Erwachsen dem Kind Eltern sein Transaktionsanalyse mit Kindern

Erwachsen dem Kind Eltern sein
Transaktionsanalyse
mit Kindern und Jugendlichen
Keith Tudor, Hrsg.
Band 1
‘The Adult is Parent to the Child’ (Hrsg. Keith Tudor) erschien 2008.
Für Saul und Esther
und in liebevoller und dankbarer Erinnerung an Brain, Sue und Petrûska,
für ihre Anregung, Kreativität, Unterstützung und Menschlichkeit.
Russell House Publishing Limited, Dorset.
Übersetzung aus dem Englischen von Simone Stephan.
dgta.edition
Inhaltsverzeichnis
Vorworte
7
Einleitung
13
Kapitel 1:
Einführung in die Transaktionsanalyse
Graeme Summers und Keith Tudor
Kapitel 2:
Das virtuelle Dorf: Arbeit mit dem
sozialen Umfeld
Trudi Newton
Kapitel 3:
Arbeit mit Kindern und Eltern
Diane Hoyer und Laura Hyatt
Kapitel 4:
Auf den Kontext kommt es an:
Arbeit mit muslimischen Jungen
in einer Welt nach dem 11. September
Pete Shotton
19
39
61
79
Kapitel 5:
Milieu-Therapie: Die Entwicklung der
Transaktionsanalyse mit Jugendlichen und
Mitarbeitern einer Jugendhilfeeinrichtung
Anita Mountain
95
4
Kapitel 6:
Transaktionsanalytische Psychotherapie
mit dem einzelnen Kind
Keith Tudor
129
Kapitel 7:
Die Stimme, die ich dir verdanke –
Das erste Gespräch mit dem Kind
Dolores Munari Poda
151
Kapitel 8:
Bindung, Trennung und Verlust
Kath Dentith und Jean Lancashire
167
Kapitel 9:
Arbeit mit Jugendlichen
Mark Widdowson 189
Kapitel 10:
Therapeutische Arbeit mit Kindern
und Eltern
Diane Hoyer und Laura Hyatt
221
Literaturverzeichnis
237
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
259
5
Vorworte
Gudrun Jecht-Hennig
Als Therapeutin für Kinder und Jugendliche und Kinderärztin bin ich sehr glücklich, dass dank
Ulrike Müller das Buch The Adult is Parent to the Child – transactional analysis with children and young people nun in deutscher Sprache vorliegt! Simone Stephan, Kinder- und Jugendtherapeutin und Transaktionsanalytikerin, hat die Übersetzungsarbeit geleistet.
Obwohl die Kindertherapie von Anfang an Bestandteil der transaktionsanalytischen Arbeit
war und es auch immer wieder vereinzelt Bücher zum Thema gab – man denke an Berne selbst,
der 1968 The Happy Valley schrieb, und an Muriel James’ Erziehungsratgeber von 1974 oder im
deutschsprachigen Raum an die bekannten Kreisgesichter von Elisabeth Kleinewiese – es fehlte
bislang ein Buch, das sich so umfassend dem Thema widmet wie das vorliegende.
Schon lange habe ich ein grundlegendes Buch zur psychotherapeutischen, beraterischen,
pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vermisst. Das vorliegende Buch schließt
nun diese Lücke.
Dem Herausgeber Keith Tudor ist es gelungen, eine große Zahl von Autoren aus den Bereichen Beratung, Pädagogik und Psychotherapie zu gewinnen, die sich um das Wohl von Kindern und Jugendlichen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln kümmern. Beim Lesen war ich
fasziniert von der Vielfalt der vorgestellten Facetten. Einmal mehr wurde mir deutlich, dass die
transaktionsanalytische Theorie einen wirklich guten Hintergrund für die Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen darstellt. Die Konzepte liefern Vorstellungen für die praktische Arbeit wie
die Planung von Interventionen. Außerdem wird die aktuelle Theorie einbezogen und um neue
Ideen bereichert. Alle Beiträge sind ausgezeichnete Beispiele für den großen Respekt, der den
Kindern und Jugendlichen in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit entgegengebracht
wird. Sie werden geachtet, geschützt und in ihrer Entwicklung ermutigt. Und sie werden darin
unterstützt, ihre Ressourcen zu entdecken und ihre Probleme zu lösen.
Endlich gibt es ein Buch, in dem die transaktionsanalytische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ausführlich, differenziert und mit Herz dargestellt wird.
Ich wünsche dem Buch aufgeschlossene Leser, die sich davon inspirieren und ermutigen
lassen. Es ist eine Quelle von Wissen und Erfahrung sowie eine Herausforderung, in neuen
Konzepten zu denken.
6
7
Simone Stephan
Als ich Anfang 2009 von Ulrike Müller, meiner damaligen TA-Mentorin, das Buch „The Adult is
Parent to the Child“ erhielt, um es für die Zeitschrift für Transaktionsanalyse zu besprechen, wurde
mir rasch bewusst, welchen Schatz ich in Händen hielt. Zu der Zeit war ich bereits seit vielen
Jahren als Psychologin in einer sozial-psychiatrischen Praxis für Kinder und Jugendliche tätig
und in meiner Weiterbildung zur Transaktionsanalytikerin für Psychotherapie schon recht weit
vorangeschritten. Immer wieder hatte ich nach Literatur geschaut, in der die transaktionsanalytische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beschrieben wurde, fand aber nur ausgesucht wenig
und erst recht wenig in deutscher Sprache. Wer im kinder- und jugendtherapeutischen Bereich
tätig ist, weiß um die vielen Zwickmühlen, denen man während der Arbeit ausgesetzt ist und um
die bürokratischen und zwischenmenschlichen Unwägbarkeiten, denen man sich stellen muss.
Da ist die Vielzahl an Dreiecksverträgen zwischen dem Praktiker, dem Kind bzw. Jugendlichen
und allen Instanzen, die an seiner Erziehung beteiligt sind, seien es die Eltern und Lehrer, Sozialarbeiter oder alle anderen Personen und Einrichtungen, die an den Entscheidungen über das
Wohl des Kindes oder Jugendlichen Anteil haben. Des Weiteren findet man sich in dem häufigen
Widerstreit zwischen der Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen Therapeut und Klient
und dem Schutzauftrag, den man für den jungen Menschen übernommen hat.
So bot mir das von Keith Tudor herausgegebene Buch, wonach ich lange gesucht hatte – ein
Buch, das die vielen alltäglichen und oft heiklen Aspekte in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aufgreift, geschrieben von Transaktionsanalytikern
unterschiedlicher beruflicher Disziplinen, die ihre eigenen praktischen Erfahrungen einfließen
lassen und dabei aufzeigen, welche transaktionsanalytischen Konzepte und Methoden sich als
hilfreich und wirksam erweisen.
Noch während ich an der Buchbesprechung arbeitete, begannen die gelesenen Inhalte meine
eigene diagnostische und therapeutische Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen bereits zu beeinflussen und zu bereichern. Wie schön wäre es, gäbe es dieses Buch auf Deutsch und könnte es
dazu beitragen, die Transaktionsanalyse gerade in der kinder- und jugendtherapeutischen Arbeit
im deutschsprachigen Raum noch besser zu etablieren – so meine damaligen Gedanken. Daher
entschied ich für mich, dieses Buch zu übersetzen. Ich stellte Ulrike Müller meine Idee vor, die
sie sofort begrüßte und sie versprach, sich bei der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse
für dieses Projekt einzusetzen – mit Erfolg! Für ihr Zutrauen, ihre Ermutigung und ihre wertvolle
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redigierende Arbeit, die die Übersetzung von Beginn an begleitet hat, bin ich Ulrike von Herzen
dankbar.
Die englische Sprache vermag mit wenigen Worten sehr viel auszudrücken, wofür das Deutsche nahezu die doppelte Anzahl Wörter benötigt, und deshalb wurde entschieden, die deutsche
Ausgabe in zwei Bänden zu veröffentlichen. So enthält der Band 1 der deutschen Ausgabe, die
­praxisorientierten Kapitel der ersten beiden Buchteile des englischen Originals. Die eher theoretisch orientierten Kapitel sowie alle Anhänge erscheinen in Band 2, ebenso das umfangreiche
Autoren- und Sachregister zu beiden Bänden.
Zwei Autorinnen haben ihre Beiträge ursprünglich in Italienisch verfasst, wovon einer in Band
eins, der andere in Band zwei zu finden ist. Um hier möglichst nah am Originaltext bleiben zu
können, hat meine Freundin und TA-Kollegin Anne Schön die Übersetzung dieser beiden Artikel aus dem Italienischen übernommen. Hierfür und für die damit verbundene Arbeitserleichterung danke ich ihr an dieser Stelle herzlich.
Den Titel der deutschen Ausgabe habe ich so gewählt, dass er möglichst nah am englischen
Original bleibt. Nur aus einem funktionierenden Erwachsenen-Ichzustand können wir uns „ausreichend gut“ Kindern gegenüber elterlich, d.h. erzieherisch, verhalten.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit habe ich mich in meiner Übersetzung bei Begriffen wie
­„Therapeut“, „Patient“, „Mitarbeiter“ o. ä. für die männliche Schreibweise entschieden.
Dieses Buch zu übersetzen, nebenberuflich und nebenfamiliär (!), hat sich bei aller Schaffensfreude als ehrgeizigeres Projekt entpuppt, als ich ursprünglich angenommen hatte. Aber wir neigen
wohl alle bisweilen ein wenig zur Grandiosität. Umso mehr freue ich mich, dass der erste Band
der deutschen Ausgabe – der Löwenanteil der Übersetzung – nach knapp fünf Jahren nun in
Druck gehen kann. Ich danke der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse für die Unterstützung dieses Übersetzungsprojektes und für das in mich gesetzte Vertrauen. Uli Helm und
Karin Blessing sei für ihre große Hilfe bei der Zusammenstellung des Literaturverzeichnisses
gedankt.
Zu guter Letzt gilt meine tiefe Dankbarkeit meinem Mann und meinen drei Kindern für ihre
Geduld und ihre Nachsicht, wenn ich meine Arbeit manchmal wichtiger nahm als die familiären
Belange. Möge das Ergebnis dieser Arbeit vielen Praktikerinnen und Praktikern, vor allem aber
vielen Kindern und Jugendlichen, zugute kommen.
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Keith Tudor
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Die englische Ausgabe kam 2008 heraus. Seither wurde manches weiterentwickelt, das zeigen die Arbeiten von Bogren (2008), Munari Poda (2010, 2011) und Bastianelli (2014) sowie
das Themenheft des TAJ 2014 „Transactional Analysis with Children and Adolescents“, herausgegeben von Marco Mazzetti, Gudrun Jecht-Hennig und Dolores Munari Poda. Ich möchte
besonders die Aufmerksamkeit auf meine italienische Kollegin Dolores Munari Poda lenken,
deren Werk 2009 mit der Verleihung des Eric Berne Memorial Award von der Internationalen
Transaktionalen Gemeinschaft gewürdigt wurde. Es freut mich sehr, dass sie zu dem vorliegenden Buch ein Kapitel beigesteuert hat.
Beim Wiederlesen des Buches heute stelle ich mit Freuden fest, dass es immer noch standhält und seine Beiträge noch genau so relevant sind wie bei seinem Erscheinen vor sieben Jahren.
Ich freue mich, die Einführung für den ersten Band der deutschen Ausgabe des Buches über die
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen schreiben zu können (der zweite Band wird 2016 erscheinen).
Ich habe eine sehr positive Verbindung zu Deutschland. Mein Vater, Leslie Charles Tudor
(1915-1990), war Deutschlehrer und liebte und zitierte oft Goethe und Schiller, zwei seiner Heroen. Er studierte Deutsch an der Liverpool University in den 1930er Jahren und verbrachte den
größten Teil des Jahres 1938-39 in Hamburg, wo er seine Deutschkenntnisse über das Schriftdeutsch, wie es an den englischen Universitäten gelehrt wurde, hinaus erweiterte. Teils aufgrund
der Freundschaften aus dieser Zeit und teils aufgrund seiner religiösen Überzeugung wurde er
zum Kriegsdienstverweigerer. Er blieb seinen deutschen Freunden und Kollegen nach dem Krieg
verbunden, organisierte in den 50er und 60er Jahren Schülerreisen in verschiedene Gegenden
Deutschlands und verbrachte mit der Familie seine Ferien in diesem Land. An diese Ferien habe
ich viele positive Erinnerungen. Auch als junger Erwachsener besuchte ich Deutschland und erst
kürzlich wieder anlässlich eines internationalen Kongresses in Potsdam. Ich habe viele deutsche
Freunde in Deutschland, in Großbritannien und in meiner neuen Heimat Aoteraoa in Neuseeland. Deshalb bin ich besonders berührt und geehrt, dass meine Kollegin und Freundin Ulrike
Müller sich für die Übersetzung und Veröffentlichung des Buches eingesetzt hat.
Der Titel des englischen Buches spielt mit der transaktionsanalytischen Bezeichnung für
die Ichzustände: „Elternteil“, „Erwachsener“, „Kind“ und reflektiert die theoretische Sichtweise
auf die Ichzustände, wie sie von Berne (1961) dargestellt wurden und von James und Jongeward
(1975), Erskine (1988), Summers und mir (2000, 2003, 2014) weiterentwickelt wurden.
Ich hoffe, dass Sie, liebe Leser, an der Theorie und Praxis Gefallen finden werden.
Das Buch ist aus meiner eigenen therapeutischen Praxis mit Kindern und Adoleszenten entstanden. Ursprünglich wollte ich Kindertherapeut werden, bevor ich mich für einen Abschluss
in Gestaltpsychotherapie entschied (1984), um anschließend Transaktionsanalytiker zu werden
(1987-1994). Als Ergebnis meiner eigenen Erfahrung mit dieser besonderen Art von therapeutischer Arbeit, bei der ich mich von spezieller Supervision begleiten ließ, fing ich an, Vorträge
dazu zu halten und zu schreiben. So begegnete ich anderen transaktionsanalytischen Kollegen,
die mit Kindern und Adoleszenten arbeiteten oder dies tun wollten. Daraufhin gründete ich eine
Supervisionsgruppe, die über zehn Jahre Bestand hatte und Psychotherapeuten, Berater, Lehrer/
Erzieher und Sozialarbeiter umfasste. Sie alle hatten viel Erfahrung in der Arbeit mit Kindern
und Adoleszenten. Dieses Buch entstand vor diesem Hintergrund.
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Einleitung
Keith Tudor
Einleitung zur englischen Ausgabe
So etwas wie ein Kind an sich gibt es nicht. Diese Aussage mag fremd und eher heftig anmuten.
Dennoch bringt sie auf den Punkt, dass wir mit Kindern weder zusammen sein noch über sie
nachdenken können, ohne die Tatsache anzuerkennen, dass sie zunächst einmal auf die Versorgung und Fürsorge Erwachsener angewiesen und damit immer Teil eines Systems sind. Dieses
System umfasst Eltern, Fürsorgepersonen, Familie, Verwandtschaft, Gemeinde, Schule, Kultur
und Gesellschaft – je einzeln oder als Gesamtheit.
Dieses Buch würdigt über die Bandbreite seiner Kapitel hinweg das kindliche Umfeld und
bezieht dabei die soziale Umwelt, Eltern, Schule, Gesetzgebung und Wohnsituation ebenso ein
wie verschiedene Formen der Therapie.
Während Kinder zwar von Erwachsenen abhängig sind, „gehören“ sie diesen aber nicht,
genau genommen nicht einmal den Eltern. Wie Gibran (1993) es ausdrückt: „Und obwohl
sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.“ In gleicher Weise gehört das Wissen über
„das Kind“ und über „Kindesentwicklung“ nicht einer einzelnen Disziplin oder Berufsgruppe
an. Das vorliegende Buch berücksichtigt diese Betrachtungsweise, indem es 19 Fachkräfte mit
ihrem jeweiligen Spektrum an Hintergründen, Ausbildungen, Erfahrungen, Spezialisierungen
und Interessen zusammenbringt. Im ersten Band werden die praxisbezogenen Texte veröffentlicht. Im zweiten Band werden die eher theoretischen Texte zusammengefasst.
Was uns – und dieses Buch – zusammenführt, ist die gemeinsame Erfahrung mit und das
gemeinsame Interesse an der Transaktionsanalyse. Auf unsere je eigene Weise empfinden wir die
Transaktionsanalyse als ein hilfreiches Rahmenwerk zum Verständnis unserer Arbeit mit Kindern in ihrem jeweiligen Umfeld. Diese Sichtweise wollen wir mit einem breiteren Publikum
teilen, nicht zuletzt deshalb, weil die Transaktionsanalyse eine lange Geschichte im Hinblick
auf die Arbeit mit Kindern vorzuweisen hat. In diesem Sinne sind die Ziele des vorliegenden
Buches:
● zu kommunizieren, wie die Transaktionsanalyse mit Kindern und Jugendlichen in deren Bezugssystem und über eine weite Bandbreite an Gegebenheiten hinweg angewendet wird und
angewendet werden kann.
● die Transaktionsanalyse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, einschließlich Eltern, Pädagogen, Mitarbeitern des Gesundheitswesens und anderen in Organisationen enga12
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gierten Personen, deren Zielsetzung das Leben, das Wohlbefinden, die Fürsorge und Behandlung
von Kindern und Jugendlichen ist.
● eine umfangreichere und zeitgemäße Sichtweise der Transaktionsanalyse sowohl einem allgemeinen Publikum zugänglich zu machen als auch denen, die zwar mit ihr vertraut sind, weniger aber
mit deren Anwendung für diese spezifische Zielgruppe.
● die Wichtigkeit und Bedeutung von therapeutischer, pädagogischer und organisatorischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen innerhalb der Transaktionsanalyse, aber auch innerhalb der
übrigen professionellen Felder, die dieses Buch umfasst, wieder in Erinnerung zu rufen. Wir
hoffen, dass das vorliegende Buch nicht nur innerhalb von transaktionsanalytischen Weiterbildungskursen, sondern in allen Fort- und Weiterbildungen von Fachkräften, die mit Kindern und
Jugendlichen arbeiten, zu einer zentralen Lektüre wird.
Transaktionsanalyse
Die Transaktionsanalyse ist eine Möglichkeit zu verstehen, was zwischen Menschen und im je
einzelnen geschieht. Obwohl ihre Wurzeln aus der Psychotherapie herrühren, ist sie mehr als nur
eine weitere „Schule“ oder ein weiterer Therapieansatz. So stellt sie zum Beispiel eine Kommunikationstheorie zur Verfügung, die auf die Analyse von Systemen und Organisationen ausgeweitet
wurde, Felder, die in diesem Buch ebenfalls repräsentiert sind. Dem mit der Transaktionsanalyse
unvertrauten Leser dient Kapitel eins als Einführung in ihre grundlegenden Konzepte (siehe auch
Mountain, 2004).
Von den frühen Tagen der Transaktionsanalyse an haben die darin tätigen Praktiker über ihre
Arbeit mit Kindern (siehe Mannell, Piehl und Edwards, 1968; James, 1969; Piehl, 1969) und über
die theoretischen Implikationen für die Kindesentwicklung geschrieben (Amundson, 1978; Levin,
1988a, 1988b). 1988 wurde eine Spezialausgabe des Transactional Analysis Journal dem Thema
„TA und Kinder“ gewidmet (Bonds-White, 1988), und 2005 beinhaltete eine weitere Spezialausgabe des Journals mit dem Titel „TA und Erziehung“ drei Artikel über die Arbeit mit Kindern
(Newton, 2005). In einer Reihe von Büchern, die direkt für Kinder geschrieben wurden, sind die
transaktionsanalytischen Konzepte durch Bilder und Geschichten in eine für Kinder zugängliche
Sprache übersetzt. Diese Bücher werden in Band 2 (erscheint voraussichtlich 2016) im Einzelnen
aufgeführt.
Dennoch scheinen wir uns dieser Tradition nicht sehr bewusst zu sein, gemessen an der Einstellung einiger Kollegen sowohl außerhalb als auch innerhalb der TA, vor allem im Hinblick auf
die therapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen:
● Eine gewisse Ignoranz dieser Tradition. Teil meiner Motivation als Herausgeber des vorliegenden Buches war, sich auf diese Geschichte der Transaktionsanalyse zurückzubesinnen, sowie die
gegenwärtige Praxis aus den verschiedenen Anwendungsfeldern und aus unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der TA aufzuzeigen.
● Innerhalb der transaktionsanalytischen Weiterbildung wird allgemein zu wenig auf die Arbeit
mit Kindern und Jugendlichen Bezug genommen. An sich ist sie so allumfassend, dass sie die
Weiterbildungskandidaten auf die Arbeit mit einer allgemeinen Klientel vorbereitet. Dennoch
fokussieren beispielsweise in der Psychotherapieweiterbildung die meisten Trainingsinhalte –
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Theorie, Praxis und Supervision – auf die individuelle Arbeit mit erwachsenen Klienten. In Großbritannien z.B. präsentieren Examenskandidaten erst seit 10 Jahren ihre Arbeit mit Kindern.
Indem es Theorie auf Praxis und Praxis auf Theorie abstimmt, beabsichtigt das vorliegende Buch,
diese Situation zu verbessern und damit die nächste Generation von Praktikern zu unterstützen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, insbesondere, wenn auch nicht ausschließlich,
Transaktionsanalytiker.
●
Eine gewisse Befangenheit der Praktiker, die mit Minderjährigen, gleich auf welchem Sektor
arbeiten; eine Ängstlichkeit, die bei wenig erfahrenen oder gänzlich unerfahrenen Personen auf
diesem Gebiet noch höher sein mag. In der Arbeit mit Minderjährigen müssen bestimmte gesetzliche, professionelle und ethische Anforderungen ebenso in Betracht gezogen werden wie der
Einfluss, den die Arbeit selbst auf den jeweiligen Praktiker nimmt. Diese Anforderungen werden
über das gesamte Buch hinweg berücksichtigt und in Kapitel 10 gesondert adressiert. Auf diese
Weise zielt das Buch darauf ab, zu informieren, zu unterrichten, zu unterstützen, anzuregen und
herauszufordern und zwar Praktiker, Weiterbildende und Supervisoren gleichermaßen.
● Die Art und Weise, wie bestimmte Berufsgruppen organisiert und reguliert sind. Im Fall der
Psychotherapie in Deutschland beispielsweise wird gegenwärtig die Kinderpsychotherapie als
eine postgraduierte (sogar post-postgraduierte) Tätigkeit angesehen. Die daraus resultierenden
Konsequenzen und Anforderungen werden in Kapitel 10 ausgeführt und diskutiert.
Der Aufbau des Buches (Band 1)
Gestützt auf die Beiträge erfahrener Praktiker aus allen Feldern, beschreibt das vorliegende Buch
den aktuellen Stand der Kunst und Wissenschaft der Transaktionsanalyse mit Kindern und Jugendlichen.
An diese Einleitung anschließend führt Kapitel 1 in die Transaktionsanalyse ein, geschrieben
vor allem für den mit der TA unvertrauten Leser. Verfasst von einem Freund und Kollegen, Graeme Summers und mir selbst, stellen wir grundlegende Konzepte der Transaktionsanalyse vor –
Ichzustände, Transaktionen, Skript und Spiele – auf die im Verlauf des Buches Bezug genommen
wird. Zusätzlich stellen wir zwei weitere ihrer Konzepte dar, auf die ebenfalls in verschiedenen
Kapiteln des Buches eingegangen wird und die von besonderer Bedeutung für die Arbeit mit Kindern sind: ein Modell für die systemische Anwendung und eine kurze Abhandlung über Verträge
und Vertragsarbeit. Diese Einführung in die Tranaktionsanalyse fungiert als Bezugspunkt für das
Buch im Gesamten.
Band Eins ist inspiriert von der Maxime Winnicotts, ‚so etwas wie ein Baby an sich gibt
es nicht – nur eine Mutter und ein Baby‘. Das Kind oder der Jugendliche kann nicht isoliert
oder losgelöst von seinem Umfeld verstanden werden und, im Falle des Kindes, beinhaltet dieses Bezugssystem sowohl die Gesellschaft, Familie und Schule als auch das Gesetz und relevante
Institutionen. All diese werden in den ersten fünf Kapiteln behandelt. In Kapitel 2 bezieht sich
Trudi Newton, eine Erziehungswissenschaftlerin und Lehrende und Supervidierende Transaktionsanalytikerin (TSTA), auf das Bild des Dorfes, sowohl als reales als auch als virtuelles Konstrukt,
um die wechselnden Paradigmen in Erziehung und Gesellschaft zu diskutieren. Sie misst den
Wert der Erkenntnisse der gegenwärtigen Forschung und des Denkens in Erziehungswissenschaft,
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Neurowissenschaft und positiver Psychologie daran, inwieweit das soziale Umfeld die gesunde
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unterstützt. In Kapitel 3 erörtern Diane Hoyer und
Laura Hyatt, zwei Transaktionsanalytikerinnen, die beide in Großbritanniens ‚Nationaler Gesellschaft zur Vorbeugung von Gewalt gegen Kinder‘ (National Society for the Prevention of Cruelty
to Children) tätig waren, die Bedeutung der Arbeit mit Kindern und deren Eltern. Gestützt
auf die kindliche Entwicklungstheorie und die nicht-direktive Spieltherapie wie auch auf die
Transaktionsanalyse, stellen sie ihre Arbeit auf diesem Gebiet vor, indem sie die Anwendung und
Entwicklung ihres transaktionsanalytischen Rahmenwerks, insbesondere des „Behandlungsdreiecks“ diskutieren. In den meisten Kulturen der Welt stellt die Schule einen Haupteinflussfaktor
bei der kulturellen Integration von Kindern in die Gesellschaft dar. In Kapitel 4 beschreibt der
Transaktionsanalytiker Pete Shotton, seines Zeichens sowohl Erziehungswissenschaftler als auch
Psychotherapeut, seine Arbeit an einer weiterführenden Innenstadt-Jungenschule. Als Leiter eines Teams von Mentoren hilft er mit seiner Arbeit den Jungen dabei, sich zu ihren sozialen und
emotionalen Bedürfnissen im Kontext einer vielschichtigen und dynamischen Schulkultur und
im weiteren sozialen Kontext einer multikulturellen Gemeinde der‚ Welt nach dem 11. September‘ zu bekennen. Im abschließenden Kapitel 5 dieses ersten Buchteils beschreibt Anita Mountain, ebenfalls zweifach zertifiziert, sowohl in organisationaler als auch psychotherapeutischer
Anwendung der TA und mit dem Status TSTA in beiden Bereichen, ihre mehr als zehnjährige
Arbeit als Beraterin einer Wohn- und Fördereinrichtung des sozialen Dienstes für Jugendliche.
Diese einzigartige Arbeit umfasst die Entwicklung eines therapeutischen Umfeldes und eines
sozialen Milieus; die Etablierung von therapeutischen Verträgen und von Behandlungsplänen
für die Bewohner, professionelle Weiterbildung des Personals und organisationale Analyse und
Entwicklung. Einige der von der Autorin entwickelten und eingesetzten Formblätter sind in
Appendix 4 wiedergegeben (s. Band 2).
In Kapitel 6 stelle ich eine Reihe von tranaktionsanalytischen Konzepten vor, die um das
„Behandlungsdreieck“ aus Verträgen und Vertragsarbeit, Diagnose oder Anwendung sowie der
Therapie im eigentlichen Sinn angesiedelt sind, all dies unter Bezugnahme auf Fallbeispiele wie
auch auf meine therapeutische Arbeit mit einem Kind im Besonderen. Dabei biete ich einige
Kommentare zur Entwicklung von transaktionsanalytischer Theorie und Methode an, besonders
im Hinblick auf die Diagnostik.
Kapitel 7, das erste von den drei Kapiteln, die sich besonders mit der fortlaufenden Psychotherapie mit Kindern befassen, diskutiert den Erstkontakt zwischen Kind und Psychotherapeut.
Ausgehend von Bernes (1966/2005) Betrachtungen vor dem ersten Treffen einer Gruppe, setzt
sich Dolores Munari Poda mit bestimmten therapeutischen Erwägungen im Vorfeld des ersten
tête-à-tête zwischen Therapeutin und Kind auseinander. Ihr Beitrag ist reichhaltig bestückt mit
Beispielmaterial und Kinderzeichnungen aus ihren Fällen. Eine Reihe italienischer Kollegen ist
nicht nur auf allen Anwendungsfeldern mit Kindern und Jugendlichen tätig, sondern befasst sich
ebenso mit der Entwicklung von Praxis und Theorie der Kinderpsychotherapie. Der größte Teil
dieses Materials ist nur auf Italienisch erhältlich. Umso größer ist meine Freude, die Originalarbeiten Munari Podas sowie einer weiteren italienischen Kollegin, Maria Assunta Giusti (s. Band
2) hier auf Deutsch veröffentlichen zu können. Die nächsten beiden Kapitel setzen sich mit den
Auswirkungen von Bindungserfahrungen auseinander. In Kapitel 8 befassen sich Kath Dentith
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und Jean Lancashire mit ihrer klinischen Arbeit mit Pflege- und Adoptivkindern. Sie sind beide
erfahrene Sozialarbeiterinnen auf dem Gebiet der Kindesfürsorge und klinische Transaktionsanalytikerinnen. Dabei lassen sie ihr Verständnis und die Integration von Bindungstheorie und
Transaktionsanalyse einfließen. Kapitel 9 fokussiert die Transaktionsanalyse mit Jugendlichen.
Mark Widdowson, Transaktionsanalytiker mit umfangreicher Erfahrung in der Arbeit mit Heranwachsenden, insbesondere in Einrichtungen des öffentlichen Sektors, prägt den Ton dieses
Kapitels, das sich direkt an den Leser direkt richtet, mit dem ihm eigenen direkten Stil seines
Arbeitens mit Jugendlichen. Auf einige Reflexionen über das Konzept des „inneren Heranwachsenden“ folgen mehrere grundlegende Erwägungen zur Arbeit mit Heranwachsenden aus einer
den jeweiligen Kontext berücksichtigenden Perspektive, gestützt auf die Britische Sozialgesetzgebung. Das Kapitel schließt mit praktischen Beispielen der transaktionsanalytischen Therapie und
der Arbeit mit einer Gruppe Heranwachsender von einem psychoedukativen Standpunkt aus. In
Kapitel 10 zeigen Diane Hoyer und Laura Hyatt die Anwendbarkeit ihrer Arbeit (wie in Kapitel
3 ausgeführt) mit Kindern und Eltern. Sie ergänzen dies mit drei klinischen Fallvignetten. Ihre
Ausführungen beinhalten auch den Einsatz der von Hoyer entwickelten ‚Positive Parenting Strategie‘, die in Appendix 5 (s. Band zwei) erklärend dargestellt ist. Die letzten beiden Kapitel dieses
Teils konzentrieren sich auf notwendige Qualitäten, Eigenschaften und Fähigkeiten des Kindertherapeuten und sind beide von Transaktionsanalytikern verfasst, die eine Zusatzausbildung zur
Weiterqualifizierung für die therapeutische Arbeit mit Kindern haben.
In einem Buch, das die Bedeutung des Umfeldes besonders betont, möchte ich abschließend
den Kontext und den Beitrag meiner eigenen Familie, der beitragenden Autoren und des Verlegers würdigen. In Grundlagen der Gruppenbehandlung erörtert Berne die notwendigen Vorbereitungen, die ein Gruppentherapeut treffen muss, bevor er die Leitung einer Gruppe beginnt. Im
Verlauf dieser Betrachtungen stellt er einige Fragen zur therapeutischen Beziehung:
„Im Hinblick auf seine eigene Entwicklung sollte der Therapeut sich als Erstes fragen: ‚Weshalb sitze ich hier in diesem Raum? Warum bin ich nicht daheim bei meinen Kindern oder fahre
Ski oder bin beim Tauchen oder spiele Schach oder was mir sonst einfallen könnte?‘“ (2005,
S. 72). Dies sind denkbar gute Fragen für den vielbeschäftigten Praktiker – und meiner Erfahrung nach sind die meisten Praktiker vielbeschäftigt – ebenso wie für den vielbeschäftigten Autor
oder Herausgeber. Ich danke meiner Familie und, im Hinblick auf dieses spezielle Projekt, insbesondere meinen Kindern Saul und Esther, für ihre Geduld – wie auch für ihre Ungeduld – mit
dem zeitweise abwesenden Vater. Wie Topsy ist dieses Buch ‚einfach gewachsen‘, angereichert
und unterbrochen durch neue Entwicklungen und Ideen, die den Prozess unterbrachen, aber,
wie jede andere Krise auch, neue Möglichkeiten – und Kapitel – eröffneten. Und ich möchte
die Geduld aller Beitragenden würdigen, besonders derer, die ihre Kapitel prompt und früh im
Verlauf des Prozesses schrieben und einreichten. Dank geht ebenso an Geoffrey Mann von Russel
House für seine Begeisterung für das Projekt und seine positive Reaktion im Hinblick auf das
Ausmaß des Vorhabens, welches andere Herausgeber womöglich abgeschreckt hätte. Meine letzte
Anerkennung gilt allen Kindern und Jugendlichen, von denen mit Einverständnis und angemessener Unkenntlichkeit und Anonymisierung auf den vorliegenden Seiten die Rede ist und ohne
deren Erfahrungen, Geschichten und Ansichten wir als Praktiker und Leser nicht fortfahren
könnten, zu lernen und uns weiterzuentwickeln.
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