Die Akte »Rehlein« - Hauptkommissar Pytliks neunter Fall LESEPROBE Hauptkommissar Pytlik hat beim Kronacher Schützenfest nach einer enttäuschenden Begegnung mit einer Schweizerin für viel Aufsehen gesorgt und ist das Gesprächsthema Nr. 1 in der Lucas-Cranach-Stadt. Vielmehr als die Sorge um sein Image interessieren ihn allerdings die Informationen, die er von dem plötzlich auftauchenden Sohn eines ehemaligen Journalisten aus Lauenstein erhält. Der Mord an einem Mädchen aus Wilhelmsthal im Jahr 1978 rückt dabei immer mehr in den Fokus der Ermittler in der Polizeiinspektion am Kaulanger. Als Pytlik beim ersten Treffen mit dem Informanten eine böse Überraschung erlebt, beginnt für ihn und seinen Assistenten Hermann ein mörderisches Verwirrspiel, das eine Wahrheit ans Licht bringt, die niemand im Landkreis Kronach für möglich gehalten hätte. [...] Pytlik hörte zunächst ganz schwach ein Geräusch, das er nur schwer einordnen konnte und das überhaupt nicht dazu passte, dass er in einer Oase mitten in der Wüste lag, wo ihm orientalisch aussehende junge Frauen, die nur mit Baströckchen bekleidet waren, mit frischen Früchten, gekühlten Drinks und Liebkosungen verwöhnten. Die Palmen um ihn herum spendeten Schatten und gegen die Hitze gönnte er sich ab und zu einen Sprung in den Pool, der ihm mit dem erfrischenden Wasser eine Wohltat war. Was für ein Leben! Was für ein Leben! Was für ein… Als Pytlik das letzte Mal darüber nachdachte, in welcher fantastischen Welt er sich gerade befand, hörte er das Geräusch, das er zunächst nicht zuordnen konnte, immer lauter und deutlicher. Plötzlich spürte er auch seinen Bauch, der etwas spannte. Der leichte Druck auf den Augen sowie der immer deutlicher werdende ungute Geschmack im Mund waren untrügliche Zeichen dafür, dass Baströckchen, Cocktails und erfrischender Pool nun vorbei waren. Der Hauptkommissar kam langsam zur Besinnung. Sehr schnell wusste er dann, dass das Geräusch das Klingeln seiner Haustür war. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, zischte er. Nachdem er mühevoll die Augen aufgeschlagen hatte, versuchte Pytlik sofort, die Erinnerung an das, was geschehen war, zu erlangen. Aber was war das? Ein lautes Schnarchen in unmittelbarer Nähe, von dem er sicher wusste, dass es nicht von ihm selbst war, stellte für ihn das nächste Rätsel dar. Blitzschnell drehte er seinen Kopf nach rechts und wich gleichzeitig mit dem ganzen Körper ein Stück zurück. Im nächsten Augenblick stand er vor seinem Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Dabei ging er leicht in die Hocke und fluchte ein paar Sekunden flüsternd vor sich hin. Auf der anderen Seite seines Bettes lag Manne, sein Kumpel aus Nürnberg, der nicht den Anschein machte, als würde er im nächsten Moment aufwachen. Erneut hörte Pytlik das Klingeln der Haustür, während er sich bereits eine Sporthose anzog und ein T-Shirt überstreifte, um sich danach mit unsicherem Gang und höchster Konzentration nach unten zu begeben. Er hatte nicht einmal auf die Uhr geschaut. Durch den Spion blickte er nach draußen und fühlte sogleich tiefe Scham und Schuld. Jetzt öffnete er die Tür. Vor ihm standen auf der untersten Stufe des Hauseingangs sein Assistent Cajo Hermann sowie Justus Büttner, der Leiter der Schutzpolizei. Pytlik hätte nicht einmal sagen können, dass er Kopfschmerzen hatte oder es ihm ganz besonders schlecht ging. Er war sich nur ziemlich sicher, sehr spät in der Nacht nach Hause und ins Bett gekommen zu sein. Dennoch wusste er, dass er wohl kräftig getankt hatte und auch noch nicht wirklich dienstfähig war. Hermann nahm lässig und in Manier eines amerikanischen Geheimdienstagenten die Sonnenbrille ab und wirkte entgegen seiner eigentlichen Art arrogant und überheblich. »Na, guten Morgen, Herr Pytlik!« Danach schaute er mit einem süffisanten Lächeln zu Büttner, der direkt neben ihm stand. »Morng, Franz!«, begrüßte nun auch Büttner seinen Vorgesetzten. Dann war es zunächst einen kurzen Augenblick still. Pytlik warf noch einen Blick zu den Häusern und in die Grundstücke der Nachbarn, ob möglicherweise jemand zu sehen war. »Tut mir leid, Männer…«, begann Pytlik, ein Entschuldigungsplädoyer anzustimmen. Hermann © 2016 Verlag Carlo Fehn Die Akte »Rehlein« - Hauptkommissar Pytliks neunter Fall LESEPROBE unterbrach ihn sogleich, indem er eine Hand hob. »Ich war ja leider nicht dabei, aber was ich jetzt schon von diversen Leuten gehört habe, scheinst du dir gestern auf dem Schützenfest ein Denkmal gesetzt zu haben.« Hermanns Lächeln wurde nun natürlicher und kam einem Lachen schon fast nahe. Er fragte Büttner: »Justus, was hat man sich vorhin im Backhaus erzählt, als du Semmeln geholt hast? Ob der Hauptkommissar neuerdings schwul wäre und einen etwa gleichaltrigen Freund hätte, da er sich mit einem Mann im Bermudadreieck leidenschaftlich geküsst hat? War mir nicht so, dass man sich das erzählt in der Stadt?« Pytlik legte einen Finger auf seinen Mund und machte einige beschwichtigende Gesten, mit denen er Hermann bitten wollte, nicht zu laut zu sprechen. Gleichwohl musste er sich eingestehen, von diesen Fakten nicht nur überrascht, sondern auch sehr peinlich berührt zu sein. »Ob das alles ist?«, fuhr Hermann – nun immer mehr in Fahrt kommend – amüsiert fort. »Justus? Wie war das nochmal mit dem Riesenrad?« Büttner war verlegen. Ein Mann von einer derart hünenhaften Gestalt fürchtete sich in der Regel nur vor wenigen Dingen. Das zu erzählen, was er gehört hatte, missfiel ihm allerdings in dieser Situation. Hermann hakte nach. »Justus! Jetzt erzähl schon! Riesenrad!« Büttner räusperte sich ein paar Mal und man spürte, dass es ihm unangenehm war. Dann aber begann er. »Also, es hassd hald… also, die Leud maana hald, gehörd zu homm…« Hermann verlor die Geduld. Er übernahm das Kommando. »Wie spät haben wir denn eigentlich?«, wollte Pytlik nun zunächst wissen. »Es ist halb zehn!«, antwortete Hermann und fuhr dann fort. »Nachdem, was man sich erzählt, hast du zu weit vorgerückter Stunde, man sagt so gegen drei in der Nacht, mit einem anderen Mann den Betreiber des Riesenrads mit vorgehaltenem Dienstausweis mehr oder weniger dazu genötigt, euch eine Extrafahrt zu geben. Allem Anschein nach war der Schausteller sehr amüsiert und hat euch fünf Runden sogar geschenkt.« »Aha! Sehr kulant!«, kommentierte Pytlik, während er sich langsam fragte, was das Ganze eigentlich sollte. In diesem Moment wusste er aber noch nicht, was Hermann weiterhin noch erzählen würde. »Warte nur ab! Anscheinend habt ihr aber vorher vergessen, noch mal zur Toilette zu gehen, und deine Begleitung konnte es wohl irgendwann nicht mehr halten. Hat sich dann dazu entschlossen, Kronach mal von oben zu bewässern, was du allerdings verhindern wolltest. Es endete dann so, dass sich bei langsamer Fahrt eure Gondel dem Einstieg näherte und zu sehen war, wie ein Mann, darin kniend, sein bestes Stück bereits herausgeholt hatte und der andere hinter ihm verzweifelt versuchte, das Teil wieder einzupacken. Die Fahrt wurde in diesem Moment zum Glück abrupt beendet und der vorher noch wohlgesinnte Betreiber hat euch mit klaren Worten deutlich gemacht, dass er kein Problem damit hätte, euch von deinen Kollegen abholen zu lassen.« Pytlik verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Wollt ihr nicht kurz reinkommen?« [...] »Erneut ist Carlo Fehn ein spannender Regionalkrimi quer durch den Landkreis gelungen. Vier mysteriös zusammenhängende Todesfälle und ein spektakulärer Abgang zum Schluss! Das ist rekordverdächtig und macht Pytliks neunten Fall zu einem packenden Leseerlebnis!« (Gisela Lang M.A., Kulturreferentin des Landkreises Kronach) © 2016 Verlag Carlo Fehn
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