Hauptkommissar Pytlik ermittelt am Lucas-Cranach

Abitreffen € Hauptkommissar Pytliks achter Fall
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Hauptkommissar Pytlik ermittelt am Lucas-Cranach-Turm!
Als Hauptkommissar Pytlik und sein Assistent von dessen Freundin zum Lucas-Cranach-Turm
gerufen werden, haben sie es dort mit der grausam zugerichteten Leiche von Benjamin Sattler
zu tun. Er ist ein ehemaliger MitschÄler der Abiturienten von damals, die sich just an diesem
Oktobersamstag zu einem JubilÅumstreffen versammelt und den ungeliebten Ex-Kollegen tot
aufgefunden haben.
FÄr den Hauptkommissar ist die Theorie einer Kollektivtat weniger abwegig als fÄr seinen
Assistenten Hermann. Pytlik stellt sich mehr und mehr die Frage, ob er selbst in einem
womÇglich detailliert geplanten Mordkomplott noch denjenigen trauen kann, die ihm
augenscheinlich nahestehen. Eines weiÉ er aber sicher: Dass Benjamin Sattler ausgerechnet
von Mitgliedern seiner Abschlussklasse gefunden wurde, kann kein Zufall sein!
[...]Pytlik freute sich nun wirklich auf das Wochenende. Und er begann es mit einer Einkehr im Backhaus, wo er sich
zu einer Tasse Kaffee zwei Puddingbrezeln bestellte und sich dann an einem Stehtisch in unmittelbarer N‚he zu
zwei M‚nnern gesellte, die bereits in ein angeregtes Gespr‚ch vertieft waren und die Pytlik beim ersten Hinsehen
auf Mitte dreiƒig sch‚tzte. Wochenende hin oder her: Er war eben ein Kriminalist!
Der eine der beiden M‚nner hatte einen un„berh…rbaren Dialekt, den Pytlik nach kurzem †berlegen als Hessisch
erkannte. Der Blick aus dem Fenster best‚tigte den Kronacher Ermittler, da er einen roten Sportwagen mit Hanauer
Kennzeichen sehen konnte, dessen Verdeck ge…ffnet war und die Sicht auf das luxuri…s anmutende Innere der
Karosse erm…glichte. Dass der Wagen auf dem Behindertenparkplatz stand, war nat„rlich nicht in Ordnung, und
h‚tte sich Pytlik an diesem Tag nicht schon im B„ro ‚rgern m„ssen, w‚re er der Sache sicherlich nachgegangen. Er
vereinbarte das kurz mit sich selbst und beschloss, den Macho mit den schwarzen gegelten Haaren
touristenfreundlich gew‚hren zu lassen.
Mit der Puddingbrezel war es bei Pytlik genauso wie mit der Leberk‚ssemmel. Ein immer wiederkehrendes, den
Geschmackssinn bet…rendes Ritual, dem sich der Hauptkommissar regelm‚ƒig hingab. Zun‚chst hatte er sich
deswegen nicht auf die beiden M‚nner konzentriert, sondern den Verzehr der klebrig-s„ƒen Teile genossen. Nach
und nach wanderte sein Geh…r allerdings zum Nebentisch, und sowohl Inhalt als auch Art und Weise des Dialogs
erschienen Pytlik mehr und mehr suspekt. Da standen allem Anschein nach zwei Typen, die damals zusammen in
Kronach aufs Gymnasium gegangen sind und sich heute nach sehr langer Zeit wieder einmal trafen. Der eine, der
mit dem Sportwagen vor der T„r, der den teuren Pullover l‚ssig um seine Schultern gebunden hatte, so dass man
auf jeden Fall auf dem Hemd das Logo der Edelmarke sehen konnte, erz‚hlte unabl‚ssig davon, wie erfolgreich,
beliebt und unwiderstehlich er in den Jahren nach der Schulzeit geworden war. Sein Kompagnon wirkte gegen den
etwas „bergewichtigen Angeber € Typ italienischer Gockel € nicht nur bieder, seine schm‚chtige Figur und sein
offensichtlich nicht sehr ausgepr‚gtes Selbstbewusstsein lieƒen ihn wie einen kleinen Laufburschen wirken.
Dennoch schienen die Beiden w‚hrend ihrer gemeinsamen schulischen Zeit dicke Freunde gewesen zu sein. Pytlik
war nun ganz Ohr und hatte seine Antennen auf Empfang gestellt, ohne dass die Tischnachbarn dies bemerkten.
Das Backhaus war wie immer gut besucht.
‡Und das heiƒt alsoˆ, stellte der sch„chtern Wirkende emsig eine weitere Frage und es hatte den Eindruck, dass sie
sich trotz ihrer damaligen Verbundenheit nun wohl schon l‚nger etwas aus den Augen verloren hatten, ‡du bist
jetzt in erster Linie von Beruf Sohn? Oder habe ich da etwas falsch verstanden?ˆ
‡Aber bitte, Flo!ˆ
Die Ernsthaftigkeit und das Erstaunen waren „bertrieben gespielt. Entspannt lieƒ der arrogant auftretende Typ den
L…ffel auf die Untertasse fallen, sch„rzte abw‚gend die Lippen, wippte dabei den Kopf einige Male hin und her und
sagte dann mit einem s„ffisanten L‚cheln im Gesicht:
‡Ich habe eigentlich feste B„rozeiten mit meinem Vater vereinbart. Ich habe nat„rlich auch viele Termine bei
Kunden, so dass ich nicht immer im B„ro sein muss, wenn du verstehst, was ich meine.ˆ
Pytlik wusste sofort, was er meinte. Er war ein fauler Hund, der mit beiden H‚nden das Geld seines Vaters ausgab,
der wiederum froh war, wenn sein nichtsnutziger Sohn ihm im Gesch‚ft nicht die Arbeit kaputtmachte.
‡Naja, wenn man morgen mal unsere Abiturkolleginnen und -kollegen befragen w„rde, was aus dir geworden ist,
w„rden wohl die meisten genau darauf tippen, wie es f„r dich nun gekommen ist, Benny.ˆ
Ach, wie niedlich! Pytlik musste innerlich leicht schmunzeln, nachdem er nun wusste, dass er es mit dem reichen
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2015 Carlo Fehn
Abitreffen € Hauptkommissar Pytliks achter Fall
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Unternehmers…hnchen Benny zu tun hatte, das anscheinend nach Kronach gekommen war, weil hier ein Treffen
seiner ehemaligen Abiklasse stattfand. Und dieser Flo € Pytlik vermutete, dass er in Wirklichkeit Florian hieƒ €
schien wohl damals so eine Art Lakai des Angebers gewesen zu sein. Der Hauptkommissar hatte Zeit und machte
sich den Spaƒ, noch ein bisschen zu lauschen.
‡Ja, ja, die guten alten Kolleginnen und Kollegen aus dem Abiturˆ, simpelte der Kleine vor sich hin, der Pytlik an
eine etwas ausgewachsenere Version des Michel aus L…nneberga erinnerte, ohne dass er mit ihm die gleichen
Lausbubenstreiche in Verbindung bringen w„rde.
‡Hast du eigentlich jemandem Bescheid gegeben, dass du kommen wirst? Ich meine, die werden dich nicht gerade
mit offenen Armen empfangen, das ist dir doch wohl klar!ˆ
Pytlik schlug eine Brosch„re auf, die vor ihm auf dem Tisch lag. Er wollte damit zeigen, dass er sich in keiner Weise
f„r das interessierte, was die beiden M‚nner da besprachen. Tats‚chlich strengte er sich aber jetzt umso mehr an,
das Gespr‚ch zu verfolgen.
‡Na, du bist doch schuld! Ich war ja im E-Mail-Verteiler gar nicht mit drin, als es um die Terminfestlegung f„r das
Abitreffen ging. Du h‚ttest mir das einfach nicht weiterleiten sollen! Ist doch offensichtlich, dass die mich nicht
dabeihaben wollen. Aber, du weiƒt ja, so was ist mir scheiƒegal! Ich habe mich noch nie nach den Anderen
gerichtet. Ich habe immer mein Ding gemacht. Verstehst du, Flo!ˆ
Das L‚cheln des Blonden wirkte gequ‚lt, aber nat„rlich zustimmend. Pytlik dachte, dass das fr„her zwischen den
Beiden wohl auch immer so gelaufen sein musste. Hier der groƒe Zampano, der die Richtung vorgibt und alles
besser weiƒ und dort der kleine Stiefellecker, der froh sein konnte, dass ihm jemand Aufmerksamkeit und so etwas
wie Zuneigung schenkte. F„r Pytlik war dies nun zumindest gekl‚rt.
‡Was ist los, Flo? Du hast doch irgendetwas auf dem Herzen.ˆ
Der Macho hatte bemerkt, dass seinem Kumpel von fr„her anscheinend irgendetwas auf den N‚geln brannte. Die
Stimmen der Beiden wurden leiser und der, dessen Name wohl Florian sein musste, schaute zun‚chst vorsichtig
nach links und rechts, bevor er weiter sprach.
‡Es ist wegen der Geschichte mit Martina!ˆ
Das bis dahin so „berlegen und unersch„tterlich wirkende Getue des hessischen Sportwagenliebhabers
verwandelte sich pl…tzlich in angestrengte Mimik und nerv…se Gesten. Wer auch immer diese Martina war, sie
schien eine besondere Beziehung mit diesem Benny zu haben, schlussfolgerte Pytlik sogleich.
‡Aber ich dachte, davon w„rde niemand wissen. Ich meine, was da in der Nacht bei unserem Abischerz gelaufen
ist, das wissen doch nur du und ich.ˆ
Beide fl„sterten nun mehr als sie das vorher getan hatten. Pytlik musste sich konzentrieren.
‡Ja, ja, aber anscheinend hat sie doch etwas erz‚hlt, auch wenn du ihr gedroht hast.ˆ
Pytlik hatte den letzten Halbsatz nicht mehr verstehen k…nnen, da sein Handy ausgerechnet in diesem Augenblick
klingelte. Er ging kurz nach drauƒen und telefonierte, bevor er anschlieƒend wieder an seinen Platz im Backhaus
zur„ckkehrte. Die beiden M‚nner schienen beschlossen zu haben, das Thema von gerade nicht weiter in der
‰ffentlichkeit zu besprechen. Es dauerte dann auch nur noch wenige Momente € der Hauptkommissar war etwas
„berrascht € und das Duo zahlte an der Theke die Rechnung und verlieƒ den Raum. Im Augenwinkel hatte Pytlik
gesehen, dass sich eine junge Frau mit dunkelblauer Uniform, einem Stift und einem Quittungsblock in der Hand f„r
das schnelle Auto auf dem Behindertenparkplatz interessierte. Ein L‚cheln huschte ihm ins Gesicht. Tanja, die
sympathische Politesse, die aufgrund ihres Jobs in Kronach mehr Feinde als Freunde hatte, war gerade dabei, ihre
Arbeit auch in diesem Fall akribisch zu erledigen.
Pytlik konnte zwar nicht h…ren, worum es im anschlieƒenden Gespr‚ch der M‚nner, die noch vor wenigen
Augenblicken neben ihm im Backhaus gestanden hatten, mit der durchaus attraktiven jungen Frau mit den bunten
Fingern‚geln ging, allerdings konnte sich der Hauptkommissar den Verlauf der Unterhaltung sehr gut vorstellen. Er
beobachtete. Pytlik hatte eine gewisse Vermutung, wie es ablaufen w„rde. Allerdings musste sich der Kronacher
Ermittler sehr schnell eingestehen, dass er die Situation wohl falsch eingesch‚tzt hatte. Ein bisschen Smalltalk, ein
paar dumme Spr„che, Zerreiƒen des Kn…llchens und dann mit Vollgas abhauen € das hatte Pytlik erwartet. Aber es
war ganz anders gekommen und der Hauptkommissar machte sich bereit, der Politesse zu Hilfe zu eilen. Nachdem
er sehen konnte, dass der mutmaƒliche Fahrzeughalter der Ordnungsh„terin gegen deren Willen einen Arm um die
Schultern legte und sie fest an sich dr„ckte und begann, sie vor seinem Kumpel l‚cherlich zu machen, legte auch
Pytlik schnell ein paar M„nzen auf den Tresen und eilte nach drauƒen.
‡So, Freundchen, Schluss jetzt! Du nimmst sofort deine H‚nde von meiner Kollegin oder es passiert was!ˆ
Im Nu blieben einige Passanten am Ort des Geschehens stehen und zeigten neugierig Interesse, was nun passieren
w„rde. Pytlik stand jetzt vor dem Mann, der ihm von der Statur her ein bisschen ‚hnelte, gut und gerne aber sein
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2015 Carlo Fehn
Abitreffen € Hauptkommissar Pytliks achter Fall
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Sohn h‚tte sein k…nnen. Der blonde Begleiter hielt sich sch„chtern mit einem Meter Abstand im Hintergrund. Der
Politesse, die sich mittlerweile aus den F‚ngen des Querulanten befreit hatte, war die Situation sichtlich peinlich.
Pytlik redete beruhigend auf sie ein.
‡Alles gut, Tanja! Alles gut, ich regle das. Schreib du dein Kn…llchen; ich bin mir sicher, das wird der feine Herr hier
schnellstm…glich begleichen.ˆ
Der feine Herr, wie Pytlik ihn genannt hatte, war sichtlich „berrascht, schaffte es aber, rasch wieder in
Angriffsposition zu gehen.
‡Kollegin also! Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?ˆ
‡Die Fragen stelle jetzt zun‚chst mal ichˆ, entgegnete Pytlik lapidar.
‡F„hrerschein, Fahrzeugschein, Ausweis bitte! Und von Ihnen bitte auch!ˆ
Pytlik genoss es, den beiden M‚nnern eine kurze Belehrung zu geben.
‡Also, wen haben wir denn da? Sattler, Benjamin. Aus Hanau, ist das richtig?ˆ
‡Wenn es da steht, wird es schon so sein.ˆ
‡Sch…nes Auto haben Sie da!ˆ
‡Werden Sie sich wohl niemals leisten k…nnen!ˆ
Pytlik l‚chelte mitleidig.
‡Und wen haben wir hier noch?ˆ, schaute er sich den Ausweis des zweiten Mannes an.
‡Aha, Florian Frank! Na, da haben Ihre Eltern aber viel Einfallsreichtum bewiesen. Wieso denn nicht gleich Frank
Frank? W‚re doch noch einfacher gewesen, oder nicht?ˆ
‡Jetzt machen Sie mal langsam, HerrŠˆ
‡Pytlik! Pytlik ist mein Name. Ich bin Hauptkommissar bei der Polizei in Kronach und wenn ich nicht gerade
Verbrechen aufkl‚re, komme ich meinen Kolleginnen und Kollegen zu Hilfe, wenn die gerade Stress mit
irgendwelchen Typen haben, die meinen, nach Lust und Laune Gesetze auƒer Acht lassen zu k…nnen.ˆ
Der Macho hatte sich aus dem Auto einen Notizblock und einen Stift geholt.
‡Wie schreibt man das?ˆ
‡Was?ˆ, wollte Pytlik wissen.
‡Ihren Namen! Wie schreibt man Ihren Namen?ˆ
‡Komm schon, Benny! Jetzt lass doch gut sein! Zahl den Strafzettel und dann hat sich die Sache!ˆ
Der kleine Blonde schien zumindest vern„nftiger zu sein als sein Kumpel. Als er ihn beschwichtigend am Arm fasste,
schubste der in allerdings unsanft weg.
‡Spinnst du? Ich lass mich hier doch nicht schikanieren!ˆ
Pytlik wollte noch warten, bis seine Kollegin mit ihrer Arbeit fertig war und weitergehen w„rde, dann w„rde er den
kleinen Zwischenfall auch schnellstm…glich beenden und selbst nach Hause gehen. Die Angelegenheit war ihm
keine weitere Aufregung wert.
‡Mach‹s gut, Tanja! Sch…nes Wochenende.ˆ
‡Danke, Franz! W‚rŒ nicht n…tig gewesen, aber trotzdemŠˆ
Pytlik konnte sehen, dass es nicht verkehrt war, der jungen Frau geholfen zu haben. Er h‚tte nur zu gern gewusst,
was sie sich alles hatte anh…ren m„ssen. Als sie sich davonmachte, konnte es sich Benjamin Sattler nicht
verkneifen, ihr noch einen Kommentar hinterherzurufen.
‡Tsch„ss, Tanja! Ich finde bestimmt heraus, wo ich dich heute Abend treffen kann. Ich habe gute Beziehungen in
Kronach € immer noch. Kann sein, dass wir heute Abend noch gemeinsam irgendwo etwas trinken. Was meinst
du?ˆ
Er winkte aufreizend und arrogant hinter der Politesse her, die sich aber nicht mehr umdrehte.
‡So, jetzt reicht es mir! Hier sind Ihre Papiere und Ausweise zur„ck. Ich gebe Ihnen den guten Rat, sich mit ruhiger
Fahrt hier vom Hof zu machen.ˆ
Dann trat Pytlik ganz nahe an Benjamin Sattler heran und fl„sterte ihm etwas ins Ohr, das niemand sonst h…ren
konnte.
‡Arschl…cher wie Sie kann ich in meiner Stadt nicht gebrauchen! Also, steigen Sie jetzt in Ihr Scheiƒauto ein und
hauen Sie ab! Und wenn ich auch nur noch eine kleine Beschwerde „ber Sie h…ren sollte, solange Sie hier sind,
werde ich Sie auseinandernehmen, das verspreche ich Ihnen! Und bevor Sie jetzt losbr„llen, dass der Bulle Sie
Arschloch genannt hat, darf ich Sie daran erinnern, dass der Bulle gesehen hat, wie Sie seiner Kollegin an die Titten
gefasst haben. Also, auf Nimmerwiedersehen, Amigo!ˆ
Nachdem Pytlik einen Schritt zur„ckgewichen war, konnte er sich an der versteinerten Miene Benjamin Sattlers
erfreuen, der wohl tats‚chlich im Begriff gewesen war, das zu tun, wovor Pytlik ihn letztendlich gewarnt hatte. [...]
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2015 Carlo Fehn