Whiskey_Tasting_2016

Lokales
Dienstag, 15. März 2016 - 63 - Seite
Es muss genussvoll knallen
Guten Morgen,
liebe Leser!
Die Stadt Bad Nauheim hat neulich
per Anzeige eine/n Baufacharbeiter/in
und eine/n Baumpfleger/in gesucht,
optisch dargestellt durch Säge und Heckenscheren und ergänzt durch den
Begriff »European Tree Worker/in«.
Mmh. Muss der oder die »Worker/in«
aus Europa kommen? Dürfen die nur
europäische Bäume »beworken«?
Der Trend geht zur skurrilen Stellenausschreibung. So erzeugt man mehr
Aufmerksamkeit. Eine Kita
in Regensburg
suchte neulich
eine/n »Erzieher/in in Gruppenleiterfunktion«, der/die »gerne bei 300 Dezibel« arbeitet, das Wort »Nein« in 24
Sprachen beherrscht und das permanente Sitzen auf Zwergenstühlen verkraftet. »Wir bieten den ganz normalen
Kita-Wahnsinn!« Einen etwas andersgearteten Wahnsinn versprach das
Gruselkabinett »Hamburg Dungeon«,
als es nach einer »Pestleiche« suchte:
Geboten werde »ein Arbeitsplatz, der
abgeht wie die Pest, schreckliche Kollegen sowie düstere Keller«. Nun ist
unser Rathaus trotz mancher Unkenrufe kein Gruselkabinett, und den »European Tree Worker« gibt es wirklich.
Das ist ein/e in 21 europäischen Länder/innen anerkannte/r Abschluss/in
und sollte nicht mit dem/der »European Sprachschöpfer/in« verwechselt
werden. Letztere/r hängt überall weibliche Wortendung/innen an, unabhängig davon, ob das grammatisch richtig
ist oder nicht. Die »Workerin« gibt es
übrigens im Englischen nicht, sie heißt
dort schlicht »female worker«. Aber
Aufmerksamkeit erregt hat die Stellenanzeige auf jeden Fall.
(jw/Foto: pv)
Whiskey oder Whisky? Pur
oder verdünnt? Und wie
heißen nochmal diese
ungeliebten Nachbarn, denen
die Iren beim Trinkspruch die
Krätze an den Hals wünschen?
Antworten auf diese Fragen
gab Julia Nourney beim
Whiskey-Tasting der
Deutsch-Iren in Dorheim.
Von Jürgen Wagner
J
ulia Nourney hebt das Glas: »Mögen sie
gequält werden durch ein dauerhaftes Jucken, ohne die Möglichkeit sich zu kratzen!«
Das gilt den Usurpatoren von der Nachbarinsel. Den Namen nimmt kein Ire in den
Mund, stattdessen aber den geliebten Whiskey. Knapp 20 Kenner und Neulinge sitzen
im Dorheimer Bürgerhaus, alle nehmen den
ersten Schluck vom »Quiet Man«, einem
40-prozentigen Traditional Irish Blend, der,
wenn man ihn langsam im Gaumen kreisen
lässt und dann tief Luft
holt, einen ganz schummrig
macht.
Whiskey-Verkostung? Klar, denke ich mir:
Dabei geht’s doch nur darum, sich die Birne vollzudröhnen. Es muss knallen,
sonst kann man auch Apfelsaft trinken. Aber da liege
ich völlig daneben.
»Beim Whiskey geht es um
ein Genusserlebnis«, sagt
Julia Nourney Nourney und erzählt, sie
habe »heute Morgen schon
zwölf Grappa und sechs Obstbrände verkostet.« Ihre Augen sind völlig klar, sie nuschelt
auch nicht und steht fest auf beiden Beinen.
Die Spirituosenfachfrau aus Oberursel ist
gewissermaßen professionelle Trinkerin –
und spuckt das meiste wieder aus, nachdem
sie es verkostet hat. Zum dritten Mal haben
die Deutsch-Iren sie am Vorabend des St. Pa-
3
Dinge, die ich im
Wetteraukreis
heute wissen muss:
1 Flüchtlingsunterbringung
Der Bad Nauheimer Ausländerbeirat befasst sich ab 19.30 Uhr im alten Rathaus
mit dem Thema Flüchtlingsunterbringung.
2 Bilder aus Kenia
In der Friedberger Stadthalle gibt es ab 20
Uhr eine Multivisions-Schau mit Bildern
aus Kenia zu sehen.
3 Entlang der Wetter
Frank Uwe Pfuhl hat ein Buch über die
Wetter geschrieben, das er um 19.30 Uhr
bei Bindernagel in Butzbach vorstellt.
Es ist angerichtet: Jeweils 2 cl von sechs verschiedenen Whiskeys werden probiert.
Diebe bedienen sich
bei Energydrinks und Schoko
Friedberg (pob). 40 Dosen eines Energydrinks, Schokoriegel, Wasserflaschen und
etwas Bargeld – anscheinend waren die
Diebe hungrig, die in der Nacht auf Sonntag in eine Kfz-Werkstatt in der Pfingstweide einstiegen. Zwischen 17 Uhr am
Samstagabend und 10 Uhr am Sonntagmorgen warfen sie eine Scheibe ein, um
sich in den Werkstatträumen bedienen zu
können. Der Sachschaden liegt laut Polizei
bei rund 700 Euro. Hinweise an die Polizei
unter Tel. 0 60 31/60 10.
Exhibitionist auf Spielplatz
Bad Nauheim (pob). Erst jetzt wurde der
Polizei bekannt, dass am Sonntag, 6. März,
eine Frau einen Exhibitionisten auf dem
Spielplatz An der Bleiche beobachtet hatte.
Der Mann soll dunkelhäutig, schlank und
etwa 20 Jahre alt sein und kurze, schwarze,
gelockte Haare haben. Der Mann fiel der
anonymen Hinweisgeberin um 10.15 Uhr
auf. Die Polizei bittet unter Tel. 0 60 31/
60 10 um weitere Hinweise.
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19
Die Whiskey-Herstellung ist eine Wissenschaft für sich, das Whiskey-Trinken hingegen ein
Genuss, der auch Neulinge wie Harald Bernd begeistert.
(Fotos: Wagner)
trick’s Day zum Whiskey-Tasting eingeladen.
Man könnte dazu auch Whiskey-Talking sagen. Nourney, seit 24 Jahren im Gewerbe,
Buchautorin und auf der Grünen Insel bekannt wie ein bunter Irish Setter, erzählt
zwei Stunden lang allerhand Geschichten
rund um das »Wasser des Lebens«.
Der Name leitet sich vom lateinischen
»Aqua vitae« ab, erfunden haben es Mönche.
Die wussten schon immer, was dröhnt, erfreuten sich an vergorenem Brot, brauten
erst einen Brottrunk und ließen dann das
Brot weg. Aus dem gälischen Wort »uisce
beatha« (gesprochen: ischke bea) wurde im
Laufe der Zeit Whiskey. Die Schotten und
diese anderen Nachbarn, die beim Elfmeterschießen immer verlieren, haben das »e« aus
dem Namen eliminiert, und das ist noch das
kleinste Übel dieser Warmbier-Trinker.
Wie man Whiskey richtig riecht
Julia Nourney hat ein enormes Fachwissen,
ich komme beim Mitschreiben kaum mit.
Grain Whiskey, Blended Whiskey, »Pure Pot
Still«-Destillation, Malz und Rohgetreide,
Torf als Brennmaterial beim Destillieren
oder – und da ziehen sich bei den hartgesottenen Whiskey-Fans die Stirnfalten zusammen – Mais als Grundstoff: Whiskey-Herstellung ist eine Wissenschaft für sich, die, wie
eine junge Frau verrät, neulich im Fernsehen
bei »Frag doch mal die Maus« erklärt wurde.
Was sind das für Kinder, die den Fernsehleuten solche Fragen stellen?
Whiskey spricht gleich mehrere Sinne an.
Nourney zieht Korken aus Flaschen, mal
macht es »Plopp«, mal eher »Plong« oder
»Sltsch«. Sie erklärt, dass frisches Destillat
weiß wie Wasser aussieht und die Farbe von
den Eichenfässern stammt. Will man Whiskey riechen, muss man das kleine, bauchige
Glas schräg halten und drehen. Dann bilden
sich Nasen. Je älter und öliger der gute Trop-
fen, desto langsamer laufen die Nasen am
Glasrand herab. Während mein Nachbar, offensichtlich ein Kenner, Fachvokabular wie
»voluminös«, »süß«, »weich aufgestellt« und
»toffy« bemüht, denke ich mir: Riecht wie
Whiskey. Ein anderer Fachmann spricht vom
»inneren Desinfektionsmittel« und vom
»Rohrreiniger«. Er hat schon vor dem Tasting
eine rote Nase, also auch er ein Kenner. Vier
irische Whiskeys werden probiert, dann folgen zum Vergleich zwei US-amerikanische
Produkte. Brrrr! Wo bleibt denn da der Genuss? »Ich brauch Cola«, ruft der Typ mit der
roten Nase. Sonst kann man das Zeug kaum
runterspülen. Während die Blicke der Tester
schläfriger und die Bewegungen fahriger
werden, erzählt Nourney von irischen Auswanderern, denen im Wilden Westen statt
Roggen oder Weizen nur Mais zur Verfügung
stand. Macht aber nichts. »Es ging immer
nur darum, dass es knallt.« Sag ich doch!
Aber betrunken ist nachher niemand. Bei
sechsmal 2 cl ist das auch kaum möglich.
Die Spirituosenfachfrau
Die Spirituosenfachfrau Julia Nourney beschäftigt sich seit 24 Jahren mit Whiskey,
Grappa, Obstbrand und anderen Spirituosen, hält Vorträge, lädt zu Verkostungen ein,
publiziert in der Fachpresse. 2007 wurde sie
vom Gourmet-Magazin »Der Feinschmecker« und der schottischen Brennerei Glenfiddich mit dem Titel »Whisky-Kenner des
Jahres« ausgezeichnet. Die Deutsch-Iren
haben sie bereits dreimal zu Whiskey-Tastings eingeladen. »Der Termin spricht sich
herum, die Plätze sind schnell vergeben«,
sagt Julia Blatt von den Deutsch-Iren. Die
feiern im nächsten Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. »Dann gibt es wieder ein WhiskeyTasting«, verspricht Blatt.
(jw)
Ein Schlag im Nebel
Autofahrer akzeptiert nach Unfall an Ampel nun doch den Strafbefehl
Friedberg (jwn). Wer hat den Unfall im Dezember an der Ampel in Dorheim tatsächlich
verursacht? Wegen der schwierigen Beweislage und da eine noch höhere Strafe drohte,
hat der Autofahrer den Strafbefehl gegen
ihn dann doch akzeptiert. Da es keine Zeugen gab und am Ende Aussage gegen Aussage stand, hätte das Amtsgericht Friedberg
nur nach der höheren Glaubwürdigkeit urteilen können: Entweder nach der des
38-jährigen Autofahrers Murat K. oder nach
der der 80-jährigen Fußgängerin Gertrud F.
(Namen von der Redaktion geändert).
K. behauptete, am 9. Dezember vergangenen Jahres gegen 7.15 Uhr bei starkem Nebel
auf der Wetterauer Straße in Richtung Friedberg unterwegs gewesen zu sein. An der mit
einer Ampelanlage versehenen Fußgängerüberführung auf der Wetterauer Straße in
Höhe der Hausnummer 28 habe es plötzlich
einen Schlag gegeben. Er habe sofort seinen
Kastenwagen gestoppt und die 80-jährige
Gertrud F. auf der Straße liegen sehen. Wie
K. weiter aussagte, habe er sich sofort rührend um sie gekümmert und auch angeboten,
sie ins Krankenhaus zu fahren.
Doch habe die Frau dies zunächst abgelehnt. Vor Gericht
beteuerte K. mehrmals, dass er
die Frau zuvor nicht gesehen
habe, zumal seine Ampel auch
Grün angezeigt, er also freie
Fahrt gehabt habe. Die Geschädigte hingegen behauptete, ihre Fußgängerampel habe Grün gezeigt, als sie die Straße
überquerte. Kurz vor Erreichen des gegenüberliegenden Bürgersteigs habe es dann einen Schlag gegeben, der sie von den Beinen
keinen Menschen auf der Straße gesehen.
Außerdem hatte ich Grün«, wiederholte er
mehrfach. Er könne es sich nur so erklären,
dass die alte Dame nach dem Überqueren
der Straße versehentlich – oder weil sie das
Gleichgewicht verloren habe – noch einmal
einen Schritt zurück auf die Straße gesetzt
habe. Dabei habe er sie mit dem Rückspiegel
erwischt. Denn der sei daraufhin eingeknickt
gewesen.
Urteil wäre eventuell härter
An dieser Ampelanlage in Dorheim ereignete
sich am 9. Dezember der Unfall. (Foto: jwn)
gerissen habe. Durch den Aufprall oder
durch den Sturz habe sie sich eine Fraktur
des Handgelenks und Prellungen sowie eine
Schürfwunde am Unterarm zugezogen. »Ich
bin noch gut zu Fuß und brauche nicht länger zum Überqueren der Straße als andere
Fußgänger«, versicherte die rüstige 80-Jährige. »Und ich schwöre, dass die Fußgängerampel auf
Grün stand. Denn sonst wäre ich
nie auf die Straße getreten. Das
habe ich in meinem Leben noch
nie gemacht. Wofür gibt es denn
sonst Ampeln?«, sagte die Rentnerin aus.
K. hatte nach dem Unfall einen Strafbefehl
in Höhe von 500 Euro erhalten, gegen den er
Einspruch einlegte. »Als ich mich an diesem
Morgen dem Zebrastreifen näherte, habe ich
Da es keine Zeugen gab und die alte Dame
versicherte, die Straße zügig überquert und
ganz normal die andere Straßenseite erreicht
zu haben, unterbrach Richterin Dr. Gerlinde
Kimpel die Verhandlung und gab dem Angeklagten noch einmal die Gelegenheit, sich
mit seinem Rechtsanwalt über die Rückziehung des Einspruchs zu beraten. »Da die Geschädigte bei dem Unfall Knochenbrüche
und Schürfwunden davongetragen hat und
längere Zeit in ihrer Bewegungsmöglichkeit
beeinträchtigt war, wird ein Urteil möglicherweise härter ausfallen als der Strafbefehl, da es auch keinerlei Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Geschädigten gibt«,
sagte die Richterin.
Der Verteidiger brauchte dann nicht allzu
lang, um seinen Mandanten von den Vorzügen dieses Tipps zu überzeugen. Als auch
noch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft
erklärte, mit der Rückziehung des Einspruchs einverstanden zu sein, konnte die
Richterin die Akte mit dem Vermerk »erledigt« zuklappen.