Münchner Merkur vom 14.09.2015: Schneller

Das Wür
Montag, 14. September 2015 | Nr. 211
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ASYLBEWERBER
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Schneller Deutsch
lernen im Netz
Gute Ideen ziehen ihre
Kreise manchmal fast
von selbst. Wie zum Beispiel die den Deutschunterricht für Asylbwerber
begleitenden InternetLektionen. Der Verein
Asylplus hat nun ein
Computerzentrum in
Gräfelfing eröffnet, eine
Starnberger Firma stellt
die wichtigste Lern-Software.
VON ANDREAS BRETTING
Gräfelfing – „Schnell wie die
Feuerwehr“ – im Würmtal gilt
dieser gängige Spruch nun
auch fürs Erlernen von
Deutsch. Das soll nun für
Migranten besonders schnell
gehen. Dafür sorgt der Verein
Asylplus mit seinem jetzt eröffneten Computerzentrum
in Gräfelfing – passend fürs
hohe Tempo ausgerechnet im
Feuerwehrhaus.
„Am 30. August haben wir
begonnen, die ersten sechs
Computer aufzustellen, und
inzwischen haben wir die
Menge bereits verdoppelt.“
Thomas von Rüden, Vorsitzender von„Asylplus, ist stolz
auf die Geschwindigkeit –
und auf die vielen Mitstreiter.
Denn dass Gräfelfing für ein
Computerlernzentrum
für
Asylbewerber zum Pilot-
standort in der Region München werden würde, war
nicht selbstverständlich.
Viele gegenseitige Befruchtungen haben vor dem Start
des Zentrums stattgefunden.
Zum Beispiel ein Treffen des
Asyl-Helferkreises PlaneggKrailling, bei dem die Notwendigkeit erkannt wurde, eine eigene Gruppe in Gräfelfing aufzubauen. Dann die
Vorbesprechungen dazu, wobei auch neue Unterstützungsmöglichkeiten
diskutiert wurden. Und dann der
Zufall, dass jemand das
Sprachlernkonzept von Asylplus auf den Tisch legte – oder
auch kein Zufall, denn gleich
zwei Funktionsträger des
Vereins leben in Gräfelfing:
der Vorsitzende Thomas von
Rüden und der Schatzmeister
Ole Schultheis.
Über die Unternehmerin
Ute Zima lief der Kontakt zu
den Asylanten an, über den
Münchner Landrat Christoph Göbel der Kontakt zur
Politik. Und der verlief wohlwollend, denn seit einer vom
Sozialausschuss des Landtags angenommenen Petition
gelten
computergestützte
Sprachkurse quasi amtlich
als unterstützenswertes Projekt. Göbel ermutigtedazu,
dass mal jemands einen geeigneten Raum mit WLAN
für einen Musterversuch zur
Verfügung stellen solle – da
brachte die Gräfelfinger Feu-
erwehr ihren Gruppenraum
ins Spiel.
Max Gschneidinger ist einer der Tutoren – „man könnte auch sagen: Lehrer“ –, der
sich vor Ort um die Kursteilnehmer kümmert. Denn ganz
allein gelassen mit den Computern werden die Asylbewerber nicht. „Manche kennen überhaupt keine lateinischen Buchstaben, manche
kommen auch ohne tiefere
Schulbildung, da braucht es
anfangs viel Unterstützung.“
Verwendet werden übers Internet abrufbare Online-Bausteine des Goethe-Instituts,
der Deutschen Welle und des
der Starnberger Goethe-Verlag GmbH. „Aus Starnberg
kommt book2, unsere wichtigste Lernplattform“, sagt
Thomas von Rüden.
Asylplus sucht OnlineLernbausteine zusammen, die
gratis sind, denn der Verein
arbeitet nach dem Prinzip der
kleinstmöglichen
Kosten.
„Die einzige größere Ausgabe
in unserem Verein ist das Entgelt für unseren syrischen ITAngestellten – der arbeitete
zuvor in einer westlichen Botschaft in Damaskus.“
Auch die Aktiven des omputerzentrums haben interessante Vergangenheiten: Der
ehrenamtliche
Organisator
des
Lehrer-Teams,
Max
Gschneidinger (71), arbeitete
als Jurist und Personalleiter.
Asylplus-Schatzmeister Ole
Initiieren und unterstützen Asylplus: Thomas von Rüden, Michaela Kaniber (MdL), Waltraud Haase, Gabi Schmid (MdL) und Muafaq AlMufti.
FOTO: KAJA SKORKA/FKN
Schultheis (68) war Inhaber
der Starnberger Buchhandlung Bücherjolle, und Asylplus-Vorsitzender
Thomas
von Rüden (58) war stellvertretender Vorsitzender der
Geschäftsentwicklung
bei
MorphoSys. Jetzt hat er „nur
noch“ mehrere Aufsichtratsmandate inne.
Sie alle eint der Wunsch,
mit ihrem Management-Wissen Sinnvolles zu tun: Die
Vermittlung der deutschen
Sprache macheSpaß. „Wir
schauen auch immer, dass
nach einer Computer-Lektion
viel gesprochen und gelacht
wird“, sagt Gschneidinger.
Denn eines hat die Erfahrung
gelehrt: Asylbewerber, die
zum Deutschkurs gehen, werden motivierter, optimistischer, freundlicher, und sie er-
höhen ihre Chancen für eine
qualifizierte Arbeitstätigkeit.
„In Bad Tölz hat eine
44-jährige Afghanin erst den
Deutschkurs absolviert und
dann binnen kürzester Zeit
den Quali nachgeholt“, berichtet von Rüden das bislang schönste Erfolgserlebnis. Aus Bad Tölz stammt die
Idee von Asylplus, denn dort
hat die Mathematikerin und
Sprachwissenschaftlerin
Waltraud Haase die Verwendung der kostenlosen Internet-Lernbausteine zum eigenständigen Konzept entwickelt. Während im Oberland
der Landkreis und eine große
Biotechfirma Asylplus bereits finanziell unterstützen,
steht dies in der Region München-Würmtal-Starnberg
noch aus.
„Für Werbung, um Asylplus größer zum machen, geben wir aber kein Geld aus“,
sagt von Rüden, „wir denken, dass sich das Konzept
auch von selber herumspricht.“ Er scheint Recht zu
behalten: Vor kurzem war
sogar das irische Staatsfernsehen bei einem der wöchentlich sechs Sprach-Kurse. Eineinhalb Minuten der
Dubliner Hauptabendnachrichten waren in der vorigen
Woche dem Gräfelfinger
Asylplus-Computerzentrum
gewidmet.
Auf www.asylplus.de
finden sich im Ansprechpartner
und eine Bankverbindung für
Geldspenden. Auch gebrauchte
Laptops nimmt der Verein nach
Rücksprache gerne an.