Glaubst du, dass Filmvermarktung via Web 2.0 tatsächlich effektiv

Glaubst du, dass Filmvermarktung via Web 2.0 tatsächlich effektiv bzw. erfolgreich ist?
Filmvermarktung via Web 2.0 ist ein Add-On für klassisches Filmmarketing. Es wird
immer den klassischen Trailer, den TV-Spot, die Printanzeige, das Außenwerbeplakat
geben. Neu hinzu kommen nun Kanäle, die das Web 2.0 schafft. Die Herausforderung
bzw. Hauptaufgabe für Verleiher sehe ich darin, das Publikum „auf der Straße“ also
offline abzuholen und dann online zu holen, um dort interaktive Kampagnen
durchzuführen.
Das lässt natürlich nicht jeder User mit sich machen. Es gibt immer noch den Nutzer, der
nur ins Kino gehen will und nicht vorher irgendwelche Widgets auf seine, Blog einbauen
möchte usw.
Die immer größere Gruppe sind aber die aktiven Leute, die Anforderungen stellen. Diese
möchten über Weblogs angesprochen werden, möchten Zusatzcontent am besten vorab
erhalten etc. Diese Gruppe lässt sich vermutlich am besten als Influential (erste
Ansprechgruppe) nutzen, um dann einen Dominoeffekt auszulösen, der ja bei
Viralkampagnen immanent ist. Entsprechend wichtig sind dafür die geeigneten Themen.
Ich denke, dass Filmmarketing 2.0 in jedem Fall effizient, also kostentechnisch Vorteile
gegenüber klassischen Marketingtools bietet. Ob es wirklich effektiv ist, bleibt die Frage,
da man die Kosten neu berechnen muss. So muss nämlich beachtet werden, dass die
Betreuung der einzelnen Kanäle im Web 2.0 eine sehr aufwendige Sache ist, die in
Zukunft sicherlich auch neue Berufsgruppen hervorbringen wird. So ist es nicht
auszuschließen, dass schon bald Jobbezeichnungen wie Social Media Communication
Manager entstehen. Ein großes Potential für junge Menschen, die in die Branche
einsteigen wollen.
Glaubst du, dass Marketing im Web 2.0 ein Trend ist, der an Ausmaß noch zunehmen wird
oder irgendwann wieder zurückgeht bzw. durch etwas anderes ersetzt wird?
Es ist auf jeden Fall so, dass das Web 2.0 kein kurzfristiger Trend ist, der sich schnell
wieder verabschieden wird. Ohne Zweifel haben Social Networks, Blogs und Twitter unser
Kommunikations- und Konsumverhalten geändert bzw. zumindest beeinflusst.
Auch wenn man seit mittlerweile fünf Jahren vom Web 2.0 spricht, sind wir immer noch
in den Kinderschuhen, wenn es um den Einsatz von Social Media im Marketing geht. Viel
zu vorsichtig wird mit dem neuen Medium umgegangen. Anstatt zu agieren, reagiert man
auf den Markt. Hier wäre es in jedem Fall wünschenswert und vor allem empfehlenswert
gewesen, wenn man als Verleiher Trends gesetzt hätte. Das ist mein größter Kritikpunkt.
In der Unterhaltungsbranche wird sehr häufig auf den Markt reagiert, anstatt den Markt
mit zu beeinflussen. Besonders in Deutschland besteht hier großer Aufholbedarf. Es gilt,
Risiken einzugehen und Dinge einfach auszuprobieren.
Derzeit sehe ich hier großes Potential in den Bereichen Alternate Reality Gaming und
Augmented Reality. Bei ersterem handelt es sich um eine neue Form der klassischen
Schnitzeljagd, bei der verschiedenen Medienkanäle genutzt werden, um die Spieler an ein
Ziel zu bringen, wobei der große Vorteil in der hohen Integration der Nutzer liegt. Die
Qualität der Kontakte steht bei ARGs in keinem Verhältnis zu dem, den man über ein
Plakat, eine TV-Kampagne oder eine Printanzeige generiert.
Klasse statt Masse lautet das Motto der Zukunft, da über diverse Online-Kanäle die Masse
von allein kommt, wenn das Produkt die entsprechende Klasse aufweist.
Der zweite Bereich ist Augmented Reality, also erweiterte Realität. Dabei werden
statische Medien wie Print um multimediale oft dreidimensionale Elemente erweitert.
Wenn man bedenkt, welche neuen Möglichkeiten sich daraus ergeben, blicke ich mit
Freude auf die kommenden 5 Jahre.
Jetzt dürfen nur die Verleiher und anderen Player den Zug nicht ein weiteres Mal
verschlafen.
Von all den möglichen Instrumenten des Web 2.0, welches glaubst du ist das effektivste?
Zum Standard zählen mittlerweile Blogs, Countdown-Widgets, Profile auf Social Networks
wie Facebook oder MySpace und Einträge in Wikipedia.
Also innovativ würde ich immer noch die Einrichtung eines Twitter-Accounts bezeichnen.
Wie bei Profilen meine ich aber auch bei Twitter, dass die Einrichtung eins Accounts für
die Hauptperson (Character Profiles) eines Films nicht ratsam ist, da man hiermit die
Authentizität etwas außer Acht lässt. Innovativ aber leider noch so gut wie nicht genutzt
sind Crowdsourcing und Crowdfunding Projekte. Beim letzteren wird ein ganzer Film
durch die Community finanziert. Dafür gibt es Beispiele wie A Swarm of Angels, die
allerdings nicht so gut laufen. Hier stecken wir aber in den Kinderschuhen und ich denke,
dass auch dieses Thema in den nächsten fünf Jahren für Verleiher und Produktionsfirmen
immer spannender werden wird.
Ich denke, dass sich Blogs wahrscheinlich derzeit am besten einsetzen lassen, weil der
Begriff zumindest in der Online-Community mittlerweile zum täglichen Brot gehört.
Jeder kann mit Blogs umgehen und kennt das Tool.
Ich denke aber auch, dass es hier in den nächsten Jahren einen Shift in Richtung mobile
geben wird. Neue Geräte wie das iPhone mit seinem Apps oder das G1 von Google
zeigen, wohin die Reise gehen wird. In Verbindung mit einer entsprechenden
Zusammenarbeit mit den Providern, die für die Infrastruktur zuständig sind, wird die
Zukunft sehr spannend.
Kannst du erklären warum Web 2.0-Marketing für Filme tatsächlich funktioniert - also warum
Zuschauer motivierter sind sich einen Film anzuschauen, wenn sie darüber in einem
Production Blog gelesen haben?
Das ist eine Frage für Psychologen, die ich nur mit einer Vermutung beantworten kann.
Ich denke das Beste ist, sein persönliches Verhalten zu beobachten.
Wenn ich an der Entstehung eines Produkts, einer Marke oder einer Dienstleistung
teilnehme, und sei es nur durch einen Kommentar, den ich zum Beispiel in einen
Production Blog schreibe, dann intensiviert diese meine Bindung zu dem Produkt.
Dazu kommt, dass ich in der Regel nicht irgendwie auf den Production Blog stoße,
sondern gezielt zum Beispiel nach dem neuen Saw Film suche und dann bei meiner
Recherche auf den Blog stoße. Ich bin also ein Fan der Reihe und habe über den Blog die
Möglichkeit, dem Regisseur meine Fragen zu stellen und bekomme zudem Antworten.
Das würde zumindest mir reichen, um den Film anzusehen und dafür die 8 Euro für das
Kinoticket oder gar 15 Euro für die DVD zu investieren.
Der Kauf wird noch wahrscheinlicher, wenn ich im Vorfeld im Rahmen einer Social Media
Kampagne auf andere Art und Weise belohnt werde, also zum Beispiel exklusivs Material
vor anderen bekomme. Der persönliche Blog wird nicht selten als Etablierungstool
genutzt. Hier müssen Verleiher ansetzen und dem loyalen Nutzer unter die Arme greifen
und ihn in seinem Vorhaben unterstützen. Das kann eine Einladung zum Test-Screening
sein, aber auch die Einladung als Beta-Nutzer neuer Kanäle usw.
Was würdest du sagen, wer Web 2.0-Instrumente für Marketingkampagnen nutzt? - hängt das
von der Zielgruppe des Films oder dem Unterschied zwischen low-und high-budgetProduktionen bzw. Studios und Independent ab?
Wer wenig hat, kann so gut wie nichts verlieren und es sich leisten, neues zu probieren.
Majors sind in Sachen Social Media bzw. Social Web eindeutig die Nachzügler. Sie lassen
ihre Tochterfirmen oder Independent Labels vorgehen und testen, ehe sie sich langsam
aber sicher doch an die neuen Möglichkeiten herantasten.
Blair Witch Projekt hat es vorgemacht, dann kann New Line Cinema (Bitte noch einmal
überprüfen ob es das richtige Label ist) und hat es mit Snakes On A Plane nachgemacht.
Warner folgte mit 300 und schließlich initiierte auch Sony Blogs zu den Spiderman
Filmen.
Der größte Unterschied ist das Geld. Hier steht weniger für mehr.
Ein gutes Beispiel ist das Filmtrip Projekt. Mit quasi 0 Budget wurden Aktionen
umgesetzt, die einen Buzz erzeugten, den Majors vermutlich nie und wenn doch dann mit
einem Mega-Budget erreicht hätten. Über den zentralen Weblog unter www.filmtrip.de
wurden neue Kanäle wie Twitter, Social Networks und die dazu gehörigen Mechanismen
kommuniziert. Über viele Monate hinweg wurde eine Beziehung mit dem Publikum
aufgebaut, wodurch die Freude auf den Film immer mehr angefeuert wurde.
Die Zielgruppe, die besonders interessant ist, sind natürlich die männlichen, 14-29
Jährigen, die internetaffin sind und auch tatsächlich im Web 2.0 aktiv Inhalte generieren.
Diese Gruppe lässt sich vermutlich am besten als Influential (erste Ansprechgruppe)
nutzen, um dann einen Dominoeffekt auszulösen, der ja bei Viralkampagnen immanent
ist. Entsprechend wichtig sind dafür die geeigneten Themen.
Und würdest du sagen, dass es auch in der Nutzung ganz bestimmter Mittel, wie Blogs oder
Facebook-Seiten oder Widgets Unterschiede gibt in Bezug auf, wer sie anwendet?
Das ist eine interessante Frage. Ich denke, dass man auch bei modernen 2.0 Kampagnen
die genutzten Medien nach den Zielgruppen und ihre Affinität zu bestimmten Medien
auswählen muss. Konnte man bisher entscheiden, ob man den Fokus auf Print, TV oder
Radio legt, verschmelzen diese Kanäle im konvergenten Medium Internet. Ob man einen
Blog, ein Facebook-Profil oder ein Widget nutzt, ist hier nicht die zentrale Frage. Viel
wichtiger ist es, über welchen digitalisierten Kanal man im Web kommunizieren will. Soll
es ein Videocast sein, oder versucht man es doch eher mit einem Podcast, wobei hier die
Antwort je nach dem ausfällt, welches Produkt man kommuniziert. Diversere Versuche,
einen Film mit Podcasts zu bewerben (Neues vom Wixxer, House of Wax) haben nicht
den gewünschten Erfolg gebracht, weil man ein audiovisuelles Medium nur schwierig über
ein ausschließlich auditives Medium wie einen Podcast bewerben kann. Videocasts bieten
hier natürlich bereits den besseren Effekt.
Allgemein betrachtet denke ich, dass alle neuen Kanäle, von Weblogs, über Social
Networks bis Twitter, überwiegend von einer jungen Zielgruppe genutzt werden und
daher auch alle gleichwertig einsetzbar sind.
Gibt es auch Unterschiede in der Nutzung von Web 2.0 fürs Film Marketing im Vergleich der
Länder? Nutzen deutsche Verleiher oder europäische Verleiher das Web 2.0 im gleichen
Maße wie amerikanische?
Natürlich sind die Amerikaner in Sachen Unterhaltungsmarketing im Online-Bereich
immer einen Schritt voraus. Als Trendforscher sehe ich aber auch, dass andere Länder
auf anderen Gebieten weiter vorne sind, als die Amerikaner. So ist Asien der große
Markt, wenn es um Mobile-Media bzw. Mobile Marketing geht, Südamerika ist im
Außenwerbebereich vorne weg und Europa setzt im 3D- und Augmented Reality-Bereich
Maßstäbe.
Für das Web 2.0 ist aber klar zu sagen, dass einerseits die kleinen Independent-Labels
vorne weg preschten und riskierten, bis dann auch die Majors dazu kamen. In
Deutschland und dem Rest Europas ist mit etwas Zeitverzögerung vor rund zwei Jahren
dann das gleiche passiert. No- bis Low-Budget Produktionen griffen auf die
kostengünstige Variante der Web 2.0 Promotion zurück und bewarben ihre Filme quasi
ohne klassische Mittel. Majors erkannten die Power von Blogs und Co. und übernahmen
die Erkenntnisse der Indies auf dem deutschen Markt und bauten einzelne 2.0 Element in
die Kampagnen ein, was mittlerweile bei fast jeder Kampagne der Fall ist.
Ich habe gesehen, dass Fox Searchlight und Focus Features Seiten haben, auf denen
Filmemacher bloggen können. Was glaubst du, woran es liegt, dass nicht Universal oder 20th
Century Fox solche Seiten haben sondern ihre Independent-Ableger bzw. Tochterfirmen?
Da kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich denke, dass dies eine Markentechnische
Frage ist. Für Focus Features, oder Searchlight ist jeder Filmemacher, der einen Namen
hat, eine willkommene Marke, die in der Aufwertung der eigenen Marke hilft. Diese
Insider-Marken wie zum Beispiel Jason Reitman helfen dem Label dabei, das
Markenimage eines hochwertigen Filmunternehmens zu unterstützen.
Warum Fox und Universal noch nicht auch auf das Thema Corporate Blogging gestoßen
sind, ist für mich auch fraglich, da ich hier auch noch großes Potential sehe, die eigene
Marke im Web 2.0 zu festigen.
Meine Vermutung warum das bisher noch nicht passiert ist, lautet, dass man den Film in
den Vordergrund stellen möchte, denn wie Boris Benefeld, Marketing Director von
Twentieth Century Fox Home Entertainment, in einem Interview mit dem deutschen
Filmbranchenmagazin „Blickpunkt: Film“ behauptet: „[…] wir schaffen keinen Link
zwischen einem Film und dem Namen Fox. Jeder Film ist vielmehr selbst eine Marke und
wird als solche jeweils neu aufgebaut.“
Und zuletzt: meinst du es gibt bei den Filmstudios einen Trend zum Brandmarketing, so dass
sich für sie in der Zukunft vielleicht auch Corporate Blogs lohnen würden?
Die Frage hat sich glaube ich mit der vorigen beantwortet. Der Benefit wäre aus meiner
Sicht vorhanden. Die Absicht ist jedoch scheinbar eine andere bei den Majors, was man
ja auch durchaus verstehen kann.
Das Interview führte Sarah Kolvenbach für ihre Masterarbeit zum Thema Film
Marketing im Web 2.0