Liebe Menschen, im Vorfeld meiner Österreich

Liebe Menschen,
im Vorfeld meiner Österreich-Tour schreibe ich immer über das, was mich – und vielleicht auch
uns alle – gerade bewegt: Das Flüchtlingsthema ist in aller Munde, vieles davon hat mich während
der letzten Wochen berührt und auch sehr nachdenklich gemacht. Oft habe ich Kommentare von
Menschen gelesen, die ihre ablehnende Haltung gegenüber Ausländern mit den Worten:
„Eigentlich habe ich ja gar nichts dagegen, aber …“ zuerst verharmlosen, um keine zwei Sätze später
rassistisch zu werden ohne es selbst zu bemerken. In Teilen meiner eigenen Familie bemerke ich
öfter, dass „humorvoll gemeinte“, abfällige Bemerkungen über Asylanten so gemacht werden,
dass sie sich selber gar nicht bewusst darüber sind, dass es sich dabei um Rassismus handelt.
Und wenn ich dann versuche zu vermitteln, indem ich zum Beispiel sage, dass der Begriff „Neger“
diskriminierend ist, fühlen sie sich meist persönlich angegriffen und fragen mich „Ob i a besserer
Mensch wär?“ Worauf ich antworte: „Nein, denn ich erniedrige auch niemanden.“
Das, was hinter jeder Erniedrigung steht, ist Angst – und es gibt uns einen Hinweis darauf, worin
das eigentliche Problem besteht. Deshalb versuche ich Menschen, die andere verurteilen – nicht zu
verurteilen. Das ist nicht immer leicht, vor allem dann, wenn diejenigen so überzeugt sind von ihrem
(Vor)Urteil.
Was genau ist eigentlich Rassismus?
Wikipedia sagt dazu: Rassismus stellt die Gleichrangigkeit und im Extremfall die Existenzberechtigung
eines Einzelnen/ einer Gruppe oder eines Volkes in Frage. Die Folgen von Rassismus reichen von
Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis zu sogenannten
„ethnischen Säuberungen“ und Völkermord.
Dies bedeutet nun nicht, dass jeder, der Flüchtlingen mit Angst oder Skepsis gegenübersteht,
zwangsläufig ein Rassist im Sinne dieser Definition sein muss. Aber es bedeutet, dass wir in einer
brenzligen Zeit leben und unsere eigene Unbewusstheit schwerwiegende Folgen haben kann.
Ich bin selbst Ausländer (wie jeder, der schon mal im Ausland war) und hatte so lange ein eher
distanziertes Gefühl gegenüber Fremden, solange ich mir fremd war. Das klingt eigenartig, aber
es stimmt: Solange wir vor uns selbst flüchten, können wir Menschen, die wir „Flüchtlinge“ nennen,
kein zu Hause geben.
Wir lernen von früh an, um unseren Platz zu kämpfen, wir lernen, dass es gilt besser zu sein als
andere, und wir lernen zum Beispiel im sportlichen Wettkampf, andere zu bekämpfen.
Je „fremder“ uns jemand dabei ist, desto „leichter“ fällt uns das. Ob wir lernen zu differenzieren,
dass es sich dabei um etwas Spielerisches handelt, hat sehr damit zu tun, ob unsere Vorbilder uns
beibringen, zu vertrauen. Wenn wir jedoch lernen, dass wir in eine harte, unbarmherzige Welt voller
Gefahren und Feinde geboren werden, in der es darum geht, dass der Stärkere den Schwächeren
frisst – dann gleicht unser Leben eher einem Eroberungsfeldzug, dem Streben nach Macht und dem
Sammeln von Besitz. Die äußere Welt erscheint uns „fremd“, sie macht Angst, und unsere Eltern sind
im Idealfall dann diejenigen, die uns Sicherheit und Geborgenheit geben. Schon sehr früh in unserem
Leben werden somit die Weichen dafür gestellt, wie wir später mit dem umgehen, was wir als
„fremd“ wahrnehmen. Und wenn wir heute, als erwachsene Menschen, Vertrauen in uns selbst und
das Leben empfinden, wenn wir verwurzelt und in uns selbst zuhause sind – dann können wir auch
denen ein Stückchen Geborgenheit schenken, die sie jetzt so dringend brauchen.
Eine unbequeme Wahrheit ist allerdings: Jeder läuft vor irgendetwas davon. Bisher war es vielleicht
nicht wichtig zu wissen, wovor – aber jetzt taucht im Außen etwas auf, was uns im Inneren mit etwas
Unangenehmem, (zu) lange Zeit Verdrängtem konfrontiert. Nahezu jeder von uns hat jemanden in
seiner eigenen Familie, der durch Flucht getrennt und kriegstraumatisiert ist. Wir alle kennen die
vagen, schwer zu verdauenden Geschichten unserer Eltern und Großeltern und die Tatsache, dass
nur selten oder gar nicht darüber gesprochen wird, zeigt, wie sehr dieses Thema noch immer
verdrängt wird. Die Flüchtlingswelle, konfrontiert uns mit dieser Vergangenheit, ist aber gleichzeitig
eine Gegenwart, mit der wir nichts zu tun haben wollen. Das, was heute geschieht, ist nicht
Vergangenheit – zeigt uns aber Vergangenes. Es ist ein Teil unserer eigenen Entwurzelung (und was
sind Flüchtlinge anderes als entwurzelt), mit der wir lieber nichts mehr zu tun haben wollen, weil wir
damit Schmerz verbinden. Wie oft höre ich zum Beispiel von meiner Mutter, dass sie davon nichts
mehr wissen will – und wie oft hören wir Sätze wie „Die Zeit heilt alle Wunden.“ - wobei wir
gleichzeitig wissen, dass dies nicht stimmt, -weil sie keine verursacht. Wir neigen dazu, den Krieg der
Vergangenheit durch Verleugnung gegenwärtig und damit aufrecht zu erhalten: „Das, wogegen Du
kämpfst, das stärkst Du – und was Du stärkst, das bleibt erhalten. (Eckhart Tolle)
Das bei weitem größte „Flüchtlingsdrama“ spielt sich gegenwärtig IN unseren Köpfen ab, weil wir vor
unserer Verletzlichkeit fliehen, indem wir unsere Menschlichkeit leugnen. Kein Mensch ist für Krieg
geschaffen. Die Menschen, die uns seit geraumer Zeit und durch die zunehmende Anzahl immer
nachdrücklicher an das erinnern, was wir lieber vergessen möchten, nennen wir – Flüchtlinge.
Es geht hier nicht um ein paar wenige Flüchtlinge – und es geht auch nicht um ein paar wenige
Menschen, die mit ihrer Vergangenheit auf diese Weise erneut in Berührung kommen. Wir haben es
gegenwärtig mit einer durch Krieg und Armut ausgelösten Völkerwanderung zu tun. Nicht ein
Mensch erinnert einen anderen an etwas, sondern ganze Völker erinnern sich gegenseitig – und
durch die Art und Weise, wie wir damit umgehen, wird tatsächlich sichtbar, wie weit wir mit unserer
eigenen Vergangenheitsbewältigung gekommen sind: Wenn Du in Frieden mit Dir bist, dann wird
Dich kein Flüchtling der Welt auf die Palme bringen - sondern dann schaust Du, ob Du etwas für ihn
und Dich selbst tun kannst. Wenn Du nichts für ihn tun kannst, dann passt das auch, weil du ihn dann
wenigstens in Frieden und mit allen guten Wünschen weiterziehen lassen kannst.
Meine nächste Österreichtour ist mir deshalb so wichtig, weil ich klar erkenne, dass wir gemeinsame
Möglichkeiten schaffen können, uns all dem in uns hinzuwenden, worin wir uns selbst fremd
geworden sind. Es gibt heilsame Wege und Werkzeuge, die tatsächlich beim Integrieren von
schwierigen Erfahrungen helfen können – in dem wir Räume schaffen, wo wir diese da sein lassen
können. Ich sage so oft: „Im Unterdrücken, da sind wir alle Weltmeister – im Ausdrücken können
wir noch etwas lernen!“ Meine Vorträge, Meditationen & Seminare sollen helfen, Informationen und
Einsichten zu erlangen, wodurch der Mensch frei werden kann, sich tiefer einzusehen, um heilsame
innere Zusammenhänge wieder zu entdecken. Das überwindet das Gefühl der Trennung, dadurch
erkennen wir auch im Außen, dass uns viel mehr verbindet. Wir erkennen dann auch wie lächerlich
es ist, Menschen dafür zu verurteilen, dass sie lediglich von unterschiedlichen Orten – auf derselben
einen Erde kommen.
Im Rahmen dieser Tour liegt es mir ganz besonders am Herzen, tatkräftige und bewusste Hilfe
zur Selbsthilfe anzubieten: Für alle Menschen, die noch damit beschäftigt sind, vor sich selbst zu
flüchten und den Mut haben, sich dies einzugestehen – wie auch gleichermaßen für alle von uns,
die sich danach sehnen, endlich anzukommen. Herzlich willkommen.