Vortrag Dr. Raschauer

Curia locuta, causa finita?
Nicolas RASCHAUER
Was folgt aus EuGH C‐137/14?
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1. Dogmatische Folgerungen…
• EuGH‐E wirkt erga omnes, ist in ö Anlagenverfahren beachtlich.
• Vorrang Art 11 UVP‐RL; Art 25 IE‐RL: Zeitliche Beschränkungen des AVG bzw des UVP‐G für Einwendungen sind wegen Verstoßes gegen Effektivitätsprinzip unangewendet zu belassen.
• Betrifft nur Verfahren, die in Anwendungsbereich der RL fallen.
• S ähnlich zB EuGH Connect Austria (C‐392/04); Koppensteiner (C‐15/04).
• Betr Öff kann auch nach Verhandlung 1. Instanz Einwendungen erheben.
• Einwendungen bis Schluss Ermittlungsverfahren erster Instanz möglich, aber nicht erforderlich (§ zB 16 Abs 3 UVP‐G).
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2. Dogmatische Folgerungen…
• Beschränkung Mitwirkungsrechte auf Parteien des Verfahrens zulässig (§ 8 AVG) Æ maßgeblich ist: Verletzung subjektiver Rechte möglich?
• Bei UO ist auf sachlich‐örtlichen Wirkungsbereich abzustellen.
• Einwendungen (abgesehen von UO) auf subjektive Rechte beschränkt.
• Dem steht weder Art 47 GRC noch Art 11 UVP‐RL entgegen (Gestaltungsspielraum der MS).
• Prozessuale Regelungen gegen Missbrauch von Parteirechten bzw gegen „unredliches Vorbringen“ möglich (EuGH Rz 81).
• Terminologie der E ist autonom zu interpretieren; nationale „Rechtsmissbrauchsjudikatur“ ist damit nicht gemeint.
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3. Dogmatische Folgerungen…
• Art 11 UVP‐RL und 25 IE‐RL verlangen „Zugang“ für betr Öff zu Gericht
• = Beschwerderecht, Mitwirkung im Verfahren (Parteirechte).
• Beschwerderecht unabhängig von Mitwirkung in erster Instanz.
• S schon EuGH C‐263/08 (Djurgarden).
• „Auseinanderdividieren“ von Genehmigungsverfahren und Überprüfungsverfahren nach EuGH nahe liegend; entspricht aber nicht ö Begriffsverständnis.
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4. Dogmatische Folgerungen…
• VwG hat „auf Grund der Beschwerde“ zu prüfen (§ 27 VwGVG).
• „Feinprüfung“ hins ausdrücklicher Erklärungen in Beschwerde (zB VwGH Ra 2015/04/0012).
• „Grobprüfung“ hins nicht vorgebrachter Erwägungen.
• Sind sonstige Rechte beeinträchtigt?
• Äußerster Rahmen für Prüfbefugnis ist "Sache" des bekämpften Bescheides.
• Æ Zu prüfen ist zunächst Zuständigkeit; dann: Parteibeschwerden (abgesehen solche von UO) sind insoweit zu prüfen, als Verletzung von subjektiv‐öffentlichen Rechten denkbar (VwGH Ro
2014/05/0062).
• VwG hat daher angefochtenen Bescheides auch wg öffentlicher Interessen aufzuheben/abzuändern, wenn nicht nur solche Partei Beschwerde erhoben hat, die auf bestimmte subjektive Rechte beschränkt ist (VwGH 2010/06/0262). 6
5. Dogmatische Folgerungen…
• Beschwerdefrist (§ 7 Abs 4 VwGVG; § 40 Abs 3 S 2 UVP‐G): zeitlich zulässige Zäsur für Zugang zu Gericht.
• Beschwerdeverfahren ist mit jenen Parteien fortzusetzen, die sich fristgerecht bei Gericht „gemeldet“ haben.
• Zweite zeitliche Zäsur für Erklärungen: Verhandlung (Unmittelbarkeitsgrundsatz) bzw Erklärung über Schluss des Ermittlungsverfahrens (zB § 40 Abs 5 UVP‐G).
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6. Offene Fragen 1
• „Ausstrahlungswirkung“: EuGH‐Erk betrifft nicht nur UVP‐Verfahren.
• Novelle Anlagenverfahren erforderlich: „jein“ (aus Sicht des Art 4 Abs 3 EUV: ja).
• Keine Pflicht, gänzlich in Verwaltungsverfahren auf Präklusionsregeln zu verzichten.
• Kann zur Verfahrensbeschleunigung weiter sinnvoll sein.
• Mehrere Altverfahren (die nicht nach Großverfahrensregime behandelt wurden) gelten dzt nicht als abgeschlossen Æ übergangene Parteien! Æ
können jederzeit Beschwerde „nachreichen“.
• Zeitliche Schanke: ab Ablauf der Umsetzungsfrist der maßgebenden RL.
• (Keine) Alternative: Legal‐Genehmigungsfiktionen nach Art des § 46 Abs 20 Z 4 UVP‐
G; am Prüfstand des EuGH (C‐348/15).
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6. Offene Fragen 2
• Gesetzgeber sollte angemessene zeitliche Schranke für „Nachholen“ einer Beschwerde vorsehen (Grundsatz der Rechtssicherheit).
• Vorbild könnten entsprechende Regelungen in BauO sein.
• Novelle sollte dazu genutzt werden, Auseinanderdriften zu sonstigen Anlagenverfahren zu vermeiden.
• Gleichstellung mit anderen Verfahrensparteien unionsrechtlich nicht geboten (insb Standortgemeinden; Umweltanwalt).
• Fraglich ist aber, ob „Differenzierungen“ (zB Umweltanwalt‐UO) rechtspolitisch sinnvoll sind.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
PrivDoz Dr. Nicolas Raschauer
CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte OG
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