Polizei jagt Rasern hinterher

GROSSWERDEN 21
D IENST AG, 25. AUGUST 20 15
Polizei jagt Rasern hinterher
Verkehrskontrolle in Hallein. In der Ferne taucht
ein Mopedlenker auf. Der Motor der
Aprilia klingt schon von Weitem
verdächtig laut. Die Polizisten
schöpfen Verdacht und stoppen den
Burschen.
Das Moped kommt auf die mobile
Walze. Das Messgerät zeigt 60 km/h
an. Erlaubt sind 45. Karl Fink und
Werner Kronschläger von der Verkehrsabteilung der Salzburger Polizei nehmen die Aprilia genauer unter die Lupe. Schon bald steht fest:
Die Auspuffdrossel wurde entfernt.
Er habe das Moped schon gebraucht gekauft, sagt der junge Lenker verlegen.
Das mag stimmen, es nützt aber
nichts: Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft Hallein wegen
nicht genehmigter Abänderungen
am Fahrzeug.
BILD: SN/PRIVAT
HALLEIN, SALZBURG.
„Mopedlenker
sind zum Teil
überfordert.“
Aloisia Gurtner,
ÖAMTC
Es ist ein Fall von vielen. Und der
Aprilia-Fahrer ist einer von Tausenden Jugendlichen in Österreich, die
mit getunten Mopeds unterwegs
sind. Wer Jugendliche nach den Motiven fragt, bekommt zur Antwort:
„Das tut fast jeder.“ Es sei auch
nichts dabei, die Geschwindigkeit
von 45 auf 60 km/h zu erhöhen. „Es
ist nicht schwierig, die Auspuffdrossel herauszunehmen.“
Dass Tuning von Mopeds gang
und gäbe ist, weiß auch die Polizei.
„Ich glaube, viele betrachten das als
Kavaliersdelikt“, sagt Verkehrspolizist Fink.
Dabei nutzen manche alle technischen Möglichkeiten aus, um
schneller unterwegs zu sein: neuer
Auspuff, anderer Vergaser, neuer
Zylinder. Immer öfter verwenden
Jugendliche auch eine elektronische Drossel – im Fachjargon Blackbox genannt. Diese Motorbremse
Karl Fink und Werner Kronschläger bei der Mopedkontrolle.
wird über einen versteckten Schalter ein- und ausgeschaltet oder
über die Handbremse aktiviert.
Sieht der Mopedlenker eine Polizeistreife in der Nähe, drosselt er auf
diese Weise die Geschwindigkeit –
in der Hoffnung, dass ihm die Polizisten bei der Kontrolle nicht auf die
Schliche kommen.
Dabei sind Geschwindigkeiten
von 60 km/h, wie eingangs geschildert, noch vergleichsweise bescheiden. Die Polizei stoppt immer wieder Mopedlenker, deren Fahrzeuge
BILD: SN/HÖD
auf weit über 100 km/h auffrisiert
wurden. Manche jungen Lenker haben auch keine Skrupel, der Polizei
davonzufahren. Es kommt heute
immer wieder vor, dass Lenker die
Anhaltesignale der Polizei ignorieren, wie Verkehrspolizist Fink sagt.
„Die flüchten regelrecht. Manche
decken dabei ihr Kennzeichen ab.“
Es gebe auch Fälle von Kennzeichenfälschung und Urkundenfälschung.
Was die Jugendlichen meist ausblenden, ist das Risiko, dem sie sich
Thomas Hödlmoser
Wenn die Freiheit
Grenzen braucht
Das Auffrisieren von Mopeds gehört bei vielen Jugendlichen dazu. Manche ignorieren
sogar Stoppsignale und verdecken Kennzeichen. Die Folgen können drastisch sein.
THOMAS HÖDLMOSER
STANDPUNKT
dabei aussetzen. Im Vorjahr kamen österreichweit 13 Mopedlenker ums Leben. Die Zahl der
bei Mopedunfällen Verletzten
lag 2014 bei knapp 4500.
Doch auch wenn es zu keinem
Unfall kommt: Unangenehm
kann es schon werden, wenn
man mit einem frisierten Moped
erwischt wird. Da drohen allein
wegen der Verletzung kraftfahrrechtlicher Bestimmungen Geldstrafen von bis zu 5000 Euro.
Auch führerscheinrechtlich
hat es Folgen: Wer mit einem getunten Moped fährt, ist de facto
ohne gültige Lenkerberechtigung unterwegs. Dafür drohen
noch einmal bis zu 2180 Euro
Geldstrafe. Dazu kommt: Das Delikt scheint im Akt des Fahrers
auf. Der müsse dann mit einer
Sperrfrist beim Autoführerschein rechnen, sagt Ursula Zelenka, Juristin beim ÖAMTC.
„Auffrisieren ist ziemlich unattraktiv, wenn man das durchrechnet.“ Dazu kommen die
Probleme mit der Versicherung
bei einem Unfall (siehe Interview unten).
„Das Problem ist, dass 15-Jährige zum Teil mit der Handhabung des Mopeds noch ein
bisschen überfordert sind und
dass sie die Geschwindigkeit
nicht richtig einschätzen“, sagt
Aloisia Gurtner vom ÖAMTC in
Salzburg. „Auch das Einschätzen
der Gefahren gelingt manchen
mit 15 Jahren noch nicht so gut.
Das Gesetz sagt: Wenn ich unter
14 Jahre und kleiner als 1,50 Meter bin, muss ich im Auto im Kindersitz sitzen. Ab 15 darf ich
dann schon mit dem Moped fahren. Das passt nicht zusammen“,
sagt Gurtner.
Die Moped-Raserei ist vor allem ein Hobby der Burschen.
Mädchen lassen ihre Mopeds selten auffrisieren. „Was Mädchen
aber oft vernachlässigen, ist die
Schutzbekleidung. Die fahren
mit Flipflops“, sagt Verkehrspolizist Fink. Wichtig seien gutes
Schuhwerk, eine Jacke und ein
geeigneter Helm.
Sie können einem ja auch wirklich
leidtun, die jungen Burschen, die
gerade noch die Freiheit und Mobilität auf ihren Aprilias und Vespas genossen haben. Da werden
sie von einer Polizeistreife gestoppt, sind plötzlich ganz kleinlaut und müssen zähneknirschend
eingestehen, dass ihre Mopeds
weit schneller gehen als erlaubt.
Und zu Recht könnten die jungen Mopedfahrer, an die Adresse
der Eltern gerichtet, die Frage stellen: Habt ihr es nicht genauso gemacht? Haben nicht alle Jungs seit
jeher ihre Mopeds auffrisiert?
Die Antwort wäre ein klares Ja.
Schon vor 20, 30 Jahren steckte
man sich den flotten Polini-Auspuff auf die Vespa, wurden Vergaser und Zylinder ausgetauscht.
Wer mit 70 km/h durch die Gegend fuhr, hatte nicht das Gefühl,
zu schnell zu sein, sondern blickte
neidisch auf den MechanikerFreund, der seinen Roller auf 120
km/h aufgetunt hatte und sämtliche Autos überholte. Und damals
wie heute wollte kein Bursche mit
40 km/h hinter den Mädchen auf
ihren Mofas hinterherfahren, sondern sie möglichst rasch den
eigenen Auspuff von hinten sehen
lassen.
Dennoch: Aus der Rückschau
betrachtet war es oft genug ein gefährlicher Spaß, juveniler Leichtsinn. Und meist war es pures
Glück, dass nichts passierte.
Deshalb auch sind die Raser
von gestern gut beraten, ihre Kinder heute nicht den gleichen Unfug wiederholen zu lassen. 15-Jährige wissen zwar, dass sie schneller fahren wollen, ignorieren aber,
dass Fahrwerke und Bremsen ihrer
Gefährte nicht für 80 oder 90
km/h gerüstet sind. Und sie unterschätzen, welche unangenehmen
Folgen es hat, wenn man mit dem
auffrisierten Moped erwischt wird.
So gern man der Jugend Spaß,
Freiheit und Mobilität zugestehen
möchte: Was den Straßenverkehr
betrifft, ist es besser, konsequent
zu bleiben und jede Schrauberei
am Moped zu unterbinden.
[email protected]
„Ein Unfall kann den Lenker für sein Leben ruinieren“
Das Kuratorium für Verkehrssicherheit warnt vor den Folgen von Unfällen mit getunten Mopeds.
Mopeds aufzufrisieren sei kein Kavaliersdelikt. Eltern sollten das
Schrauben an den Mopeds keinesfalls dulden. Das sagt Rechtsexperte
Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV).
SN: Was passiert, wenn ein
15-Jähriger mit einem auffrisierten Moped an einem
Unfall beteiligt ist? Steigt
die Versicherung dann automatisch aus?
Kaltenegger: Wenn er mit einem
Moped unterwegs ist, das nicht den
gesetzlichen Bestimmungen entspricht, begeht er mehrere Verstöße
gleichzeitig. Er verstößt zum einen
gegen kraftfahrrechtliche Bestimmungen – dafür gibt es eine Geldstrafe. Zum anderen ist er nicht versichert, weil er für ein ganz anderes
Fahrzeug versichert ist. Das ist so,
als würde man ein Fahrrad versi-
chern und mit dem Lastwagen fahren. Wenn dieser Mopedlenker einen Unfall verschuldet, ist die Versicherung stark eingeschränkt in
ihrer Leistungspflicht, weil es keine
Vertragsbeziehung für das Fahrzeug gibt.
SN: Und was ist, wenn ein Fahrer
mit einem auffrisierten Moped
in einen Unfall verwickelt wird,
ohne dass er schuld ist?
Wenn er an der Kreuzung steht und
hinten fährt ihm einer drauf, dann
tut das wenig zur Sache.
SN: Was raten Sie den Eltern?
Streng sein?
Das Verwenden auffrisierter Mopeds ist ein großes Problem. Es ist
wichtig, dass die Eltern das nicht
gestatten. Das ist kein Kavaliersdelikt. Wenn ein Unfall passiert, kann
der Sohn für das ganze Leben finan-
ziell ruiniert sein. Der muss den
Sachschaden bezahlen, eventuell
auch Schmerzensgeld. Das Unfallopfer hat vielleicht bleibende Schäden oder ist erwerbsunfähig. Die
Versicherung zahlt dann zwar zunächst, kann aber den Großteil vom
Mopedlenker
zurückverlangen.
Dann kommen die Gerichtsverfahren dazu, die Anwaltskosten – der
Mopedlenker verliert dann ja alles.
SN: Dazu kommt, dass das
Unfallrisiko vergleichsweise
hoch ist.
Ja. Jeder fünfte Mopedlenker hat einen Unfall mit Verletzung. Das ist
ein sehr unfallträchtiges Fahrzeug.
Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit einem Moped ist viel höher
als beim Auto. Den Mopedlenkern
passiert oft etwas, und sie machen
selbst oft Fehler. Deswegen gibt es
in der gesamten EU Bemühungen,
Jurist Armin
Kaltenegger.
BILD: SN/KFV
die Jugendlichen vom Moped wegzubringen, indem ihnen das Autofahren früher erlaubt wird. Deshalb
gibt es bei uns L17. Wer den L17Führerschein macht, darf schon mit
fünfzehneinhalb Jahren mit der Autoführerschein-Ausbildung beginnen. Das ist für viele eine Alternative zum Moped.
SN: Was ist eigentlich bei anderen
Fahrzeugen zu beachten –
wie Scootern, Skateboards
oder Longboards?
Das sind keine Kraftfahrzeuge – es
handelt sich dabei um Kinderspielzeug. Kinder unter zwölf Jahren
dürfen nicht allein mit Scootern
fahren. Wenn sie einen Fahrradausweis haben, können sie ab zehn Jahren fahren.
Scooter dürfen aber nur dort verwendet werden, wo Fußgängerverkehr stattfindet. Sie dürfen jedoch nicht auf der Fahrbahn verwendet werden – auch nicht auf
dem Radweg. Ein Scooter ist kein
Fahrrad.
Skateboards und Longboards
dürfen überhaupt nur verwendet
werden, wo Fußgängerverkehr erlaubt ist, wenn dabei Fußgänger
nicht gefährdet werden. Auf der
Fahrbahn dürfen Boards gar nicht
verwendet werden.
Zur Person: Armin Kaltenegger ist
Leiter der Rechtsabteilung im Kuratorium für Verkehrssicherheit.