StreSS im einSatz

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Text
Impressum
Zentrum für Internationale Friedenseinsätze gGmbH (ZIF)
Ludwigkirchplatz 3–4
10791 Berlin
Mitarbeit Verantwortlich Layout
Copyright Ines-Lena Mahr
Dr. Maren Rößler, Brigitta von Messling
finedesign, Berlin
ZIF 2014
Vorwort
Liebe ZIF-Expertin, lieber ZIF-Experte,
wir freuen uns, Ihnen hiermit das Praxishandbuch für zivile Fachkräfte „Stress im Einsatz“ an die
Hand geben zu können.
Wer in einem internationalen Friedenseinsatz arbeiten möchte, muss überdurchschnittlich belastbar
und stressresistent sein. Viele von Ihnen wissen bereits aus eigener Erfahrung um die Herausforderung, in einem Krisengebiet mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit unter oftmals schwierigen
Lebens- und Arbeitsbedingungen den eigenen Leistungsansprüchen gerecht zu werden. Wenn Sie
als Führungskraft in einer Mission tätig sind, müssen Sie stressreduzierende Prozesse entwickeln,
um Ihr Team in diesem Umfeld zu unterstützen. Wir schätzen Ihr Engagement, Ihre Professionalität
und anhaltende Einsatzbereitschaft.
Ihre psychische wie auch Ihre physische Gesundheit sind uns wichtig. Das ZIF setzt sich dafür ein,
dass Missionen ihr Angebot an psychologischer Unterstützung für Expertinnen und Experten erweitern, damit Sie auch im Einsatz kompetent betreut werden. Wir sind im Austausch mit Aufnahmeorganisationen und internationalen Partnern, um unser Angebot in diesem Bereich weiter auszubauen.
Seit 2002 bereiten wir zivile Expertinnen und Experten in unserem „Core Course Peace Operations“ auch auf den Umgang mit Stress und psychischer Belastung im Einsatz vor. Die Aufarbeitung
belastender Ereignisse oder des durch den oftmals unberechenbaren Missionsalltag kumulierten
Stresses spielt seit mehreren Jahren auch bei unseren jährlichen Rückkehrertreffen eine wichtige
Rolle. Seit 2012 bieten wir Ihnen zudem eine psychosoziale Einsatzbegleitung in Kooperation mit
externen Partnern an. Das Handbuch „Stress im Einsatz“ soll Ihnen nun zusätzlich im Eigenstudium
die Möglichkeit bieten, Ihre Bedürfnisse und Reaktionen in herausfordernden Lebenssituationen zu
reflektieren und neue Anregungen zu bekommen, wie Sie diesen begegnen können.
Zwei Expertinnen haben das Material so aufbereitet, dass es hoffentlich Ihrer besonderen Einsatzsituation gerecht wird. Praktische Übungen und konkrete Tipps werden ergänzt um theoretisches
Hintergrundwissen. Das Buch lässt sich problemlos kapitelweise und in jeder beliebigen Reihenfolge
lesen, individuell angepasst an Ihre situativen Bedürfnisse und Interessen. Im Anhang finden Sie
weiterführende Literatur, Links und Hinweise zu Trainings, die es Ihnen ermöglichen, sich in bestimmte Themen zu vertiefen.
Wir konnten bei dieser Arbeit auch auf exzellente Materialien zum Umgang mit Stress und psychischer Belastung der Krisenleitstelle COPE der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zurückgreifen. Für die großzügige Bereitstellung der Unterlagen möchte ich mich an
dieser Stelle bedanken.
Ich wünsche Ihnen eine anregende und hilfreiche Lektüre!
Dr. Almut Wieland-Karimi
Direktorin, ZIF
3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................................................................................................................................................... 3
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................................................................................................. 4
Kapitel 01 | Stress im internationalen Einsatz ............................................................................................................. 7
Kapitel 02 | Was ist Stress? .................................................................................................................................................................... 8
Kapitel 03 | Negativer Stress ............................................................................................................................................................... 9
3.1 Übungen und Tests zur Selbsteinschätzung ................................................................................................................. 11
Kapitel 04 | Formen von Stress und Stresssymptome..................................................................................... 13
4.1 Erhöhter und anhaltender Stress .............................................................................................................................................. 13
4.2 Existentieller Übergangsstress .................................................................................................................................................... 14
Kapitel 05 | Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress,
kumulatives Trauma, Sekundäre Traumatisierung ................................................................................................ 15
5.1 Traumatischer Stress .............................................................................................................................................................................. 16
5.2 Posttraumatische Belastungsstörung und Posttraumatischer Stress ............................................. 17
5.3 Kumulatives Trauma (Häufung von Belastungssituationen) ......................................................................... 21
5.4 Stellvertretende oder Sekundäre Traumatisierung ............................................................................................... 21
5.5 Zweittraumatisierung durch unpassende Reaktion der Umwelt.............................................................. 24
Kapitel 06 | Unterschiedliche Aspekte und Auswirkungen von Stress ..................................... 26
6.1 Körperliche Reaktionen ........................................................................................................................................................................ 26
6.2 Emotionale und psychische Veränderungen ................................................................................................................. 28
6.3 Arbeitsstörungen ......................................................................................................................................................................................... 29
6.4 Verhaltensänderungen .......................................................................................................................................................................... 30
Kapitel 07 | Stressfaktoren vor dem Einsatz ................................................................................................................ 31
Kapitel 08 | Stressfaktoren während des Einsatzes ........................................................................................... 32
8.1 Stress durch Ankunft und Einleben ........................................................................................................................................ 32
8.2 Stress am Arbeitsplatz .......................................................................................................................................................................... 33
8.3 Stress im beruflichen Miteinander .......................................................................................................................................... 34
8.4 Stress für Führungskräfte ................................................................................................................................................................. 35
8.5 Persönlicher und familiärer Stress .......................................................................................................................................... 36
8.6 Stress durch Sicherheitsvorfälle und persönliche Verluste ......................................................................... 37
8.7 Stress durch das Scheitern einer Mission ...................................................................................................................... 38
8.8 Medienübertragung .................................................................................................................................................................................. 39
8.9 Geschlechtsspezifische Gewalt ................................................................................................................................................... 39
4
Stress im Einsatz
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 09 | Stressfaktoren nach dem Einsatz ........................................................................................................... 43
Kapitel 10 | Möglichkeiten zur Stressvorbeugung ................................................................................................ 44
Kapitel 11 | Verhaltensänderung zur Stressvorbeugung ............................................................................. 45
Kapitel 12 | Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung ...................................... 47
12.1 Körperbewusstsein ................................................................................................................................................................................ 47
12.2 Bewegung und Sport ........................................................................................................................................................................... 48
12.3 Schlaf .................................................................................................................................................................................................................... 49
12.4 Ernährung ......................................................................................................................................................................................................... 50
12.5 Konsum von Alkohol ............................................................................................................................................................................. 51
12.6 Freizeitaktivitäten, Muße und Geselligkeit .................................................................................................................. 52
12.7 Übungen und Selbsttests ............................................................................................................................................................... 53
Kapitel13 | Emotionalität und Stressvorbeugung ................................................................................................. 56
13.1 Gefühle achtsam wahrnehmen ................................................................................................................................................ 57
13.2 Erfahrungen von Trauer und Verlust .................................................................................................................................. 57
13.3 Lachen und Humor ................................................................................................................................................................................ 58
Kapitel 14 | Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung ...................... 59
14.1 Soziales Netzwerk und Unterstützung ............................................................................................................................. 59
14.2 Übung und Selbsttest ......................................................................................................................................................................... 60
14.3 Soziales Netzwerken ............................................................................................................................................................................ 60
14.4 Soziale Medien ........................................................................................................................................................................................... 61
14.5 Stressmanagement durch Buddy-System ................................................................................................................... 62
14.6 Kontakt mit Familie und Freunden im Heimatland ............................................................................................ 62
14.7 Fernbeziehung und Reaktionen des daheimgebliebenen Partners ................................................. 63
14.8 Beziehungen und Freundschaften im Einsatzland .............................................................................................. 66
14.9 Konflikte verstehen ............................................................................................................................................................................... 68
14.10 Kommunikation für friedliche Konfliktlösung ........................................................................................................ 69
Kapitel 15 | Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung................................................................... 70
15.1 Aufmerksamkeitslenkung ............................................................................................................................................................... 71
15.2 Dekatastrophisierung ......................................................................................................................................................................... 72
15.3 Geistiges Entrümpeln .......................................................................................................................................................................... 73
15.4 Positive Selbstinstruktion .............................................................................................................................................................. 74
15.5 Gedankenstopp .......................................................................................................................................................................................... 76
15.6 Einstellungsänderung ......................................................................................................................................................................... 76
Kapitel 16 | Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma....................................... 78
16.1 Überblick über verschiedene Therapieformen ....................................................................................................... 80
16.2 Suche nach therapeutischer Hilfe ........................................................................................................................................ 84
16.3 Unterstützung und Nachsorge­angebote der Bundesregierung ............................................................ 85
Kapitel 17 | Spiritualität und Verhaltensänderungen ....................................................................................... 86
5
Stress im Einsatz
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 18 | Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele ...................................................... 87
18.1 Autogenes Training ................................................................................................................................................................................ 87
18.2 Klopf-Akupressur ..................................................................................................................................................................................... 89
18.3 Progressive Muskelentspannung ........................................................................................................................................... 90
18.4 Meditation ....................................................................................................................................................................................................... 93
18.5 Achtsamkeit ................................................................................................................................................................................................... 95
18.6 Yoga ........................................................................................................................................................................................................................ 97
18.7 Tai Chi ................................................................................................................................................................................................................... 99
Kapitel 19 | Weiterbildung und Hilfe zur Selbsthilfe bei Stress und Trauma ................ 100
Kapitel 20 | Hilfe und Verantwortung für andere ............................................................................................... 101
20.1 Was kann ich für traumatisierte Menschen tun? ............................................................................................. 102
20.2 Professionelle Hilfe und Unter­stützung bei späteren Reaktionen ................................................ 104
20.3 Überreaktionen ...................................................................................................................................................................................... 105
20.4 Führungskräfte und Verantwortung für Mitarbeiter ..................................................................................... 106
Kapitel 21 | Kollektive Traumata .............................................................................................................................................. 108
Kapitel 22 | Literatur- und Linkverzeichnisse ......................................................................................................... 109
22.1 Literaturverzeichnis .......................................................................................................................................................................... 109
22.2 Linkverzeichnis........................................................................................................................................................................................ 111
22.3 Einzelne Themen.................................................................................................................................................................................... 114
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6
01
Stress im
internationalen Einsatz
Die Arbeit innerhalb einer Friedensmission bedeutet immer auch, vor, während und sogar
nach dem Auslandseinsatz mit Stresssituationen konfrontiert zu sein. Wir möchten Ihnen
hier Hinweise, Möglichkeiten, Anregungen, Maßnahmen und praktische Übungen aufzeigen,
die Ihnen dabei helfen, diesem Stress sowohl vorzubeugen als auch ihn zu erkennen und
möglichst gut zu bewältigen.
Unsere Ziele dabei sind, Sie so zu unterstützen, dass Sie Ihre jeweilige Aufgabe vor Ort
gut bewältigen können und Ihnen Hinweise für ein möglichst unbeschwertes Leben vor,
während und nach dem Auslandseinsatz zu geben. Ein Auslandseinsatz ist eine intensive
Erfahrung, die Sie bereichern kann. Die verschiedenen Belastungen, die Sie im Zusammenhang mit diesem Einsatz erleben werden, können ebenfalls sehr intensiv sein. Obwohl jeder
Mensch individuell auf Stress und Belastung reagiert, haben wir versucht eine allgemeine
Zusammenstellung zu erstellen, die Sie in der Stärkung Ihrer Widerstandskraft gegen Beund Überlastung unterstützt. Wir hoffen, dass für jeden Leser und jede Leserin etwas dabei
ist. Informieren Sie sich in unserem Handbuch über die Themen Stress und Stressmanagement und übernehmen Sie dadurch Verantwortung für sich selbst.
Wir weisen hier auch auf andere Angebote des ZIF hin, die zu Ihrer Unterstützung zur
Verfügung stehen, wie zum Beispiel das Handbuch „In Control“, eine Checkliste zur Einsatzplanung, eine psychosoziale Onlinebetreuung während Ihres Friedenseinsatzes durch
externe Experten sowie Coachingstipendien zur beruflichen Orientierung für Rückkehrer aus
Langzeiteinsätzen. Sie finden diese und weitere Angebote im ZIF-Mitgliederbereich.
In diesem Handbuch haben wir das generische Maskulinum verwendet, das stellvertretend
für das männliche und das weibliche Geschlecht steht.
7
02
Was ist Stress?
Stress beschreibt zunächst auf neutrale Weise psychische sowie physische Reaktionen, die
durch äußere Reize oder Stressfaktoren hervorgerufen werden, und ist dementsprechend
eine normale Reaktion unseres Körpers bzw. unseres gesamten Organismus. Diese Reaktionen befähigen uns, besondere Anforderungen zu bewältigen, die mit einer hohen Belastung
einhergehen (UNDPKO 1994: 20).
Solche Reaktion werden als positiver Stress bezeichnet, da punktuelle Stressreaktionen
den Körper zwar stark belasten, die Gesundheit jedoch auf lange Sicht fördern können. So
kann sich Stress vor einem Einsatz zum Beispiel durch die Vorfreude auf den Einsatz und
die vielen Vorbereitungen ausdrücken, die damit einhergehen. Durch diesen Stress erhält
der Körper mehr Energie, der Stoffwechsel wird angekurbelt und Sie sind in der Lage, Ihre
Vorbereitungen schneller und effizienter zu treffen. Während des Einsatzes können die neuen Herausforderungen, die mit der ungewohnten kulturellen Umgebung und einem neuen
Arbeitsumfeld zusammenhängen, ebenfalls eine Art von positivem Stress darstellen und
Sie dabei unterstützen, Ihre Aufgaben zu bewältigen. Die Rückkehr in Ihre Heimat und das
Wiedersehen mit Familie und Freunden kann sich ebenso als positiver und damit belebender Stress auswirken. Stress kann also durchaus konstruktiv wirken und uns motivierter und
sogar ausgeglichener machen. Der Zustand der Verliebtheit ist ein Beispiel für intensiven
positiven Stress (1).
Was es bedeutet, wenn Stressreaktionen sich zu negativem Stress [Kap. 3] entwickeln und
welche Formen von Stress und von Stresssymptomen es gibt, erfahren Sie in den nachfolgenden Abschnitten.
Mehr zum Thema
(1) Psychologisches Grundwissen zum Thema Stress.
8
03
Negativer Stress
Menschen gehen mit Stresssituationen unterschiedlich um. Es kann sogar sein, dass für
den einen als Stress gilt, was den anderen noch motiviert. Versuchen Sie herauszufinden,
wo Ihr persönlicher Stresslevel liegt. Machen Sie sich klar, dass dieser sich auch verändern
kann (Litzke, Schuh, Pletke 2013).
Stress hat grundsätzlich nur dann einen positiven Effekt, wenn die Belastung von kurzer
Dauer ist und sich der Körper danach wieder beruhigen kann. In diesem Fall können die ausgeschütteten Stresshormone im Körper verarbeitet und die Reserven für diese Alarmstoffe
im Körper wieder aufgefüllt werden.
Bei anhaltender Belastung durch Dauerstress kann es sein, dass der Organismus durch
diese Überbelastung körperliche und psychische Störungen oder Krankheiten entwickelt.
Vor dem Einsatz kann diese Art von Stress zum Beispiel dadurch entstehen, dass die Vor­
bereitungen auf einen Auslandseinsatz sehr intensiv sind, aber gleichzeitig ein angemessener Abschied von Familie und Freunden gewünscht ist. Während eines Einsatzes, vor allem
in der Anfangsphase, können die vielen neuen Eindrücke überwältigend und somit sehr
stressreich wirken. Außerdem können ein ständiges Gefühl der Gefährdung der eigenen
Sicherheit, Sprachbarrieren, interkulturelle Herausforderungen, eine geringe Unterstützung
von Kollegen oder traumatische Erlebnisse im Einsatz starken Stress erzeugen. Auch die
Rückkehr aus dem Einsatz ist nicht immer unproblematisch, da sich das Wiedersehen mit
Familie und Freunden und die Wiedereingewöhnung in das alte Umfeld möglicherweise
unerwartet schwierig gestalten (1).
9
Stress im Einsatz
Negativer Stress
03
Da Stresssituationen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen so gut wie unvermeidbar
sind, ist es wichtig, sich mit dem Thema Stressmanagement vor, während und nach dem
Einsatz auseinanderzusetzen. Machen Sie sich bewusst, wie sich Stress ausdrückt, wie
Sie die eigenen Stresssymptome erkennen, wie Sie ihm vorbeugen können und wie Sie mit
Stresssituationen am besten umgehen. Dies ist nicht nur hilfreich für Ihren eigenen Umgang
mit Stress, sondern stellt auch eine große Hilfe für Kollegen dar, die mit Stress konfrontiert
sind. Darüber hinaus kann Stressmanagement und entsprechende Beratung und Unterstützung für die Angehörigen hilfreich sein, da diese ebenfalls vor, während und nach Ihrem
Einsatz unter Stress leiden können. Zu diesem Thema sind die Systemische Beratung und
die Systemische Therapie empfehlenswert. Bitte lesen Sie in diesem Zusammenhang auch
unsere Kapitel Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma [Kap. 16], Überblick über verschiedene Therapieformen [Kap. 16.1] und Suche nach therapeutscher Hilfe
[Kap. 16.2]. Schließlich kann Ihnen das Wissen über Stress und Stressreaktionen auch dabei
helfen, manches Verhalten und manche Reaktionen anderer Menschen besser zu verstehen,
denen Sie in Ihrem Einsatzgebiet und in Ihrem Team begegnen werden.
Wir empfehlen Ihnen, sich mit dem Thema Stressmanagement auseinanderzusetzen, um zu
lernen, möglichst konstruktiv mit Stress umzugehen. Werden Sie aktiv. Vermitteln Sie sich
und anderen Unterstützung und, wenn möglich, beseitigen oder vermindern Sie die Stressfaktoren. Die nachfolgenden Informationen sollen Sie dabei unterstützen.
(
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Mehr zum Thema
(1) Psychologisches Grundwissen zum Thema Stress.
10
Stress im Einsatz
Negativer Stress
03
3.1 Übungen und Tests zur
Selbsteinschätzung
Dieser Selbsttest wurde von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
(GTZ, jetzt Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ) entwickelt und hilft
Ihnen bei der persön­lichen Selbsteinschätzung. Die genaue Selbstbeobachtung kann Ihnen
ermöglichen, Stress frühzeitig zu erkennen und somit besser zu managen.
Checkliste
Checkliste Stressanfälligkeit
(Litsch und Novoa 2002: 23)
Gehen Sie diese Checkliste mit typischen Anzeichen der Überforderung
regelmäßig durch, um persönliche Warnsignale zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.
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Ich reagiere bei kleinen Anlässen übermäßig gereizt.
Ich fühle mich innerlich gehetzt, komme schwer zur Ruhe.
Ich grüble ständig und muss dauernd etwas tun.
Es fällt mir schwer, anderen zuzuhören.
Ich habe den Eindruck, in letzter Zeit mit Scheuklappen durch die Welt
zu gehen.
Alles wird mir zu viel, ich ziehe mich immer häufiger zurück.
Ich interessiere mich kaum für meine Lieblingsbeschäftigung.
Ich mache häufig unnötige Fehler, meine Leistungsfähigkeit ist im
Vergleich zu früher gesunken.
Ich bin häufig im Begriff zu resignieren.
Ich habe das Gefühl, »urlaubsreif« zu sein.
Ich will am liebsten von niemandem angesprochen werden.
Ich schlafe häufig schlecht und fühle mich dann am Tag angespannt,
schlapp und erschöpft.
Ich kann mich nicht mehr richtig konzentrieren.
Ich leide häufig unter Spannungskopfschmerzen, Magenbeschwerden
oder Muskelverspannungen.
Ich habe das Gefühl, von Arbeit überhäuft zu sein, und gehe vielen
täglichen Anforderungen aus dem Weg.
Ich bin in letzter Zeit häufiger krank.
11
Stress im Einsatz
Negativer Stress
03
Test
Professional Quality of Life Self-Test
(Compassion Satisfaction Test)
Dieser Fragebogen soll Sie darin unterstützen, Ihre berufliche Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit zu reflektieren. Die Zielgruppe dieses Tests sind
Menschen, die mit und für andere Menschen arbeiten.
> The ProQol Measure In English and Non-English Translations
Übung
Lebensrad-Selbsttest zur Work-Life Balance
Diese Übung kann Ihnen dabei helfen, einen allgemeinen Überblick über
Ihre Zufriedenheit und Wachstumsmöglichkeiten in den verschiedenen
Bereichen Ihres Lebens zu gewinnen (Beruf, Freizeit, Beziehung, Finanzen
etc.). Genaue Anleitungen (auch YouTube-Filme) finden Sie im Internet
unter dem Suchbegriff „Coaching Tool Lebensrad“.
12
04
Formen von Stress
und Stresssymptome
Stress drückt sich immer individuell und häufig in unterschiedlicher Intensität aus. Persönliche (Lebens-)Erfahrungen und Prägung, individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten,
im Laufe des Lebens erworbene Bewältigungsstrategien, die Art der sozialen Einbindung
und die aktuelle körperliche und seelische Verfassung beeinflussen die Ausprägung von
Überbeanspruchung und Stress maßgeblich. Außerdem hängt die Stärke der Reaktion von
Art, Intensität und Dauer des Ereignisses oder der anhaltenden Situation ab. Mit anderen
Worten: Wie Sie auf Stress und Stress erzeugende Situationen und Ereignisse reagieren,
hängt auch mit Ihrer Persönlichkeit, Ihrer persönlichen Geschichte, Ihrem Selbstbild und
Ihren Ansprüchen an sich und andere zusammen. Ihr Umfeld ist ebenfalls relevant sowie die
Art und Weise, wie Sie mit sich und anderen in Beziehung treten. Eine wichtige Rolle bei den
Reaktionen auf Stress und auf Stress erzeugende Situationen und Ereignisse spielen auch
eigene Traumata – hier besonders diejenigen, die nicht verarbeitet wurden (Bundesminis­
terium der Verteidigung Heft II 2002).
Nachfolgend werden zwei Ausprägungen von Stress aufgeführt und wie sich Stress auf der
psychischen, physischen, emotionalen und kognitiven Ebene ausdrückt.
4.1 Erhöhter und anhaltender Stress
Bei akuter Überforderung und/oder Ermüdung treten Überbeanspruchung und Überlastung
des Organismus auf, der dann Symptome von erhöhtem Stress zeigen kann. Erfolgt auf
diese Symptome keine angemessene und konstruktive Reaktion oder ist dies nicht möglich,
wird die Ausnahmesituation zum Normalzustand. Die Kraftreserven werden aufgebraucht,
ohne sie erneuern zu können, und es entsteht das Gefühl des Ausgebrannt-Seins (Litsch
und Novoa 2002: 44).
Dieses Gefühl kann mit dazu beitragen, einen Burnout zu entwickeln, der unter anderem
das Resultat von lang anhaltendem Stress sein kann. Burnout ist ein schwer fassbares
Phänomen, das viele Ursachen, zahlreiche verschiedene Beschwerden und ebenfalls viele
unterschiedliche Behandlungsweisen umfasst. Es umschließt sowohl die überlastenden
Rahmenbedingungen in der jeweiligen Lebens- und Arbeitsumgebung als auch die Art und
Weise der betroffenen Menschen, damit umzugehen (Hillert in Wirtschaftspsychologie
Aktuell 2/2010: 29–30).
13
Stress im Einsatz
Formen von Stress und Stresssymptome
04
Eine größere Gefährdung für einen Burnout besteht für Menschen, die sich schlecht gegen
Überlastung abgrenzen und eigene Schwächen nicht akzeptieren können. Ebenso sind
Menschen gefährdet, die allen Ansprüchen und Erwartungen entsprechen wollen, sogar
den schon vorausgeahnten. Menschen, die glauben, unter allen Umständen funktionieren
zu müssen, haben kein gutes Verhältnis zu ihren eigenen Bedürfnissen und auch nicht zu
denen von anderen, mit denen sie leben oder arbeiten. Auch Menschen, die durch eine starke Konkurrenzorientierung und durch eine ausgeprägte Suche nach Anerkennung motiviert
sind, sind ähnlich gefährdet.
Anzeichen von anhaltendem Stress können laut Litsch und Novoa (2002: 49) u.a. sein:
•• Erschöpfung und Überarbeitung;
•• Gefühl des Ausgebrannt-Seins;
•• Abstumpfung gegenüber realer Gefahr;
•• Immer weniger und schlechtere Leistungsergebnisse trotz verstärkter
Willensanstrengung;
•• Suchtgefährdung;
•• Ankämpfen gegen körperliche Krankheiten, Schuldkrisen und
Zweifel an der eigenen beruflichen Kompetenz;
•• Unlustgefühle, Fluchtgedanken, Gefühl der Ausweglosigkeit, permanente
Müdigkeit, versteckte Depressionen.
4.2 Existentieller Übergangsstress
Schwerwiegende Veränderungsprozesse, die sich auch durch einen Auslandsaufenthalt
ergeben können, werden als existentielle Übergangssituationen bezeichnet. Stützende
Rahmenbedingungen und Menschen sind nicht mehr vorhanden und die neue Umgebung
ist noch zu fremd und ungewohnt, um als sichernd oder Halt gebend empfunden zu werden.
Das kann phasenweise starke Stressgefühle hervorrufen, die durch Ängste, mangelnde
Entscheidungsfähigkeit, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet sind. Existentieller Übergangsstress kann bei allen Menschen auftreten, die tiefgreifende Veränderungen
erleben oder ihnen unterworfen sind (Litsch und Novoa 2002: 45).
14
Katastrophen, traumatischer
und posttraumatischer Stress,
kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Traumatische Grenzerfahrungen erschüttern das Selbstverständnis eines Menschen. Es sind
Ausnahmeerfahrungen, die mit Kontrollverlust, extremer Furcht und häufig auch mit dem
Erleben der Unterwerfung unter einen Aggressor verbunden sind. Diese Grenzerfahrungen
beinhalten oft, dass die betroffene Person brutale Gewalt und/oder (drohenden) Tod entweder an sich oder an anderen Menschen erlebt. Das können Raubüberfälle, Entführungen,
Folter, Vergewaltigung und andere Vorfälle sein, die mit normalem menschlichem Empfinden und Verhalten nicht vereinbar und nicht verstehbar sind. Wenn Menschen andere Menschen durch ihr Verhalten traumatisieren (Manmade Disaster), ist die Grenzerfahrung häufig
schwerer zu überwinden, als wenn es sich zum Beispiel um Naturkatastrophen oder um
Unfälle handelt. Traumatisierungen, die durch Menschen ausgelöst werden, erschüttern die
Beziehungsfähigkeit der Opfer und ihr Vertrauen in andere Menschen stärker als Naturkatastrophen oder vergleichbare Ausnahmeerscheinungen. Die Überschreitung von grundsätzlichen menschlichen Grenzen gegenüber anderen Menschen ist auf einer tiefen emotionalen
Ebene sehr schwer zu verstehen und zu verarbeiten (Litsch und Novoa 2002: 45–46).
Allgemeine Anzeichen von Stress, der mit Katastrophen verbunden ist, können u.a. sein
(Litsch und Novoa 2002: 49):
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
Angstzustände;
Sinnlosigkeitserleben;
Diffuse Traurigkeit;
Schuldgefühle;
Depression;
Verlust von Interesse an Aktivitäten, die vorher Freude bereitet haben;
Selbstmordgedanken;
Verdeckte Selbstschädigung (auch Suchtverhalten);
Mangel an Zuversicht in die Zukunft;
Irrationales Verhalten;
Erstarrung.
Mit Katastrophen verbundener Stress, der sich relativ schnell entwickeln kann, wird auch
als Flame-Out bezeichnet. In einem solchen Fall ist es wichtig, die betroffene Person
zeitweise von der Katastrophen-Umgebung zu entfernen. Damit wird ihr die Möglichkeit gegeben, sich wieder zu erholen und wieder Kontrolle über das eigene Verhalten zu entwickeln
(UNDPKO 1995: 24).
Erkundigen Sie sich, ob die Organisation, die Sie entsendet, in einem solchen Fall Unterstützung anbietet.
15
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
5.1 Traumatischer Stress
Eine Traumatisierung erlebt ein Mensch, wenn er grenzverletzenden Bedrohungs- und
Gewalterfahrungen ausgesetzt ist, die ihn intensiv ängstigen und/oder das Gefühl des
Entsetzens in ihm hervorrufen. Gleichzeitig kann er der Situation nicht entfliehen und auch
nicht dagegen ankämpfen, weil er dem Geschehen hilflos ausgeliefert ist oder sich als
hilflos erlebt. Die Fülle der Emotionen und der Erlebnisse, denen er ausgesetzt ist, kann sein
Organismus nicht mehr in der gewohnten Weise verarbeiten. Der Körper und die Psyche
sind überlastet und überflutet. Der Organismus stellt sich dann auf gewisse Weise tot und
spürt die zu intensiven Gefühle nicht mehr. Er verarbeitet die extremen Bilder, Geräusche,
Gerüche, Schmerzen etc. nicht mehr. Traumatisierte Menschen wirken oft wie betäubt und
haben mitunter Schwierigkeiten, sich im Hier und Jetzt zu orientieren. Ihr Organismus führt
nur noch die überlebenswichtigen Funktionen aus. Die Verarbeitung der Erlebnisse wurde
und wird unterbrochen oder eingeschränkt, da sie den Körper und die Psyche zu diesem
Zeitpunkt zu sehr schädigen würde. Dies führt dazu, dass insgesamt die Reaktions- und
Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt sein kann. Der Mensch verfügt also über die Fähigkeit, traumatisiert zu werden, um Grenzerfahrungen zu überleben (Litsch und Novoa 2002:
45–46).
Dieses Überleben hat den Preis, dass der Organismus später versuchen wird, die nicht
verarbeiteten Eindrücke, Gefühle und Gedanken auf mehr oder weniger belastende Art und
Weise zu verarbeiten.
Anzeichen von traumatischem Stress können u.a. sein:
•• Schock, Gefühl von Betäubt-Sein;
•• Die Aufmerksamkeit engt sich ein, die Fähigkeit, externe Reize zu
verarbeiten, nimmt ab;
•• Die Fähigkeit, sich zeitlich und räumlich zu orientieren, nimmt ab;
•• Alle genannten Anzeichen von erhöhtem Stress können auftreten;
•• Unentschlossenheit, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, extreme
Nervosität, plötzliche Tränenausbrüche, Zittern, Schweißausbrüche,
Übelkeit, Erbrechen;
•• Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühle, Gefühl des Ausgeliefertseins;
•• Zunehmender Rückzug von der Umwelt, Erleben als sei alles ein Traum,
Eindruck, neben sich selbst zu stehen;
•• Entsetzen, Fassungslosigkeit;
•• Trance-Empfinden;
•• Totale Gefühllosigkeit, Erstarrung;
•• Erinnerungslücken für das auslösende Ereignis
(Litsch und Novoa 2002: 50);
16
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
•• Erinnerungsfetzen an das traumatische Ereignis (Flashbacks),
als ob das traumatische Erleben teilweise wiedererlebt wird;
•• Vermeidung von allem, was an das Erlebnis erinnert (z.B. Gefühle,
Gespräche, Orte, Personen) (Sass, Wittchen, Zaudig 1999).
Viele dieser Anzeichen zeigen, dass die Selbstheilungskräfte des Organismus aktiviert sind
und dass dieser versucht, das Erlebte stückchenweise zu verarbeiten und in das normale
Gedächtnis zu verlagern. Das braucht Energie, die der Organismus während der Verarbeitungszeit nicht oder nur eingeschränkt für andere Aktivitäten zur Verfügung hat. Wenn
die betroffene Person genügend Unterstützung, eventuell auch professioneller Art, erhält
und Raum und Zeit dafür hat, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren, und wenn das traumatische Erlebnis nicht zu tiefe Spuren hinterlassen hat, dann lassen die entsprechenden
Symptome und Anzeichen innerhalb einiger Tage oder Wochen nach dem traumatischen
Erlebnis nach. Wichtig ist auch, dass die Person die eigene (menschliche) Schwäche für sich
akzeptieren kann bzw. lernt, diese zu akzeptieren.
Das Erlebnis kann dann von der Person verarbeitet und in das eigene Selbstverständnis
und das Verhältnis zu Umgebung und Umwelt so eingebaut werden, dass sie sich wieder
sicherer fühlt. Die erlebten Eindrücke werden oft immer noch intensiv empfunden, sind aber
nicht mehr überwältigend.
Wenn die erlebten traumatischen Eindrücke nicht in dieser Weise verarbeitet werden können, kann eine Posttraumatische Belastungsstörung [Kap. 5.2] entstehen.
5.2 Posttraumatische Belastungsstörung
und Posttraumatischer Stress
Werden das traumatische Ereignis oder die Ereignisse ebenso wie länger andauernde traumatisierende Lebensphasen nicht in der Weise verarbeitet, dass sie in das eigene Erleben
integriert werden können, entsteht eine Posttraumatische Belastungsstörung.
Die Symptome treten oft erst nach längerer Zeit auf (Monate, sogar Jahre). Dann ist es
mitunter schwer, einen Zusammenhang zum belastenden Ereignis herzustellen. Die Symptome können aber auch direkt nach dem Erlebnis auftreten. Entscheidend ist, dass sie nicht
mehr nachlassen, sondern anhalten und sich störend weiter entwickeln. Viele der Symptome ähneln denen, die bereits unter dem Punkt traumatischen Stress [Kap. 5.1] beschrieben
wurden.
17
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Die Nichtverarbeitung der Ereignisse und der damit verbundenen Gefühle, Gedanken und
Verhaltensweisen kann damit zusammenhängen, dass das Ereignis zu tiefgreifend und zu
stark abseits der Vorstellungen des Individuums von der Welt und dem Verhalten der Menschen war. Die Person kann sich auch zu sehr schämen, dass ihr so etwas, für sie selbst unfassbares, passiert ist. Sie wird unter Umständen nicht wollen, dass jemand merkt, wie es
ihr geht und deswegen weder darüber sprechen, noch sich professionelle oder andere Hilfe
suchen. Die Akzeptanz der eigenen Schwächen spielt also auch hier eine wichtige Rolle.
Manche Menschen versuchen, alles zu vermeiden, was sie an das Erlebnis erinnert, weil
die Gefühle und Gedanken, die sie dann erleben, zu belastend für sie sind. Dies verhindert
die Verarbeitung der Erlebnisse und führt dazu, dass die Symptome nicht verschwinden,
sondern paradoxerweise oft zunehmen. Das liegt daran, dass auch hier der gesamte Organismus und besonders die Psyche immer wieder versuchen, die Erlebnisse zu verarbeiten.
So entwickeln sich verschiedenste Symptome, die mit dem Ereignis und dem traumatischen
Erleben zusammenhängen.
Je tiefer sich die Posttraumatische Belastungsstörung ausbildet, umso schwerer sind die
Symptome zu verstehen. Sie sind oft mit starkem Leiden und Beeinträchtigungen verbunden
und nicht klar und direkt, sondern eher bildhaft und metaphorisch zu begreifen.
Einige Menschen befinden sich durch die Posttraumatische Belastungsstörung in einem Zustand der andauernden Erregung, sind zum Beispiel schnell gereizt oder wütend oder fühlen
sich ständig angegriffen. Es scheint, als wären sie teilweise noch in der traumatisierenden
Situation, ohne es zu wissen. Wenn die Ereignisse nicht verarbeitet werden, sind sie der
normalen Erinnerung auch nicht zugänglich. Die Menschen wissen dann oft nicht, warum
sie ständig angespannt sind.
Wieder andere Menschen erzählen immer wieder auf die gleiche Art von ihren Erlebnissen.
Auch das ist ein Versuch der Verarbeitung, der jedoch ohne weiter gehende Methoden selten zur erfolgreichen Verarbeitung und Bewältigung des Erlebten führt.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann sich genauso bei Menschen entwickeln,
die Zeuge von traumatisierenden Ereignissen für andere Menschen wurden, also auch bei
professionellen Helfern.
Menschen, die Opfer von grenzverletzender Gewalt, von Unfällen oder von Unglücken, von
Katastrophen, aber auch von Krieg und insgesamt von Situationen wurden, in denen sie
intensive Furcht, starke Hilflosigkeit oder tiefes Entsetzen empfunden haben, sind anfälliger
für eine Posttraumatische Belastungsstörung. Dies gilt sowohl für die Posttraumatische
Belastungsstörung als auch für den traumatischen Stress [Kap. 5.1]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die in diesem Handbuch verwendeten Kriterien zur Definition dieser
Störung definiert und als solche anerkannt. Die Kriterien der WHO werden auch bei der Ausbildung von Psychologen und Psychotherapeuten verwendet, die mit betroffenen Menschen
arbeiten. Posttraumatische Belastungsstörungen und andere Folgen von extremem Stress
sollten unbedingt kompetent, angemessen und professionell diagnostiziert und behandelt
werden (Litsch und Novoa 2002: 46 und 51).
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Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Weitere Anzeichen von posttraumatischem Stress können u.a. sein:
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
Wiederholte, stark belastende Träume;
Schlafstörungen;
Erinnerungslücken, Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen;
Schuldgefühle;
Starke Selbstzweifel;
Zynismus oder Gleichgültigkeit;
Vermindertes Interesse an Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben;
Die Antennen sind eingefahren, Entfremdung von anderen;
Reduziertes Gefühlsleben, Abstumpfung;
Diffuse Traurigkeit, verminderte Lebensperspektive;
Zweifel am Lebenssinn;
Depression;
Selbstmordgedanken bis hin zum Selbstmord;
verdeckte Selbstschädigung, Suchtverhalten
(Alkohol, Rauchen, Essen, Sex etc.);
Veränderung der Realitätswahrnehmung bis hin zu einer schweren
psychischen Erkrankung;
Durch unkontrolliertes Wiedererleben des Ereignisses (Flashbacks)
wird die Erregung aufrechterhalten;
Das traumatische Erlebnis wird immer wieder durchlebt, besonders
in Träumen;
Der Jahrestag des Ereignisses oder das Erleben von ähnlichen
Elementen der Situation (Gerüche, Geräusche etc.) können die
gleichen Reaktionen und Gefühle wie in der traumatischen Situation
hervorrufen.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann bei allen Menschen auftreten und ist weder
ein Zeichen besonderer Schwäche noch von individuell geringer Belastungsfähigkeit, sondern zeugt von Menschlichkeit. In verschiedenen Kulturen werden die Auswirkungen von
tieftraumatisierenden Ereignissen unterschiedlich behandelt. Das grundsätzliche Prinzip der
Posttraumatischen Belastungsstörung ist bei allen Menschen hingegen ähnlich (Litsch und
Novoa 2002: 51).
Untersuchungen und Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 5 und 30 Prozent der
Menschen, die aus Einsätzen in Friedensmissionen und in Katastrophengebieten nach
Hause zurückkehren, eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln oder entwickelt
haben. Viele dieser Menschen nehmen die Symptome bei sich selbst nicht bewusst wahr
oder ordnen sie nicht richtig ein. Stattdessen begeben sie sich auf die Jagd nach der nächsten Krise. Im Grunde wollen diese Menschen sich wieder so fühlen wie vor ihrer Traumatisierung, so als ob ein neuer Einsatz dazu führen könnte, dass alles auf null gestellt wird.
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Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Dies hat jedoch zur Folge, dass diese Menschen nicht angemessen beraten und behandelt
werden und oft auch dazu, dass ihre Arbeit negativ beeinflusst wird. Manche Menschen,
die spüren, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung ist, fürchten sich davor, sich mit ihrem
Arbeitgeber wegen ihrer Traumatisierung in Verbindung zu setzen. Sie haben Angst vor negativen beruflichen Konsequenzen. Andere empfinden die institutionelle Hilfe, die für solche
Fälle vorgesehen ist, als unpassend und der Situation nicht angemessen, oder sie haben in
der Realität keinen bzw. wenig Zugang dazu (1).
Mitunter ergeben sich durch die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung
auch tatsächliche berufliche Beeinträchtigungen für die Betroffenen. Es gibt einige Berufsgruppen, in denen Emotionalität unterdrückt und nicht besprochen wird, auch weil das
Rollenbild Emotionalität oder Hilflosigkeit nicht zulässt. Auf diese Hintergründe sollte bei
der Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung ebenso angemessen eingegangen werden wie auf die unterschiedliche Ausprägung und das Erscheinungsbild einer
Posttraumatischen Belastungsstörung auf Grund potentiell wirksamer Rollenstereotype oder
genderspezifischer Prägung.
Schließlich muss erwähnt werden, dass auch Täter tief traumatisiert werden können, da sie
durch ihre Taten die allgemeingültige menschliche Wertewelt nicht nur beim Opfer, sondern
auch bei sich selbst verletzen (Litsch und Novoa 2002: 51).
Wenn schwere traumatische Erlebnisse oder Situationen andauern, wenn ein Mensch,
ganze Gruppen oder Gesellschaften also über längere Zeit in einer traumatisierenden Umgebung leben oder leben müssen, können schwere und umfassende körperliche und/oder
psychische Folgeschäden auftreten, die mit dem Begriff der Posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr ausreichend beschrieben sind. Dies betrifft sowohl Menschen, die als
Kinder schweren Traumatisierungen ausgesetzt waren, als auch Erwachsene, die Extrembelastungen überlebt haben. Hier finden Sie Hinweise zum Umgang mit dem Themenbereich
der Trauma und traumatischer Stress [Kap. 5.4].
Mehr zum Thema
(1) „Aid workers and post-traumatic stress disorder“.
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Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
5.3 Kumulatives Trauma
(Häufung von Belastungssituationen)
Wenn ein Mensch mehrere belastende Situationen durchlebt hat, die jeweils für sich genommen nicht traumatisierend gewirkt haben, kann die Häufung dieser Ereignisse schließlich traumatisierend wirken. Es ist, als ob die Person durch die unterschiedlichen Belastungen verwundbarer geworden ist oder wird. Ein Ereignis, das andere möglicherweise nicht so
gravierend finden, kann dann traumatische Reaktionen auslösen (Litsch und Novoa 2002:
48–49).
5.4 Stellvertretende oder
Sekundäre Traumatisierung
Eine stellvertretende oder Sekundäre Traumatisierung kann entstehen, wenn Sie mit Menschen in Beziehung treten, die durch einen oder mehrere andere Menschen, ein Ereignis
oder eine Katastrophe traumatisiert wurden und darunter leiden. Besonders, wenn Sie stark
mitfühlen und versuchen, sich in das Erleben des anderen einzufühlen, kann es passieren,
dass Sie dessen Gefühls- und Erlebniswelt auf eine Art und Weise teilen, die Sie emotional
mit dem Gegenüber und mit dessen verstörenden Erlebnissen verstrickt (1).
Die Fähigkeit zur Empathie kann dann zum Risikofaktor werden. Es ist sehr empfehlenswert
zu lernen, sich gegen diese Art des Überschwemmt-Werdens mit fremden Gefühlen und
Erlebnissen abzugrenzen, ohne allerdings gefühllos für das Leid anderer zu werden. Dazu ist
es notwendig eine gewisse Selbstfürsorge zu entwickeln. Anderenfalls besteht die Gefahr,
dass sich Gefühle der chronischen Überforderung, Ärger oder sogar psychosomatische und
depressive Störungen sowie Suchtprobleme entwickeln (Hofmann, Reddemann, Gast in
Hudnall Stamm (Hrsg.) 2002: 7).
Es kommt vor, dass Helfer, die mit traumatisierten Menschen arbeiten und motiviert helfen
möchten, die gleichen oder ähnliche Symptome entwickeln, wie diese Menschen. Das kann
die Lebensqualität der Helfenden, aber auch die Qualität der Arbeit dieser Menschen stark
beeinflussen. Das Grenzverletzende an der ursprünglichen traumatischen Situation wirkt
dann gewissermaßen weiter und hat Effekte auf die psychischen Grenzen der Helfer (Pross
2004: 210).
21
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Menschen, die in sogenannten helfenden Berufen arbeiten, haben ein erhöhtes Risiko dafür,
eine Sekundäre Traumatisierung zu erleben. Das gilt auch für Menschen, die in Krisengebieten tätig sind. Achten Sie deswegen gut auf sich und auf Ihre Grenzen der Belastbarkeit.
Anzeichen einer Sekundären Traumatisierung können u.a. sein (Pross 2004: 210):
•• Schlafstörung und Alpträume;
•• Ängste, bedrohliches Erleben von Alltagsereignissen;
•• wachsendes Entfremdungsgefühl, verbunden mit Rückzug
und Isolierung;
•• Gefühl des Unverstanden-Seins;
•• Verlust der zuversichtlichen Haltung, Verlust des Sicherheitsgefühls;
•• Desillusionierung.
Manchmal machen Menschen mit Sekundärer Traumatisierung Opfer für deren Leid verantwortlich. Sie beschuldigen diese dann für das, was ihnen passiert ist. In anderen Fällen werden sie zynisch, halten Opfer für hoffnungslose Fälle und versuchen, die Beziehung zu ihnen
abzubrechen. Manche Menschen entwickeln eine abwertende Grundhaltung gegenüber den
Menschen, mit denen sie arbeiten. Sie entwickeln zum Beispiel eine abwertende Sprache
und entsprechende Kommunikationsformen. In ganz schweren Fällen beuten Menschen mit
sekundärer Traumatisierung Opfer von Traumata körperlich, emotional oder sexuell aus. In
solchen Fällen setzt sich die helfende Person nicht mehr mit dem eigenen Gefühlshaushalt
auseinander. Stattdessen werden, meist unreflektiert, das oder die Opfer für alles Belastende verantwortlich gemacht, was für sie selbst so schwer auszuhalten ist (Huber 2004:
285–288).
In Zusammenhang mit der Sekundären Traumatisierung gibt es ein weiteres, verwandtes
Phänomen, die sogenannte Mitempfindens-Müdigkeit (Compassion Fatigue). Das Phänomen
wird häufiger bei Menschen beobachtet, die in helfenden Berufen tätig sind. Diese Art der
Arbeit kann dazu führen, sich mit den Menschen, mit denen die Helfer arbeiten, sehr stark
zu identifizieren und sich in deren Erlebnisse und Emotionen zu verstricken. Das kann passieren, wenn die Helfenden zu wenig auf sich und ihre Bedürfnisse achten und stattdessen
die Bedürfnisse der Menschen, mit denen sie arbeiten, dauerhaft für wichtiger halten. In
der Zusammenarbeit mit Menschen, die leiden oder denen es sehr schlecht geht, kann es
leicht passieren, dass dieses Ungleichgewicht eintritt. Dabei erleben die Helfenden durch
die intensive Beziehung zu traumatisierten Menschen teilweise eigene, frühere (oft unverarbeitete) Traumatisierungen. Manche reagieren sehr schnell gereizt, andere erleben intensiv
die traumatischen Symptome der Menschen, mit denen sie arbeiten, ohne deren Traumata
erlebt zu haben. Sie fühlen sich dann vom traumatischen Stress der Personen, mit denen
sie arbeiten, wie angesteckt, ermüdet und häufig hoffnungslos (Huber 2004: 283–284).
22
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
Eine weitere Variante der Sekundären Traumatisierung ist aus der Familientherapie bekannt.
Kinder entwickeln mitunter eine besondere Art der Sekundären Traumatisierung, wenn ihre
Eltern Kriege, Vertreibungen, Genozide, ethnische Säuberungen, Katastrophen oder andere
gewaltsame Ereignisse überlebt haben, die häufig ganze Gesellschaften oder große Gruppen
von Menschen betroffen haben. Die Kinder spüren das Leid der Eltern und der Elterngeneration, auch oder gerade wenn diese nicht über ihre Erlebnisse und Erfahrungen sprechen
(können). Sie werden durch die enge Bindung an die und das Mitleid mit den Eltern von
deren Erfahrungen und unausgesprochenen Gefühlen überschwemmt und sekundär traumatisiert. Lesen Sie dazu bitte auch den Abschnitt über Trauma und traumatischer Stress
[Kap. 5.4].
Bei Sekundärer Traumatisierung empfehlen wir eine kompetente und erfahrene Supervision und Beratung, damit eigene, oft durchaus verständliche und menschliche Reaktionen
in Extremsituationen konstruktiv bearbeitet werden können. Damit kann auch verhindert
werden, dass das eigene Wohlbefinden, die eigene Arbeit und andere Menschen destruktiv
beeinflusst werden (Huber 2004: 288).
Mehr zum Thema
(1) Sekundäre Traumatisierung
23
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
5.5 Zweittraumatisierung durch
unpassende Reaktion der Umwelt
Wünschenswert wäre ein Klima an Ihrem jeweiligen Arbeitsplatz, das auch die Sorge um
die Bedürfnisse derjenigen beinhaltet, die mit leidenden und traumatisierten Menschen
arbeiten. Die Organisation, für die Sie tätig sind, oder die Behörde, die Sie vertreten, sollte
bestenfalls Ressourcen bereithalten und Verantwortung übernehmen. Dadurch könnten
Traumatisierungen und Sekundäre Traumatisierungen vermieden oder zumindest gemindert
werden.
Leider ist aber mitunter zu beobachten, dass sich in beruflichen und institutionellen Zusammenhängen ein mangelndes Verständnis für die Auswirkungen von Traumata auf Menschen
zeigt, die in Ihrer Arbeit per Definition viel direkten oder indirekten Kontakt mit Trauma, Leid
und Katastrophen haben (Litsch und Novoa 2002: 49).
Hierarchische Strukturen können diese Erscheinungen befördern, insbesondere wenn höhere Hierarchiestufen weiter entfernt vom eigentlichen traumatischen Umfeld agieren (Rudolph und Hudnall Stamm in Hudnall Stamm (Hrsg.) 2002: 250).
Es kann auch eine unausgesprochene Übereinkunft darüber bestehen, sich gegen das
unfassbare Leid stark abzugrenzen. Dies ist eine Art institutioneller Müdigkeit und Erschöpfung durch das ständige Beobachten von Leid. Oft werden als Reaktion starke bürokratische
Prozesse entwickelt, die im Grunde als Abstandshalter zum eigentlichen Geschehen und
nur scheinbar der Problemlösung dienen. Menschen, die dazu neigen, sich an bestehende
Strukturen stark anzupassen, entwickeln im Team oder in der Gruppe ein gemeinsames
Klima der Bagatellisierung von Gefahr und von den Belastungssituationen. Menschen, die
durch gefährliche Situationen und Ereignisse traumatisiert wurden, werden als besonders
anfällig für Leid und Stress gesehen. Mitunter wird den Schilderungen von betroffenen
Mitarbeitern mit Misstrauen begegnet. Dadurch können einzelne Teammitglieder im Team
isoliert werden. Deren Traumatisierung kann durch ein solches Verhalten verstärkt werden,
da diese im Anschluss möglicherweise an ihrem eigenen Erleben zweifeln und noch unsicherer werden, als sie sich sowieso schon fühlen. Sie werden zweittraumatisiert (Litsch und
Novoa 2002: 49).
Es kann aber auch sein, dass im Team keine Unterschiede akzeptiert und anerkannt werden,
also auch keine unterschiedlichen Kompetenzen, Sensibilitäten, Talente etc. Dadurch wird
eine konstruktive Konfliktbewältigung, aber auch eine Wertschätzung unterschiedlicher
Positionen und Erfahrungen vermieden und durch konfliktvermeidende (Pseudo-)Harmonie
ersetzt. Hier besteht ebenso die Gefahr der Isolierung und Abwertung derjenigen Personen,
die sich in dieses Klima nicht einfügen bzw. nicht anpassen, weil deren (traumatisches oder
stressbewusstes) Erleben und Verhalten davon abweicht.
24
Stress im Einsatz
Katastrophen, traumatischer und posttraumatischer Stress, kumulatives Trauma,
Sekundäre Traumatisierung
05
In solchen Fällen ist es notwendig und wichtig, eine Art kollegiale oder eine externe Gruppensupervision in Anspruch zu nehmen, damit die Reflexionsfähigkeit und Handlungsfähigkeit des Teams verbessert wird. Auch eine Organisationsberatung kann helfen, damit die
destruktiven Aspekte innerhalb der Organisation bzw. Institution und der Kommunikation
untereinander erkannt und verändert werden. Eine Einzelberatung für Menschen, die stark
unter Ihrer Arbeit leiden und davon sehr belastet oder sogar traumatisiert sind, ist ebenfalls
empfehlenswert. Erkundigen Sie sich hierzu beim ZIF oder bei der Organisation, die Sie
entsendet hat.
Wichtig ist es auch, sich immer wieder klar zu machen, dass alle Menschen Schwächen
haben und Krisen erleben. Es kann sein, dass eine persönliche und individuelle Krise, die
vorher latent vorhanden war, oder sogar eine körperliche Erkrankung, die vorher weniger
bedeutsam war, durch ein traumatisches Ereignis ausbricht. Dann ist es für den betroffenen
Menschen und für die Umwelt schwer, einen Zusammenhang zum traumatischen Ereignis herzustellen, ähnlich wie beim kumulativen Trauma [Kap. 5.3]. Mögliche emotionale
Auffälligkeiten oder Verhaltensweisen tauchen dann scheinbar plötzlich auf, sind aber eher
Hilferufe und Anzeichen dafür, dass der betroffene Mensch überlastet ist. Es ist sinnvoll,
aufmerksam hinzuschauen, wenn jemand starke Selbstzerstörungstendenzen, extremen
Zynismus oder andere aggressive Verhaltensweisen zeigt. Vielleicht wirkt jemand aber auch
abgestumpft oder entwickelt einen starken Drang nach sexueller Erfahrung und Bestätigung
(Litsch und Novoa 2002: 49). Es ist nicht immer leicht, jemanden mit diesen Verhaltensweisen nicht zu isolieren, sondern im Gegenteil zu versuchen, mit ihm in Kontakt zu bleiben,
ihn zu unterstützen und ihm klar zu machen, dass etwas nicht stimmt. Denken Sie jedoch
daran, dieser Mensch könnten auch Sie einmal sein und dann wäre es schön, wenn jemand
Ihnen dabei hilft, die Dinge wieder gerade zu rücken.
25
06
Unterschiedliche Aspekte
und Auswirkungen von Stress
Wir stellen Ihnen im Folgenden verschiedene generelle Reaktionen auf Stress und daraus
resultierende Verhaltensweisen vor, die die bereits erwähnten Reaktionen, Anzeichen und
Symptome ergänzen.
6.1
Körperliche Reaktionen
Durch die Ausschüttung der Stresshormone reagieren Menschen in belastenden Situationen
natürlich auch körperlich. Diese Reaktionen dienen dem Kampf- oder Fluchtreflex und sind
normal.
Anzeichen einer normalen Reaktion auf starken Stress während und direkt nach
besonders belastenden Ereignissen können sein (Bundesministerium der Verteidigung
Heft II 2002: 10):
••
••
••
••
••
Übelkeit;
Muskelzittern;
Schwitzen, Schüttelfrost;
Schwindel-/Schwächeanfall;
Erhöhter Puls, erhöhter Blutdruck, Hyperventilation
(zu schnelles, zu starkes Atmen);
•• Benommenheit, Schockreaktion.
Wenn Sie merken, dass jemand in Ihrer Umgebung auf eine dieser Weisen reagiert, führen
Sie ihn an einen sicheren Ort, möglichst weg von der Stelle, an der das belastende Ereignis
stattgefunden hat oder noch stattfindet, so dass kein Blick mehr auf diesen Ort möglich ist.
Bleiben Sie bei der Person, falls irgend möglich. Prüfen Sie auch, ob Sie selbst unter diesen
Reaktionen leiden. Versuchen Sie in diesem Fall, sich selbst aus der Situation weg zu bewegen und sich Unterstützung zu holen (Bundesministerium der Verteidigung Heft II: 10).
26
Stress im Einsatz
Unterschiedliche Aspekte und Auswirkungen von Stress
06
Spätere Reaktionen nach einem belastenden Ereignis können u.a. sein:
••
••
••
••
••
••
••
••
••
Schwindel-/Schwächeanfälle;
Benommenheit;
Schlafstörungen;
erhöhter Puls und Blutdruck;
Atemprobleme/beschleunigte Atmung;
Sehschwäche;
vermehrte Flüssigkeitsaufnahme;
Müdigkeit;
Übelkeit und Erbrechen, Muskel-/Nervenzucken/Lähmungen,
Kopf- und Brustschmerzen, Schockanzeichen, Zähneknirschen
(Bundesministerium der Verteidigung Heft II: 10 –11);
•• Rückenschmerzen, Herzbeschwerden, Kreislaufprobleme,
Verdauungsbeschwerden (Litsch und Novoa 2002: 48).
Zu einem späteren Zeitpunkt können viele unterschiedliche körperliche Reaktionen auftreten, da auch der Körper die Überlastung verarbeiten muss. Später bedeutet, dass diese
Reaktionen Stunden, Tage, Wochen, Monate und manchmal Jahre nach dem Ereignis auftreten können. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie merken, dass Ihr Körper unterschiedliche
Reaktionen entwickelt. Wenn Sie akzeptieren können, dass Sie mit dieser (vermeintlichen)
Schwäche, die in dieser Situation eine angemessene Reaktion Ihres Körpers ist, auf stark
belastende Ereignisse reagieren und sich danach schonen und entsprechende Selbstfürsorge betreiben, wird auch Ihr Körper sich wieder erholen können. Wenn Sie den Eindruck
haben, dass die körperlichen Reaktionen nicht nachlassen und sie belasten, suchen Sie sich
kompetente, erfahrene und professionelle Hilfe.
27
Stress im Einsatz
Unterschiedliche Aspekte und Auswirkungen von Stress
06
6.2 Emotionale und
psychische Veränderungen
Auf viele emotionale und psychische Anzeichen und Symptome im Zusammenhang mit
Stress [Kap. 2], negativem Stress [Kap. 3], anhaltendem Stress [Kap. 4.1], traumatischem
Stress [Kap. 5.1] und posttraumatischem Stress [Kap. 5.2] haben wir bereits unter den
vorherigen Punkten Bezug genommen. Wir werden Ihnen hier einige weitere Anzeichen und
Symptome auflisten, damit Sie diese entsprechend einordnen können, falls Sie sie bei sich
oder bei anderen bemerken. Wichtig ist, dass nicht alle Menschen, die kurzfristig unter einem dieser Symptome leiden oder kurzfristig eine dieser Verhaltensweisen zeigen, traumatisiert sind. Wenn Sie jedoch wissen, dass eine starke Belastung vorliegt oder ein schwerwiegendes Ereignis stattgefunden hat, und wenn Sie merken, dass sich Ihr eigenes oder das
Verhalten anderer stark verändert hat, sollten Sie über Zusammenhänge nachdenken.
Zusätzlich zu den bereits beschriebenen emotionalen und psychischen Anzeichen nach
einer belastenden bzw. traumatisierenden Erfahrung können folgende Symptome auftreten:
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
••
Panik, Beklemmung;
übertriebene Trauer;
veränderte Wahrnehmung des Umfeldes;
Schwächen in Konzentration und Aufmerksamkeit, Gedächtnisund Erinnerungslücken;
Schwächen im abstrakt-logischen Denken
(Bundesministerium der Verteidigung Heft II 2002: 11);
Schlafstörungen, Alpträume;
deutliche Stimmungsschwankungen;
Überempfindlichkeit gegenüber Kritik;
Niedergeschlagenheit;
Ängstlichkeit, Angstzustände, Unsicherheit, allgemeine Verwirrung
und Konfusion, Schwierigkeiten bei der Identifikation von
(bekannten) Personen, räumliche und zeitliche Desorientierung;
Veränderte Reaktionsbereitschaft (Litsch und Novoa 2002: 48).
28
Stress im Einsatz
Unterschiedliche Aspekte und Auswirkungen von Stress
06
Auch hier gilt: Was Menschen auf der psychischen und emotionalen Ebene nach belastenden oder traumatisierenden Erfahrungen erleben, drückt oft aus, dass der gesamte Organismus versucht, die Erlebnisse nachträglich zu verarbeiten und in sein Gesamtsystem als
Mensch im Verhältnis zu seiner Umwelt einzubauen. Das Trauma kann das Gesamtsystem
Mensch tief erschüttern und berührt zudem oft existentielle Fragen und Wertevorstellungen.
Deswegen braucht ein Mensch oft viel Energie und Unterstützung, um sich neu zu sortieren.
Das normale Funktionieren kann dadurch für eine gewisse Zeit beeinträchtigt sein.
6.3Arbeitsstörungen
Wenn der Organismus nach einem traumatischen oder auch einem schwer belastenden
Erlebnis andere Prioritäten hat, entstehen die beschriebenen Einschränkungen im alltäglichen Leben und möglicherweise Auffälligkeiten und veränderte Verhaltensweisen im
Arbeitsleben. Diese können unterschiedlich lange andauern. In wenigen Fällen sind sie sehr
hartnäckig
Arbeitsstörungen können nach Litsch und Novoa (2002: 48) u.a. sein:
••
••
••
••
Abnahme von Konzentration und Aufmerksamkeit;
Zunahme der Ablenkbarkeit;
Gedächtnisstörungen, Vergesslichkeit, Täuschungen, Denkstörungen;
Abnahme der Organisationsfähigkeit und Fähigkeit zu
langfristiger Planung;
•• Probleme beim Setzen von Prioritäten;
•• Abschieben von Verantwortung;
•• Wegbewegung vom Arbeitsplatz.
29
Stress im Einsatz
Unterschiedliche Aspekte und Auswirkungen von Stress
06
6.4Verhaltensänderungen
Zusätzlich zu den bereits beschriebenen möglichen Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit Stress [Kap. 2], negativem Stress [Kap. 3], anhaltendem Stress [Kap. 4.1],
traumatischem Stress [Kap. 5.1 und posttraumatischem Stress [Kap. 5.2] wurden weitere
Verhaltensänderungen beobachtet. Falls Sie diese bei sich oder bei anderen bemerken,
können Sie sie entsprechend einordnen. Auch hier gilt wieder, dass nicht jeder Mensch, der
kurzzeitig eine dieser Verhaltensweisen entwickelt, traumatisiert sein muss. Wenn Ihnen
das Verhalten jedoch auffällig erscheint oder wenn Sie bei sich oder bei anderen starke Verhaltensänderungen bemerken, ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, ob Zusammenhänge
zu belastenden oder traumatisierenden Episoden und Ereignissen bestehen.
Weitere Verhaltensauffälligkeiten oder Verhaltensänderungen können sein:
•• riskantes Verhalten im Verkehr;
•• irrationales, leichtsinniges Verhalten;
•• gesteigerter Zigarettenkonsum, Alkohol- und/oder Tablettenmissbrauch,
Drogenkonsum;
•• verändertes Reaktionsvermögen;
•• Bagatellisierung und Verleugnung von Gefahr;
•• Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes;
•• Absinken der moralischen Hemmschwelle (Litsch und Novoa 2002: 48);
•• Überempfindlichkeit;
•• unsoziale Handlungen;
•• Veränderungen im Sprachgebrauch;
•• Hunger oder Appetitlosigkeit;
•• unkontrollierte Bewegungen (Bundesministerium der Verteidigung Heft II
2002: 12).
30
07
Stressfaktoren vor
dem Einsatz
Bei aller Vorfreude auf einen Einsatz im Ausland gibt es viele praktische Vorbereitungen, die
getroffen werden müssen. Dazu gehören die vorbereitende Organisation zu Hause, verschiedenste Behördengänge und andere bürokratische Aufgaben (Visa, Versicherung, Impfungen, Reisebuchung). Die Vorbereitungszeit bis zur Abreise ist oft kurz und intensiv und mit
finanziellem Aufwand verbunden. Ein weiterer Stressfaktor kann das Abschiednehmen von
Familie und Freunden sein (siehe hierzu auch Fernbeziehung und Reaktionen des daheimgebliebenen Partners [Kap. 14.9]).
Wir empfehlen Ihnen deshalb, sich rechtzeitig damit vertraut zu machen, wie sich Stress bei
Ihnen äußern kann (siehe Kapitel 2, 3, 4 und 6) und welche Möglichkeiten Sie zur Stressvorbeugung ergreifen können (Kapitel 10–15).
Auf der ZIF-Webseite finden Sie außerdem eine Checkliste Friedenseinsatz und das
Handbuch „In Control“ für die Einsatzvorbereitung, die Ihnen bei der Organisation dieser
Phase helfen.
31
08
Stressfaktoren während
des Einsatzes
Obwohl jede internationale Mission anders ist, gibt es eine Reihe von allgemeingültigen
Faktoren, die den Stress rund um den Einsatz erhöhen können. In diesem Abschnitt haben
wir verschiedene Stressfaktoren aufgeführt, die eine Rolle beim Einsatz spielen. Gehen Sie
die Liste der Stressfaktoren durch und überlegen Sie, welche Faktoren für Sie relevant sein
könnten.
8.1 Stress durch Ankunft und Einleben
Obwohl die Aufgaben in Ihrem neuen Einsatzgebiet wahrscheinlich schon auf Sie warten,
ist es wichtig, die Ankunfts- und Eingewöhnungsphase nicht zu unterschätzen und sich
möglicher Stressfaktoren bewusst zu sein: Ihr Körper braucht Zeit, um sich an die neue
Umwelt zu gewöhnen und einzuleben (Jetlag, Ernährung, Klima). Sie werden sich im Alltag
und Ihrer neuen Umgebung orientieren und zurecht finden müssen (Ortskenntnisse,
Kulturunterschiede, Sprache). Vielleicht empfinden Sie bei Ihrer Ankunft Ernüchterung oder
sogar Enttäuschung, weil Sie andere Vorstellungen über Ihren Einsatz hatten. Sie stellen
plötzlich fest, wie sehr Ihnen Ihr soziales Netzwerk fehlt und wie anders Freundschaften und
soziale Beziehungen in diesem Land ablaufen. Ihre Wohnsituation ist neu und ungewohnt
und Sie vermissen Ihre gewohnte Bewegungsfreiheit und Privatsphäre. Externe Faktoren,
wie z.B. eine instabile politische Situation oder Sicherheitslage, alltägliches Gewaltpotential,
erschreckende Armut und schlechte Infrastruktur, können den persönlichen Stress erhöhen.
32
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.2 Stress am Arbeitsplatz
In einer Friedensmission spielt Ihr Arbeitsplatz oft eine wichtigere Rolle als in Deutschland.
Das besondere Arbeitsumfeld einer Friedensmission, unter anderem gekennzeichnet durch
hohe Fluktuation unter den Kollegen, ein undefiniertes Aufgabenfeld oder überforderte
Führungskräfte, können Ihr Wohlbefinden negativ beeinflussen. Aber auch fehlende Freizeitmöglichkeiten und ein – zumindest zu Beginn – begrenztes soziales Netzwerk können sich
belastend auswirken. Daher fallen Stressfaktoren bei der Arbeit oft mehr ins Gewicht als zu
Hause.
Zu den Stressfaktoren am Arbeitsplatz im Auslandseinsatz gehören
(Litsch und Novoa 2002: 19):
•• berufliche Aufgabenverlagerungen und Rollenänderungen;
•• vielseitige, selbständige Tätigkeit und ein erweiterter
Entscheidungsspielraum;
•• (unzureichende) Kontrolle über Projektmittel sowie die
Außendarstellung Ihrer Organisation;
•• Verantwortung für Personal und Klienten;
•• Ausweglosigkeit im Umfeld und begrenzte Möglichkeiten, etwas
daran zu ändern;
•• unerfüllbare persönliche Ansprüche oder Selbstüberschätzung;
•• Schwierigkeiten bei Prioritätensetzung und Zeitmanagement;
•• widrige Arbeitsumstände (fehlende Technik etc.);
•• konstante Veränderung der Arbeitsbedingungen;
•• defizitäre Arbeitsorganisation und Bürokratie.
Natürlich spielen auch Ihre eigenen beruflichen Rahmenbedingungen eine Rolle, wie z.B.
Arbeitsplatzunsicherheit. Die Fragen „Was mache ich nach diesem Einsatz?“ und „Wie finde
ich den nächsten Arbeitsvertrag?“ beginnen oft schon zu Beginn Ihres Missionseinsatzes.
Informieren Sie sich auch über das ZIF Angebot zur Karriereberatung.
33
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.3 Stress im beruflichen Miteinander
Wie überall in der Arbeitswelt gibt es auch im Missionskontext Konflikte und Unvereinbarkeiten am Arbeitsplatz. Eine Besonderheit ist hierbei allerdings die zentrale Rolle, den Ihr
Arbeitsplatz in Ihrem Leben einnimmt. In internationalen Missionen kommt es oft zu einer
Vermischung von Beruf und Privatsphäre, da Sie Ihren Feierabend häufig mit denselben
Menschen verbringen, mit denen Sie den ganzen Tag zusammenarbeiten.
Aus diesem Grund kann Stress am Arbeitsplatz stärkere Auswirkungen auf Ihr Wohl­befinden haben, als das zu Hause der Fall wäre. Beispiele von möglichen Stress­faktoren
sind (Litsch und Novoa 2002: 20):
••
••
••
••
••
••
••
••
••
Konflikte mit Arbeitspartnern (auch kulturell bedingt);
mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte, Kollegen oder Klienten;
interkulturelle Probleme mit lokalen Kollegen;
hohe Leistungserwartungen;
überdurchschnittlicher Arbeitsanfall oder auch unzureichende Aufgaben;
ständiger Personalwechsel;
sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz;
Konkurrenz, Machtkämpfe und Mobbing;
Gegensätze zwischen Anforderungen der Zentrale und Arbeitsrhythmus
im Einsatzland;
•• undurchsichtige Entscheidungsprozesse oder Organisationskultur;
•• unzureichend ausgebildete Führungskräfte.
34
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.4 Stress für Führungskräfte
Der hohe Personalwechsel, multikulturelle Teams, das komplexe Arbeitsumfeld und die Entsendung mit oftmals unklaren Berichtslinien machen Führen in internationalen Missionen zu
einer besonderen Herausforderung. Gerade auf Grund dieser Rahmenbedingungen ist der
Bedarf an guten Führungskräften enorm hoch.
Zu den Stressfaktoren für Führungskräfte zählen für Litsch und Novoa (2002: 20):
•• Funktions- und Einflussverlagerungen;
•• Einschränkung der Entscheidungsspielräume bei gleichem
Verantwortungsgrad;
•• Verwicklung in Reibereien zwischen Abteilungen, Konflikte
mit Mitarbeitern;
•• Führung von überlastetem Personal;
•• hohe Leistungsvorgaben bei personeller Unterbesetzung;
•• Koordination komplexer Aufgaben;
•• Gesprächsführung in schwierigen Situationen;
•• Führungseinsamkeit nach unpopulären Entscheidungen.
Bitte beachten Sie hierzu auch Führungskräfte und Verantwortung
für Mitarbeiter [Kap. 20.4].
35
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.5 Persönlicher und familiärer Stress
Der Einsatz in internationalen Missionen bringt viele Abschiede und Neuanfänge mit sich,
die belastend sein können. Da die meisten Friedenseinsätze in sogenannten Non-Family
Duty Stations stattfinden, werden Sie wahrscheinlich allein ausreisen.
Mögliche Stressfaktoren für Sie sind (Litsch und Novoa 2002: 21):
•• Heimweh und zu verarbeitende Verluste
(Beziehungen, Freunde, Familie, Lebensverhältnisse);
•• Kulturschock;
•• mögliche unerwartete Eigenveränderung;
•• Interessens- und Werteverschiebungen;
•• Einsamkeit.
Weitere Informationen zu diesem Thema sowie konkrete Tipps finden Sie im Kapitel
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung [Kap. 14].
Falls Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Familie umziehen, werden Sie sich eventuell verantwortlich fühlen für das Wohlergehen der anderen Familienmitglieder.
Mögliche Stressfaktoren für Ihren mitausgereisten Partner sind
(Litsch und Novoa 2002: 21):
••
••
••
••
••
••
••
Änderungen der sozialen Position und des Familienstatus;
Verlust von Freunden, Kollegen, Arbeitsplatz;
neuer Lebensrhythmus;
Veränderung partnerschaftlicher und familiärer Rollen;
Heimweh;
Kulturschock;
soziale Isolation.
Für Ihre Kinder sind mögliche Stressfaktoren:
••
••
••
••
Verlust von Schule, Freunden, Familie (Großeltern);
Kulturschock;
neue Sprache und neues Umfeld;
Eingewöhnung in ein anderes Schulsystem.
36
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.6 Stress durch Sicherheitsvorfälle
und persönliche Verluste
Während eines Einsatzes kann es zu unvorhersehbaren Sicherheitsvorfällen oder Verlusten
kommen, die große Auswirkungen auf Ihr Wohlbefinden haben.
Zu diesen Vorfällen gehören u.a. (UNHCR 2001: 18):
••
••
••
••
••
••
Tod oder schwere Verletzung eines Kollegen;
Schuldgefühle, wenn Sie selbst überlebt haben;
Miterleben von Sterben und Tod;
Versorgung von verzweifelten Überlebenden;
Verantwortung für Entscheidungen über Leben und Tod;
Verlust des Gefühls der Unverwundbarkeit nach einem
Sicherheitsvorfall.
Mehr Informationen zu diesem Bereich finden Sie im Kapitel traumatischen Stress [Kap.
5.1].
Die Bundesregierung verfügt über eine eigene Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und
Angehörigenhilfe (NOAH) für die psychosoziale Versorgung von Deutschen, die im Ausland
durch schwere Unglücksfälle, Katastrophen oder Terroranschläge zu Schaden gekommen
sind. NOAH gehört zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK),
einer Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Hauptaufgabe
von NOAH ist es, den Betroffenen und ihren Angehörigen eine akute und längerfristige
psychosoziale Versorgung anzubieten sowie die durch das Auswärtige Amt am Unglücksort
veranlassten Betreuungsmaßnahmen im Inland nahtlos fortzusetzen. Sie steht sowohl den
Angehörigen bzw. weiteren nahestehenden Personen als auch den direkt Betroffenen nach
deren Rückkehr nach Deutschland zur Verfügung.
Sie erreichen die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) gehört zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) durchgehend unter
der (kostenlosen und innerhalb Deutschlands gültigen) Telefonnummer 0800/1888433
oder unter der Telefonnummer 0049(0)228/995502444.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des BBK:
> Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH)
37
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
Die Koordinierungsstelle NOAH unterstützt Sie im Wesentlichen durch:
•• Informationen über wohnortnahe, psychosoziale Hilfsangebote und
Kontakte und Vermittlung von Akuthilfen (z.B. Notfallseelsorge);
•• Informationen über weitere Behörden, die aufgesucht werden müssen;
•• Traumaberatung und die Vermittlung regionaler Psychotherapeuten;
•• Hilfe bei administrativen Fragen und Problemen;
•• durchgehende telefonische Erreichbarkeit bei Fragen und Problemen im
psychosozialen Bereich.
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch auf den Terroropferfonds bzw. die Härteleistungen für Opfer terroristischer Übergriffe hinweisen. Informationen zur Leistungsgewährung erhalten Sie beim Bundesamt für Justiz, das diesen Fonds verwaltet. Bitte beachten Sie hierzu den folgenden Link:
> Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten
8.7 Stress durch das Scheitern
einer Mission
In manchen Fällen kann es zum Scheitern oder dem vorzeitigen Abbruch (z.B. aus
Sicherheitsgründen) einer Mission kommen. Ein vorzeitiges Ende Ihres Einsatzes kann
belastend sein und dazu führen, dass Sie sich selber eine (Mit-)Schuld geben oder Ihr
Vertrauen in Kollegen bzw. Ihre Organisation verlieren. Ein weiterer Stressfaktor kann Ihre
Betroffenheit über einen möglichen lokalen Schaden sein, den der Einsatz verursacht hat
(UNHCR 2001: 18).
38
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
8.8Medienübertragung
In Ihrem Einsatz kann es zu Situationen oder Vorfällen kommen, über die in den Medien
berichtet wird.
Stressfaktoren, die Sie in solch einer Situation belasten können, sind (UNCHR 2001: 18):
••
••
••
••
kritische Außenbeobachtung;
fehlerhafte oder gefahrensteigernde Berichterstattung;
übertriebene Dienstvorschriften als Resultat von Medienberichten;
Angst vor zu erbringenden Leistungen.
8.9 Geschlechtsspezifische Gewalt
Die Diskussion zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt ist komplex und vielschichtig.
Im Auslandseinsatz ist es sehr wahrscheinlich, dass Ihre soziale und kulturelle Rolle als
Frau oder Mann, und die damit verbundenen Erwartungen, stärker ausgeprägt sind als in
Deutschland. „Der Begriff geschlechtsspezifische Gewalt wird verwendet, um allgemeine
Gewalt von jener Form von Gewalt zu unterscheiden, die sich gezielt gegen Personen auf
Grund ihres Geschlechts richtet. […] Sie schließt Handlungen ein, die körperlichen, seelischen oder sexuellen Schaden oder Leid verursachen, die Androhung derartiger Handlungen, Nötigung und Freiheitsberaubung“ (UNHCR 2003: 18).
Geschlechtsspezifische Gewalt im Missionskontext ist ein noch wenig aufgearbeitetes
Thema. Oft ist es schwierig für Frauen, ihre Sorge über die persönliche Sicherheit zu formulieren bzw. gehört zu werden. Für Männer im Einsatzgebiet kann es schwierig sein, sich in
die Situation einer Frau hineinzuversetzen und mögliche Gefahren nachzuvollziehen. Hinzu
kommt eine Organisations- und Managementkultur, die Achtsamkeit und Selbstsorge nicht
ernst nimmt und risikoreiches Verhalten implizit gut heißt. Aus diesen Gründen werden Vorfälle zu sexueller Gewalt häufig nicht aufgezeichnet und nicht ausreichend ernst genommen.
Dies schafft ein Klima des Zulassens, in dem noch mehr geschlechtsspezifische Gewalt
stattfinden kann.
39
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
In vielen (aber nicht in allen) Fällen wird geschlechtsspezifische Gewalt von Männern gegen
Frauen ausgeübt (1). Daher sind das Verhalten und die Haltung von Männern zu diesem Thema wichtig, wenn es um Prävention geht. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt spielen Macht
und Kontrolle oft eine Rolle. In vielen Fällen kennt der Täter das Opfer. Darüber hinaus haben oder hatten die beiden häufig eine Beziehung (Ex-Partner, Ehepartner, Arbeitskollegen,
Partner, Bekannte etc.). Aus diesem Grund werden Vorfälle selten berichtet. Erschwerend
kommt hinzu, dass die Vorgesetzten im Einsatzgebiet überwiegend Männer sind, die selten
auf das Thema vorbereitet sind. Im Missionskontext treffen mit den internationalen Experten unterschiedliche Kulturen und Rollenerwartungen aufeinander, die nicht immer von den
Beteiligten reflektiert werden. Darüber hinaus führen der Stress und die Belastung, die mit
der Arbeit verbunden sind, in manchen Fällen dazu, dass einige Menschen ein abweichendes Sozialverhalten gegenüber anderen entwickeln. Das spiegelt sich auch im Verhältnis
zwischen Männern und Frauen wider. Geschlechtsspezifische Gewalt führt zu kurz- und
langfristigen seelischen und körperlichen Folgen für Gesundheit und Wohlergehen.
Daher ist es wichtig, dass Sie besonders gut auf Ihr körperliches und seelisches Wohlergehen achten. Ihre persönliche Sicherheit und Gesundheit sollte immer an erster Stelle
stehen. Achten Sie auf Ihre Intuition und versuchen Sie, Gefühle wie Angst oder Unbehagen
als Hinweisgeber ernst zu nehmen. Unterschätzen Sie Ihr eigenes Bauchgefühl als Warnsig­
nal nicht. Es könnte Sie vor einer ernsten oder sogar lebensgefährlichen Situation bewahren. Hinterfragen Sie auch Ihre eigenen Erwartungen an sich selbst. Es kann schwierig für
Sie werden, wenn Sie sich nicht deutlich abgrenzen können oder/und die Reaktionen Ihres
Gegenübers auf diese Abgrenzung womöglich schlecht aushalten können. Empfehlenswert
ist in diesem Zusammenhang das Buch „The Gift of Fear“ des amerikanischen Experten für
Gewaltprävention und Personenschutz Gavin de Becker (2).
Jede Person kann zu einem Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden.
Allerdings gibt es bestimmte Menschengruppen, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind:
••
••
••
••
••
Frauen, die alleine reisen, arbeiten oder wohnen;
Frauen in Kulturen mit großen Geschlechterunterschieden;
Frauen, die alleiniger Hausvorstand sind;
Personen unter Einfluss von Alkohol oder Drogen;
Personen in missbrauchenden und abhängigen Beziehungen
(gilt auch für Arbeitsbeziehungen);
•• Personen in Kriegs- und Krisengebieten ;
•• Personen mit einer Geschichte von Vergewaltigung und sexuellem
Missbrauch (3);
•• Menschen, die eine andere sexuelle Orientierung haben als die
Mehrheit oder deren sexuelle Orientierung sich von dem unterscheidet,
was in der Kultur als normal gilt oder sogar ausschließlich erlaubt ist,
wie Homosexualität.
40
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
In einigen Ländern werden homosexuelle Menschen verfolgt und bestraft oder auch nur,
auf Grund von rigiden Rollenstereotypen, lächerlich gemacht und in ihrer Würde verletzt.
Das kann bedeuten, dass homosexuelle Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht oder nur
unter großen Schwierigkeiten bei einem Auslandseinsatz zeigen können und sich womöglich
verstellen werden.
Experten sollten den Einfluss, den sie auf die lokalen Genderrollen haben, nicht unterschätzen. Wenn Sie z.B. als Mann in einer Region arbeiten, in der Menschen leben, die sich auf
Grund Ihrer Erlebnisse in der Gesellschaft als Verlierer fühlen (z.B. beim Vorhandensein
eines kollektiven Traumas [Kap. 21]), kann es sinnvoll sein, Ihre Rolle als Mann stärker als
sonst zu reflektieren. Es könnte passieren, dass Männer Ihnen gegenüber
aggressiv oder abweisend reagieren, da diese ihre traditionellen Rollen (als Beschützer,
Patriarch, Ernährer etc.) nicht mehr erfüllen konnten und können. In den Augen der Bevölkerung übernehmen nun Sie als Internationaler, ausgestattet mit Macht und Ressourcen,
stattdessen diese Rolle(n). Es ist sinnvoll, über dieses Machtgefälle zu reflektieren, das
Ihnen auf Grund Ihrer Rolle begegnen kann.
Das Thema geschlechtsspezifische Gewalt umfasst sexuellen Missbrauch, Belästigung, Vergewaltigung, aber auch subtilere, manchmal nur verbale Belästigung oder Missachtung auf
Grund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Leider wird dieser Themenkomplex
bisher insgesamt wenig reflektiert und aufgearbeitet. Deswegen ist es für Betroffene nicht
leicht, sich Unterstützung zu organisieren. Da das Problem oft nicht als solches empfunden wird, kann es passieren, dass Menschen, die sich belästigt fühlen, belästigt wurden
oder werden, als Spielverderber bzw. als besonders empfindlich dargestellt werden. Im
schlimmsten Fall folgt nach der Belästigung oder der geschlechtsspezifischen Gewalt eine
soziale Isolierung. Es können sich auch Nachteile innerhalb des Teams oder für die Arbeitssituation der betroffenen Person ergeben. Das gilt besonders, aber nicht nur, wenn die
Belästigung oder die Gewalt innerhalb der Mission stattgefunden hat oder stattfindet.
Daher raten wir dringend dazu, deutliche Abgrenzung gegenüber jeder Grenzüberschreitung
und gegenüber unangemessenem Verhalten zu zeigen. Darüber hinaus sollte die Organisation, die Sie entsendet, auf Einhaltung der Richtlinien bestehen, die es in diesem Zusammenhang häufig in schriftlicher Form gibt (Code of Conduct). Ihre Organisation sollte definierte
Schritte einleiten, wenn diese Richtlinien nicht eingehalten werden. Nur auf reflektierte
Weise kann eine notwendige Einstellungsänderung erreicht werden.
41
Stress im Einsatz
Stressfaktoren während des Einsatzes
08
Nachfolgend finden Sie einige Beispiele für Staff Code of Conducts bei relevanten
Organisationen:
> OSCE
> Code of Conduct for International Election Observers
> UN Code of Conduct for Peacekeepers
> UNHCR
> ICRC
Schließlich empfehlen wir Ihnen, sich an Ihre Organisation zu wenden, wenn Sie sexuelle
Gewalt innerhalb der Mission erfahren haben. Diese Erfahrung kann, wie bereits beschrieben, traumatisierende Auswirkungen haben und Sie nachhaltig schädigen.
Schämen Sie sich nicht, wenn Sie Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind.
Seien Sie stattdessen stolz auf sich, dass Sie es geschafft haben, dieses Ereignis zu überstehen und womöglich zu überleben. Fordern Sie die Hilfe und Unterstützung für sich, die
Ihnen zusteht. Denken Sie auch daran, dass Sie medizinische Unterstützung und Untersuchungen sowie psychologische Betreuung benötigen.
Wenn Sie geschlechtsspezifische Gewalt, geschlechtsspezifisch abwertendes Verhalten
oder Belästigung in Ihrem Umfeld beobachten, beziehen Sie Stellung und machen Sie klar,
dass dieses Verhalten unangebracht und unpassend ist. Bieten Sie den Betroffenen Hilfe
und Unterstützung an und machen Sie deutlich, dass diese Person beschützt werden muss.
Mehr zum Thema
(1) Women and Gender
(2) „Lob der Angst“
(3) „Gender based violence & the humanitarian community“
42
09
Stressfaktoren nach
dem Einsatz
Die Rückkehr und Wiedereingewöhnung in den Alltag zu Hause bringen neue Herausforderungen mit sich. Die Freude über die Heimkehr zu Familie und Freundeskreis kann durch
den Abschied von Kollegen und Freunden im Einsatz getrübt werden. Ihr Körper wird sich
wieder an eine andere Umwelt gewöhnen müssen. Sie werden eventuell einige Zeit brauchen, um auch gedanklich wieder völlig in Deutschland anzukommen. Neben Ihrer möglichen Arbeitssuche werden Sie Zeit und Energie brauchen, um Familie und Freunde zu
treffen sowie Ihre sozialen Netzwerke wieder zu beleben.
Bitte nutzen Sie auch die Checkliste Einsatzplanung sowie die Angebote zur Vor- und Nachbereitung Ihres Einsatzes.
43
10
Möglichkeiten zur
Stressvorbeugung
Wenn Sie Ihre eigenen Stressreaktionen oder Warnsignale, die Ihr Wohlbefinden deutlich
beinträchtigen, erkannt haben, geht es darum, diese zu verringern und sie auf lange Sicht zu
vermeiden.
Zunächst sollten Sie damit beginnen, sich folgende Fragen zu stellen (Hilker, Bellinger,
Weims 2009: 32). Was trägt dazu bei, dass:
•• meine körperlichen Beschwerden gelindert werden – was tut mir gut?
•• ich strukturiert, gelassen und nachsichtig handeln kann?
•• meine Gedanken nicht um Druck, Misserfolg, Sanktionen kreisen,
sondern von Zuversicht und Gelingen bestimmt sind?
•• Zufriedenheit, Lebensfreude, Humor, Verbundenheit mit anderen und
Optimismus nicht abhandenkommen?
Sie werden vielleicht feststellen, dass Sie diese Fragen nicht auf Anhieb beantworten
können. In den folgenden Abschnitten finden Sie verschiedene Möglichkeiten dafür, wie
Sie physisches, psychisches, emotionales, soziales und gegebenenfalls spirituelles Wohlbe­
finden (siehe Spiritualität und Verhaltensänderungen [Kap. 17]) erlangen können, und wie
Sie durch bestimmte Verhaltensweisen dazu beitragen können, Stress zu vermindern und
zu vermeiden. Neben den Vorschlägen zur Selbsthilfe finden Sie auch einige Hinweise dazu,
wie Sie mit anderen umgehen können, die Stressreaktionen zeigen.
Bei der Entscheidung für eine bestimmte Entspannungstechnik sollte Ihnen bewusst sein,
dass es keine Technik gibt, die allgemein gültig ist. Wenn Sie eine Entspannungstechnik
wählen, berücksichtigen Sie dabei am besten Ihre speziellen Bedürfnisse und Vorlieben.
Machen Sie sich Gedanken über Ihre körperliche Fitness und auch darüber, wie Sie
normaler­weise auf Stress reagieren. Die passende Entspannungstechnik ist diejenige, die
Ihnen gut tut, die zu Ihrem Lebenswandel passt und Sie dazu bringt, Ihren Geist zu fokussieren, Ihre alltäglichen Gedanken zu unterbrechen, und die Sie entspannt. Die Vorliebe
für bestimmte Techniken kann sich ändern oder unterschiedliche Übungen können variiert
werden. Vielleicht stellen Sie fest, dass Sie motiviert bleiben und die besten Ergebnisse
erzielen, wenn Sie verschiedene Techniken [Kap. 18] abwechselnd (aus-)üben oder
kombinieren.
44
11
Verhaltensänderung zur
Stressvorbeugung
Unser Verhalten ist die Summe unserer bisherigen Lebenserfahrungen. Deswegen sind
Verhaltensänderungen schwierig durchzuführen. Besonders in Stresssituationen neigen
Menschen dazu, alte und gewohnte Muster verstärkt für die Problemlösung zu nutzen.
Manchmal bringt es das Erleben von starkem Stress jedoch mit sich, dass die alten Bewältigungsmuster nicht mehr helfen. Das hat ein unangenehmes Gefühl der Hilflosigkeit zur
Folge. Trotzdem führt mitunter genau diese Hilflosigkeit dazu, dass Menschen neue Verhaltensweisen ausprobieren und Erfahrungen mit diesen neuen Vorgehensweisen machen. Die
Frustration, die Menschen erleben, wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte, kann also dabei
helfen, sich auf neue Erfahrungen einzulassen (Litzke, Schuh, Pletke 2013: 65).
Eine Verhaltensänderung ist ein Wandlungsprozess, an dem Sie selbst beteiligt sind. Das
bedeutet, dass dieser Prozess Zeit benötigt, dass Sie möglicherweise Rückschläge oder
Hürden erleben und dass Sie manchmal das Gefühl haben, Sie würden es nie schaffen.
Andererseits werden Sie, wenn Sie den Veränderungsprozess durchhalten, das Glück des
Erfolgs und sich selbst als in positiver Hinsicht verändert erleben. Seien Sie also milde mit
sich, setzen Sie sich realistische Ziele und achten Sie auf kleine Schritte bei Ihrem Veränderungsprozess. Eine Belohnung für das Erreichen eines Zwischenzieles ist ebenfalls sehr
empfehlenswert, weil es bedeutet, dass Sie anerkennen können, was Sie bereits für sich
erreicht haben. Belohnen Sie sich aber auch, wenn Sie ein größeres Ziel erreicht haben. Am
besten ist es natürlich, sich insgesamt gut zu behandeln. Eine Belohnung muss nichts Materielles sein. Vielleicht machen Sie etwas, was Sie schon immer machen wollten. Außerdem
wirkt es hilfreich und bestärkend, mit Menschen, denen Sie vertrauen, über Ihren Veränderungsprozess zu sprechen (Litsch und Novoa 2002: 51).
Eine realistische Zielsetzung und ein realistischer Umgang mit Zielen helfen bei einem
Veränderungsprozess sehr. Versuchen Sie, ehrlich zu sich zu sein, auch in Bezug auf die
Durchführbarkeit der Ziele, die Sie sich für Ihre Verhaltensänderung setzen. Es ist sinnvoll,
sich zunächst weniger schwer erreichbare Ziele zu setzen und dann auf dem Erreichten aufzubauen. Versuchen Sie, Ihre Veränderungen und auch Ihre Veränderungswünsche langsam
in Ihren Alltag und in Ihr Erleben einzubauen und entwickeln Sie Ihre eigene Routine damit.
Nur dann kann Ihre Veränderung nachhaltig sein (Litzke, Schuh, Pletke 2013: 66–67).
Ein persönlicher Veränderungsprozess ist immer auch eine Beziehungsaufnahme mit sich
selbst. Menschen lernen sich dabei besser kennen und entwickeln häufig ein gestärktes
Bewusstsein von sich selbst, also ein gestärktes Selbstbewusstsein. Ein weniger gut ausgeprägtes Selbstwertgefühl kann zum Beispiel zu Hilflosigkeit und Passivität oder zu aggressi-
45
Stress im Einsatz
Verhaltensänderung zur Stressvorbeugung
11
ver Selbstdurchsetzung gegenüber anderen führen. Ein gestärktes und sicheres Selbstwertgefühl ermöglicht Ihnen eine gute Beziehung zu sich selbst und zu Ihren Bedürfnissen und
auch eine gute Beziehung zu anderen. Das gilt sowohl für den Arbeitsbereich als auch für Ihr
Privatleben. Wenn Sie sich und andere ernst nehmen, werden Sie sich bei Konflikten kooperativ verhalten können, ohne die eigene Position aufgeben zu müssen, aber auch ohne ihr
Gegenüber besiegen zu müssen. Außerdem wird Ihnen ein gutes Gefühl für sich selbst dabei
helfen, Ihre Grenzen besser zu spüren und sich gegen Arbeitsüberlastung, gegen Grenzüberschreitungen und gegen vieles, was nicht gut für Sie ist, abzugrenzen (Litzke, Schuh, Pletke
2013: 66–67).
Im Zusammenhang mit persönlichen Veränderungsprozessen ist es sinnvoll, sich selbst und
seine Gefühle wahrzunehmen und ein Gespür für das eigene Verhalten zu entwickeln. Achten Sie darauf, wie Sie sich verhalten und wie Sie sich dabei fühlen. Das Wahrnehmen ist
ein wichtiger Teil des Veränderungsprozesses, weil es oft bedeutet, dass wir uns mit einem
Teil von uns selbst beschäftigen, der bisher vernachlässigt wurde. Wahrnehmen bedeutet,
nicht zu urteilen, und das Verhalten auch nicht sofort, womöglich hektisch zu ändern. Es
gibt viele gute Gründe, warum Sie sich verhalten, wie Sie es tun oder bisher getan haben. Im
Laufe des Veränderungsprozesses entwickeln Sie vielleicht zusätzliche Verhaltensvarianten,
die in manchen Situationen passender sind. Zunächst geht es darum, sich wahrzunehmen
und damit ein besseres Gespür für sich zu entwickeln. Nach einer gewissen Zeit können Sie
entscheiden, was von Ihrem Verhalten Sie wann und wie ändern möchten (Litzke, Schuh,
Pletke 2013: 67).
Wenn Sie merken, dass Sie etwas ändern möchten, aber alleine keinen Weg finden, kann
eine professionelle und kompetente Beratung sehr hilfreich und unterstützend bei einem
persönlichen Veränderungsprozess sein.
46
12
Physische Verhaltensänderungen
zur Stressvorbeugung
Der menschliche Körper reagiert oft unmittelbar auf Stress, noch bevor der Verstand die
Situation erkannt hat. Da Stress im Körper gespeichert wird und leicht zu körperlichen
Beschwerden und Spannungen führen kann, sind körperorientierte Entspannungsmethoden
besonders effektiv. Wenn einzelne Angebote in Ihrem Einsatzland nicht vorhanden sind,
sollten Sie versuchen, sie während Ihrer Heimaturlaube einzuplanen.
12.1Körperbewusstsein
Sorgen Sie gut für Ihren Körper und gönnen Sie sich regelmäßig Körperwohltaten, z.B.
eine Massage, einen Saunabesuch, eine Reflexzonentherapie oder einen Wellness-Tag.
Entwickeln Sie ein natürliches Körperbewusstsein, das Ihnen dabei hilft, Warnsignale Ihres
Körpers so früh wie möglich zu erkennen.
Nehmen Sie sich an dieser Stelle einen Moment Zeit und denken Sie darüber nach, wie
Ihr Körper auf Stress reagiert. Wo genau spüren Sie Stress (z.B. Rücken, Schulterbereich,
Magen)? Wie gehen Sie normalerweise damit um?
47
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.2 Bewegung und Sport
Der menschliche Organismus ist auf körperliche Aktivität eingestellt. Ausreichende und
ausgeglichene Bewegung ist eine zentrale Voraussetzung für unsere Gesundheit und unser
Wohlbefinden. Sport verbessert die physische und psychische Stressresistenz und baut
durch Stressreaktionen entstandene Stoffwechselprodukte schneller ab. Für einen normalgewichtigen Gesunden ist Körpertraining mindestens einmal wöchentlich förderlich für
Gesundheit und Wohlbefinden (Litzke, Schuh, Pletke 2013: 91).
Durch die körperliche Anstrengung werden Endorphine im Gehirn freigesetzt, welche zu einer Anhebung der eigenen Stimmung führen. Dementsprechend kann Sport die Symptome
von leichten Depressionen und Angstzuständen vermindern, indem er unter anderem die
Qualität des Schlafes verbessert und Einschlafschwierigkeiten behebt. Des Weiteren kann
Sport zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls und zu mehr Selbstvertrauen führen.
Im Missionskontext ist es nicht immer möglich, Ihre gewohnte Sportroutine fortzusetzen.
Fragen Sie (wenn es geht, vor dem Einsatz) Ihre ortserfahrenen Kollegen, welche Sportoder Bewegungsmöglichkeiten vorhanden sind. Falls es wenig reguläre Sportangebote gibt,
ist es sinnvoll, schon vor Ihrer Abreise aus Deutschland mit einer täglichen Routine von
Gymnastikübungen zu beginnen (z.B. Rückenübungen oder Yoga). Eine andere Möglichkeit
ist der Kauf von Fitness- und Workout-DVDs oder die Nutzung von Fitness- und WorkoutApps. Vielleicht ist Ihr Einsatz eine Chance, eine neue körperliche Betätigung zu entdecken
(siehe auch: Entspannungsübungen [Kap. 18])?
48
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.3Schlaf
Schlaf ist äußerst wichtig, damit sich der menschliche Körper vom Alltag regenerieren kann.
Eine gute Nachtruhe ist nicht nur unverzichtbar für unser Gehirn und unsere Konzentration,
sondern stärkt auch das Immunsystem. Der menschliche Schlaf hat viele Funktionen, von
denen noch nicht alle erforscht sind. Schlafmangel führt zu physischen und psychischen
Problemen und hat ernsthafte Auswirkungen auf unser Wohlbefinden. Stress kann sich
schnell auf die Schlafroutine auswirken. Schlafstörungen, Schlafprobleme und Schlafmangel
sind Warnsignale und sollten ernst genommen werden.
Im folgenden Abschnitt finden Sie einige Tipps für einen gesunden Schlaf:
•• Versuchen Sie jeden Abend ungefähr zur gleichen Zeit schlafen
zu gehen. So können sich Ihr Körper und Ihr Geist an eine Routine gewöhnen.
•• Lesen Sie ein Buch statt sich vor den Computer/Laptop/Tablet oder den
Fernseher zu setzen. Das spezielle Licht von LED-Monitoren stört erwiesenermaßen den Schlaf-Wach-Rhythmus, da der Spiegel des
Hormons Melatonin gesenkt wird, welches essentiell zum Einschlafen und
der Qualität des Schlafes beiträgt.
•• Führen Sie vor dem Einschlafen eine kurze Meditation bzw. Atemübung
durch oder lesen Sie einen meditativen Text (siehe auch Achtsamkeit
[Kap. 18.5]).
•• Es kann hilfreich sein, kurz vor dem Schlafengehen in ein Tagebuch
zu schreiben, um den Tag so gedanklich abzuschließen und zur Ruhe
zu kommen.
•• Schalten Sie – wenn möglich – nachts das Handy aus.
•• Vermeiden Sie sportliche Aktivitäten direkt vor dem Schlafengehen.
•• Schränken Sie den Konsum von Koffein und Tabak vor allem vor dem
Schlafengehen ein.
•• Schränken Sie den Konsum von Alkohol ein. Kleinere Mengen Alkohol
können Ihnen das Einschlafen erleichtern, aber der Schlaf insgesamt wird
durch Alkohol massiv gestört. Nach mehreren Gläsern Alkohol erhöhen
sich Ihre Einschlafprobleme.
•• Vermeiden Sie die Einnahme von Schlaftabletten soweit wie
möglich. Schlaftabletten können auf Dauer sehr schädlich sein,
abhängig machen und die Qualität des Schlafes vermindern.
49
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.4Ernährung
Essen ist eine der natürlichen Freuden des Lebens und gleichzeitig eine wichtige Strategie, um Stress zu reduzieren. Gesunde Ernährung trägt zu unserer Leistungsfähigkeit und
Gesundheit bei. Mahlzeiten bieten gleichzeitig eine wunderbare Gelegenheit für Geselligkeit
und Entspannung. In den meisten Ländern der Welt bedeutet Essen viel mehr als die reine
Nahrungsaufnahme. Eine Mahlzeit ist meist ein soziales Ereignis und bedeutet Gemeinschaft und Verbundenheit. Die meisten Kulturen feiern Feste und besondere Lebensereignisse (Geburt, Ehe, Tod etc.) mit speziellen Speisen. Nutzen Sie dies als Chance, um mehr
über die Kultur und Bräuche Ihres Einsatzlandes zu erfahren und Ihre Gastgeber besser
kennenzulernen.
In der Missionsumgebung wird Ihre Ernährung meist ganz anders sein als in Deutschland.
Egal ob Sie selber kochen, für Sie gekocht wird oder ob Sie jeden Abend im Restaurant sind:
Sofern Sie dazu überhaupt Zugang haben und keine anderslautenden Einsatzempfehlungen
vorliegen, versuchen Sie möglichst viel Gemüse, Obst, frische lokale Produkte und unverarbeitete Nahrungsmittel zu essen. Trinken Sie mindestens 1,5l Wasser täglich (wetterbedingt
auch mehr) und essen Sie zwischen den Mahlzeiten kleine gesunde Snacks, z.B. Obst, Studentenfutter (ggf. aus Deutschland mitgebracht), Nüsse, Trockenobst etc. Reduzieren Sie
Ihren Alkohol-, Koffein-, und Tabakkonsum für eine ausgewogene und gesunde Lebensweise.
Entdecken Sie die lokale und nationale Küche. Vielleicht informieren Sie sich sogar über
den Saisonkalender der heimischen Gemüse und Obstsorten und lernen neue Lebensmittel
kennen? Probieren Sie fremde Gerichte aus und begleiten Sie – soweit möglich – ihre lokalen Kollegen zum Einkaufen auf den Markt oder in den Supermarkt. Laden Sie Kollegen zum
Kochen einer deutschen Mahlzeit ein oder bitten Sie lokale Kollegen, Ihnen beim Kochen
eines lokalen Gerichtes zu helfen. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mahlzeiten und genießen
Sie die Zeit in Gesellschaft. Ein gutes soziales Netzwerk bringt Freude und Entspannung
in Ihr Leben und stärkt erwiesenermaßen Ihre allgemeine Resilienz, um mit Stress besser
umzugehen.
50
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.5 Konsum von Alkohol
Wenn Sie missionserfahren sind, werden Sie wissen, dass das sogenannte Genussmittel
Alkohol im Auslandeinsatz oft und viel genossen wird. Wenn Sie nicht erfahren sind, werden
Sie es vermutlich schnell merken. Alkohol ist nicht nur schädlich, sondern kann auch leicht
abhängig machen.
Ein Suchtrisiko besteht schon beim Konsum von wöchentlich mehr als sieben Gläsern
Alkohol für Frauen (und mehr als drei Gläser an einem Tag) und mehr als 14 Gläsern Alkohol
für Männer (und mehr als vier Gläser an einem Tag – eine Standardglas-Einheit hat 14 g
Alkohol) (1).
Im Missionskontext haben Sie eine Art Vorbildfunktion und Ihr Verhalten unter Alkoholkonsum könnte das Ansehen Ihrer Mission und Organisation schädigen. Sie sollten bedenken,
dass Sie im Falle eines Sicherheitsvorfalls einen klaren Kopf haben sollten, um gut und
angemessen reagieren zu können.
Mehr zum Thema
(1) Women and Alcohol
51
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.6 Freizeitaktivitäten, Muße
und Geselligkeit
Es ist wichtig, dass Sie Ihre Freizeit als Gegengewicht zum Arbeitsalltag gestalten. Nicht
jede Freizeitbeschäftigung muss einen Zweck erfüllen, um sinnvoll zu sein. Im Gegenteil,
planen Sie auch regelmäßig 20 Minuten Nichtstun ein. In Missionen ist das reguläre Freizeitangebot oftmals begrenzt, was Sie aber nicht davon abhalten sollte, Entspannung, Inspiration und Geselligkeit in Ihr Leben zu bringen.
Nachfolgend finden Sie einige Ideen:
•• Gründen Sie einen Literaturkreis und lesen und diskutieren Sie
(übersetzte) Bücher von Autoren aus Ihrem Einsatzland.
•• Gründen Sie gemeinsam mit Freunden und Kollegen einen Kochkreis,
einen kreativen Schreibclub oder einen Chor.
•• Organisieren Sie einen Spieleabend und erfahren Sie mehr über
Gesellschaftsspiele in Ihrem Einsatzland.
•• Lernen Sie eine neue Handfertigkeit: z.B. ein Instrument spielen,
stricken, gärtnern, Musikinstrumente bauen, fotografieren
(nutzen Sie die vielen Online-Lernangebote, z.B. auf YouTube).
Werden Sie kreativ und denken Sie sich Aktivitäten aus. Hauptsache, es macht Ihnen Spaß,
hat nichts mit Ihrer Arbeit zu tun, bringt Sie in Kontakt mit anderen Menschen und tut Ihnen
wohl. Finden Sie ein gutes Gleichgewicht zwischen Geselligkeit und Ihrem Bedürfnis, alleine
zu sein.
52
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
12.7 Übungen und Selbsttests
Die folgende Übung kann mit Anleitung in fünf Minuten durchgeführt werden. Lesen Sie
diese Anleitung einmal komplett durch und verlassen Sie sich dann auf Ihre sinngemäße
Erinnerung (Litsch und Novoa 2002: 31).
Übung
Erkundung von Stress im Körper (Bodyscan)
•• Suchen Sie eine bequeme Körperhaltung. Schließen Sie die Augen
und lehnen Sie sich innerlich zurück.
•• Konzentrieren Sie Ihre Gedanken auf den Körper und wandern Sie
langsam mit der Aufmerksamkeit von den Füßen bis zum Scheitel.
•• Bringen Sie Ihr Bewusstsein zum linken Fuß. Wie fühlen sich Fuß, Zehen
und Fußsohle an?
•• Wie fühlt sich die linke Wade… das linke Knie… der linke Oberschenkel…
und das Gesäß an?
•• Nehmen Sie nun entsprechende Wahrnehmungen vom rechten Fuß bis zur
rechten Hüfte in Ihr körperliches Inventar auf.
•• Wenden Sie dann Ihre Aufmerksamkeit Ihrem Bauch zu… der Brust… und
der Wirbelsäule und fragen Sie sich, wie sie sich anfühlen.
•• Konzentrieren Sie sich nun auf Ihre linke Hand… auf die Finger…
Handinnenflächen… Unterarm… oberen Arm und auf das Schulterblatt.
•• Gehen Sie zur rechten Hand über und verfolgen Sie die Empfindungen bis
zur rechten Schulter. Machen Sie einen Moment Pause.
•• Bewegen Sie Ihre Aufmerksameket über den Hals zum Kiefer und beobachten dort den Grad der Anspannung und kommen dann über die Ohren
zum Scheitel.
•• Nehmen Sie Ihre Gedanken wahr.
•• Tasten Sie Ihre momentane Gefühlsverfassung ab. Wie fühlen Sie
sich jetzt?
•• Öffnen Sie jetzt langsam die Augen. Atmen Sie einige Male tief durch und
recken Sie sich.
53
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
Übung
Visualisierung von Stress im Körper
Machen Sie eine BodyScan-Zeichnung und finden Sie heraus, wo der
Stress in Ihrem Körper sitzt. Nehmen Sie Papier und Stift und zeichnen Sie
in groben Zügen die Außenkonturen eines menschlichen Körpers. Denken
Sie über Ihre physischen Stresssignale nach und zeichnen Sie diese ein.
Diese Übung soll Ihnen dabei helfen, Ihre Körperreaktionen auf Stress
besser kennenzulernen und als Folge besser zu erkennen.
Übung
Bewusstes Atmen
Unter Stress wird unsere Atmung unregelmäßig und flach und beschränkt
sich auf einen kleinen Bereich des Brustkorbs. Dies kann Kopfschmerzen,
Schulterverspannungen und ein unangenehmes Engegefühl in der Brust
bewirken. Achtsames, ruhiges Atmen ist vor allem in Stresssituationen
hilfreich. Es gibt zwei Varianten des bewussten Atmens:
1. Betrachten Sie Ihren natürlichen Atemvorgang, wie dieser ohne Ihr
bewusstes Zutun fließt.
2. Atmen Sie sehr bewusst tief aus (Litsch und Novoa 2002: 28).
54
Stress im Einsatz
Physische Verhaltensänderungen zur Stressvorbeugung
12
Übung
Atem-Meditation
(Litsch und Novoa 2002: 28)
1. Lüften Sie, wenn möglich, vorher den Raum. Legen Sie sich hin.
2. Nehmen Sie die Rückenlage mit leicht angewinkelten Knien ein und
legen Sie die Hände auf den Bauch.
3. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem.
4. Spüren Sie, wie die Luft durch die Nase einströmt und sich der Bauch
mit dem Atemstrom dehnt und senkt.
5. Wenn Sie durch Gedanken abgelenkt werden, sagen Sie mit dem
Atemrhythmus still die Worte „Ein“ und „Aus“.
Selbstbeobachtung
Selbstbeobachtung zur Ernährung
Schreiben Sie drei Tage lang auf, was Sie essen und trinken und
beobachten Sie, ob Ihre Ernährungsweise ausgewogen und gesund ist,
oder ob Sie etwas anpassen wollen (Davis et al. 2008: 317).
Test
SchlafDefizit-Test
Legen Sie sich am Nachmittag für 10-15 Minuten in einen verdunkelten
Raum auf ein Sofa oder Bett. Wenn Sie in dieser Zeit in Schlaf fallen,
haben Sie sehr wahrscheinlich ein Schlafdefizit (Mathieu 2012: 106).
55
13
Emotionalität und
Stressvorbeugung
Im Zusammenhang mit Stress werden häufig Emotionen wie Schuld, Scham, Wut, Trauer
und Angst genannt. Manche Menschen bezeichnen diese Emotionen als negative Emotionen, was ihnen allerdings nicht gerecht wird. Emotionen sind wichtige Bestandteile des
Menschseins und zwar alle Emotionen, also neben Freude, Lust, Liebe auch Schuld, Scham,
Trauer und Angst. Die Unterdrückung von Emotionen kann zu Depressionen führen. Wer
sich das klarmacht, wird verstehen, dass es keine negativen und keine positiven Emotionen gibt, sondern eben nur Emotionen, die eine wichtige Funktion für unser Lebendig-Sein
haben.
Deswegen erfüllen auch alle Emotionen für unser Leben einen Zweck. Emotionen sind viel
schneller als unsere rationalen Überlegungen und Gedanken. Sie helfen uns dabei, schnell
und angemessen zu reagieren. Manche Menschen sprechen in diesem Zusammenhang
auch von Bauchgefühl. Die Evolution hat uns unter anderem mit Emotionen ausgestattet,
damit wir schnell reagieren können, wenn der Kopf zu langsam dafür ist. Das heißt, wir
können zum Beispiel eine potentielle Gefahr sehr schnell wahrnehmen und dann sofort
darauf reagieren. Die rationale Analyse dessen, was passiert ist, nehmen wir erst später vor.
Wir wissen auch sehr schnell, ob wir jemanden mögen. Unser Kopf analysiert erst später,
warum uns jemand sympathisch ist und ob das erste Sympathieurteil auch tragfähig ist.
In belastenden Situationen wirken Emotionen manchmal überwältigend und sind schwer
auszuhalten. Dann ist es gut, eine oder mehrere Methoden zu haben, mit diesen starken
Gefühlen umzugehen (1).
Wer seine Gefühle nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen kann, wird oft auf Gefahr und
auch auf Belastungssituationen nicht angemessen reagieren. Gefühle sind ein wichtiger
Teil unseres Gesamtorganismus. Wer versucht, das Leben und dessen Herausforderungen,
also auch die verschiedenen Arbeitssituationen, nur mit dem Kopf zu bewältigen, verzichtet
auf lebenswichtige Regularien, die im Laufe der Evolution nicht ohne Grund entstanden
sind. In manchen Kulturen werden Emotionen und deren Bedeutung nur eine geringe und
untergeordnete Rolle beigemessen. Deswegen lernen Menschen dort mitunter von Kindheit
an, ihre Gefühle zu unterdrücken bzw. nicht wahrzunehmen. Das führt zu einem entgrenzten
Umgang mit sich und den eigenen Ressourcen. Langfristig gefährdet dieses Verhalten nicht
nur die eigene körperliche und psychische Gesundheit, sondern womöglich auch die von
anderen Menschen. Schließlich beeinflusst ein solches Verhalten auf Dauer natürlich auch
die Qualität der Arbeit (Prieß 2013: 71–72).
Mehr zum Thema
(1) Stress Management Techniques
56
Stress im Einsatz
Emotionalität und Stressvorbeugung
13
13.1 Gefühle achtsam wahrnehmen
Wir möchten Sie deswegen ermutigen, Ihre Gefühle achtsam wahrzunehmen. Fragen Sie
sich, ob Sie im Alltag Ihre Gefühle wahrnehmen oder ob Sie sich häufiger nervös und unruhig fühlen. Es kann helfen, mit sich selbst in Beziehung zu treten und sich aktiv wahrzunehmen, also Angst, Unsicherheit, Nervosität, Trauer, Stress, Ärger, Wut und andere Gefühle
wahrzunehmen. Sollten Sie bemerken, dass Sie dabei anfangen zu weinen oder zu zittern
oder andere Reaktionen entwickeln, lassen Sie diese zu. Machen Sie sich klar, dass diese
zum Menschsein und damit auch zu Ihrem Leben gehören. Gefühle sind immer da, unabhängig davon, ob wir sie wahrnehmen oder nicht. Wenn wir sie wahrnehmen, können wir sie
besser in unser Gesamtsystem integrieren und fühlen uns nicht mehr einfach nur aufgeregt,
ständig angespannt oder irgendwie unangenehm. Indem wir eine Beziehung zu uns und
unseren Gefühlen herstellen, stellen wir die angemessene Distanz zu ihnen her und können
entscheiden, wie wir handeln und was wir ändern wollen, damit unsere Emotionen sich auf
eine für uns gesunde Balance einpendeln.
Das Gefühl der Angst ist ein wichtiger Signalgeber. Die Evolution hat uns mit diesem Gefühl
ausgestattet, damit wir schnell merken, was uns schaden könnte. Es lohnt sich also, dieses
Gefühl bei sich und anderen ernst zu nehmen und zum Beispiel nicht als unangemessen
oder als Zeichen einer vermeintlichen Schwäche zu verwerfen (1).
Mehr zum Thema
(1) The gift of fear: A word about predators
13.2 Erfahrungen von Trauer und Verlust
Die Erfahrung von Trauer und von Verlust ist intensiv und braucht Kraft und Raum, um verarbeitet zu werden. Deswegen empfehlen wir Ihnen, sich bei Trauer und Verlust entsprechend
sorgsam zu behandeln. Nehmen Sie Ihre Gefühle von Trauer und Erschöpfung an und geben
Sie sich Zeit, um sich zu erholen. Weinen Sie, wenn Ihnen danach ist. Versuchen Sie einen
Menschen zu finden, mit dem Sie über ihre Gefühle sprechen können. Wenn es für Sie passend ist, wenden Sie sich an einen Seelsorger, sofern dies in Ihrem Einsatzgebiet möglich
ist. Treffen Sie möglichst keine wichtigen Entscheidungen und erwarten Sie nicht zu viel von
sich. Leichte Arbeit kann Ihnen vielleicht dabei helfen, Ihre Gedanken zu strukturieren. Bestrafen Sie sich nicht mit übermäßigen Schuldgefühlen. Achten Sie mit guter Ernährung und
ausreichend Schlaf auf Ihr körperliches Wohl. Nach einer gewissen Zeit können Sie dann
vielleicht einen Weg suchen, um die Gefühle der Trauer in die kreative Energie umzuwandeln, die Ihnen entspricht (Litsch und Novoa 2002: 37).
57
Stress im Einsatz
Emotionalität und Stressvorbeugung
13
13.3 Lachen und Humor
Auch wenn es zunächst merkwürdig erscheint, Lachen und Humor können helfen, Abstand
zu sich und seinen Sorgen, seinen Belastungen und seinem Verstrickt-Sein in belastende
Lebensumstände herzustellen. Durch Lachen und Humor reduzieren sich Stress und
Verspannungen. Lächeln und Lachen sind darüber hinaus wichtige Bestandteile der non­
verbalen Kommunikation und stellen oft schnell Kontakt zum Gegenüber her.
Lachen aus vollem Herzen stärkt unseren Kreislauf, vertieft die Atmung und damit die
Sauerstoffsättigung des Blutes. Außerdem ist es eine Art Training für Bauch- und Gesichtsmuskeln.
Die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, drückt oft eine persönliche Reife aus, die
wiederum dabei helfen kann, mit Belastungen und Stress besser zurecht zu kommen.
Dies alles gilt natürlich nur für echtes, authentisches Lachen und für Lachen aus vollem
Herzen. Zynismus und abwertendes Auslachen sind damit nicht gemeint. Wir wollen Sie hier
daran erinnern, das Sie, so wie jeder Mensch, auch eine humorvolle Seite haben, und dass
Sie diese weder verstecken noch unterdrücken sollten, auch dann nicht, wenn Sie in einem
Krisengebiet arbeiten. Wir wollen Sie aber auch nicht dazu auffordern, sich hinter einer Art
Lachfassade zu verstecken, um dahinter Ihre wahren Gefühle zu verstecken. Es gibt Situationen, in denen Humor für Sie nicht angemessen sein mag, und es gibt Situationen, in denen
Sie vielleicht das Lustige oder das Absurde darin eher wahrnehmen und sogar genießen
können (1).
Falls Sie Interesse haben, sich professionell bei der Erkundung von Humor und Lachen
unterstützen zu lassen, können Sie sich auf den nachfolgenden Webseiten über zertifizierte
(Humor-)Trainer in Deutschland informieren. In den letzten Jahren haben sich diverse Gruppen zu den Themen Lachen und Humortraining gebildet, die sich regelmäßig treffen.
> Europäischer Berufsverband für Lachyoga und Humortraining e.V.
(
1
> Phil Milgrom: Health, Humor and Stress Management
Mehr zum Thema
(1) Mental and Emotional Health
58
Die Bedeutung von
sozialen Kontakten zur
Stressvorbeugung
14
Menschliche Kontakte und soziale Unterstützung sind Grundvoraussetzungen, um mit
Stress und anderen Schicksalsschlägen umzugehen. Menschen, die enge soziale Kontakte
haben, erfahren oft weniger Stress, leben gesünder und haben häufig eine höhere Lebenserwartung.
Daher betrachten wir in den folgenden Abschnitten einige Bereiche des sozialen Lebens,
um Ihnen deutlich zu machen, wie wichtig der soziale Aspekt auch im Auslandseinsatz ist.
Wir möchten Sie dazu ermuntern, in diesen Bereichen entweder Verhaltensänderungen
vorzunehmen, falls Sie eine Notwendigkeit dafür erkennen, oder Sie darin bestärken, diesen
Bereich in Ihrem Leben zu pflegen und ihm Bedeutung beizumessen.
14.1 Soziales Netzwerk und
Unterstützung
Soziale Kontakte machen es möglich, unser Grundbedürfnis nach Geselligkeit, Geborgenheit, Nähe, Austausch und Gemeinschaft zu erfüllen. Ein gesundes soziales Netzwerk aus
Familie, Freunden und Bekannten bestärkt uns, bringt Freude und Entspannung und bietet
uns Rückhalt in allen Lebensphasen. Erwiesenermaßen ist ein starkes soziales Netzwerk
einer der wichtigsten Faktoren für Widerstandskraft gegen belastende Ereignisse, also für
Resilienz.
Ein schlechtes soziales Umfeld – z.B. an Ihrem Einsatzarbeitsplatz – kann Stress auslösen
oder ihn verstärken. Wenn diese Situation Ihr Wohlbefinden und Ihre Arbeitsleistung beeinträchtigt, sollten Sie mit Ihrem Manager sprechen. Führungskräfte in komplexen Einsatz­
gebieten haben eine besondere Verantwortung, sich um das Wohlergehen Ihrer Mitarbeiter
zu sorgen und für sie da zu sein. Oftmals gibt es im Missionskontext mehr Bedarf an Rat
und Beistand und ein guter Manager ist in wichtigen Situationen immer für seine Mitarbeiter
erreichbar und wird sich Zeit nehmen und Ihnen zuhören.
Nutzen Sie auch die ZIF-Koordinatoren und Netzwerke sowie mögliche Kontakte an den
deutschen Botschaften vor Ort.
59
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.2 Übung und Selbsttest
Übung
Soziale Kontakte visualisieren
Diese Übung soll Ihnen dabei helfen, Ihre sozialen Kontakte aus der Vogelperspektive darzustellen und zu reflektieren.
Schreiben Sie Ihren Vornamen in die Mitte eines Blattes Papier und
denken Sie an alle Menschen, mit denen Sie regelmäßig in Kontakt sind
und die Sie schätzen. Ordnen Sie die anderen Namen folgenderweise an:
Je näher Sie den Namen einer Person an Ihren eigenen Namen schreiben,
desto wichtiger ist Ihnen dieser Mensch. Reflektieren Sie das entstandene
Bild: Was fällt Ihnen auf? Haben Sie mehr oder weniger soziale Kontakte
als erwartet? Haben Sie mit Menschen, die Ihnen sehr wichtig sind, auch
so viel Kontakt, wie Sie gerne möchten? Mit wem hätten Sie gerne intensiveren Kontakt? Wer kann am besten zuhören?
(Litzke, Schuh, Pletke 2013: 71)
14.3 Soziales Netzwerken
Vor allem im Missionskontext ist die Fähigkeit, neue Bekanntschaften zu schließen, äußerst
wichtig. Vielleicht kennen Sie schon ein paar Kollegen aus früheren Einsätzen, vielleicht
kennen Sie bei Ankunft aber auch niemanden. Nehmen Sie sich Zeit, um neue Menschen
kennenzulernen. Planen Sie soziales Networking in Ihren Wochenkalender ein. Nur wenn Sie
aktiv auf andere zugehen, werden Sie neue Freunde und Bekannte finden. Investieren Sie
Zeit und Energie in soziale Kontakte – es ist ein Investment, das sich auf jeden Fall auszahlt.
Im Einsatzland werden Sie die meisten Bekanntschaften am Arbeitsplatz oder im Zusammenhang mit Ihren Arbeitsaufgaben machen. Nutzen Sie Mittags- oder Kaffeepausen
bewusst, um neue Menschen kennenzulernen. Aktives Networking bedeutet allerdings
nicht, die ganze Welt zum Freund zu haben. Verstehen Sie Ihre professionellen Kontakte
als gute Bekannte – vielleicht entwickelt sich längerfristig eine echte Freundschaft. Sie
werden sehen, dass ein gutes Netzwerk nicht nur Freude bringt, sondern Ihnen helfen wird,
60
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
Ihre Aufgaben effizienter und mit weniger Zeitaufwand zu meistern. Egal, ob Sie schnell
eine wichtige Information, einen Rat oder einen Tipp für die Jobsuche brauchen: Ein gutes
Netzwerk ist unverzichtbar. Dabei gilt als Grundregel: Geben Sie anderen Rat und Hilfe, so
werden Sie Gleiches empfangen. Bedanken Sie sich und lassen Sie die andere Person zu
einem späteren Zeitpunkt kurz wissen, was die gegebene Hilfe bewirkt hat.
Fragen Sie beim ZIF vor Ihrer Ausreise nach, welche anderen ZIF-Experten in Ihrem Einsatzland sind. Kontaktieren Sie sie vor Ihrer Ausreise. So kennen Sie bereits einige Menschen,
wenn Sie ankommen.
14.4 Soziale Medien
Eine andere Möglichkeit zur Pflege von sozialen Kontakten sind digitale Netzwerke. Obwohl
die Meinungen bei diesem Thema – meist auf Grund von Datenschutzfragen – auseinander gehen, ist die Pflege von privaten und beruflichen Kontakten unter anderem mit Hilfe
von Facebook oder LinkedIn äußerst praktisch für Globetrotter. Für die Vorbereitung eines
Einsatzes können Sie zum Beispiel Ihre Freunde auf Facebook fragen, ob diese Sie mit
Menschen in Ihrem neuen Einsatzgebiet in Kontakt bringen können – und schon haben Sie
Ihr soziales Netzwerk erweitert. Für die Jobsuche bieten sich soziale Medien ebenfalls an:
Lassen Sie Ihre Kontakte wissen, dass Sie sich nach einer neuen Aufgabe umsehen.
Sehr wichtig für den Missionskontext ist jedoch der umsichtige Umgang mit Daten. Gehen
Sie immer gewissenhaft mit der Verbreitung von Informationen und Fotos im Internet um
und halten Sie sich unbedingt an die missionsspezifischen Richtlinien, um ethische und
Sicherheitsrisiken zu vermeiden.
Folgen Sie dem
> ZIF auf LinkedIn
61
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.5Stressmanagement
durch Buddy-System
Durch gute Selbstbeobachtung und Körperkenntnis können Sie viele Stresswarnsignale
selber erkennen. Manchmal hilft es jedoch, wenn es noch eine andere Person gibt, die Sie
wohlwollend beobachtet und Ihnen freundliches Feedback gibt, wenn das nötig ist. Dieses
sogenannte Buddy-System basiert auf Gegenseitigkeit.
Suchen Sie sich eine Person, zu der Sie Vertrauen haben und vereinbaren Sie eine informelle Stressfrühwarn-Patenschaft füreinander. Verabreden Sie, Anzeichen für Extrembelastungen beim anderen wahrzunehmen und diese dann respektvoll, freundlich und möglichst
früh zurückzumelden. Machen Sie Vorschläge, was der andere tun könnte (Litsch und Novoa
2002: 55).
14.6 Kontakt mit Familie und
Freunden im Heimatland
Der regelmäßige Kontakt mit Ihrer Familie und Ihren Freunden ist wichtig und kann Stress
vermindern. In Ihren Gesprächen oder Briefen können Sie freudige Erlebnisse und Erfolge
teilen und mögliche Probleme besprechen.
Oftmals bleibt der Kontakt mit Menschen im Heimatland allerdings eine Herausforderung.
Vielleicht fragen Sie sich: Wie kann ich die Einsatzerfahrung in Worte fassen? Soll ich alles
erzählen oder beunruhigende Erfahrungen weglassen? Besprechen Sie diese Fragen direkt
mit Ihrer Familie und Freunden und treffen Sie Absprachen. Trotzdem kann es sein, dass Sie
vielleicht nicht immer alles erzählen und ab und zu eine Art Selbstzensur anwenden. Reflektieren Sie, warum dies passiert und wem Sie damit (k)einen Dienst erweisen.
In dieser Situation kann es auch hilfreich sein, persönliche Auslandsberichte als Rundbriefe
an Ihre Familie und Ihren Freundeskreis zu schicken. Schreiben Sie über Ihre Erlebnisse und
berichten Sie von Ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Sorgen. Diese alternative Tagebuchform kann Ihnen helfen, Erlebtes zu reflektieren und zu verarbeiten.
Zu viel Kontakt mit Menschen im Heimatland kann Sie aber auch davon abhalten, Beziehungen im Einsatzland aufzubauen. Finden Sie hier eine Balance.
62
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.7 Fernbeziehung und Reaktionen
des daheimgebliebenen Partners
Ein Auslandseinsatz ist nicht nur eine Herausforderung für die Person, die ins Ausland geht,
sondern auch für die zurückbleibenden Angehörigen. Der Auslandseinsatz bedeutet eine
große Umstellung für alle Beteiligten und kann zu verschiedenen Reaktionen führen.
Mögliche, normale Reaktionen der zurückbleibenden Angehörigen können sein
(Bundeswehr I 2002: 9):
•• Stimmungs- und Motivationsschwankungen;
•• Angespanntheit, Tagträume;
•• Gefühle der Ablehnung, Depression, Frustration, Traurigkeit, Angst
oder Unruhe.
Gehen Sie offen mit diesen Reaktionen um und zeigen Sie Anteilnahme für die Sorgen Ihres
Partners. Das empathische Zuhören ist hierbei ganz wichtig. Nehmen Sie sich bei allem
Vorbereitungsstress unbedingt die Zeit, mit Ihrem Partner sowie Ihren Familienangehörigen
offen über Gefühle und mögliche Sorgen in Bezug auf Gefährdungen im Einsatz zu sprechen.
Beteiligen Sie die anderen Familienmitglieder an der Vorbereitung auf die Trennung und
unternehmen Sie zum Abschied etwas Besonderes (z.B. einen Ausflug, ein Wochenende
am Meer etc.). Überlegen Sie sich gemeinsam, welche positiven Chancen der Einsatz auch
bietet (persönliche Entwicklung etc.) und denken Sie daran, dass jeder Einsatz vorübergehend ist.
Für den Partner, der zu Hause bleibt, ist ein breites soziales Unterstützungsnetzwerk besonders wichtig. Ermutigen Sie Ihren daheimgebliebenen Partner, soziale Aktivitäten aktiv
einzuplanen. Vielleicht gibt es Aktivitäten, die Ihr Partner schon lange einmal ausprobieren
wollte (ein Sprachkurs, das Erlernen eines Instruments, ein kostenloser Online-Unikurs z.B.
bei www.coursera.org, eine neue Sportart etc.).
Vor Ihrer Abreise ist es dringend angeraten, gemeinsam mit Ihrem Partner konkrete Pläne
für Familienkrisen, Krankheits- oder andere Notfälle (z.B. Todesfall im Einsatz) zu erstellen.
Rund um den Abreisetermin können sich bei Ihrem Partner Gefühle von Gereiztheit, Ungeduld oder reduzierte Vertrautheit zeigen. Akzeptieren Sie diese Gefühle und versuchen Sie,
offen und behutsam miteinander umzugehen.
63
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
Nach Ihrer Abreise können normale Reaktionen sein (Bundesministerium der Verteidigung
Heft I 2002: 12):
•• Gefühlsschwankungen
(Erleichterung, Schuld, Ärger, Einsamkeit, Ziellosigkeit);
•• Schlaf-, Essstörungen;
•• verwirrende Gedanken, intensive Träume, Tagträume.
Während Ihres Einsatzes empfehlen wir Ihnen den regelmäßigen schriftlichen und telefonischen (Skype-)Kontakt mit Ihrem Partner in Ihren Wochenkalender einzuplanen. Auch wenn
es manchmal schwierig oder anstrengend sein kann, das Erlebte in Worte zu fassen, ist die
Teilnahme des Daheimgebliebenen an Ihrem Leben wichtig für Ihre Beziehung. Teilen Sie
auch Ihre Gefühle, so dass Ihre gefühlsmäßige Bindung erhalten bleibt. Vielleicht bereiten Sie Ihre Telefongespräche sogar gedanklich vor. Planen Sie Ihre Gespräche zeitlich so
ein, dass Sie in Ruhe und ohne Unterbrechung sprechen können. Beachten Sie dabei den
Zeitunterschied, Tagesabläufe und mögliche Stresszeiten zu Hause (z.B. Abendessen und
Bettzeiten der Kinder). Mehr Informationen hierzu finden Sie auch unter Kontakt mit Familie und Freunden im Heimatland [Kap. 14.6].
Nach einigen Wochen werden Sie sich wahrscheinlich ausreichend in Ihrem neuen Einsatzgebiet eingelebt haben. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und freuen Sie sich über die
neuen Fertigkeiten, die Unabhängigkeit und persönliche Entwicklung bei sich, aber auch
bei Ihrem Partner zu Hause. Kommunizieren Sie in Ihren Gesprächen Anteilnahme und
Einfühlungsvermögen – vor allem an den Tagen, an denen es zu Hause nicht so rund läuft.
Versetzen Sie sich gedanklich in die Situation Ihres daheimgebliebenen Partners und fragen
Sie sich, was Ihre Abwesenheit für den Tagesablauf zu Hause bedeutet. Vielleicht empfinden
Sie eine neue Dankbarkeit Ihrem Partner gegenüber – sprechen Sie dieses Gefühl aus.
Sobald Sie die Halbzeit Ihres Einsatzes erreicht haben, werden Sie langsam wieder an
die Rückkehr denken. In dieser Zeit kann es zu erhöhter Aktivität und Energie kommen.
Gefühle von Vorfreude und Erregung können mit Besorgnis und Unruhe einhergehen. Das
sind alles normale Reaktionen. Teilen Sie Ihre Freude, aber auch ihre Besorgnis, und planen
Sie eine Wiedersehensfeier mit Freunden und Familie oder auch Flitterwochen mit Ihrem
Partner. Die Phase des wieder aneinander Gewöhnens ist oft länger und problematischer
als angenommen. Haben Sie Geduld mit sich und Ihrem Partner. Es ist normal, dass Ihre
Beziehung sich nach einer längeren Abwesenheit anders anfühlt. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass Sie und Ihr Partner sich beide verändert haben und dies zeigt sich auch in möglichen
Schwierigkeiten in Ihrer gefühlsmäßigen und sexuellen Vertrautheit. Akzeptieren Sie diese
Reaktionen als normal und reden Sie offen und ehrlich über Ihre Gefühle und die Erfahrung
der Trennung. Reflektieren Sie auch die positiven Aspekte Ihrer Trennung und nutzen Sie die
Chance, Aufgaben und Zuständigkeiten neu zu verteilen (Bundesministerium der Verteidigung Heft I 2002: 18).
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Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
Finden Sie gemeinsame Aktivitäten, die Ihnen Freude bringen und wohltun und das aneinander Gewöhnen erleichtern (ein Tanzkurs, Wochenendausflug etc.). Investieren Sie bewusst
in Ihre Beziehung und gehen Sie nicht zu schnell in den Alltag über. Nach einem Auslands­
einsatz braucht Ihre Partnerschaft ein Intensiv-Pflegeprogramm. Aktivieren Sie Ihren
gemeinsamen Freundeskreis und gehen Sie gemeinsam unter Leute.
Es ist gut möglich, dass Sie auch nach Ihrer Rückkehr noch oft an Ihren Einsatz oder
bestimmte Erlebnisse zurückdenken. Gefühle wie Ärger, Frustration oder Hoffnungslosigkeit über das Erlebte können Sie verfolgen. Der Überfluss an Konsumgütern in Deutschland kann überwältigend sein und Ihren Kulturschock verstärken. Gehen Sie achtsam mit
diesen Gefühlen um und vermeiden Sie, Ihre Frustration über die Ungerechtigkeit und das
Wohlstandsgefälle der Welt auf Ihren Partner zu übertragen. Es ist gut möglich, dass Sie
alltägliche Sorgen in Deutschland nach Ihrer Erfahrung im Ausland als nebensächlich und
lächerlich empfinden. Dies kann eine normale Reaktion sein. Beachten Sie jedoch, dass ein
moralischer Zorn weder Ihnen noch Ihrer Familie weiterhilft und sich negativ auf Ihr Wohlbefinden und Ihre sozialen Beziehungen auswirken kann (O’Dea 2012: 47–48).
Suchen Sie fachkundigen Rat, wenn Sie das Gefühl haben, Sorgen über Ihre Beziehung und
Gefühle mit dem Partner nicht bearbeiten zu können.
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Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.8 Beziehungen und Freundschaften
im Einsatzland
Zwischenmenschliche Beziehungen, Nähe und Intimität gehören zu den menschlichen
Grundbedürfnissen. Diese Bedürfnisse können durch einen sehr intensiven oder gefährlichen Einsatz verstärkt werden. Gehen Sie daher besonders achtsam und bewusst mit Ihren
eigenen Bedürfnissen nach Intimität und Nähe um. Im Missionskontext kann eine intime
Beziehung mit einem Arbeitskollegen, vor allem mit einem lokalen Kollegen Sie, und möglicherweise sogar Ihre Organisation in eine schwierige Lage bringen. Sie können sich dadurch
selbst schaden, womöglich Ihre Beziehung zum Partner in Ihrer Heimat negativ beeinflussen, und Sie könnten Ihrer Arbeit sowie Ihren Arbeitsbeziehungen Schaden zufügen. Sehr
häufig sind die Erwartungen der Beteiligten an eine intime Beziehung sehr unterschiedlich
und beinhalten deswegen jede Menge (destruktiven) Konfliktstoff. Erkundigen Sie sich über
die ethischen Richtlinien Ihrer Organisation und realisieren Sie Ihre Vorbildfunktion und
Ihre persönliche Integrität. Das kann unter Umständen bedeuten, dass Ihr Bedürfnis nach
Intimität und Nähe zeitweise frustriert wird.
Leider kann es im Missionskontext auch zu sexuellem Missbrauch und sogar zu Ausbeutung
kommen. In Konfliktgebieten gehören Prostitution und sexuelle Gewalt oft auf irritierende
Weise zum alltäglichen Leben. Als internationaler Experte und als Mitmensch sollten Sie
Ihre Verantwortung wahrnehmen und dabei helfen, kriminelle und menschenverachtende
Zustände – soweit wie möglich – zu verhindern. Falls Sie den Verdacht oder das Wissen haben, dass einer Ihrer Kollegen in diese Aktivitäten involviert ist, sind Sie sogar verpflichtet,
Ihre Organisation umgehend zu informieren.
Auf Grund verschiedener grenzüberschreitender Vorfälle hat das Inter-Agency Standing
Committee (IASC) der UN im Jahr 2002 „Sechs grundlegende Verhaltensprinzipien für
humanitäre Helfer zum Schutz vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch“ entwickelt (1):
•• Sexuelle Ausbeutung und Missbrauch durch humanitäre Arbeitnehmer
stellt ein grobes Fehlverhalten dar und ist Grund für die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses.
•• Sexuelle Handlungen mit Kindern (Personen unter 18) sind – unabhängig
von lokalen Regeln und Bräuchen – verboten. Falsche Annahmen über das
Alter eines Kindes sind keine Gründe zur Entschuldigung.
•• Der Austausch von Geld, Arbeit, Waren oder Dienstleistungen für Sex, inklusive sexueller Gefälligkeiten oder anderer Formen von demütigendem,
erniedrigendem oder ausbeutendem Verhalten, ist verboten. Dies beinhaltet den Austausch von Hilfe, die den Empfängern zu Gute kommt.
66
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
•• Von sexuellen Beziehungen zwischen humanitären Helfern und Empfängern wird dringend abgeraten, da sie automatisch auf einer ungleichen
Machtdynamik basieren. Solche Beziehungen untergraben die Glaubwürdigkeit und Integrität der humanitären Arbeit.
•• Wenn ein humanitärer Helfer Bedenken oder einen Verdacht in Bezug auf
sexuellen Missbrauch oder sexuelle Ausbeutung durch einen Arbeitskollegen hat – egal ob in seiner eigenen oder einer anderen Organisation – ist
er verpflichtet, dies über die bestehenden Berichtswege zu melden.
•• Humanitäre Helfer sind verpflichtet, eine Umgebung herzustellen, die
sexueller Ausbeutung und Missbrauch vorbeugt und die Umsetzung ihres
Verhaltenskodex fördert. Insbesondere Führungskräfte haben die Aufgabe,
dieses Klima zu unterstützen, weiter zu entwickeln und zu gewährleisten.
Diese Prinzipien gelten mittlerweile für alle Missionen der Vereinten Nationen. Auch die EU
und die OSZE haben entsprechende Regularien wie den „Code of Conduct“ und die „Staff
Rules and Regulations“.
Wir empfehlen Ihnen außerdem, sich über kulturelle Erwartungen und Bräuche im Einsatzgebiet zu erkundigen, wenn es um das Thema Freundschaften zu lokalen Kollegen oder
Bekannten geht. Es besteht auch hierbei die Möglichkeit, dass die Erwartungen, die eine
Person an Sie hat, wenn Sie eine Freundschaft mit ihr pflegen, sich von den Ihren (unausgesprochen) unterscheidet und womöglich von Ihnen auch gar nicht zu erfüllen sind. Auch hier
muss darauf hingewiesen werden, dass Sie, auf Grund Ihrer Rolle, in einer Art Machtposition
sind. Es ist also notwendig, bei Freundschaften diese Machtpositionen und mögliche Machtgefälle zu reflektieren. Versuchen Sie zu vermeiden, lokale Kollegen oder Bekannte durch
Ihre Freundschaft in soziale Verlegenheit oder in Gefahr zu bringen. Andererseits wollen Sie
vielleicht, dass sich Ihr Bekannten- und Freundeskreis nicht nur auf internationale Kollegen
beschränkt. Mithilfe Ihrer lokalen Kollegen und Bekannten werden Sie Ihr Einsatzland viel
besser verstehen lernen und genießen können. Das ist verständlich und muss sicher nicht
zwingend unterbunden werden, wenn die Sicherheitslage das zulässt und wenn Sie die
genannten Hinweise beachten.
Mehr zum Thema
(1) UN-Verhaltensprinzipien für humanitäre Helfer
67
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.9 Konflikte verstehen
Ungelöste Konflikte verursachen Stress, belasten das Miteinander und führen zu einem gespannten Arbeitsklima. Im Missionskontext kann dies unangenehme Folgen für Sie persönlich und Ihr gesamtes Team haben. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass Konflikte unvermeidlich und nur lösbar sind, wenn eine Person bereit ist, auf den anderen zuzugehen bzw.
zu deeskalieren. Oftmals sinkt der Widerstand des Konfliktpartners, wenn er sich verstanden fühlt. Beachten Sie auch, dass viele Konflikte durch Verhandlungsstil oder abweichende
Sichtweisen entstehen und nicht durch unüberbrückbare Gegensätze. Denken Sie daran,
dass Konflikte kulturell sehr unterschiedlich bewertet und angegangen werden können.
In Konfliktsituation können diese Fragen Sie dabei unterstützen, die eigenen Motive und
Interessen besser zu verstehen (Litsch und Novoa 2002: 40):
•• Worum geht es mir in diesem Konflikt? (eigentliches Thema)
•• Was will ich eigentlich durch wen erreichen?
•• Will ich es immer noch, nachdem ich es erreicht habe?
(grundlegende Interessen)
•• Was habe ich davon? (Nutzen)
•• Welchen inneren Zwist trage ich in mir?
•• Welcher ist mein aktueller Standpunkt zur Sache/zum Thema?
(Position)
•• Was möchte ich zusätzlich über mich zum Ausdruck bringen?
•• Was befürchte ich für mich? (Selbstdarstellung)
•• Was möchte ich an der Beziehung zum Konfliktpartner bereinigen?
(Beziehungsgestaltung)
•• Was hat für mich Vorrang? (Prioritäten)
•• Wie kann ich nun mein Anliegen in Worte fassen?
Um Konflikte zu entschärfen, sollten Sie überstürzte Reaktionen vermeiden und eine
Gesprächspause einlegen oder das Gespräch einvernehmlich auf einen späteren Zeitpunkt
vertagen. Kommunizieren Sie wertschätzend und vermeiden Sie persönliche Auseinandersetzungen. Deeskalieren Sie den Konflikt, indem Sie absolute Forderungen aufgeben und
die Grenzen Ihres Streitpartners akzeptieren. Greifen Sie als unbeteiligte Person ein, wenn
Sie andere Konfliktsituationen deeskalieren können (Litsch und Novoa 2002: 40).
68
Stress im Einsatz
Die Bedeutung von sozialen Kontakten zur Stressvorbeugung
14
14.10 Kommunikation für
friedliche Konfliktlösung
Kommunikation spielt oftmals eine zentrale Rolle in Konfliktsituationen. Ein sehr hilfreiches
Konzept für eine erfolgreiche Konfliktbearbeitung ist die Gewaltfreie Kommunikation von
Marshall Rosenberg. Diese Methode kann im Alltag, aber auch zur friedlichen Konfliktlösung
im persönlichen, beruflichen und politischen Bereich genutzt werden.
Probieren Sie diese vier Schritte bei einer passenden Gelegenheit in einer (Konflikt-)Situation aus (Rosenberg 2003: 7):
1. Beobachten Sie eine konkrete Handlung, ohne sie mit einer Bewertung
oder Interpretation zu vermischen.
2. Nehmen Sie wahr, welches Gefühl die Beobachtung in Ihnen auslöst.
3. Entdecken Sie unerfüllte Bedürfnisse (z.B. Sicherheit, Verständnis,
Anerkennung, Respekt, Kontakt), welche unter dem Gefühl liegen.
Ihre Gefühle sind also eine Art Indikator für erfüllte oder unerfüllte
Bedürfnisse.
4. Formulieren Sie nun eine Bitte um eine konkrete Handlung.
Unterscheiden Sie eine Bitte von einem (unerfüllbaren) Wunsch und
einer (einseitigen) Forderung.
Vor allem in Konfliktsituationen ist aktives, empathisches Zuhören besonders wichtig und
kann die Dynamik der Konflikttransformation positiv beeinflussen. Hierzu werden auch viele
Trainings angeboten.
Mehr Informationen finden Sie hier:
> Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e.V.
69
15
Kognitive Möglichkeiten der
Stressvorbeugung
Die Reaktionen von Menschen auf Be- und Überlastungen sind unterschiedlich und individuell. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf seine Umwelt. Welche Ereignisse Menschen
als Stress und als Belastung wahrnehmen, ist abhängig vom persönlichen Stresslevel, aber
auch davon, in welcher individuellen Situation sich jemand gerade befindet. So kann die
eine Person die Rahmenbedingungen schon als sehr belastend wahrnehmen, während eine
andere Person sich dadurch noch motiviert und herausgefordert fühlt. Die Überprüfung
der Gedankenmuster kann dabei helfen, mit schwierigen oder als schwierig empfundenen
Situationen besser zurecht zu kommen. Dieses Konzept verfolgt die Idee, Gedankenmuster,
die Stress verstärkend wirken, durch solche zu ersetzen, die zur Stressminderung beitragen.
Das hilft manchen Menschen dabei, sich über eigene, destruktive Gedankenmuster klar zu
werden. Wenn Ihnen diese Methode zusagt, fragen Sie sich, wie Sie über sich selbst denken
und wie Ihre Gedanken, Wünsche, Absichten und Meinungen sind (1).
Auch weiterführende Gedanken sind dabei sinnvoll und können helfen, sich über sich selbst
klarer zu werden. Fragen Sie sich, ob Sie den Anspruch an sich haben, immer stark zu sein
und ob das notwendig oder überhaupt möglich ist. Denken Sie darüber nach, dass alle
Menschen Stärken und Schwächen haben und dass genau das Menschen erst liebenswert,
interessant und nicht zuletzt menschlich macht. Das gilt genauso auch für Sie. Überlegen
Sie, was das für Sie bedeuten könnte (2).
Mehr zum Thema
(1) Stressmanagement-Techniken
(2) Kognitive Stressbewältigung
70
Stress im Einsatz
15
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15.1Aufmerksamkeitslenkung
Bei starker Belastung beschäftigen sich die eigenen Gedanken viel mit den Themen, die
Stress erzeugen. Dadurch werden Körper- und Gefühlsreaktionen ausgelöst, die den Stress
verstärken können. Die sogenannte Aufmerksamkeitslenkung kann dabei helfen, Abstand zu
der Situation und zum Stress zu gewinnen (Litsch und Novoa 2002: 27–28).
Übung
ÄuSSere
Aufmerksamkeitslenkung
Innere
Aufmerksamkeitslenkung
Konzentrieren Sie sich auf
einen konkreten Gegenstand
in Ihrem Umfeld, der angenehme Empfindungen weckt:
Übertragen Sie Ihre Aufmerksamkeit bewusst von der stress­
auslösenden Situation auf
wohltuende, innere Bilder und
Gedanken:
Ein Familienfoto, eine Pflanze,
die Fensteraussicht,
die Umgebungsgeräusche.
Wiese, Strand, Berglandschaft,
Freizeitaktivitäten.
(Übung von: Wagner-Link 1998)
Sie können auch bewusst eine Kurzimagination vornehmen. Viele Menschen machen
dies, wenn Sie unter Stress stehen. Für diese Übung brauchen Sie ca. 5 Minuten Zeit
(Litsch und Novoa 2002: 28):
Übung
1. Schließen Sie die Augen und entspannen Sie den Rücken.
Denken Sie an eine vergangene Situation, in der Sie sich gelassen
und entspannt gefühlt haben, oder an ein künftiges Ereignis, auf
das Sie sich freuen.
2. Führen Sie sich dieses Bild möglichst realistisch und anschaulich
vor Augen. Verfolgen Sie auch die Handlung mit Ihrer ganzen
Aufmerksamkeit.
3. Lassen Sie diese Szene 3 Minuten auf sich wirken.
4. Atmen Sie tief durch und lassen das Bild wieder los.
71
Stress im Einsatz
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15
15.2Dekatastrophisierung
Bei Stress sind die Ängste vieler Menschen auf die Zukunft gerichtet und diese rechnen
permanent mit irgendeiner Art Katastrophe. Hier lohnt es sich, eine gedankliche Dekatas­
trophisierung vorzunehmen. Eine zukünftige Katastrophe ist in vielen Fällen tatsächlich eher
unwahrscheinlich. Gehen Sie die Situation, die Sie befürchten, gedanklich durch, damit Sie
wieder mehr Kontrolle über sich und Ihr Verhalten gewinnen. Dann wird die Angst Sie nicht
mehr überwältigen (Litsch und Novoa 2002: 29–30).
Übung
•• Machen Sie zunächst die Worst-Case-Analyse. Machen Sie sich klar,
was im schlimmsten Fall passieren könnte. Was würden Sie dann tun
(müssen), um mit der Situation umzugehen?
•• Machen Sie als nächstes die Best-Case-Analyse. Machen Sie sich klar,
was im besten aller Fälle passieren könnte, wenn also alles gut geht und
sich alles wunderbar entwickeln wird. Wie würden Sie mit einer solchen
Situation umgehen?
•• Schließlich überlegen Sie sich, was wohl am wahrscheinlichsten
passieren wird. Vermutlich werden Sie merken, dass wohl einiges gut und
manches weniger gut laufen wird. Überlegen Sie sich auch für diesen Fall,
wie Sie damit umgehen würden.
72
Stress im Einsatz
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15
15.3 Geistiges Entrümpeln
Wir empfehlen im Zusammenhang mit der kognitiven Stressvorbeugung auch die Methode
des geistigen Entrümpelns. Damit können Sie sich innere und äußere Freiräume schaffen.
Entrümpeln Sie die Aktivitäten, die sich in Ihren Tagesablauf geschlichen und darin breit
gemacht haben und die Ihnen nun Energie und Kraft rauben. Denken Sie über die künftigen
Planungen und Aktivitäten nach, die Ihnen bevorstehen und entscheiden Sie dann, was
davon für Sie von hoher Bedeutung ist. Was sind die Perlen unter all diesen Aktivitäten?
Reservieren Sie in Ihrem Wochenplan die wichtigsten Plätze für diese Perlen. Finden Sie
unter den dringlichen Aktivitäten diejenigen, die Sie auch später erledigen können (Litsch
und Novoa 2002: 34).
Als Hilfe zur Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem können Sie sich
fragen, was zurzeit Ihre vorrangigsten persönlichen Ziele sind und wie diese Ziele mit Ihrer
größeren (Lebens-)Perspektive zusammenhängen. Welche Ihrer Bestrebungen tragen am
besten zu dieser Lebensperspektive bei und wie werden Sie Ihre momentane, kräfteraubende Situation in einem halben oder in einem Jahr einschätzen (Litsch und Novoa 2002: 34)?
Schließlich gehört zum geistigen Entrümpeln, das im besten Fall ständig ablaufen sollte,
eine Art inneres Stoppschild und die Fähigkeit sich abzugrenzen, „Nein“ zu sagen und sich
vom Streben nach Perfektion zu verabschieden. Damit erschaffen Sie sich einen Filter, den
hereinkommende Reize und Ansprüche von außen passieren werden und der für die erste
Stufe des geistigen Entrümpelns sorgt (Litsch und Novoa 2002: 34).
73
Stress im Einsatz
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15
15.4 Positive Selbstinstruktion
Zur Darstellung der Methode der positiven Selbstinstruktion eignet sich die „Geschichte mit
dem Hammer“ von Paul Watzlawick.
„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar
hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da
kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern
schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile
nur vorgetäuscht, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der
bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm
sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen
abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch
ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht‘s mir wirklich. –
Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er ‚Guten Tag‘ sagen
kann, schreit ihn unser Mann an: ‚Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!“ (Watzlawick
1988: 37–38)
Hier wurde der Gesprächspartner also zum „letzten Glied einer langen, komplizierten Kette
von Phantasien“ und wusste vermutlich nicht, wie ihm geschah (Watzlawick 1988: 38).
Um nicht in eine negative Gedankenspirale zu geraten oder um nicht darin zu verharren,
können Sie versuchen, für sich ein positiveres Selbstkonzept zu gestalten. Bei Personen, die
zu negativen und damit zu einschränkenden Gedankenspiralen und Selbstbildern neigen,
führt das oft zu schneller Stimmungsaufhellung und zu einer verbesserten Wahrnehmung
aller Erfahrungen, und damit auch zu der Wahrnehmung positiver Erfahrungen. Das bewirkt
in der Folge einen konstruktiveren Umgang mit sich und der Umwelt (Zimmer in Linden und
Hautzinger (Hrsg.) 1993: 201–202).
74
Stress im Einsatz
15
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
In der unten stehenden Tabelle finden Sie konkrete Formulierungen am Beispiel einer Vortragssituation (Litzke, Schuh, Pletke 2013: 52–54).
Positive Selbstinstruktion am Beispiel eines Vortrags
(adaptiert nach Wagner-Link 1996)
Vor der Stresssituation
In der Stresssituation
Negative Gedanken
Positive Gedanken
Das wird schiefgehen…
Nur ruhig, entspanne dich.
Ich weiß nicht, wie ich das
schaffen soll.
Ich kann Erregung nicht
verhindern, aber ich werde
sie steuern.
Ich werde schon wieder
nervös.
Nur ruhig, entspanne dich.
Die Angst wird mich überwältigen.
Nach der
Stresssituation
Ich habe versagt.
Das kann ich nie.
Ich kann Erregung nicht
verhindern, aber ich werde
sie steuern.
Es war besser als
befürchtet.
Jedes Mal, wenn ich es mache, wird es besser werden.
Es geht darum, im inneren Dialog, im Gespräch mit sich selbst, zunächst die belastenden,
negativen Gedanken und Erwartungen wahrzunehmen und zu überprüfen. In vielen Fällen
wird sich herausstellen, dass es neben negativen auch positive Gedanken und Erwartungen
gibt. Dadurch werden die Einschätzung der Realität und die Erwartungen an die Zukunft
ausgeglichener und realistischer. Sie können Ihr Handeln entspannter und auch konstruktiver gestalten (Fliegel et al. 1994: 201–203).
75
Stress im Einsatz
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15
15.5Gedankenstopp
Die Technik des Gedankenstopps kann bei der Unterbrechung unerwünschter und sich
ständig wiederholender negativer Gedanken und Zukunftserwartungen eingesetzt werden,
um sich Erleichterung zu verschaffen. Dabei sprechen Sie das Wort „Stopp“ laut aus, wenn
die Gedanken auftauchen. Sobald Sie genügend Übung damit haben, das Wort „Stopp“
laut auszusprechen, reicht es aus, sich vorzustellen, dass Sie es aussprechen würden,
um die negativen Gedanken und die negativen Gedankenketten zu unterbrechen. Manche
Menschen bevorzugen es, sich das Wort „Stopp“ geschrieben vorzustellen, zum Beispiel
auf einem großen Schild, das sie vor sich sehen. Denken Sie nach dem „Stopp“ an etwas
anderes, das Sie sich vorher ausgesucht und festgelegt haben und das Sie mögen. Stellen
Sie sich z.B. vor, Sie seien wohlig entspannt (Fliegel et al. 1994: 77–78).
15.6Einstellungsänderung
Eine Einstellungsänderung können Sie dadurch erreichen, dass Sie mit sich selbst eine gute
Beziehung auf- oder ausbauen. Erwarten Sie nicht von sich, immer und überall perfekt zu
sein oder unter allen Umständen funktionieren zu müssen. Das ist unrealistisch und selbstzerstörerisch. Finden Sie heraus, was wirklich gut für Sie ist und handeln Sie danach.
Test
Mit diesen Fragen können Sie für sich prüfen, wie stark Ihre Suche nach
Anerkennung durch andere ist und wie sehr Sie das beeinflusst:
•• Neigen Sie dazu, Ihre eigenen Grenzen nicht wahrzunehmen und damit
auch nicht ernst zu nehmen, da Sie davon getrieben sind, für Leistung und
Funktionieren Selbstbestätigung zu suchen?
•• Überschreiten Sie Ihre eigenen Grenzen beim Sorgen für und Kümmern
um andere, während Sie dabei vergessen für sich selbst zu sorgen?
•• Neigen Sie dazu, sich selbst zu schädigen?
•• Wollen Sie Auseinandersetzungen und Konflikte in jedem Fall vermeiden
und zwar auch dann, wenn Sie konstruktiv und weiterführend wären?
76
Stress im Einsatz
Kognitive Möglichkeiten der Stressvorbeugung
15
Klären Sie Konflikte auf konstruktive Art und Weise. Stecken Sie Ihre Energie in Ihren persönlichen Veränderungsprozess und nicht in Ihren Ärger über wen oder was auch immer.
Treffen Sie Entscheidungen, wenn es notwendig ist. Manchmal bedeuten Entscheidungen,
auf etwas zu verzichten. Um gesund zu bleiben, ist es mitunter auch notwendig, konsequent
zu sein. Klären Sie, was Sie selbst zu schwierigen und belastenden Situationen beitragen
und was an den Rahmenbedingungen und an Ihrer Umwelt liegt und seien Sie dabei ehrlich
zu sich. Nehmen Sie sich Zeit und Ruhe, um sich und Ihre Gedanken zu ordnen. Manchmal
kann es auch gut tun, in tägliche Arbeitsstrukturen eingebunden zu sein, um nicht nur um
sich selbst zu kreisen (Prieß 2013: 160–164).
Woran merken Sie, dass Sie mit sich in einem Dialog sind und gut auf sich hören? Da
Menschen von Natur aus zum Dialog und zum Kontakt mit sich selbst ausgestattet sind
(auch wenn der Kontakt manchmal unterbrochen wurde oder bisher kaum gepflegt wurde),
merken Sie es an Ihrer eigenen und individuellen Reaktion. Sobald Sie sich selbst spüren,
also wenn Sie traurig, müde, zynisch, fröhlich, angespannt, hoffnungsvoll oder verzweifelt
sind, haben Sie Kontakt mit sich selbst und daran können Sie anknüpfen, und zwar so wie
in jeder anderen Art von Beziehung zu Menschen auch. Jede Beziehung entwickelt sich auf
ihre eigene Art und Weise und so wird sich auch Ihre Beziehung zu sich selbst entwickeln,
wenn Sie sie konsequent pflegen (Prieß 2013: 160–164).
Beantworten Sie alle Ihre Fragen ehrlich. Finden Sie dabei heraus, was für Sie wirklich wichtig ist, übernehmen Sie die Verantwortung für sich und überlassen Sie diese Verantwortung
niemand anderem. Stehen Sie zu sich, nehmen Sie sich ernst und zwar auch dann, wenn
andere Menschen Ihre Positionen und Meinungen nicht teilen. Es ist normal, dass Menschen unterschiedliche Auffassungen haben und es ist sogar interessant. Dann erst beginnt
eine echte Auseinandersetzung und ein wirklicher Dialog, bei dem sich völlig neue Ideen
und Vorgehensweisen entwickeln können. Klären Sie aufrichtig, wie Ihr eigener Beitrag zu
schwierigen und belastenden Situationen aussieht, was an den Rahmenbedingungen und
was an Ihrer Umwelt liegt. Entscheiden Sie dann, was Sie ändern möchten, können und wo
Sie keine Optionen sehen. Hilfe und Unterstützung jeglicher Art bei diesem Prozess können
sinnvoll sein, wenn das für Sie stimmig ist (Prieß 2013: 160–164).
77
16
Therapie und professionelle
Hilfe bei Stress und Trauma
Eine Psychotherapie kann beim Umgang mit Stress und traumatischen Erlebnissen sehr
hilfreich sein. Es ist dabei möglich, die verschiedenen Gefühle neu einzuordnen und anders
zu betrachten. Dadurch kann das Erlebte vom gesamten Organismus verarbeitet, bewältigt
und integriert werden. Eine gelungene Therapie kann Ihren Erfahrungshorizont und Ihre
Konfliktbewältigungsstrategien enorm erweitern und verbessern.
Damit eine Therapie gelingt, müssen verschiedene Rahmenbedingungen erfüllt sein:
•• Zunächst einmal ist eine gute Therapie oder eine gute Beratung
immer eine Zusammenarbeit der Beteiligten. Sie sollten sich auf den therapeutischen Prozess einlassen und mitarbeiten. Therapie und
Beratung bedeuten eben nicht, dass jemand Sie wieder so herstellt,
wie Sie früher waren und Sie lassen es einfach geschehen.
•• Eine Therapie ist meistens ein längerer Prozess, Sie brauchen also
Zeit dafür.
•• Deswegen ist es unbedingt erforderlich, dass Sie mit einem Therapeuten
zusammen arbeiten, dem Sie vertrauen und bei dem Sie sich wohlfühlen.
Das bedeutet eventuell, dass Sie mehrere Therapeuten ausprobieren müssen, um zu sehen, wie Sie sich mit der jeweiligen
Person fühlen. Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass eine belastbare
und vertrauensvolle Arbeitsbeziehung innerhalb einer Therapie eines der
wichtigsten Kriterien für Heilung und Gelingen ist.
•• Sie sollten mit einem Therapeuten arbeiten, der solide und dem Thema
Stress und Extrembelastung entsprechende Kompetenzen hat, damit Sie
fachlich und menschlich gut aufgehoben sind.
•• Ein guter Therapeut hat sich auch mit eigenen Traumata und mit
eigenen Erfahrungen im Bereich extremer Stress auseinander gesetzt,
diese reflektiert und möglichst gut verarbeitet.
Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine professionelle und
angemessene Arbeitsbeziehung.
•• Der Therapeut sollte also eine innere und auch eine äußere Unabhängigkeit aufweisen. Die innere Unabhängigkeit ergibt sich durch einen eigenen
Wertekanon und durch echte Diskursfähigkeit. Die äußere Unabhängigkeit ergibt sich durch Arbeitsstrukturen, die das Thema Schweigepflicht
ermöglichen und respektieren. Der Gesetzgeber sieht nur sehr wenige
Ausnahmen von der gesetzlichen Schweigepflicht für Psychotherapeuten
vor. Wenn die Schweigepflicht nicht geschützt ist, ist unter anderem der
Erfolg einer Therapie gefährdet.
78
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
•• Außerdem sollten sich Therapeuten, besonders solche, die in den
Bereichen Stress und Trauma tätig sind, selbst regelmäßig in eine
kompetente und professionelle Supervision begeben, um die Gefahren
einer Re-Traumatisierung oder einer Sekundären Traumatisierung
durch ihre Arbeit zu vermindern.
Für ein Coaching oder eine Beratung in den Bereichen Stress oder Trauma gelten die genannten Kriterien natürlich ebenfalls.
Fragen Sie also bei einem Kennenlernen danach, was Ihr Gegenüber über Trauma, Extrembelastung und Posttraumatischen Stress weiß. Fragen Sie auch nach der obligatorischen
Grundausbildung, d.h., ob Ihr Gegenüber Psychologe oder Arzt ist. Achten Sie darauf, wie
Sie sich im Gespräch mit dem Therapeuten oder dem Berater fühlen. Haben Sie das Gefühl,
dass Sie ihm vertrauen könnten? Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Gegenüber in der Lage ist,
Ihre Erfahrungen gemeinsam mit Ihnen zu tragen und auszuhalten? Fragen Sie die Themen
ab, die Ihnen wichtig sind und verlassen Sie sich bei Ihrer Entscheidung für einen Therapeuten, einen Coach oder einen Berater auf Ihr Gefühl.
Im Abschnitt Überblick über verschiedene Therapieformen [Kap. 16.1] finden Sie
verschiedene hilfreiche Therapieformen, die Ihnen einen ersten Überblick geben. Im
Abschnitt Suche nach therapeutscher Hilfe [Kap. 16.2] finden Sie ferner Hinweise, wie
Sie bei der Suche nach dem für Sie geeigneten Gegenüber vorgehen können.
Als Mitglied des ZIF-Expertenpools haben Sie zudem die Möglichkeit, sich bei der Onlineplattform OnTheMoveOnline beraten zu lassen. Die Plattform richtet sich speziell an
Menschen, die im Ausland arbeiten. Dort wird psychosoziale Beratung in deutscher Sprache
angeboten. Die Betreiber der Plattform sichern dabei Anonymität zu. Das ZIF übernimmt die
Kosten für die Beratung.
Erkundigen Sie sich darüber hinaus, ob Ihre Organisation Vorbereitungsveranstaltungen für
Ihre Mission anbietet, die sich auch mit den Themen Stress, extreme Belastung, Trauma
und soziale Unterstützung beschäftigen. Das ZIF bietet im Rahmen des „Core Course Peace
Operations“ ein Modul zum Thema Stressmanagement an. Dasselbe gilt für eine Nachbereitungsveranstaltung nach Ihrem Einsatz. Das ZIF bietet Rückkehrerseminare für Mitglieder
seines Expertenpools an, in denen Sie Ihre Einsatzerfahrungen auch aus psychosozialer
Perspektive mit Fachleuten reflektieren können. Nutzen Sie diese Angebote in jedem Fall.
Darin liegt oft die Möglichkeit, sich Wissen über den Umgang mit diesen Themen anzueignen. Außerdem können Sie sich während solcher Veranstaltungen über professionelle
Unterstützung vor Ort und allgemein über professionelle Unterstützungsstrukturen und
Prozesse innerhalb Ihrer Organisation informieren und darauf hinweisen, dass Ihnen diese
Unterstützung wichtig ist.
79
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
16.1 Überblick über verschiedene
Therapieformen
Es gibt viele verschiedene Arten und Formen von Therapien und Therapieverfahren. Wir
stellen hier einige der wichtigsten Therapieverfahren dar, von denen bekannt ist, dass sie
bei Stress und bei Trauma hilfreich und heilend wirken können.
a) Verhaltenstherapie
Ziel dieses Ansatzes ist es, nach Einsicht in Ursache und Entstehung der Probleme,
eine gezielte Symptombehandlung vorzunehmen und Methoden zur Überwindung der
Probleme zu erlernen. Dazu werden häufig Verhaltensanalysen durchgeführt und es wird
teilweise mit Manualen gearbeitet. In Deutschland bezahlen die gesetzlichen und viele
privaten Krankenkassen diese Psychotherapieform, wenn ein niedergelassener Therapeut zusätzlich zur Ausbildung als Psychologe oder als Arzt eine Ausbildung im Bereich
der Verhaltenstherapie absolviert hat (Caspar in Häcker und Stapf (Hrsg.) 1998: 924).
b) Tiefenpsychologische bzw. Analytische Therapie
Beide Begriffe beschreiben die gleiche Therapieform, bei der es stärker als im oben
genannten Ansatz um eine Ursachen­ergründung geht. Dabei wird mit den unbewussten
Teilen der Psyche gearbeitet und es werden die Dynamiken zwischen dem bewussten
Willen und den unbewussten Anteilen der Psyche vor Augen geführt und beleuchtet. In
Deutschland bezahlen die gesetzlichen und viele privaten Krankenkassen diese Psychotherapieform, wenn ein niedergelassener Therapeut zusätzlich zur Ausbildung als
Psychologe oder als Arzt eine Ausbildung im Bereich der Tiefenpsychologischen Therapie
oder der Analytischen Therapie absolviert hat (Ardelt in Häcker und Stapf (Hrsg.) 1998:
877).
Studien legen nahe, sehr grob ausgedrückt, dass die Verhaltenstherapie schneller wirkt als
die tiefenpsychologische Herangehensweise. Dafür ist die Wirkung der Tiefenpsychologischen Therapie anhaltender und nachhaltiger.
c) Systemische Therapie
Die Systemische Therapie ist eine Therapieform, bei der das System betrachtet wird, in
dem der Klient aktuell lebt und/oder arbeitet, und oft auch andere wichtige Personen
aus seinem Leben einbezogen werden, wie z.B. die Herkunftsfamilie. Dabei werden
die dynamischen, teilweise traumatisch wirkenden Wechselbeziehungen zwischen den
unterschiedlichen Personen und deren inneren Abbildern beim Klienten untersucht. Das
passiert auch im Rahmen einer Einzeltherapie. In Deutschland hat der Wissenschaftliche
Beirat Psychotherapie die Systemische Therapie als wirkungsvolle Therapiemethode
anerkannt. Sie wird in vielen Kliniken und in Beratungsstellen von Psychologen und
80
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
von Ärzten angewendet. Die Systemische Therapie eignet sich gut zur Behandlung von
traumatischen Erlebnissen und Ereignissen. Krankenkassen übernehmen aber nur in
sehr wenigen Fällen die Kosten für diese Psychotherapieform und nur unter der Voraussetzung, dass ein niedergelassener Therapeut zusätzlich zur Ausbildung als Psychologe
oder als Arzt eine Ausbildung im Bereich der Systemischen Therapie absolviert hat.
Menschen, die diese Methode für sich auswählen, müssen häufig entweder selber für die
Therapie aufkommen oder sie werden durch die entsendende Organisation unterstützt
(Caspar in Häcker und Stapf (Hrsg.) 1998: 856–857).
d) Gesprächspsychotherapie
Bei dieser Therapieform steht das gegenwärtige Erleben des Klienten im Mittelpunkt. In
der Therapie unterstützt der Therapeut auf nicht-direktive Art den Klienten dabei, seine
Probleme und Gefühle in Worte zu fassen. In Deutschland hat der Wissenschaftliche
Beirat Psychotherapie die Gesprächspsychotherapie als wirkungsvolle Therapiemethode
anerkannt. Krankenkassen übernehmen aber nur in sehr wenigen Fällen die Kosten für
diese Psychotherapieform und nur unter der Voraussetzung, dass ein niedergelassener
Therapeut zusätzlich zur Ausbildung als Psychologe oder als Arzt eine Ausbildung im
Bereich der Gesprächspsychotherapie absolviert hat. Menschen, die diese Methode für
sich auswählen, müssen also häufig selber für die Therapie aufkommen oder sie werden
durch die entsendende Organisation unterstützt (Caspar in Häcker und Stapf (Hrsg)
1998: 324).
Art der Therapie
Merkmale der Methodik
Verhaltenstherapie
Fokus auf Symptombehandlung, Verhaltensanalyse, Arbeit mit Manualen, eher strukturiertes Vorgehen
Tiefenpsychologische oder
Analytische Therapie
Fokus auf Ursachenergründung, Arbeit mit
unbewussten Anteilen, Untersuchung der
Dynamik zwischen bewusstem Willen und
unbewussten Anteilen der Psyche
Systemische Therapie
Untersuchung des (Lebens-)Systems des
Klienten, Bewusstmachen der dynamischen
und/oder traumatischen Wechselwirkungen
zwischen Personen und inneren Abbildern
der Personen
Gesprächspsychotherapie
Gegenwärtiges Erleben und Gefühle des Klienten stehen im Mittelpunkt, non-direktive
Unterstützung durch den Therapeuten
81
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
Zusätzlich zu diesen intensiven und langjährigen Therapie-Basisausbildungen machen Therapeuten viele Fortbildungen in den verschiedensten Bereichen. Im Bereich der Behandlung
von extremem Stress und der Folgen von traumatischem Stress sollte eine entsprechende
Fortbildung vorliegen sowie zusätzlich ein Verständnis für die besondere Situation der
Menschen, die in den verschiedenen Auslandsmissionen tätig sind. Nicht alle Therapeuten
kennen sich mit dem Thema aus und/oder verfügen über Verständnis für die Tätigkeit in
Auslandsmissionen.
Im Zusammenhang mit Stress und Trauma werden die nachfolgenden Behandlungsmethoden auch hin und wieder genannt. Beide Methoden werden nicht von den Krankenkassen
bezahlt und sind vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie nicht anerkannt. Wir führen
Sie hier auf, damit Sie diese Methoden einordnen können, falls Sie davon hören:
•• Somatic Experiencing
Eine Methode, die von Peter Levine entwickelt wurde, um traumatische
Erlebnisse zu überwinden. Sie beruht auf Verhaltensbeobachtungen in der
Tierwelt. Hier ein Link zum Thema:
> Somatic Experience Trauma Insitute
•• Energetische Psychotherapie
Eine Methode, bei der durch traumatische Erlebnisse blockierte und
gestörte Energieströme auf der körperlichen und der kognitiven Ebene
wieder freigesetzt werden sollen. Sie finden im Internet verschiedene
Anbieter für diese Methode, deren Qualität Sie selbst beurteilen sollten.
Wichtig ist, neben den bereits genannten Kriterien im Kapitel Therapie und professionelle
Hilfe bei Stress und Trauma [Kap. 16], darauf zu achten, bei welcher Methode Sie sich am
wohlsten fühlen. Achten Sie darauf, welche der Methoden Sie anspricht und verlassen Sie
sich auch dabei auf Ihr Gefühl.
Nachfolgend finden Sie eine Übersicht, welche Methoden und Therapieformen für die eingangs genannten Formen von Stress und Trauma empfehlenswert sind (siehe Formen von
Stress und Stresssymptome [Kap. 4] sowie Katastrophen, Traumatischer und Posttraumatischer Stress, Kumulatives Trauma, Sekundäre Traumatisierung [Kap. 5]. Bitte beachten
Sie, dass die Nennungen nicht ausschließend sind und andere Methoden ebenfalls geeignet
sein können.
82
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
Mögliche Beschwerden,
Befindlichkeiten und Störungen
Mögliche MaSSnahmen und/oder
Methoden zur Behandlung
Überbeanspruchung, erhöhter
und anhaltender Stress
•• Coaching und Beratung zur Analyse und
bewussten Wahrnehmung der stress­
auslösenden Faktoren
•• alle bewährten Entspannungsmethoden
inkl. Yoga und Achtsamkeit bzw. Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)
von Jon Kabbat-Zinn (in der Regel 4- bis
6-wöchige Kurse) [siehe Kap. 18.5 und
18.6]
Existentieller Übergangsstress
•• Wie bei Überbeanspruchung
•• Kurzpsychotherapie von z.B. 5-10
Sitzungen (tiefenpsychologisch oder
systemisch) kann nützlich sein, um die
situativ mobilisierten, biografischen
Inhalte und Ressourcen zu erkennen,
angemessen einzuordnen/zu bearbeiten und zu nutzen
Mit Katastrophen verbundener Stress
Traumatischer Stress
Posttraumatischer Stress und
Posttraumatische Belastungsstörung
Kumulatives Trauma durch Häufung
mehrerer Belastungssituationen
16
Folgen dieser Erfahrungen sind häufig
Posttraumatische Belastungsstörungen
(PTBS), die im akuten ebenso wie im
chronischen Stadium spezielle Trauma­
therapien erfordern:
•• Trauma-fokussierte kognitive
Verhaltenstherapie (KVT)
•• Tiefenpsychologische oder Analytische
Therapie
•• Systemische Therapie
•• Psychopharmaka als zusätzliche Hilfsmaßnahme und erste Krisenintervention
(Vorsicht Suchtgefahr!)
Stellvertretende/
Sekundäre Traumatisierung
•• Qualifizierte, d.h. auch mit Traumadynamiken vertraute Supervision
Zweittraumatisierung durch falsche/
unangemessene Reaktion der Umwelt
•• Diagnose dieser Situation durch
Fachleute und daran anschließende
Organisations- bzw. individuelle
Trauma-Beratung
83
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
16.2 Suche nach therapeutischer Hilfe
Einen Therapeuten, der von Ihrer Krankenkasse bezahlt wird, finden Sie in den Gelben Seiten oder im Telefonbuch Ihrer Region. Sie können sich auch bei Ihrer Krankenkasse erkundigen. Alle gesetzlichen und viele private Krankenkassen zahlen Ihnen übrigens eine geringe
Anzahl von Erprobungsstunden. Damit können Sie ausprobieren, ob Sie sich bei der jeweiligen Person gut aufgehoben fühlen. Erkundigen Sie sich ebenfalls bei Ihrer Krankenkasse.
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung werden alle Ärzte und alle jeweiligen niedergelassenen
Psychotherapeuten geführt, die durch die Krankenkassen finanziert werden. Im Internet
oder im Telefonbuch können Sie nach der Kassenärztlichen Vereinigung suchen, die für Ihre
jeweilige Region zuständig ist, und sich auf diesem Weg nach einem geeigneten Psychotherapeuten erkundigen.
Darüber hinaus sind niedergelassene Psychologische Psychotherapeuten in verschiedenen
Verbänden in Deutschland organisiert. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und
Psychologen hat z.B. den Psychotherapie Informationsdienst (PID) geschaffen, der bei der
Wahl eines geeigneten Psychotherapeuten oder Psychologen in Ihrer Region und mit dem
Hintergrund, den Sie brauchen, unterstützt. Entsprechende Informationen erhalten Sie
unter der Telefonnummer 030/209166330 (Deutschland) oder auf folgender Webseite:
> Psychotherapie Informationsdienst
Eine weitere Methode, ein geeignetes Gegenüber zu finden, ist es, bei Freunden sowie im
Bekanntenkreis um Rat zu fragen. Fragen Sie, wer welche Erfahrungen mit Therapeuten und
Therapien gemacht hat, wenn Sie sich mit diesem Weg wohl fühlen. Das kann dazu führen,
dass Sie jemanden finden, der oder die Ihnen ansonsten in Auflistungen und Tabellen nicht
aufgefallen wäre.
Schließlich gibt es noch ein Problem, das im Zusammenhang mit der Suche nach einem
geeigneten Therapeuten erwähnt werden muss: Es gibt fast ohne Ausnahme bei den Therapeuten, die von den Krankenkassen bezahlt werden, mehr oder weniger lange Wartezeiten.
Das liegt daran, dass in vielen Fällen der Bedarf größer als die Zahl der niedergelassenen
Therapeuten ist, die von den Kassen bezahlt werden. Das kann frustrierend sein, besonders
wenn Sie jemanden suchen, mit dem Sie sich gut und sicher fühlen möchten und sollen.
Geben Sie also nicht zu schnell auf oder überlegen Sie darüber hinaus, ob es für Sie möglich
wäre, eine geeignete Therapie oder Beratung außerhalb des Systems der Krankenkasse
durchzuführen.
84
Stress im Einsatz
Therapie und professionelle Hilfe bei Stress und Trauma
16
Experten des ZIF-Pools haben während eines Einsatzes die Möglichkeit, sich bei der Onlineplattform OnTheMoveOnline beraten zu lassen. Die Plattform richtet sich speziell an
Menschen, die im Ausland arbeiten. Dort wird psychosoziale Beratung in deutscher Sprache
angeboten. Die Betreiber der Plattform sichern dabei Anonymität zu. Das ZIF übernimmt die
Kosten für die Beratung. Im Rahmen eines Heimaturlaubs kann in Ausnahmefällen auch ein
persönliches Treffen vereinbart werden. Das Beratungsangebot von OnTheMoveOnline kann
jedoch keine psychotherapeutische Behandlung ersetzen.
Experten des ZIF-Pools können des Weiteren in den Einsatzgebieten vorhandene Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr aufsuchen, wenn Sie unter den Folgen von Stress leiden. Bei
größeren Einsatzkontingenten der Bundeswehr sind in der Regel auch Truppenpsychologen
vor Ort. Des Weiteren besteht in Deutschland auch für Zivilisten die Möglichkeit, sich stationär in den Schwerpunktkrankenhäusern der Bundeswehr für Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und andere psychosoziale Erkrankungen behandeln zu lassen. Diese Einrichtungen befinden sich in Berlin und Koblenz. Auch hier müssen Sie die Kostenübernahme für
die Behandlung vorab mit Ihrer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung klären.
16.3 Unterstützung und Nachsorge­
angebote der Bundesregierung
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK, Teil des Bundesinnen­
ministeriums) wurde nach dem 11.09.2001 gegründet und beherbergt unter seinem Dach
die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) im Bereich Krisenmanagement.
Hauptaufgabe von NOAH ist es, den Betroffenen eines Unglücksfalls oder Terroranschlags
sowie ihren Angehörigen eine akute und längerfristige psychosoziale Versorgung anzubieten
und die durch das Auswärtige Amt am Unglücksort veranlassten Betreuungsmaßnahmen im
Inland nahtlos fortzusetzen. Sie steht sowohl den Angehörigen bzw. weiteren nahestehenden Personen als auch den direkt Betroffenen nach deren Rückkehr nach Deutschland zur
Verfügung. Lesen Sie dazu bitte auch den Abschnitt Stress durch Sicherheitsvorfälle und
persönliche Verluste [Kap. 8.6].
Sie erreichen die Koordinierungsstelle NOAH durchgehend unter der (kostenlosen und
innerhalb Deutschlands gültigen) Telefonnummer 0800/1888433 oder unter der Telefonnummer 0049(0)228/995502444. Weitere Informationen sowie eine genaue Auflistung der
Angebote von NOAH finden Sie auf der Webseite des BBK:
> Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH)
85
17
Spiritualität und
Verhaltensänderungen
Neben den bereits aufgeführten Übungen, Anregungen und Maßnahmen möchten wir Sie
auf das Thema Spiritualität hinweisen. Manche Menschen finden Orientierung, Halt und
Kraft in Spiritualität. Dabei gibt es sehr individuelle Vorstellungen davon, welche Bedeutung
dies für den einzelnen Menschen hat.
Die Spiritualität des einzelnen Menschen orientiert sich nicht unbedingt an einer speziellen
Glaubensrichtung oder Religion. Spirituelle Betrachtungsweisen der Welt und der Menschen
beinhalten oft ein eigenes Wertesystem und bieten damit eine Art Richtschnur für das
eigene Verhalten. Darüber hinaus schaffen sie für manche Menschen Sinn und Bedeutung.
Deswegen kann eine spirituelle Grundhaltung sehr bei der Bewältigung eines Traumas helfen, auch wenn diese mitunter gerade durch das Trauma erschüttert werden kann. Spiritualität hilft Menschen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen. Sie kann
dabei helfen, sich mit der Welt und mit anderen Menschen (wieder) verbunden zu fühlen
und sich unterstützende Kontakte und ein Netzwerk zu schaffen. Darüber hinaus unterstützt
eine spirituelle Haltung Menschen dabei, sich gut zu behandeln, ein gesundes Leben zu führen und sogar dabei, den Tag durch eine gewisse Routine zu strukturieren. Schließlich kann
das Sinnhafte, das oft mit der Spiritualität verbunden ist, dabei helfen, nicht alles kontrollieren zu wollen, und sich so mehr dem Leben hinzugeben.
Oft wird Spiritualität durch die Einhaltung religiöser Riten, Gebete, Meditationen oder den
Glauben an eine höhere Macht ausgedrückt. Sie kann sich aber auch durch Natur, Musik,
Kunst oder eine weltliche Gemeinschaft äußern. Spiritualität kann also für jeden etwas
anderes bedeuten.
Spiritualität kann sehr hilfreich in der Reduzierung von Stress sein und sich insgesamt positiv auf die Gesundheit auswirken (1).
Falls Sie in eine Glaubensgemeinschaft eingebunden sind, kann es für Sie gut und wichtig
sein, zu dieser Gemeinschaft während Ihres Auslandsaufenthaltes Kontakt zu halten.
Mehr zum Thema
(1) Spiritualität und Stressmanagement
86
18
Entspannungsübungen für
Körper, Geist und Seele
Für Entspannungsübungen empfiehlt es sich, jeden Tag eine bestimmte Zeit einzuplanen.
Fangen Sie mit 5-10 Minuten täglich an und steigern Sie die Zeit, wenn möglich. Probieren
Sie verschiedene Übungen aus, bis Sie eine finden, die Ihnen Spaß macht und Sie entspannt. Am besten beginnen Sie den Tag direkt mit Ihrer Lieblings-Entspannungsübung.
Falls Sie diese Übungen lieber unter Anleitung lernen, besuchen Sie vor Ihrer Abreise noch
einen Kurs an der Volkshochschule o.ä. Viele Krankenkassen bieten Teilfinanzierungen für
Entspannungskurse an.
Bitte beachten Sie, dass Sie Entspannungsübungen sorgsam ausführen und Ihren Körper
gut dabei beobachten. Falls Sie Gesundheitsprobleme haben, klären Sie bitte mit Ihrem
Arzt, welche Übungen Sie vermeiden sollten.
18.1 Autogenes Training
Das Autogene Training wurde in den 1920er Jahren von dem Berliner Psychiater Dr. med.
Johannes H. Schultz entwickelt und hat sich seitdem als eine höchst wirkungsvolle Methode
durchgesetzt.
Der Begriff autogen kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Worten autos
(selbst) und genos (Enstehendes, Werdendes) zusammen. Dementsprechend bedeutet
Autogenes Training ein aus sich selbst heraus entstehendes Üben. Dieses Üben dient dazu,
Entspannung zu erlernen und somit einen Ausgleich für das vegetative Nervensystem zu
schaffen.
Das Autogene Training besteht aus Übungen, die darauf abzielen, sich innerlich mehr und
mehr zu lösen. Das Training wird vor allem bei Belastungen angewendet, die mit psychischen Beschwerden einhergehen, wie z.B. Depressionen, chronische Schmerzen, Schlaf­
störungen, Unruhe, Burnout, Bluthochdruck, Phobien, Migräne und Kopfschmerzen.
In einigen Fällen sollte Autogenes Training nicht angewendet werden: akutes Asthma,
akutes Muskelrheuma, akute entzündliche Gelenkerkrankungen (Arthritiden), akute
Migräne, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige psychische Störungen, beispielsweise Zwangsstörungen und bestimmte Formen der Schizophrenie (Litzke, Schuh, Pletke
2013: 89).
87
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Der Organismus und damit auch der Körper können auf die unterschiedlichste Art und
Weise von Autogenem Training beeinflusst werden. Positive Effekte sind u.a.:
•• Erholung und Entspannung;
•• Entwicklung einer sensiblen Körperwahrnehmung und einer gelassenen
Grundhaltung;
•• Leistungs- und Gedächtnissteigerung;
•• Selbstbeherrschung (Essen, Alkohol, Rauchen);
•• Verbesserung psychosomatischer Beschwerden wie Kopfschmerzen und
Verdauungsstörungen;
•• Schutz gegen unspezifische Stressbelastungen.
Im Allgemeinen gibt es im Autogenen Training sieben Übungsschritte:
••
••
••
••
••
••
••
Ruhetönung (Konzentration);
Schwereübung (Muskelentspannung);
Wärmeübung (verbesserte Durchblutung);
Atemübung (Beruhigung des Atems);
Herzübung (Beruhigung des Herzschlags);
Sonnengeflechtsübung (bessere Durchblutung);
Stirnkühlung (Steigerung der Konzentrationskraft).
Autogenes Training kann sitzend, liegend oder in der sogenannten Droschkenkutscherhaltung gemacht werden. Probieren Sie aus, welche Haltung am angenehmsten für Sie ist und
schließen Sie für die Übung die Augen.
Autogenes Training ist eine sehr wirksame Methode zum Stressabbau. Allerdings dauert es
zwei bis drei Monate bei einem täglichen Übungsaufwand von 30 Minuten, diese Technik zu
erlernen.
Verschiedene Übungen finden Sie auch unter diesem Link:
> Psychotherapeutisches Institut Bergerhausen
88
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
18.2Klopf-Akupressur
Diese einfache Entspannungsmethode – auch Emotional Freedom Technique (EFT) genannt – kann Ihnen dabei helfen, innerhalb von Minuten ruhiger und gelassener zu werden.
Die Methode basiert auf dem Prinzip der Akupressur und auf den Energiemeridianen der
Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Die Grundannahme ist, dass negative Gefühle
das Energiesystem des menschlichen Körpers unterbrechen. Klopf-Akupressur soll diese
Blockaden auflösen und führt so zu Entspannung und Wohlbefinden.
Übung
Die Vorgehensweise ist einfach: Sie beklopfen in einer bestimmten Reihenfolge sanft die Meridianpunkte Ihres Körpers und denken an Ihr Problem,
wie z.B. Stress, Nervosität, Bedrücktheit, Frustration, oder sprechen es
aus. Schon nach wenigen Minuten spüren Sie sich entspannter und gelassener.
•• In einem ersten Schritt wählen Sie eine Zahl auf der Skala von 1 (kaum
belastend) bis 10 (extrem belastend) um zu definieren, wie belastend Ihr
Problem (z.B. Stress) für Sie ist.
•• Danach beginnen Sie mit dem leichten Klopfen des Handkante-Punktes
(Außenseite einer Hand, die andere Hand klopft) und sagen den Einleitungssatz: „Obwohl ich (dieses Problem, z.B. extremen Arbeitsstress)
habe, akzeptiere ich mich so, wie ich bin“.
•• Atmen Sie tief ein und aus und wiederholen Sie diesen Satz noch zweimal,
während Sie weiter klopfen.
•• Danach beginnen Sie den folgenden Klopfkreislauf: Klopfen Sie mindestens sieben mal sanft auf Ihre Kopfkrone, auf die Stirn direkt über den
Augenbrauen, auf die Schläfen, unter den Augen (auf den Knochen der
Augenhöhle), zwischen Nase und Lippe, zwischen Lippe und Kinn, auf Ihr
Schlüsselbein und eine Handbreit unter der Achselhöhle.
•• Während Sie klopfen, beschreiben Sie Ihr Problem. Für Stress könnten
Sie denken oder sagen: „Dieser Arbeitsstress, der mir den Schlaf raubt …
der mich nervös macht … den ich in meinem Magen spüre … den ich nicht
loswerde … der mich auslaugt etc.“ Versuchen Sie auch zu spüren, wo und
wie sich Ihr Problem in Ihrem Körper wiederspiegelt.
•• Nach 2–3 Klopfrunden halten Sie an und atmen tief ein und aus.
•• Gehen Sie zurück zur Anfangsskala (von 1–10) und sehen Sie, inwiefern
sich Ihre ursprüngliche Zahl geändert hat und ob und wie Sie sich gelöster
und entspannter fühlen.
89
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Mehr Informationen, Anleitungen und YouTube-Videos zu EFT finden Sie
unter:
> Emotional Freedom Techniques
18.3 Progressive Muskelentspannung
Die progressive Muskelentspannung nach Edmund Jakobson ist ein Verfahren, bei dem Sie
durch die bewusste An- und Entspannung bestimmter Muskelgruppen einen Zustand tiefer
Entspannung des ganzen Körpers erreichen können. Dabei werden einzelne Muskelpartien in einer bestimmten Reihenfolge zunächst angespannt, die Muskelspannung wird kurz
gehalten, und anschließend wird die Spannung gelöst.
Diese Übung kann neben allgemeiner Entspannung auch zur Verbesserung von körperlicher
Unruhe, z.B. Herzklopfen, Schwitzen oder Zittern oder auch Spannungskopfschmerz oder
Ängsten führen. Oft führt diese Übung zu einem Wärmegefühl, entspannter Schwere und
Müdigkeit. Um die progressive Muskelentspannung erfolgreich durchzuführen, sollten Sie
eine Übungszeit von 20 Minuten täglich über mehrere Wochen einplanen.
Wir empfehlen Ihnen, den folgenden Übungstext vorab zu lernen, so dass Sie die Übung
nicht unterbrechen müssen, um die nächsten Schritte nachzulesen. Denken Sie beim Ausführen an die Pausen für die Anspannung und Entspannung. Die Anspannungsphase sollte
ungefähr 5-10 Sekunden dauern und die Entspannung etwa doppelt so lange. Nacheinander
werden angespannt und entspannt: Hände und Unterarme, Oberarme, Gesicht, Schultern,
Nacken, Rücken, Brust, Bauch, Gesäß, Beine (Litzke, Schuh, Pletke 2013: 81-89).
90
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Übung
Die Grundübung der
progressiven Muskeltentspannung
(Davis et al. 2008: 44):
Machen Sie es sich in einem ruhigen Raum bequem. Sie können die
Übungen im Sitzen oder Liegen durchführen. Tragen Sie lockere Kleidung
und ziehen Sie die Schuhe aus. Nehmen Sie ein paar lange Atemzüge und
beginnen Sie sich zu entspannen. Führen Sie die Übung, wenn möglich,
zwei Mal für jedes Körperteil durch.
Ballen Sie nun Ihre Fäuste fester und fester… fühlen Sie die Spannung…
entspannen Sie sich und fühlen Sie Ihre entspannten Hände und
Unter­arme… (wiederholen Sie diese und alle folgenden Übungen
mindestens einmal).
Beugen Sie jetzt Ihren Ellbogen an und spannen Sie die Muskeln so fest
Sie können… lassen Sie locker und nehmen Sie die Entspannung wahr.
Wenden Sie sich jetzt Ihrem Kopf zu und runzeln Sie Ihre Stirn so stark
wie möglich… halten Sie die Spannung und lassen dann locker… spüren
Sie die Entspannung… Stellen Sie sich vor, wie Ihr ganzer Kopf locker und
ruhig ist.
Jetzt kneifen Sie die Augen zusammen und rümpfen die Nase… lassen Sie
los und fühlen Sie, wie sich die Augenbrauen glätten… entspannen Sie Ihre
Augen und lassen Sie sie geschlossen.
Öffnen Sie jetzt Ihren Mund so weit wie möglich und spüren Sie die Spannung… entspannen Sie den Mund… fühlen Sie die Öffnung zwischen den
entspannten Lippen.
Pressen Sie jetzt die Zunge gegen den Gaumen… fühlen Sie die Spannung
im Mund… entspannen Sie Ihren Mund.
Spitzen Sie jetzt Ihre Lippen zu einem „O“… entspannen Sie Ihre Lippen.
Fühlen Sie die Entspannung Ihres Kopfs, Mundes, der Augen, Nase,
Lippen… lassen Sie alles los.
Rollen Sie Ihren Kopf langsam von einer Seite zur anderen… fühlen Sie
die Spannung… lassen Sie den Kopf in eine bequeme aufrechte Position
zurück kommen.
91
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Schütteln Sie jetzt Ihre Schultern und ziehen Sie die Schultern an die
Ohren… halten Sie die Schultern… lassen Sie die Schultern fallen und
fühlen Sie die Entspannung in Ihrem Rücken, in Hals und Schultern… tiefe
Entspannung.
Atmen Sie jetzt tief in Ihre Lungen ein… halten Sie den Atem… fühlen Sie
die Spannung… atmen Sie aus und lockern Sie Ihre Brust… atmen Sie frei
und entspannt.
Spannen Sie Ihren Bauch an und nehmen Sie die Spannung wahr… entspannen Sie sich… legen Sie Ihre Hände auf den Bauch und atmen Sie tief
ein… spüren Sie, wie sich Ihre Hände heben… nehmen Sie wahr, wie die
Luft Ihren Bauch verlässt.
Machen Sie einen leichten Buckel… der restliche Körper sollte entspannt
sein… konzentrieren Sie sich auf die Spannung im unteren Rücken… entspannen Sie sich.
Spannen Sie das Gesäß an… entspannen Sie sich und fühlen Sie den
Unterschied.
Spannen Sie jetzt die Beine an und ziehen Sie die Zehen an… fühlen Sie
die Spannung… entspannen Sie sich und lassen Sie alles locker.
Fühlen Sie die angenehme Wärme und Schwere von tiefer Entspannung
in Ihrem Körper, während Sie ruhig und tief weiter atmen… gehen Sie in
Gedanken durch Ihren Körper und lassen Sie die letzte Spannung los…
entspannen Sie die Füße, die Fußgelenke, die Waden, Unterschenkel,
Knie, Oberschenkel, Gesäß, Bauch, Unterrücken, Brust… lassen Sie alles
gehen… fühlen Sie die Entspannung in Ihren Schultern und Armen und
Händen… tiefer und tiefer… fühlen Sie das Gefühl von Gelöstheit in Ihrem
Hals, Kiefer, Kopf… atmen Sie weiterhin langsam und tief ein und aus…
Ihr gesamter Körper ist entspannt, ruhig und gelassen.
92
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
18.4Meditation
Meditation ist eine alte spirituelle Praxis, die in vielen, vor allem asiatischen Regionen und
Kulturen und seit einigen Jahren zunehmend in westlichen Regionen ausgeübt wird. Ziel von
Meditation ist es, den Geist und die Gedanken für einige Zeit zur Ruhe kommen zu lassen.
Dabei werden in verschiedenen Übungen Konzentration und Achtsamkeit eingeübt, damit
der Meditierende sich möglichst im Hier und Jetzt fühlen lernt (1).
Meditation kann einen religiösen Zweck haben, wird aber in westlichen Kulturen primär als
eine Methode der Entspannung genutzt und hat deswegen oft nichts mit Esoterik, Glaube
und Religion zu tun. Die Technik der Meditation wird von entsprechend autorisierten Lehrern vermittelt und steht jedem offen, der sie lernen möchte.
Meditation stellt auch das Gegenstück zu dem im Westen oft als besonders effizient
angesehenen Multitasking dar. Viele Menschen halten sich und andere für besonders
effizient, wenn sie scheinbar mehrere Dinge und Aufgaben gleichzeitig lösen können.
Forschungsergebnisse zeigen jedoch zunehmend, dass Multitasking eine Quelle für viele
Fehler und für Stress ist, da das Gehirn niemals simultan, sondern immer sukzessiv
arbeitet (Schwab in taz 28.02.2014).
Durch Meditation wird das vegetative Nervensystem aktiviert und wieder in Balance
gebracht. Dadurch reguliert sich oft zum Beispiel die Verdauung, der Blutdruck, der Herzschlag und das Neurotransmittersystem zur Ausschüttung der Stresshormone. Dies hat
wiederum viele Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden und die körperliche
Gesundheit (2, 3).
Diese Ergebnisse und Ausführungen sind nur ein Bruchteil dessen, was die Forschung in
den letzten Jahrzehnten über die Wirkung von Meditation herausfinden konnte. Wenn Sie
daran interessiert sind, mehr über die positive Wirkung von Meditation herauszufinden,
klicken Sie auf den folgenden Link:
> I Need Motivation – 100 Benefits of Meditation
In der Realität ist es leider so, dass wir Menschen häufig mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen müssen und dabei zusätzlich noch äußeren Reizen und Eindrücken ausgesetzt sind,
die wir stets verarbeiten. Dies gilt in stärkerem Maße auch für einen Auslandseinsatz.
93
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Übung
Wenn Sie merken, dass Sie einen Moment Pause brauchen und zur Ruhe
kommen wollen, empfehlen wir Ihnen folgende kleine Übung:
1. Schließen Sie die Augen.
2. Achten Sie darauf, wie schnell und mit welcher Intensität die Gedanken
durch Ihren Kopf schießen.
3. Versuchen Sie diesen Gedankenfluss genauso an sich vorbei fließen zu
lassen, wie ein Fluss, der an Ihnen vorbei zieht.
Ihr Geist vollzieht seine originäre Aufgabe: Er denkt. Bei Stress haben wir mitunter den
Eindruck, in einem großen Strom der Gedanken unterzugehen. Damit das nicht passiert,
ist es sinnvoll, die Gedanken kommen und gehen zu lassen und sich davon zu distanzieren.
Dadurch entsteht ein gewisser Abstand zwischen Ihnen und den vielen Stress erzeugenden
Gedanken. So kommt der Geist zur Ruhe und kann sich wieder konzentrieren, statt sich von
den vielen Gedanken überwältigt zu fühlen. Sie sind dann mehr als Ihre Gedanken. Häufig
schafft dieses Vorgehen Kraft und mehr Gelassenheit, besonders bei regelmäßiger Anwendung.
Bei vielen Meditationsarten sitzen die Meditierenden still da und versuchen, sich auf ein
Wort, einen Satz, ihren Atem oder etwas anderes zu konzentrieren. Es gibt aber auch
die Form der stehenden oder der gehenden Meditation. Dabei konzentriert der oder die
Meditierende sich auf das Gehen, auf seine Füße und auf die Muskeln, die dabei gebraucht
werden. Am besten versuchen Sie auch hier herauszufinden, was für Sie geeignet ist. Geben
Sie nicht zu schnell auf, Meditation muss gelernt werden und braucht deswegen Zeit und
regelmäßiges Üben. Es kann auch sein, dass Sie das Meditieren zunächst als schwierig
empfinden, weil Ihnen Ihre Gedanken und die Belastung durch diese zum Beispiel erst
einmal richtig bewusst werden. Das ist im Grunde ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass
Sie anfangen sich, mit den für Sie relevanten Themen auseinander zu setzen. Machen Sie
einfach weiter und lassen Sie Ihre Gedanken fließen, ohne sich mit Ihnen zu identifizieren.
Weiterführende Links und Dateien zum Thema Meditation finden Sie in unserer Liste
Einzelne Themen [Kap. 22.3].
Mehr zum Thema
(1) Spirituelle Lebensberatung
(2) Heilsame Entspannung
(3) Bluthochdruck: Meditation statt Medikation
94
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
18.5Achtsamkeit
Achtsamkeit unterscheidet sich von der Meditation dadurch, dass einige Aspekte der Jahrtausende alten Meditation in eine Form gebracht wurden, die für Menschen unserer Zeit oft
leichter zugänglich ist. Achtsamkeit kann im Grunde ohne große Anstrengungen von jedem
Menschen durchgeführt werden und erfordert nicht die strenge Disziplin, die bei manchen
anderen Meditationspraktiken zu finden ist.
Achtsamkeit meint eine absichtlich herbeigeführte Qualität des menschlichen Bewusstseins, die sich aufmerksam auf den gegenwärtigen Moment, auf die kurze Zeitspanne zwischen Vergangenheit und Zukunft bezieht. Dabei zählt nur die Wahrnehmung dessen, was
gerade ist. Mit dieser Wahrnehmung ist keine Bewertung der Situation oder der Beteiligten
an dieser Situation verbunden, sie ist im Gegenteil frei von jeder Bewertung (Kabat-Zinn in
General Hospital Psychiatry 1982: 33–47).
Dieser Bewusstseinszustand kann dazu führen, dass unwillkürliche und seit langem gewohnte Reaktionen auf äußere Ereignisse und eigenes Erleben abnehmen und stattdessen das
eigene Handeln der jeweiligen Situation angemessener und bewusster wird (1).
Der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn entwickelte 1979 aus Meditationspraktiken des
Buddhismus ein Programm zur Stressbewältigung, das auf Deutsch Stressbewältigung durch
Achtsamkeit heißt (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR). Dieses Programm wird
mittlerweile in vielen Kursen und Trainings gelehrt. Die Kosten für die Teilnahme werden
teilweise von den Krankenkassen übernommen. Wenn Sie bei einem erfahrenen Achtsamkeits-/Meditationslehrer lernen möchten, erkundigen Sie sich nach Übungsgruppen und
Schulen in Ihrer Stadt. Sollten Sie in Ihrer Umgebung keine entsprechende Schule finden,
können Sie Seminare oder Workshops besuchen, die von Meditationsschulen in ganz
Deutschland angeboten werden (1). Im unten stehenden Link zu arbor finden Sie einen
Einführungstext in die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, der von Jon Kabat-Zinn selbst
verfasst wurde:
> arbor – Was Achtsamkeit ist
Auf der folgenden Webseite wird Ihnen die Form der Vipassana-Meditation – eine Achtsamkeitsmeditation – ausgiebig erklärt (in englischer Sprache):
> Vipassana Dhura Meditation Society – What Is Vipassana?
95
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Auf dieser Webseite finden Sie Anleitungen (ebenfalls in englischer Sprache), die Ihnen
Schritt für Schritt neun verschiedene Achtsamkeits-Meditationsübungen nahe bringen. Des
Weiteren wird hier erklärt, was es zum Beispiel bedeutet, achtsam zu essen und wie Sie
mit häufig auftretenden Problemen während einer Meditation umgehen können, wie zum
Beispiel abschweifenden oder wandernden Gedanken, Schläfrigkeit, unangenehme Gedankenbilder oder unangenehme Emotionen.
> Vipassana Dhura Meditation Society – How to Meditate
Achtsamkeit als Programm wird, so wie auch die Meditation, in manchen Kliniken und
Therapien bei der Burnout-Therapie und bei Posttraumatischen Belastungsstörungen
angewendet. Diese Programme beinhalten Körperwahrnehmungsübungen, Yogastellungen,
Sitz- und Gehmeditationen, Atemübungen und Übungen zur Achtsamkeit im alltäglichen
Leben. Wichtig bei allen Übungen ist die schon beschriebene wertfreie Wahrnehmung von
allem, was passiert und was der Ausübende wahrnimmt. Das Achtsamkeitsprogramm wirkt
sich positiv auf den gesamten Organismus (Körper, Geist und Psyche) aus und wird deshalb
vielfältig angewandt. Die wertfreie Achtsamkeit für das, was wahrgenommen wird, ist kein
suggestives oder autosuggestives Verfahren, wie es zum Beispiel das Autogene Training
[Kap. 18.1], das Positive Denken oder das Mentale Training sind (2).
In unserer Liste Weiterführende Literatur [Kap. 22.3] finden Sie Literatur zum Thema Achtsamkeit und Links zu einigen Webseiten, auf denen Seminare und Veranstaltungen angeboten werden. Außerdem finden Sie dort einen Link zu einer Audiodatei sowie verschiedene
weiterführende Links zu diesen Themen.
Mehr zum Thema
(1) Was ist Achtsamkeit
(2) Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion
96
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
18.6Yoga
Auch Yoga ist eine Praxis für Körper, Geist und Psyche. Yoga umfasst Dehnübungen, kon­
trolliertes Atmen und Entspannung. Yoga kann Stress reduzieren, den Blutdruck senken, die
Funktion des Herzens verbessern und führt somit zu mehr Ausgeglichenheit und Energie.
Ein großer Vorteil von Yoga ist, dass es von fast jedem Menschen ausgeübt werden kann,
denn es gibt verschiedene Arten und Intensitätslevel, die Sie an Ihr eigenes körperliches
Befinden anpassen können. Falls Sie Beschwerden oder Bedenken haben, sollten Sie sich
mit einem Arzt bzw. Physiotherapeuten beraten, bevor Sie mit dem Yoga beginnen.
Die meisten Menschen können jedoch von jeder Art des Yoga profitieren, denn – wie bei
anderen Entspannungstechniken auch – kommt es auf die eigenen Vorlieben und Wünsche
an (1).
Für Stressmanagement ist die Form des Hatha Yoga gut geeignet. Hatha Yoga ist eine der
am meisten praktizierten Formen von Yoga und ist vor allem bei Anfängern beliebt, da es
langsame, schonende und meditative Bewegungen beinhaltet. Es schließt Körperübungen,
Atemübungen, Tiefenentspannung und Meditation ein. Im weitesten Sinne umfasst es auch
gesunde Ernährung und eine Form des positiven Denkens.
Beim Hatha Yoga werden Yogaposen, die Asanas, geübt. Manche dieser Asanas sind körperlich fordernd, andere werden bei körperlicher Entspannung durchgeführt. Zusätzlich werden
Atemübungen durchgeführt, um den eigenen Atem zu kontrollieren und dadurch den Geist
zu beruhigen (2).
Yoga kann Stress reduzieren und ihm vorbeugen, da es das vegetative Nervensystem
beeinflusst, welches für die autonomen Körperprozesse verantwortlich ist. Das vegetative
Nervensystem umfasst den Sympathikus, der für schnelle Reaktionen und für viele Erregungsprozesse des Körpers zuständig ist. Der Parasympathikus ist für die Entspannung und
für die Beruhigung verantwortlich. Beim Umgang mit Stress ist das Wechselspiel zwischen
Parasympathikus und Sympathikus entscheidend, da dies bei starkem und/oder langanhaltendem Stress häufig aus der Balance gerät. Das regelmäßige Ausüben von Yoga kann dabei
unterstützen, dass sich die Herztätigkeit verlangsamt, dass der Schlaf tiefer und entspannter wird und dass sich dadurch wieder Energie aufbaut. Die regelmäßigen Atemübungen
beeinflussen oft die Atmung in stressreichen Situationen positiv, da Übende lernen, tiefer
zu atmen und damit schnell zu entspannen (3).
97
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
Yogaübungen sind sehr gut geeignet, da jeder Mensch sie entsprechend des individuellen
Körperbaus, Konstitution und Dehnungsfähigkeit durchführen kann. Es kommt nicht darauf
an, sie möglichst perfekt durchzuführen. Vielmehr sollten sie so verwirklicht werden, dass
sie genau für denjenigen geeignet sind, der sie anwendet. Erst dann können die Übungen
ihre gute Wirkung entfalten. Es ist auch nicht nötig, eine sehr große Anzahl von Yogaübungen zu beherrschen. Viel besser ist es, vor allem diejenigen durchzuführen, die zu Ihnen
passen. Das finden Sie heraus, indem Sie die Übungen ausprobieren und schauen, welche
Ihnen eine gewisse Leichtigkeit, Gesundheit und innere Stabilität verschaffen, so dass Sie
diese regelmäßig ausführen möchten (Dalmann und Soder 2009).
Yogaübungen können auf einer Yogamatte oder auf jedem anderen rutschfesten Untergrund
ausgeführt werden. Tragen Sie dazu bequeme Kleidung und keine Schuhe. Empfehlenswert
ist ein ruhiger, ungestörter Ort, der genügend Platz für die einzelnen Übungen bietet.
In vielen Städten gibt es auch Yogalehrer und Yogaschulen. Mitunter werden Kurse von den
Krankenkassen bezuschusst. Wenn Sie sich einen Überblick über verschiedene Yogaübungen und über die Art der Ausführung verschaffen möchten, finden Sie hier einige Videos
unter den angegebenen Links.
> Yoga Übungen für Anfänger – mit Sonnengruß, Atemtechnik und Entspannung (29 Min.)
> Yoga für Anfänger (20 Min.)
> Yogastunde für vollständige Anfänger (56 Min.)
> Yogatherapie: Angst und Unsicherheit – Entspannen und Kraft tanken mit Hatha Yoga
(78 Min.)
> Yoga for stress management (6,5 Min., Englisch)
Mehr zum Thema
(1) Yoga für Anfänger
(2) Stressmanagement
(3) Wirkungen von Yoga
98
Stress im Einsatz
Entspannungsübungen für Körper, Geist und Seele
18
18.7 Tai Chi
Tai Chi ist eine alte chinesische Innere Kampfkunst (auch als Schattenboxen übersetzt).
Sie wird oft als Bewegungsmeditation bezeichnet, da sie mit absoluter Konzentration und
innerer Ruhe ausgeübt wird. Tai Chi wird in China schon lange zur Prävention und zur Unterstützung des Heilungsprozesses eingesetzt und ist ein wesentlicher Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Dieser Ansatz geht davon aus, dass die Lebenskraft
oder Lebensenergie Chi eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit und die innere Entwicklung des Menschen spielt. Die innere Ruhe, die während der Tai Chi-Übungen hervorgerufen
wird, fördert nach Ansicht der Traditionellen Chinesischen Medizin den Fluss dieser Lebensenergie und erhält und verbessert somit die Gesundheit (1).
Zu den Vorteilen des Tai Chi gehört, dass es nahezu jeder praktizieren kann, denn die Übungen belasten die Muskeln und Gelenke nur minimal. Damit ist sie für alle Altersgruppen
und Fitnesslevel zugänglich. Zudem ist keine besondere Ausrüstung nötig, um die Übungen
auszuführen, und sie können an fast jedem Ort praktiziert werden.
Eine Vielzahl an Studien deutet darauf hin, dass Tai Chi Stress maßgeblich reduziert und
das Wohlbefinden erhöht. Durch die langsamen, fließenden und achtsamen Bewegungen,
kontrolliertes Atmen und die Konzentration, die damit verbunden ist, kann sich der Geist
beruhigen und Spannungen können sich lösen.
Neben den klassischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Stress, Schulter- und Nackenverspannungen, scheint sich Tai Chi auch positiv auf Beschwerden wie Arthritis, Asthma,
Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Migräne, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkschmerzen,
Rheuma, Tinnitus, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Osteoporose auszuwirken. Des Weiteren wirkt Tai Chi positiv auf das Gleichgewichtsgefühl, die Verdauung sowie
das Nerven- und Immunsystem.
Die Grundlagen des Tai Chi können Sie im Selbststudium durch Bücher, Videos oder OnlineAngebote erlernen. Um Tai Chi ernsthaft zu praktizieren, ist es jedoch empfehlenswert,
sich einen ausgebildeten Lehrer zu suchen. Die folgenden Links bieten Ihnen einen guten
Überblick, wie Sie Tai Chi am besten im Selbststudium erlernen können und worauf Sie bei
der Wahl einer Schule und eines Lehrers achten sollten. Außerdem finden Sie hier Tipps für
Videos und Bücher, mit denen Sie Ihr Selbststudium bereichern können:
> Taiji Europa – Tai Chi im Selbstudium
> Tai Chi (Video – 1:18 Min.)
> Schulen- und Lehrerliste des Tai Chi Forums Deutschland
Mehr zum Thema
(1) Taiji Europa
h
99
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M
Weiterbildung und Hilfe
zur Selbsthilfe bei Stress
und Trauma
19
Eine internetbasierte Selbsthilfe, bei der sich Menschen mit einem gemeinsamen Problem
austauschen können, wird unter dem folgenden Link beleuchtet. Die Orientierungshilfe
enthält auch Hinweise zum Thema Datenschutz:
(
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> Nakos – Internetbasierte Selbsthilfe, Eine Orientierungshilfe
Eine weiterer Weg zur Selbsthilfe können bestimmte Techniken und Methoden aus dem
STAR-Training (Strategies for Trauma Awareness and Resilience) sein. STAR integriert Ansätze aus der Hirnforschung, Pädagogik, Psychologie, Friedensarbeit, Konflikttransformation
und Restorative Justice und hebt den Zusammenhang zwischen unverarbeitetem Traum und
Gewaltkreisläufen hervor. Mehr Informationen zum STAR-Programm finden Sie unter:
> Eastern Mennonite University –
Strategies for Trauma Awareness and Resilience (STAR)
Die international tätige Organisation medico international beschäftigt sich auf sehr umfassende und tiefgehende Weise mit dem Thema Trauma. Dies wird oft im gesellschaftlichen
und globalen Zusammenhang betrachtet. Medico international bietet immer wieder Workshops oder zum Beispiel Ringvorlesungen in Zusammenarbeit mit der Goethe Universität
Frankfurt zum Thema an.
> medico international
Ferner empfehlen wir zwei weitere Organisationen, die sich mit dem Thema Stress und Belastung für Menschen beschäftigen, die in der Entwicklungshilfe oder in Auslandsmissionen
arbeiten. Beide Organisationen bieten hilfreiche Informationen und teilweise Webinars an:
> Headington Institute in Kalifornien, USA
> Antares Foundation, Niederlande
100
20
Hilfe und Verantwortung
für andere
Traumatische Erfahrungen wie Unfälle, Raubüberfälle, Katastrophen, Kriege, Terrorakte, Entführung, Vergewaltigung und Misshandlung sind immer einschneidende Lebenserfahrungen,
die in einem Menschen Reaktionen auslösen können, mit denen weder er noch seine Umwelt vorher gerechnet hätten. Wie schon vorher beschrieben, kann sowohl das Miterleben
als auch das Beobachten solcher und anderer tief erschütternder Ereignisse sehr belastend
sein. Genauso kann eine andauernde, zu hohe und entgrenzte Erwartung an die Leistungs­
fähigkeit eines Menschen diesen erschüttern und verändern.
Manchmal aktivieren Menschen Selbstheilungskräfte, die dazu führen, dass sie ihre
Erlebnisse und Erfahrungen im Laufe der Zeit verarbeiten. Die Menschen, denen das nicht
gelingt, entwickeln Belastungsreaktionen und sind unter anderem in Bezug auf ihre Arbeitsleistung (vorübergehend) nicht mehr so leistungsfähig, wie sie einmal waren.
Es ist wichtig, davon betroffene Menschen nicht alleine zu lassen, sondern sie zu unter­
stützen.
Wenn Sie Führungskraft sind, ist es sehr hilfreich für Ihre Organisation und für Ihre Mitarbeiter, wenn Sie mit gutem Beispiel vorangehen. Wir empfehlen Ihnen deswegen, sich in
den Bereichen Stress und extreme Belastung fortzubilden. Sie können dann andere besser
unterstützen, wenn das nötig ist. Suchen Sie sich auch für sich selbst Menschen, die Ihnen
Unterstützung geben können, wenn Sie es brauchen (Litsch und Novoa 2002: 63).
101
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
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20.1 Was kann ich für traumatisierte
Menschen tun?
Zunächst möchten wir Ihnen einen kurzen Hinweis dazu geben, was Sie machen können,
wenn ein Mensch starke Stressreaktionen zeigt, weil er eine extrem belastende Situation
erlebt, überlebt oder als Zeuge beobachtet hat.
Erste Hilfe
Sie können eine Erste Hilfe nach belastenden Erlebnissen leisten, wenn
noch keine andere (professionelle) Hilfe oder Unterstützung verfügbar
oder anwesend ist:
•• Bringen Sie die Person zunächst in Sicherheit oder möglichst weg von
der belastenden Situation. Bleiben Sie bei ihr und erklären Sie, dass die
Situation nun vorbei ist. Machen Sie das auch dann, wenn die betroffene
Person immer wieder davon spricht oder auf besondere Momente des
Erlebnisses hinweist. Lassen Sie sich nicht darauf ein, lange über das
Ereignis zu sprechen.
•• Stellen Sie klar, dass die Situation jetzt vorbei ist. Erklären Sie, wo Sie
sich jetzt zusammen mit der Person befinden, welcher Tag es ist, welche
Uhrzeit etc.
•• Falls Sie das Gefühl haben, dass es stimmig ist, oder falls die Person es
Ihnen erlaubt, können Sie ihr vorsichtig auf den Rücken und auf die Oberarme klopfen. Das kann dabei helfen, dass der Mensch seine körperlichen
Grenzen wieder spürt und damit etwas Kontrolle über sich erhält. Prüfen
Sie, ob die Person weitere körperliche Berührungen möchte oder nicht.
Verlassen Sie sich dabei auf Ihr Gefühl. Nehmen Sie eventuell eine Decke
und legen diese über den Rücken der Person. Sie können dann auf der
Decke die Klopfbewegungen ausführen.
•• Erklären Sie, dass Sie da sind und dass Sie da bleiben werden. Halten
Sie die Stressreaktionen des Gegenübers aus und erklären Sie ihm, dass
diese Reaktionen völlig normal sind.
•• Klären Sie dann im Verlauf mit der Person, was diese machen kann, wie
sie sich in den nächsten Stunden und Tagen gut behandeln kann und wer
sie dabei unterstützen kann. Sorgen Sie also dafür, dass die nächsten
Stunden und Tage so geplant werden, dass die Person nicht völlig sich
selbst überlassen bleibt und dass sie, falls sie das möchte, jemanden hat,
der ihr zuhört und dem sie erzählen kann, was ihr passiert ist.
102
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
20
•• Allerdings ist es nicht so, dass alle Menschen kurz nach einem belastenden Ereignis darüber reden möchten oder können. Akut (also in den
Stunden und Tagen nach dem Ereignis) ist zunächst das Wichtigste, dass
sich der Mensch verbunden mit anderen und so gut aufgehoben wie möglich fühlt, ohne dass er dabei von wohlmeinenden anderen überbehütend
behandelt wird. Es ist gut, wenn der Mensch wieder ein Gefühl für sich
selbst und für die Kontrolle über sich selbst erhält.
•• Sorgen Sie danach auch gut für sich, denn das Erlebnis einer Ersten
Hilfe nach stark belastenden Ereignissen ist meist intensiv und
fordernd.
Die akuten und die sich daran anschließenden Belastungsreaktionen bedeuten für die
Betroffenen oft, dass sie nicht gut für sich selber sorgen können. Sie befinden sich in einem
Schockzustand und fühlen sich oft verwirrt. Deswegen können Sie bestimmte Hilfeleistungen vornehmen, die teilweise bereits in der oben genannten Ersten Hilfe nach belastenden
Erlebnissen beschrieben wurden, aber auch in der ersten Zeit nach den Erlebnissen hilfreich
sein können.
•• Hören Sie zu, reden Sie mitfühlend und beruhigend mit der
betroffenen Person.
•• Sagen Sie Zeit, Ort, Räumlichkeit und zählen Sie auf, welche
Menschen bei möglichen Treffen anwesend sein werden. Erklären Sie
auch, welche weiteren Aktivitäten geplant sind. Wiederholen Sie diese
Angaben, falls notwendig.
•• Entfernen Sie die Person unbedingt aus einem belastenden Umfeld und
achten Sie insgesamt auf Sicherheitsmaßnahmen.
•• Organisieren Sie Maßnahmen, die Halt gebend und entlastend wirken, und
helfen Sie dabei, diese zu beschaffen.
•• Kleinere Aufgaben können dazu dienen, die Person abzulenken
(Litsch und Novoa 2002: 57–58).
•• Die betroffene Person sollte genügend essen und trinken, ihre
körperlichen Bedürfnisse gut wahrnehmen und dabei unterstützt werden
(z.B. Wärme schaffen bei Frieren, Schlaf bei Müdigkeit etc.).
•• Achten Sie aber auch darauf, die Grenzen der betroffenen Person zu wahren. Behüten Sie sie nicht zu sehr, sondern geben Sie ihr die Gelegenheit,
sich in ihrem eigenen Rhythmus wieder zu sortieren und zurecht zu finden.
103
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
20
20.2 Professionelle Hilfe und Unter­
stützung bei späteren Reaktionen
Wie bereits in den Abschnitten Traumatischer Stress [Kap. 5.1] und Posttraumatische
Belastungsstörung [Kap. 5.2] beschrieben, können bei Menschen mit traumatischen und
traumatisierenden Erfahrungen Flashbacks, Alpträume, Erinnerungen und andere, wenig
kontrollierbare Reaktionen auftreten. Nicht selten neigen Menschen dazu, nicht über diese
Belastungen und die damit verbundenen Ängste zu reden, da sie vermeiden wollen, überhaupt daran zu denken. Ferner kann es vorkommen, dass die Belastungsreaktionen erst
nach Monaten oder sogar Jahren auftreten (Litsch und Novoa 2002: 58–59).
Eine echte Verarbeitung kann aber nur dann stattfinden, wenn der oder die Betroffene sich
in einem geschützten Rahmen angemessen und im jeweils individuellen Rhythmus mit den
Erlebnissen auseinander setzt. An einer gelungenen Verarbeitung ist der gesamte Organismus mit Körper, Geist und Psyche beteiligt. Manchmal ist es gut, wenn dieser Verarbeitungsprozess durch eine Therapie begleitet und unterstützt wird. Dies kann bedeuten, dass
eine oder mehrere ambulante Sitzungen stattfinden (siehe Überblick über verschiedene
Therapieformen [Kap. 16.1]). Manchmal kann es auch sinnvoll sein, einen Aufenthalt in
einer entsprechenden Klinik in Erwägung zu ziehen (Litsch und Novoa 2002: 58–59).
Bis eine professionelle Unterstützung und Hilfe beginnen kann, können folgende Angebote
die Betroffenen unterstützen (Litsch und Novoa 2002: 58–59):
•• Erklären Sie, dass Sie bei Bedarf als Begleitung und als Gesprächspartner
zur Verfügung stehen. Zeigen Sie Wertschätzung für Ihr Gegenüber und
dessen Bedürfnisse.
•• Versuchen Sie, Reaktionen zu verstehen, die Sie als schwierig empfinden
(wie Wut, Angst, Ärger, Apathie, Niedergeschlagenheit).
•• Verbringen Sie Zeit mit der betroffenen Person, hören Sie mitfühlend zu,
wenn das gewünscht wird und fragen Sie nach. Würdigen Sie das Vertrauen, das Ihnen entgegengebracht wird.
•• Beachten Sie jedoch, dass nicht jeder Betroffene über seine Erlebnisse
sprechen möchte (und sollte).
•• Machen Sie auf familiäre und andere soziale Unterstützungssysteme
aufmerksam.
•• Falls Sie mit einem Menschen zu tun haben, der aus dem Einsatzland
stammt, achten Sie besonders auf freundliche und behutsame Umgangsformen und versuchen Sie, lokale Unterstützer einzubeziehen.
104
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
20
•• Versuchen Sie zu erfahren, wie im jeweiligen kulturellen Umfeld mit extrem schweren Belastungen umgegangen wird, und ermöglichen Sie den
Austausch von betroffenen einheimischen Menschen unter sich.
•• Zeigen Sie, dass auch Sie das Geschehen unfassbar finden und drücken
Sie damit Verständnis und Mitgefühl aus.
•• Wenn Sie Überreaktionen [Kap. 20.3] wie flache, unregelmäßige Atmung,
verängstigter Gesichtsausdruck und Muskelverkrampfungen wahrnehmen,
greifen Sie ein.
20.3Überreaktionen
Ein inneres Wiedererleben der mit dem Trauma verbundenen Ängste und der sonstigen
Gefühle kann zu einer Überreaktion der betroffenen Person führen. Menschen sind dann
eventuell sehr verwirrt, wissen nicht mehr, wo sie sich befinden und wirken extrem erregt.
In einer solchen Situation können die folgenden Verhaltensweisen helfen (Litsch und Novoa
2002: 59–60):
•• Unterbrechen Sie einen beschleunigten und erregten Gesprächsfluss
angemessen behutsam.
•• Suchen Sie (verhaltenen) Körperkontakt, wenn es für die Person passt.
Berühren Sie sie an der Hand oder am Arm.
•• Weisen Sie auf balanciertes Ein- und Ausatmen hin. Eventuell atmen
Sie ein paarmal gemeinsam, um dies zu unterstreichen.
•• Besorgen Sie etwas zu trinken oder bieten Sie eine Kleinigkeit zu
essen an.
•• Gehen Sie ein paar Schritte mit der betroffenen Person.
•• Organisieren Sie danach unbedingt eine professionelle Unterstützung.
105
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
20
20.4 Führungskräfte und Verantwortung
für Mitarbeiter
Seien Sie sich als Führungskraft in einer Auslandsmission bitte immer darüber im Klaren,
dass Ihre Mitarbeiter Erfahrungen ausgesetzt sind, die möglicherweise schwer zu verarbeiten sind. Wenn Sie selber bereits solche Erfahrungen gemacht haben, können Sie darauf
zurückgreifen, um sensibel für Anzeichen von Überlastung und Grenzüberschreitungen bei
Ihren Mitarbeitern zu sein.
Litsch und Novoa (2002: 62–63) weisen auf folgende Warnsignale hin:
•• Verhaltensänderungen wie gesteigerter Alkoholkonsum, charakterliche
Veränderungen, depressive oder aggressive Äußerungen, starke Selbstzweifel oder ausgeprägter Zynismus.
•• Riskantes Verhalten, z.B. im Verkehr oder Vermeidung von Sicherheitsmaßnahmen, können auf das Verdrängen von Belastungen und auf eine
problematische Einschätzung der Realität hindeuten.
•• Nehmen Sie Anzeichen ernst und reagieren Sie darauf. Bieten Sie einen
Dialog an und versuchen Sie durch wertschätzende Fragen, Zugang zu
Ihrem Mitarbeiter zu bekommen.
•• Weisen Sie auf die auffälligen Verhaltensweisen hin und überlassen Sie die
Person nicht sich selbst. Machen Sie mit ihr einen Plan für eine Verbesserung der Situation.
•• Beachten Sie die Hinweise zur Ersten Hilfe nach Belastenden Ereignissen
[Kap. 20.1]. Bieten Sie Ihre Hilfe und Unterstützung an.
•• Zeigen Sie Verständnis für die Reaktionen und drücken Sie Ihr Mitgefühl
durch Ihr Verständnis für diese Reaktionen aus.
•• Nehmen Sie auch Gefühle der Ausweglosigkeit ernst. Versuchen Sie also
nicht, durch aufmunternde Phrasen zu motivieren, wenn das nicht in die
Situation passt.
•• Wenn die betroffene Person Zeit für sich braucht, ist es eventuell sinnvoll,
sie für einen gewissen Zeitraum von der Arbeit freizustellen. Kontakt zu
anderen sollte während dieser Zeit aber vorhanden sein.
•• Verpflichten Sie die Person, rehabilitative Maßnahmen und eventuell
professionelle Unterstützung anzunehmen.
•• Unterstützen Sie sie dabei, dass eine Rückkehr zum Arbeitsplatz kurz-,
mittel- oder auch langfristig wieder möglich ist.
106
Stress im Einsatz
Hilfe und Verantwortung für andere
20
Weitere wichtige Hinweise für Sie als Führungskraft in einer Auslandsmission haben wir in
der folgenden Auflistung zusammengestellt.
•• Bilden Sie sich in den Bereichen Stress und Extrembelastung sowie in den
Bereichen Führung von Mitarbeitern fort. Besuchen Sie die entsprechenden
Veranstaltungen des ZIF und der Organisation, die Sie entsendet. Fordern Sie
professionelle Unterstützung beim Umgang mit Stress und Trauma für sich
und andere ein.
•• Arbeiten Sie als Führungskraft an einem Klima mit, das auch Kommunikation
und Reflexion über Trauma, Stress, Extrembelastung und die Auswirkungen
auf den einzelnen Menschen, das Team, die Arbeitsgruppe und die Organisation berücksichtigt und zulässt. Machen Sie sich und anderen klar, dass dies
ein andauernder Prozess ist, der ständig Aufmerksamkeit und Berücksichtigung benötigt. Es reicht bei Weitem nicht aus, einmal etwas darüber gelesen
zu haben und/oder anderen etwas zum Lesen gegeben zu haben.
•• Seien Sie Vorbild für Ihre Mitarbeiter beim Umgang mit Stress und extremen
Belastungen. Achten Sie gut auf sich. Fordern Sie Coaching und Beratung
auch für sich, damit Sie immer wieder darüber reflektieren können, ob Sie
sich selbst und andere gut behandeln. Das hat positive Auswirkungen auf die
Qualität Ihrer Arbeit.
•• Arbeiten Sie als Führungskraft mit daran, dass die Organisation, für die Sie arbeiten, dauerhaft die Themen Stress, Umgang mit extremem Stress, Trauma
und traumatischer Stress [Kap. 5.4] als wichtig im Zusammenhang mit Ihrer
Arbeit und damit im Zusammenhang mit der Arbeit der Organisation erkennt.
Die Wertschätzung, die sich darin ausgedrückt, dass alle Kollegen fürsorglich
behandelt werden, wird sich in der Zunahme der körperlichen und psychischen Gesundheit und damit in der guten Qualität der Arbeit und im positiven
Ansehen der Organisation ausdrücken. Achten Sie auch darauf, dass lokale
Mitglieder des Teams angemessen professionell unterstützt werden, falls das
notwendig ist. Gewährleisten Sie den Zugang zu psychologischer Betreuung.
Übersetzer zum Beispiel sind durch ihre Tätigkeit vermehrt der Gefahr der Sekundären Traumatisierung [5.4] ausgesetzt, oder aber möglicherweise durch
eigene extreme Erfahrungen traumatisiert.
•• Achten Sie beim Prozess der Personalauswahl darauf, ob der zukünftige
Kollege Anzeichen einer nicht verarbeiteten traumatischen Erfahrung oder
von mehreren traumatischen Erlebnissen [5] zeigt. Es ist durchaus möglich,
dass potentielle Kollegen sich selbst nicht darüber im Klaren sind, dass sie
darunter leiden. Da unverarbeitete und unreflektierte Traumata von Kollegen
Einfluss auf das Team, auf die Arbeit eines Teams und die Organisation haben,
ist es wichtig, diese Aspekte bei der Personalauswahl zu berücksichtigen.
Lassen Sie sich dabei professionell beraten. Weisen Sie auch Ihre Organisation auf diesen Punkt bei der Personalauswahl hin, wenn Sie selber an dem
Prozess nicht beteiligt sein sollten. Geben Sie eine sensible, wertschätzende
und hilfreiche Rückmeldung, wenn Sie den Eindruck haben, dass eine oder
mehrere nicht verarbeitete traumatische Erfahrungen bei einem Bewerber
vorliegen.
107
21
Kollektive Traumata
Wenn Gruppen, ganze Gesellschaftsteile oder Gesellschaften gemeinsame traumatische
Erlebnisse teilen, treten oft auch kollektive Reaktionen auf. Das gemeinsam erlebte Trauma
kann bewirken, dass innerhalb der Gesellschaft oder Gruppe immer wieder über das Trauma
gesprochen wird. Das geschieht dann oft auf eine bestimmte Art und Weise, die für Außenstehende schwer nachvollziehbar ist. Oft wird zum Beispiel holzschnittartig zwischen Gut
und Böse unterschieden. Ein anderes Phänomen, das Ihnen als Außenstehendem auffallen
kann, ist das Nicht-Thematisieren des Geschehenen. Es wird dann in gewisser Weise ignoriert. Häufig findet sich bei kollektiven Traumata eine Kombination aus beiden Phänomenen
(Litsch und Novoa 2002: 60).
Viele schwere Traumata wirken in den betroffenen Gebieten und Ländern lange nach,
teilweise über Generationen. Das verfestigte Täter-Opfer-Bewusstsein und die damit verbundenen Ideologien, Verhaltensweisen und Blinden Flecke führen dazu, dass Gewalt sich
wiederholt und gesellschaftliche Reflexionen darüber nur selten und in geringem Ausmaß
stattfinden. Mitunter bewirken diese kollektiven Traumata neben den körperlichen und
seelischen Problemen auch Armut, gesetzlose Zustände und Misstrauen untereinander.
Menschen verlieren haltgebende Strukturen und soziale Bezüge. Weitere Erscheinungen
sind ein kollektives Gefühl des Würdeverlustes sowie der Verlust der Fähigkeit, auf das
eigene Schicksal in irgendeiner Art und Weise Einfluss zu nehmen. Oft waren und sind
Frauen und Kinder besonders verletzlich und besonderen Belastungen ausgesetzt (Litsch
und Novoa 2002: 60).
Wenn Sie traumabezogene Aspekte in Ihre Arbeit vor Ort mit einbeziehen wollen oder auch
müssen, sollten Sie sich im konkreten Fall professionell beraten lassen.
In Ihrem Einsatzland sollte darüber hinaus Coaching und/oder Supervision als Institution
eingerichtet werden. Damit können Sie die Gesamtumstände reflektieren und sich so vor
einer Sekundärtraumatisierung und der Sogwirkung des kollektiven Traumas schützen, was
in vielen Fällen dringend notwendig ist.
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Literatur- und
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Selbsttest
http://www.proqol.org/ProQol_Test.html (Zugriff 24.6.2014)
Weiterbildung und Training
http://www.giz.de/akademie/de/html/1944.html
http://www.forumzfd-akademie.de/node/7035
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http://www.sbe-ev.de/index.php/de/
Yoga
http://www.viveka.de/
http://yoga-lernen.blogspot.de/2010/09/yoga-gegen-rueckenschmerzen.html
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www.zif-berlin.org