Betriebsaufgabe als unternehmerische Entscheidung

Finanzen 49
■ BAUERNBLATT | 30. Januar 2016
Beratung rund um das Geld
Betriebsaufgabe als unternehmerische Entscheidung
Das Wort Betriebsaufgabe ist in
der Landwirtschaft und deren
Umfeld sehr negativ belegt. Dabei
muss eine Aufgabe des Betriebes
durchaus nicht erzwungen sein;
im Gegenteil. Unternehmerisch
handelnde Landwirte werden sich
ständig und gerade in der derzeitigen Situation Gedanken über die
Zukunft ihres Betriebes machen.
Nicht selten wird sich dann bei einer ergebnisoffenen Prüfung die
Aufgabe des Betriebes oder von
Betriebsteilen als eine gute Option herausstellen.
Derzeit werden auf vielen Milchvieh haltenden Betrieben rund
10 ct/kg abgelieferter Milch zu wenig erzielt, um kostendeckend zu
arbeiten. Somit wird sich bei gleichbleibenden Verhältnissen bis zur
Jahresmitte das Defizit bei einem
720.000 kg Milch produzierenden
Betrieb auf 72.000 € summiert haben. Das entspricht einem Einkommensverlust von 6.000 € pro Monat. Sollte die Situation sogar bis
zur Jahresmitte 2017 andauern, hat
der Betrieb mindestens 140.000 €
zusätzliches Fremdkapital angehäuft oder Rücklagen in entsprechender Höhe verbraucht.
Unter den Verhältnissen der
vergangenen Jahre 2005 bis 2015
konnten bei einem Bruttopreis von
32 bis 33 ct/kg abgelieferter Milch
in diesen Betrieben im Durchschnitt
10.000 € Liquiditätsüberschuss erzielt werden. Das bedeutet, dass es
unter den beschriebenen Verhältnissen sechs bis zwölf Jahre dauern wird, die jetzt schrumpfenden Rücklagen wieder aufzubauen oder die entstehenden zusätzlichen Verbindlichkeiten abzubauen.
In diesem Zusammenhang sollte
daher sehr sorgfältig geprüft werden, ob es wirklich sinnvoll ist, ein
Liquiditätshilfedarlehen mit einer
Laufzeit von dreieinhalb bis sechs
Jahren in Anspruch zu nehmen
oder lieber auf flexiblere Finanzierungsformen zurückzugreifen, um
sich alle Optionen offenzuhalten.
Unschuldig ins
Schlingern geraten
Die meisten der Betriebe, die
derzeit in eine finanzielle Schieflage geraten, sind an dieser Situation unschuldig. Eine noch so gute
Produktionstechnik kann die kras-
Betriebsaufgabe in fünf Schritten: Analyse, Planung, Entscheidung, Umsetzung, Kontrolle.
sen Auswirkungen zu geringer Erlöse, wie wir sie derzeit bei den Ferkelproduzenten und bei den Milchviehbetrieben vorfinden, nicht ausgleichen.
Es stehen daher zwei Fragen im
Raum:
●●Wie lange ist das Unternehmen
in der Lage, eine Einkommens- und
Durststrecke zu ertragen? Die eine
Betrachtungsebene ist also, wie
lange kann und will ich diese Situation aus finanzieller Sicht erdulden?
●●Als zweite und weit wichtigere
Frage ist zu klären, ob und wie lange die beteiligten Menschen diese
Situation vom Kopf her aushalten
wollen und können. Morgens aufzustehen und zu wissen, dass sich
der Kontostand nach getaner Arbeit wieder einmal um 200 € verschlechtert hat, empfinden viele
Landwirte als sehr belastend.
So wird es der Beratung zumindest täglich auf den Höfen berichtet.
Nicht unnötig Geld
verschleudern
Risikobewusste Betriebe haben in den zurückliegenden Jahren eine Liquiditätsreserve (Risikorücklage) geschaffen. Diese ist in
den vergangenen Monaten merklich geschrumpft. Vielfach wird sie
bereits aufgebraucht sein.
Kritisch wird die Situation, wenn
über die eingeplante Risikorücklage des Betriebes hinaus andere liquide Mittel zum Ausgleich der Betriebskonten eingesetzt werden.
Besonders beliebt ist hier – sowohl
bei Landwirten als auch bei Banken – die Beleihung oder gar der
vorzeitige Verkauf von Lebensversicherungen, die eigentlich für die
Altersvorsorge vorgesehen waren. Auch Familiendarlehen oder
sogar der Verkauf von Vermögen
außerhalb der Landwirtschaft sind
äußerst kritisch zu sehen. Häufig
werden durch solche Maßnahmen
zwar kurzfristig Löcher gestopft,
langfristig wird aber nur Geld verbrannt.
Daher ist es wichtig zu wissen, ob
ein Liquiditätsengpass vorüberge-
Fotos: landpixel
hend ist oder ein strukturelles Problem vorliegt. Eine frühzeitige Klärung im Rahmen einer Betriebsanalyse und Planung kann größeren finanziellen Schaden verhindern.
Situationsanalyse und
Zielplanung
Die Entscheidung zur Betriebsaufgabe oder -veränderung sollte wohlüberlegt sein. Werden einkommensrelevante Betriebszweige
aufgegeben, ist ein solcher Schritt
meistens nicht mehr rückgängig zu
machen.
Empfehlenswert ist es, mithilfe der Beratung eine umfangreiche Situationsanalyse und Unternehmensplanung durchzuführen.
Hierbei wird der Betrieb unter anderem in den BeAbbildung: Klärung offener Fragen rund um reichen Produktionstechnik, Bedie Betriebsaufgabe
triebsorganisatiBetriebsaufgabe ???
on, Festkosten,
Finanzierung
Planung!
oder auch PriNachabfindung
vatentnahmen
Bedarf?
analysiert, um
noch vorhandeEinkommen?
ne Reserven aufFinanzen
zudecken. DarüZukunft?
ber hinaus gilt es
auch, Ziele des
Familie?
Unternehmers
handeln
und der Familie
zu klären. Denn
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Finanzen
BAUERNBLATT | 30. Januar 2016 ■
erst wenn aus vagen Vorstellungen oder Wünschen Ziele geworden sind, kann mit der konkreten
Planung begonnen werden.
In der Planungsphase heißt es,
bei den Kalkulationen zunächst die
Ziele des Unternehmers und seiner
Familie im Auge zu behalten. Sollte bei den Zielvorstellungen nicht
ZINSBAROMETER
Stand 25. Januar 2016
Die Zinsspannen am Kapitalmarkt nehmen zu. Das Zinsbarometer bietet lediglich erste
Anhaltspunkte zur aktuellen
Kapitalmarktsituation (ohne
Gewähr). Bei den gekennzeichneten Zinssätzen können
sich je nach persönlicher Verhandlungssituation deutliche
Abweichungen ergeben.
Zinsen
Geldanlage%
Festgeld 10.000 €,
0,60 - 1,50
3 Monate1) Kredite
Landwirtschaftliche Rentenbank2)
% effektiv
(Sonderkreditprogramm)
Maschinenfinanzierung
6 Jahre Laufzeit,
Zins 6 Jahre fest 1,00
langfristige Darlehen
10 Jahre Laufzeit,
Zins 5 Jahre fest 1,00
20 Jahre Laufzeit,
Zins 10 Jahre fest 1,41
Baugeld-Topkonditionen3)
Zins 10 Jahre fest 1,32 - 1,84
Zins 15 Jahre fest 1,82 - 2,41
1) Marktausschnitt (100 % Einlagensicherung)
2) Zinssatz Preisklasse A, Margenaufschlag
0,35 bis 2,85 %, je nach Bonität und Besicherung (7 Preisklassen)
3) Quelle: www.capital.de
(Spanne der Topkonditionen)
das nötige Ergebnis erreicht werden können, heißt es umsteuern
und mögliche Alternativen aufzeigen. Oberstes Gebot muss daher
neben dem langfristigen Einkommens- und Vermögenserhalt die
Identifikation der Landwirtsfamilie mit den erarbeiteten Ergebnissen sein.
Auf dieser fundierten Grundlage kann dann innerhalb der Familie eine Entscheidung zur Zukunft
des Betriebes gefällt werden.
Kompetente
Partner finden
Bei Überlegungen zum Ausstieg
aus der Landwirtschaft sind Spezialisten gefragt. In der sozioökonomischen Beratung der Landwirtschaftskammer finden sich kompetente Partner, die bei Fragen zur
Betriebsentwicklung oder -aufgabe, Finanzierung und Vertragsgestaltung beratend zur Seite stehen.
Sie sind auch Spezialisten für Fragen
rund um die Sozialversicherungen,
Krankenversicherung oder Rente.
Zum guten Gelingen ist aber eine
intensive Zusammenarbeit zwischen allen Institutionen, wie zum
Beispiel den Ringen, der Landwirtschaftsverwaltung, der Bank, der
Steuerberatung, aber auch dem
Bauernverband, Rechtsanwalt oder
Makler erforderlich.
Entscheiden und
handeln
Der am häufigsten vorzufindende Landwirtstyp wartet zunächst
einmal lange ab, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Es wird
über die schlechten Milchauszahlungs- und Ferkelpreise, Verbandsfunktionäre oder Bürokratie durch die EU lamentiert. Dies
ändert die Situation aber nicht.
Also gilt es, persönlich das Beste
Die Entscheidung zur Betriebsaufgabe oder -veränderung sollte wohlüberlegt sein. Werden einkommensrelevante Betriebszweige aufgegeben, ist ein
solcher Schritt meistens nicht mehr rückgängig zu machen.
aus einer gegebenen Situation zu
machen.
Gerade in den Phasen von Entscheidung und Umsetzung unterscheiden sich unternehmerisch
denkende Landwirte von ihren Berufskollegen. Unternehmer entscheiden sich und setzen die Entscheidung um. Dabei agieren sie
und suchen nach Alternativen und
warten nicht ab, bis andere sie
zwingen, auf eine Situation zu reagieren. Reich ist derjenige, der Alternativen hat.
Überhaupt ist die rasche Umsetzung von wesentlicher Bedeutung. Stellen wir doch in unserer
Beratung immer wieder fest, dass
zögerndes Handeln viele Tausende
Euro kosten kann.
Sich bietende
Chancen nutzen
Einkommensrechnungen im Rahmen von Aufgabebilanzen zeigen
immer wieder, dass über eine Verpachtung, nach Abzug aller Kosten, ein gleich hohes Einkommen
wie aus der weiteren Produktion
erzielt werden kann.
Landwirte scheuen die Arbeit
nicht. Sie sind flexibel, belastbar
und gelten in der Regel als zuverlässig. Arbeitssuchende Landwirte
sind daher gefragte Arbeitnehmer.
Sie sollten sich nicht scheuen sich
dem Arbeitsmarkt zu stellen. Sie
werden schon erwartet.
FAZIT
Die geplante Betriebsaufgabe
ist eine unternehmerische Entscheidung. Über eine Aufgabe
des Betriebes sollte weder aus
dem Bauch heraus noch von
anderen entschieden werden.
Vor einer Entscheidung sind
eine Betriebsanalyse und Zukunftsplanung notwendig.
Mithilfe der Spezialisten der
sozioökonomischen Beratung
können Perspektiven aufgezeigt werden. Der Markt bietet derzeit noch gute Chancen.
Jens Rohwer
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-231
[email protected]
Seminarreihe: „Mehr Erfolg für Frauen“
Finanztipps zur Absicherung und Vermögensaufbau
Absicherung und Vermögensaufbau für Frauen, die Kasse machen
wollen. Frauen haben oft weniger
Lust am Thema Geld und kämpfen
sich nicht so gern allein durch einen komplizierten Finanzdschungel. Doch der Weg kann durchaus ein leichter sein und Spaß machen! In diesem Seminar erfahren
Teilnehmerinnen die Grundlagen
einer strategischen Geldanlage.
Sie lernen das „magische Dreieck“
sowie das Terrassenmodell kennen,
bekommen einen Überblick über
die verschiedenen Anlageformen
von A bis Z und jede Menge praktische Tipps, damit sie nicht in typisch weibliche Geldfallen tappen.
Außerdem erstellen sie ihr ganz
individuelles Finanz-Konzept, sodass am Ende des Tages der ganz
„persönliche Aktienkurs“ im Be-
reich „SelbstWert und GeldWert“
deutlich nach oben steigen wird!
Übrigens: Die Seminarsprache ist
Deutsch – und nicht Börsensprache, und trotz der Ernsthaftigkeit des Themas wird es frisch und
fröhlich zugehen. Ute R. Voß von
frau & vermögen ist die Referentin. Das Seminar findet am 9. Februar von 9.30 bis 16.30 Uhr in der
Landwirtschaftskammer Schles-
wig-Holstein, Grüner Kamp 15 - 17
in Rendsburg statt. Kosten: 60 €,
werden aus Mitteln der EU (Eler)
und des Landes Schleswig-Holstein
(Melur) und der Landwirtschaftskammer gefördert. Anmeldungen unter Landwirtschaftskammer,
Tel.: 0 43 31-94 53-212, E-Mail: semi​
[email protected]
Doris Baum,
Landwirtschaftskammer