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Kreisdiakonieverband Hohenlohekreis
19.2.2016
Kontaktstelle Asyl
Rahel Wacker
Marktplatz 23
74613 Öhringen
Beitrag für die Synode des evangelischen Kirchenbezirks Öhringen am 19.02.2016
Vielen Dank für die Einladung.
Bevor ich auf die Situation im Hohenlohekreis eingehe, möchte ich einen Ausschnitt aus dem Buch
„Über das Meer“ vorlesen. Wolfgang Bauer, ein Reporter der ZEIT, hat das Buch geschrieben. Er hat
sich als syrischen Flüchtling ausgegeben, um gemeinsam mit Bürgerkriegsflüchtlingen von Afrika nach
Europa zu kommen. Der Ausschnitt, den ich Ihnen vorlesen möchte, beschreibt eine Situation in
Ägypten, bevor sie die Flüchtlingsboote besteigen, die sich übers Mittelmeer bringen sollen.
„‘Lauft!‘, brüllt es hinter mir, die helle Stimme eines jungen Mannes, ein halbes Kind noch, ‚Lauft!‘,
und ich beginne zu laufen, ohne viel zu begreifen, ohne in der Dämmerung viel zu sehen, ich renne den
schmalen Pfad hinunter, so schnell ich kann, sehe auf meine Füße, die mal auf der Erde aufsetzen,
dann auf Stein, springe über Löcher im Boden, über Mauerbrocken, strauchele, renne weiter. ‚Ihr
Hurensöhne!‘, schreit einer der Jungen, die uns eben aus den Minibussen gejagt haben und jetzt
neben uns herrennen, uns vorwärts prügeln wie Viehtreiber ihre Herde. Er schlägt mit einem Stock auf
uns ein, auf unsere Rücken, die Beine. Er packt mich am Arm, reißt mich fluchend voran. Wir sind 59
Männer, Frauen und Kinder, ganze Familien, die Rucksäcke geschultert, die Koffer in den Händen, und
rennen an einer langen Fabrikmauer entlang, irgendwo am Rande eines Industriegebiets im
ägyptischen Alexandria.“
Geflüchtete, die hier im Hok leben, haben im Herkunfts- und/oder in Transitländern Unvorstellbares
erlebt und ertragen. Egal woher und welchen Weg sie wählten: Sie haben ihre Heimat verlassen,
haben sich erniedrigen lassen und sich z.T. in Todesgefahr begeben. Um Not und Hoffnungslosigkeit
zu entfliehen. Mit der Hoffnung, in Deutschland ein gutes Leben führen zu können.
Doch was erwartet sie hier?
Wenn sie durch die LEAs geschleust wurden, landen sie in einem der Landkreise, z.B. hier im Hok.
Hier werden sie einer der insg. 38 GUs zugewiesen und belegen eines der ca. 1.500 Betten.
Die GUs sind äußerst verschieden und kaum miteinander zu vergleichen. Es gibt große GUs wie in der
Danziger Straße in Öhringen (über 160 Plätze) und kleine GUs wie die in Dörzbach mit nur 8 Plätzen.
Manche der GUs sind schöne Häuser, die meisten sind jedoch hässlich und alt, viele davon sind
inzwischen Container und sogar eine Sporthalle wird genutzt zur Unterbringung. In der Regel haben
die Geflüchteten 4,5 qm eigene „Wohn“fläche – inklusive Schlaffläche und der Platz, der für den
Schrank benötigt wird. Sie leben in Mehrbettzimmern, für Monate ohne Privatsphäre.
Wird man als Flüchtling dem Hok zugeteilt, ist man wahrscheinlich aus Syrien (814 aus Syrien, 125
aus Gambia, 123 aus Irak) und mit großer Wahrscheinlichkeit männlich.
Aufgrund der Überlastung der Verwaltungen, müssen einige Flüchtlinge Wochen, Monate, manchmal
auch Jahre auf das Ende ihres Asylverfahrens warten. Oft wartet man Wochen bis zur eigentlichen
Asylantragstellung, dann wartet man auf einen Anhörungstermin und schließlich wartet man auf die
Entscheidung.
Die Wartezeit in Unsicherheit und oft großer Sorge (um sich und die Familie im anderen Land), ohne
sicheres soziales Netz, ohne Familie und Freunde, ist nur schwer zu ertragen. Nicht selten möchten
Asylsuchende wieder zurück. Möchten lieber im Heimatland sterben als in dieser Unwürdigkeit und
Unsicherheit in Deutschland zu bleiben.
In dieser Zeit des Wartens spielen Ehrenamtliche eine zentrale Rolle. Trotz – und z.T. wegen
fremdenfeindlicher Stimmungen – engagieren sich immer mehr Personen ehrenamtlich für
Flüchtlinge. Viele geben ehrenamtlich Deutschkurse, helfen bei Formularen oder Jobsuche und
begleiten zu Arzt oder Behörden. Was mich besonders freut ist, dass dabei viele Freundschaften
entstehen. Eine Ehrenamtliche, die einen Flüchtling betreut, der inzwischen nach Norddeutschland
gezogen ist, schreibt:
„… Alles besprechen wir nun übers Handy. Es ist teilweise ziemlich schwierig, aber ich bin froh, dass
wir unseren Kontakt trotzdem halten können. Ich habe über die Monate einen liebenswerten
Menschen kennengelernt, der viel einstecken kann, sich für Freunde einsetzt, pausenlos seiner Familie
im Ausland gut zuspricht und nur wenig an sich selber denkt. Ich kann nicht anders, als ihm zu helfen.
Er ist zu einem guten Freund geworden.“
Wir, als Kreisdiakonieverband, versuchen dieses Engagement so gut wie möglich zu unterstützen.
Aktuell bauen wir z.B. einen regelmäßig stattfindenden Austauschabend für Ehrenamtliche in
Öhringen auf, es wird ein landkreisweites Forum geben zu Vernetzung und Austausch aller
Asylarbeitskreise im Hok und wir organisieren und führen Schulungen und Workshops durch zu
verschiedenen Themen wie Asylverfahren, Trauma, Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge.
Ehrenamtliche und Interessierte können sich außerdem bei Fragen rund ums Thema Asyl gerne an
mich wenden.
Vielen Dank.