen werden, wobei je nach Autotyp unterschiedliche Aspekte zu beachten sind. In der ersten Schulung sollten grundsätzlich folgende Punkte thematisiert werden: a. Starten eines Elektroautos, zentral ist auf die Signaltöne und die Anzeigen aufmerksam zu machen, die bestätigen, dass das Auto fahrbereit ist b. Fahren eines Autos mit automatikähnlicher Schaltung c. Reichweiten- und Batterieanzeigen, unterschiedliche Warnungen und Warnstufen sowie die jeweilige Einschränkungen im Betrieb des E-Fahrzeugs d. Laden des Fahrzeugs an der Steckdose und an unterschiedlichen Ladesäulen, sowie Kontrolle des Ladevorganges e. Fahren eines geräuscharmen Fahrzeugs, zu unterteilen in die Aspekte: Einschätzung der Geschwindigkeit und Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer f. Nutzung von Heizung/Sitzheizung und Klimatisierung g. Nutzung unterschiedlicher Gänge und Rekuperationsstufen h. Eine Demonstration der Beschleunigung weckt meist die Begeisterung für Elektromobilität. i. Sehr wichtig für einen reibungslosen Betrieb ist aber, dass insbesondere jene Bedienelemente erklärt werden, die missverständlich oder fehleranfällig sind und Einstellungen oder Anzeigen, die zu erhöhtem Energieverbrauch führen. 6) Maßnahmen, welche für die Mitarbeiter die Hürde, die Elektroautos in ihrer Flotte zu nutzen, minimieren, sind: 10 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse a. Schulungen, bei denen auch auf die Spezifika des jeweiligen Fahrzeugs eingegangen wird b. dass die Schulungen nicht in der Gruppe, sondern 1:1 stattfinden, c. dass die Person, die die Schulung durchgeführt, auf die Bedürfnisse und Ängste ihres „Fahrschülers“ eingehen kann, d. dass es einen Ansprechpartner oder Service gibt, der die Ursachen von Problemen mit den Elektroautos identifizieren und ausräumen kann. Es hat sich gezeigt, dass der Service, der rund um Elektromobilität angeboten wird, nicht immer gut und das Personal nicht immer ausreichend geschult ist, aus diesem Grund sind jene Flottenbetreiber im Vorteil, die im eigenen Haus einen guten Fuhrparkservice haben. Insgesamt hat sich gezeigt, dass Personen, die privat ein E-Fahrzeug nutzen, deutlich weniger Schwierigkeiten haben, die angegebenen Reichweiten – zumindest im Sommer – zu erreichen oder sogar zu überschreiten. Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter und weitere Projektpartner waren in der Lage, die Elektroautos so zu fahren, dass die als maximale Reichweite angegebene Distanz sogar überschritten werden konnte. Resümierend kann man festhalten, dass sich die E-Autos von ihrem Nutzungsprofil für den Einsatz in der gewerblichen Flotte eignen, allerdings besteht das Problem, dass Fahrzeuge aus dem Firmenfuhrpark von den Mitarbeitern nur selten sparsam gefahren werden, dies ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für einen rentablen Einsatz von E-Fahrzeugen in der Firmenflotte. Fahrzeuge in einem Firmenfuhrpark werden oft, ähnlich einer Allmende, nicht maßvoll und sparsam genutzt, ebenso wenig pfleglich behandelt; will man E-Fahrzeuge in einem Firmenfuhrpark rentabel einsetzen, muss dies allerdings sichergestellt werden. Nicht in jedem Arbeitskontext wird dies ohne weiteres möglich sein. Es gilt also nicht nur die oben genannten Bedingungen sicherzustellen, sondern auch durch geeignete Maßnahmen den Sparspaß bei den Mitarbeitern zu wecken und sie dazu zu motivieren, die Fahrzeuge so einzusetzen, dass eine möglichst große Reichweite zur Verfügung steht und möglichst viele Strecken mit einem E-Fahrzeug bewältigt werden können. Alternativ könnten Fahrzeuge eingesetzt werden, die nur sparsam gefahren werden können. Die Strategie, Elektromobilität auch für gewerbliche Flotten über die Vermittlung des Spaßes an der Beschleunigung zu promoten, ist daher in hohem Maße kontraproduktiv und nicht dafür geeignet, Bedingungen zu schaffen, die einen wirtschaftlichen Einsatz von E-Fahrzeugen in Firmenflotten erlauben – eine zentrale Voraussetzung dafür, dass E-Fahrzeuge sich etablieren können. Sinnvoller ist es, die Vorteile zu vermitteln und ansonsten eine eher gehobene Ausstattung zu wählen, um die Mitarbeiter für den Einsatz der Fahrzeuge zu gewinnen. 11 Pfleg!E-mobil – Soziologische Untersuchung Ansprechpartner: Mirjam Möllmann, Stefanie Fehse Was sind derzeit die Anreize für Flottenbetreiber? 1) Anreiz für Flottenbetreiber, E-Autos einzusetzen, sind zum einen Umweltgesichtspunkte: das Fahren eines „Verbrenner-Fahrzeugs“ ist mit den Ideen einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise nicht mehr vereinbar und so werden Alternativen gesucht. 2) Ein weiteres zentrales Motiv für den Einsatz eines E-Autos ist der Marketingeffekt, wichtig für Flottenbetreiber ist in diesem Zusammenhang, dass die E-Autos anders aussehen als „Verbrenner-Fahrzeuge“ oder zumindest eine eindeutige Beklebung haben und nach außen sichtbar machen: Dieses Unternehmen investiert in Umweltschutz. Je mehr Unternehmen Elektroautos einsetzen, umso geringer wird dieser Effekt. Die Demonstration von Pioniergeist und Umweltschutz über den Einsatz von Elektroautos ist nur so lange möglich, wie EFahrzeuge noch nicht alltäglich sind. 3) Auch ein Grund für die Anschaffung eines E-Autos ist, den eigenen Strom selbst verbrauchen zu wollen; Unternehmen, die sich für eine Solaranlage auf dem Firmendach entschieden haben, ziehen oft auch ein Elektroauto in Betracht. Eine Rolle spielt das Anliegen, lokal produzierten Strom auch lokal zu verbrauchen oder aber ein schlüssiges Umweltkonzept einzuführen und darzustellen. 4) Ebenso ist der Wunsch, Pioniergeist zu zeigen, Vorreiter zu sein und diese Vorreiterschaft zu demonstrieren, ein Motiv Elektroautos einzusetzen. 5) Darüber hinaus investieren Unternehmen in Elektroautos, die selbst Energiedienstleistungen oder Serviceleistungen rund um Elektromobilität in ihrem Portfolio haben. 12
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