Obernstraße 17

Obernstraße 17
Flora Philippsohn
Flora Philippsohn wurde am 28. Januar 1868 als Kind Jacob und Anna Gifts in New
York geboren. In München machte sie die Bekanntschaft ihres späteren Ehemanns. Der
sechs Jahre ältere Pferdehändler Hermann Philippsohn (geb. 1862) stammte aus Obernkirchen, wo seine Eltern, der Kaufmann Baruch
Philippsohn und seine Frau Jette, lebten. Flora
und Hermann heirateten am 28. Januar 1893 in
Nürnberg. Ihre beiden Kinder, Bernhard Philippsohn und Julius Philippsohn, kamen 1895
bzw. 1897 zur Welt.
Die Familie wohnte zunächst in Obernkirchen
und in Stadthagen, verzog dann kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs nach Eisenach.
1919 zog das Paar mit seinen Kindern zurück
nach Stadthagen und bewohnte bis 1938/39 in
der Obernstraße 17 in der zweiten Etage eine
Sechs-Zimmer-Mietwohnung. Die Familie war gut situiert und die Wohnung entsprechend eingerichtet. Beide Söhne absolvierten erfolgreich ihr Medizinstudium. Bernhard Philippsohn verstarb allerdings bereits 1931. Julius Philippsohn hingegen praktizierte nach Erhalt seiner Approbation ab Januar 1923 in Ronnenberg bei Hannover,
wo er später mit seiner Ehefrau Marie, einer Nicht- Jüdin, und ihrem gemeinsamen
Sohn Gerd lebte.
Hermann und Flora, beide bereits hoch betagt, mussten 1939 in die Obernstraße 26
umziehen. Nach dem Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom April 1939 sollten
Juden und „Arier” nicht mehr zusammen in einem Haus leben. Mietverhältnisse mit
Juden konnten daher sofort gekündigt werden. Das Ehepaar Philippsohn musste
deshalb aus ihrer alten Wohnung in Fritz Gregors Haus ausund in das Haus
Obernstraße 26, das mit Adolf Goldschmidt einem Juden gehörte, einziehen. Hier
lebte das Ehepaar bis zum Tod Hermanns im August 1941. Flora wurde nach dem
Tod ihres Mannes in ein Zimmer im „Judenhaus” Am Markt 6 einquartiert. Vermutlich
wurden ihre restlichen Möbel wie jene der anderen dort eingewiesenen Juden auf
dem Speicher des Hauses Am Markt 8 abgestellt. Ihr Enkel Gerd und ihre Schwiegertochter besuchten sie hier mehrfach. Ihr Sohn Julius war bereits während des Novemberpogroms 1938 verhaftet und in das KZ Buchenwald verbracht worden, wo er
misshandelt wurde. Gleich nach seiner Entlassung emigrierte er in die Schweiz. Seine Familie musste er zurücklassen. Zusammen mit John Wolf und anderen Stadthägern wurde Flora Philippsohn am 28. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt, das von
den Nazis geplante „Altersghetto”, deportiert. Am Tag vorher schrieb sie ihrem Enkel
Gerd noch eine Ansichtskarte mit einem Bild des Marktplatzes von Stadthagen.
Schon im Wissen, dass sie deportiert werden würde, schrieb sie: „Mein lieber, lieber
Gerd. Viele, viele Grüße und Küsse. Deine Dich immer liebende Oma. Vielen Dank
für Deinen schönen Brief, den hebe ich mir gut auf. Vielleicht kannst Du bald auch
mal so schön an Deinen lieben Papa schreiben.“
Vor dem Termin der Deportation hatte sie einen „Heimeinkaufsvertrag“ mit der von
der Gestapo kontrollierten „Reichsvereinigung der Juden” abschließen müssen. Für
die Überlassung eines Großteils ihres Vermögens wurde ihr die „lebenslange, kostenlose Versorgung und Unterbringung in Theresienstadt“ zugesichert. Doch dort
erwartete die Juden eine völlig unzureichende Unterbringungs- und Versorgungslage. Flora Philippsohn starb am 23. Juli 1943 in Theresienstadt, wie John Wolf den
Angehörigen in Ronnenberg auf einer Postkarte mitteilte. Ihr Sohn Julius überlebte
die Verfolgung in der Schweiz und später in Frankreich nur knapp. Er flüchtete 1942
aus einem Konzentrationslager in Frankreich, hielt sich bis Kriegsende versteckt und
schloss sich der Resistance an. Nach dem Krieg wohnte er in Wien, wo er 1970
starb.
Hermann Philippsohn
Hermann Philippsohn wurde am 4. Oktober
1862 in Obernkirchen geboren. In Nürnberg
heiratete er am 28. Januar 1893 Flora Gift.
Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor:
Bernhard und Julius, die beide als Ärzte
promovierten. Bernhard Philippsohn verstarb bereits 1931. Julius Philippsohn hingegen praktizierte nach Erhalt seiner Approbation ab Januar 1923 in Ronnenberg
bei Hannover, wo er mit seiner Ehefrau Marie, einer Nicht-Jüdin, und ihrem gemeinsamen Sohn Gerd lebte.
Von 1914 bis 1919 wohnte das Ehepaar
Hermann und Flora Philippsohn in Eisenach. Danach zog das Paar mit seinen Kindern nach Stadthagen und bewohnte in der
Obernstraße 17 eine großzügige Mietwoh-
Hermann Philippsohn
nung. Hermann Philippsohn arbeitete in Stadthagen als Pferdehändler.
Er und seien Frau waren wie alle Juden im NS-Staat gezwungen, ihrem Vornamen
die Namen Israel bzw. Sara hinzufügen und mussten die Verhaftung ihres Sohnes
Julius am 10. November 1938 miterleben.
Hermann und Flora, beide bereits hoch betagt, mussten 1939 in die Obernstraße 26
umziehen da nach dem Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom April 1939 Juden und „Arier” nicht mehr zusammen in einem Haus leben sollten. Mietverhältnisse
mit Juden konnten sofort gekündigt werden. Philippsohns mussten deshalb aus ihrer
alten Wohnung im Haus Fritz Gregors aus- und in das Haus Obernstraße 26, das
dem Juden Adolf Goldschmidt gehörte, einziehen. Hier lebte das Ehepaar bis zum
Tod Hermanns am 27. August 1941. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Stadthagen beigesetzt.